4198/AB XXII. GP

Eingelangt am 12.07.2006
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Wirtschaft und Arbeit

Anfragebeantwortung

Präsident des Nationalrates

Univ. Prof. Dr. Andreas KHOL

 

Parlament

1017 Wien

 

 

                                                                                            Wien, am 11. Juli 2006

 

                                                                                                                           Geschäftszahl:

                                                                                            BMWA-10.101/0086-IK/1a/2006

 

 

In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 4323/J betreffend Aktivitäten im Bereich Mobbing, welche die Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen am 2. Juni 2006 an mich richteten, stelle ich fest:

 

 

Antwort zu Punkt 1 der Anfrage:

 

Dem Phänomen des Mobbings ist zwar nicht durch einen gesetzlichen Begriff definiert, hat aber in der Rechtsprechung und Fachliteratur bereits Niederschlag gefunden, auch wenn sich dabei noch keine einheitliche Definition herausgebildet hat.

 

Wesentlich für „Mobbing“ sind – mit teils unterschiedlicher Gewichtung oder Ausrichtung – folgende Faktoren (zitiert nach Smutny/Hopf, Mobbing- auf dem Weg zum Rechtsbegriff?, DRdA 2003, 110): „Mobbing kann sowohl von einer einzelnen Person als auch von einer Personengruppe betrieben werden. Kennzeichnend sind ungleiche Machtstrukturen in hierarchischer oder faktischer Hinsicht. Gemobbt wird aber grundsätzlich in alle Richtungen der Arbeitshierarchie, also sowohl von Vorgesetzten gegenüber Untergebenen als auch umgekehrt und unter MitarbeiterInnen derselben hierarchischen Ebene oder in Mischformen. Kennzeichnend ist auch die Systematik der Schikanen (im Gegensatz zum zufälligen, anlassbezogenen Konflikt), verbunden mit einer gewissen Häufigkeit und Dauer der Handlungen. Verfolgt wird die Isolation und schließlich der Ausschluss der gemobbten Person, sei es von    einem speziellen Tätigkeitsfeld, sei es aus dem Unternehmen oder der Organisation zur Gänze. Diesbezüglich unterscheidet sich Mobbing jedenfalls von einem allgemein schlechten Betriebsklima.“

 

Der OGH hat etwa in einem Urteil vom 17. Oktober 2002 bestimmte Handlungen gegenüber einer Arbeitnehmerin - Nichtübermittlung von Unterlagen, Falschinformation und Erteilung ungeeigneter Weisungen – als typische Mobbinghandlungen    seitens des Vorgesetzten angesehen, die das Ziel erkennen lassen, die Arbeitnehmerin systematisch auszugrenzen, ihre Stellung im Betrieb zu untergraben und sie aus dem Arbeitsverhältnis zu drängen.

 

 

Antwort zu Punkt 2 der Anfrage:

 

Mobbing betrifft in erster Linie die (privatrechtliche) Arbeitsvertragsbeziehung.

 

Arbeitnehmerschutz und damit öffentliches Recht wird nur dann und insoweit berührt, als Mobbing direkt aus der beruflichen Tätigkeit resultiert, also arbeitsbedingt auftritt. Psychosoziale Gesundheitsgefahren – deren Ursache etwa Mobbing sein kann – sind im Rahmen des geltenden Arbeitnehmerschutzrechts ausreichend berücksichtigt.

 

Insbesondere im Rahmen der Gefahrenevaluierung nach §§ 4 und 5 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz sind Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen verpflichtet, die für die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen bestehenden Gefahren (Belastungen) zu ermitteln und zu beurteilen. Das kann je nach betrieb-licher Situation auch die Gefahr von arbeitsbedingtem Mobbing sein.

 

Weiters wurde durch das Arbeitnehmerschutz-Reformgesetz 2001 die Möglichkeit geschaffen, dass Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen im Rahmen der Präventivdienstbetreuung nicht nur Sicherheitsfachkräfte und Arbeitsmediziner und Arbeitsmedizinerinnen, sondern auch sonstige geeignete Fachleute, insbesonders Arbeitspsychologen und Arbeitspsychologinnen, in Anlassfällen heranziehen können, was bei Auftreten von Mobbingfällen sinnvoller Weise erfolgen könnte.

 

 

Antwort zu Punkt 3 der Anfrage:

 

Die Arbeitsinspektorate sind seitens des Bundesministeriums für Wirtschaft und   Arbeit angewiesen, im Rahmen der Beratung der Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen auch psychosoziale Faktoren wie Stress, Gewalt am Arbeitsplatz und explizit auch Mobbing in ihre Kontroll- und Beratungstätigkeit miteinzubeziehen.

 

Im Zusammenhang mit einer österreichweiten Schwerpunktaktion der Arbeitsinspektion in Pflegeheimen 2004 und 2006, bei der ausdrücklich nachgefragt wurde,      welche Maßnahmen zur Prävention von physischer und psychischer Gewalt am   Arbeitsplatz getroffen wurden, wurde auch die Broschüre „Schwere Arbeit - leicht gemacht, ein Leitfaden für stationäre Altenpflege“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit in Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen ausgearbeitet, die auch Informationen zu Gewalt am Arbeitsplatz und speziell zu Mobbing enthält.

 

Auch im „Österreichischen Leitfaden für Sicherheits- und Gesundheitsmanagementsysteme (Ö-SGMS)“, der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern und anderen Stellen ausgearbeitet und 2004 veröffentlicht wurde, wird das Thema „Prävention von psychosozialen Belastungen“ durchgehend betont.

 

Weiterführende Informationen zu Mobbing finden sich auch auf der Homepage der Arbeitsinspektion (www.arbeitsinspektion.gv.at).

 

Die für diese Aktivitäten der Arbeitsinspektion aufgewendeten finanziellen Mittel werden nicht gesondert ausgewiesen.

 

 

Antwort zu Punkt 4 der Anfrage:

 

Nein. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es zum Thema Mobbing vergleichende Studien der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbeziehungen (Dublin) gibt, die auch Österreich berücksichtigen (z.B. „Violence, bullying and harassment in the workplace“, 2005).

 

 

Antwort zu den Punkten 5 und 6 der Anfrage:

 

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers erstreckt sich auch auf die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten. Der Arbeitgeber hat daher dafür zu sorgen, dass die Persönlichkeitssphäre der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nicht durch Mobbing beeinträchtigt wird. Wird diese Pflicht verletzt, so resultiert daraus ein Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf Unterlassung bzw. Schadenersatz.

 

Dies bestätigen auch schon mehrere Urteile des OGH (z.B. vom 26. August 2004), womit auch belegt wird, dass die geltende Rechtslage ausreichend und effektiv ist.

 

Daher halte ich eine gesetzliche Änderung bzw. Erweiterung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zum gegebenen Zeitpunkt nicht für erforderlich.

 

 

 

 

 

Antwort zu Punkt 7 der Anfrage:

 

Die geltende Rechtslage ist aus meiner Sicht ausreichend, wie auch die mittlerweile schon mehrjährige Spruchpraxis des OGH zeigt.

 

 

Antwort zu Punkt 8 der Anfrage:

 

Belästigung im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes und Mobbing sind nicht ident, Belästigungen können aber in Form von Mobbing auftreten. Vom Begriff her ist „Belästigung“ einerseits weiter als „Mobbing“, indem nicht auf systematische Verhaltensweisen abgestellt wird, sondern schon ein einmaliger Übergriff eine Belästigung sein kann, andererseits aber natürlich enger, weil das Gleichbehandlungsgesetz nur Belästigungen aus bestimmten Motiven erfasst.

 

Daraus ergibt sich zwingend, dass das Gleichbehandlungsgesetz Mobbing nicht umfassend erfassen kann und auch nicht darauf abzielt. Wie oben dargestellt, dienen aber andere Regelungen des Arbeitsrechts – insbesonders die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers – zur Bekämpfung oder Prävention von Mobbing.

 

 

Antwort zu Punkt 9 der Anfrage:

 

Spezifische gesetzliche Regelungen zu „Mobbing“ gibt es in Schweden, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Finnland.

 

 

Antwort zu Punkt 10 der Anfrage:

 

Erreichen Mobbinghandlungen ein solches Ausmaß, dass damit strafrechtlich relevante Tatbestände – wie etwa Körperverletzung – erfüllt werden, so sind sie strafgerichtlich zu ahnden. Neben den bestehenden Tatbeständen einen weiteren Straftatbestand „Mobbing“ zu schaffen, halte ich nicht für zielführend. Auf die Beratungs-leistungen der Arbeitsinspektion wurde schon hingewiesen. Besonders aufgerufen, hier aktiv zu werden, sind aber auch die Betriebspartner im Sinne der Schaffung  einer positiven Arbeitsumwelt, die Mobbing und andere Gewaltphänomene von    vornherein verhindert.