4304/AB XXII. GP

Eingelangt am 27.07.2006
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BM für Verkehr, Innovation und Technologie

 

Anfragebeantwortung

 

GZ. BMVIT-10.000/0022-I/PR3/2006     DVR:0000175

 

An den

Präsidenten des Nationalrates

Dr. Andreas Khol

 

Parlament

1017   W i e n

 

Wien, 25. Juli 2006

 

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

 

Zur schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 4337/J-NR/2006 betreffend Kundenvertreibungsschritte im Bereich Nahverkehr der ÖBB-Personenverkehr AG, die die Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde am 2. Juni 2006 an mich gerichtet haben, darf ich anmerken, dass gemäß Art. 52 Abs.1 B-VG und § 90 erster Satz des Geschäftsordnungsgesetzes 1975 der Nationalrat befugt ist, die Geschäftsführung der Bundesregierung zu überprüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen.

 

Art. 52 Abs. 2 B-VG sieht vor, dass sich das Fragerecht des Parlaments hinsichtlich ausgegliederter Rechtsträger nur auf die Rechte des Bundes (z.B. Anteilsrechte in der Hauptversammlung einer AG) und auf die Ingerenzmöglichkeiten des Bundes bezieht, nicht jedoch auf die operative Tätigkeit der Organe juristischer Personen, die von den Eigentümervertretern bestellt wurden.

 

Das bedeutet, dass die von Ihnen gestellten Fragen bezüglich beispielsweise der Benutzerfreundlichkeit der Fahrscheinautomaten der ÖBB, der konkrete Einsatz von Fahrbetriebsmittel (Diesel versus Elektrolok), oder die Qualität der Verkehrsplanung in den Bundesländern nicht vom Interpellationsrecht umfasst sind, da sie sich ausschließlich auf Handlungen von Unternehmensorganen beziehen. Sie wären daher auch von diesen zu beantworten.

 

Unabhängig davon möchte ich dennoch Folgendes anmerken:

 

Fragen 1 bis 3:

Die „Kronen Zeitung“ berichtete mehrfach und umfangreich vom Ärger mit den neuen Selbstbedienungs-Strecken. Grund der Aufregung ist folgende neue – auf der Homepage der ÖBB nachzulesende – Regelung: „Sollten Sie im Zug ohne gültiger Fahrkarte angetroffen werden, muss der Mitarbeiter der ÖBB zusätzlich zur Fahrkarte eine Kontrollgebühr von 60,- EUR verrechnen.“

 

Für viele ist neben dieser „Strafsteuer“ – wie es zB die Krone nennt – die grotesk anmutende Regelung zur Bezahlung der Fahrkarten ein Ärgernis. Die ÖBB erläutern: „Bei der Bezahlung in Bar ist zu beachten, dass der Ticketautomat maximal 9,90 Euro Rückgeld gibt. Abhängig vom zu zahlenden Betrag werden 20 Euro Noten ab einem zu zahlenden Mindestbetrag von 10,10 Euro, 50 Euro Noten ab einem Mindestbetrag von 40,10 Euro und 100 Euro Noten ab einem Mindestbetrag von 90,10 Euro angezeigt und akzeptiert. 10 Euro und 5 Euro Noten werden immer akzeptiert. Die kleinste akzeptierte Münze ist die 10 Euro Cent Münze.“

 

Für die Krone ist klar: „Das Unternehmen strengt sich, so scheint’s , derzeit ganz besonders an, um seine Fahrgäste zu vergraulen.“ Eine vom Verkehrsministerium einberufene Krisensitzung nahm sich der Themen „Strafgebühr, Fahrschein-Automaten“ an, berichtet die Tageszeitung. Ergebnis der Besprechung: Es wurde eine regelmäßig tagende Arbeitsgruppe zusammengestellt und es sollen 130 neue Fahrscheinautomaten aufgestellt und kaputte schneller repariert werden. Weiters soll die Ausgabe des Wechselgeldes verbessert werden.

Was ist in Umsetzung der erwähnten Ergebnisse der „Krisensitzung“ bereits konkret geschehen, nachdem sich seit dem Wunsch des BMVIT (Krone vom 8.2.2006) – nicht ganz untypisch – nichts Wahrnehmbares zugunsten der ÖBB-Kunden geändert hat?

 

„Kontrollgebühr nicht unumstritten“

 

Laut § 15 Eisenbahnbeförderungsgesetz ist es – so meinen Juristen übereinstimmend – fraglich, ob diese „Kontrollgebühr“ überhaupt in allen Fällen legal eingehoben wird.

 

a)      Ist Ihnen bekannt, dass die Kontrollgebühr im Lichte der erwähnten Passage in §15 Abs 7 Eisenbahnbeförderungsgesetz sehr fragwürdig ist?

b)      Ist Ihnen weiters bekannt, dass die Kontrollgebühr auch im Tarif der ÖBB Personenverkehr AG nicht enthalten ist, was im Zusammenhang mit §15 Eisenbahnbeförderungsgesetz die Rechtmäßigkeit der Einhebung der Kontrollgebühr weiter in Frage stellt?

c)      Sind Ihnen die gesetzlichen Möglichkeiten des BMVIT im Bezug auf den Tarif bekannt? Wenn ja, weshalb tun Sie nichts, um die ÖBB zu einer gesetzeskonformen Vorgangsweise im Zusammenhang mit der „Kontrollgebühr“ auf sogenannten „Selbstbedienungsstrecken“ anzuhalten?

 

Was haben Sie getan bzw. werden Sie bis wann tun, um den Fahrgästen, von denen möglicherweise gesetzwidrig Kontrollgebühren abverlangt wurden, eine entsprechende Entschädigung zu verschaffen?

 

Antwort:

Ungeachtet dessen dass die operative Handhabung dieser Tariffragen Unternehmenssache ist und nicht in die Verantwortung des bmvit fällt, habe ich mir zunächst berichten lassen, dass die angesprochene Kontrollgebühr von der ÖBB-Personenverkehr AG selbstverständlich in ihrem Tarif geregelt worden ist.

 

Was die Gesetzesgrundlage des § 15 Eisenbahnbeförderungsgesetz anlangt, ist die von Ihnen zitierte Regelung auf die Ausgabe von Fahrausweisen vor Zugsabfahrt bei Schalter bzw. Kassen abgestellt. Die Ausgabe bei Automaten ist in einer anderen Bestimmung verankert. Die Ausgabe bei Automaten, so sie bereitstehen, erfolgt kontinuierlich. Steht kein
Automat bereit oder fällt er aus, so hat die ÖBB-Personenverkehr AG versichert, dass die Zugbegleiter informiert werden und den Passagieren natürlich die Fahrkarten im Zug verkaufen. Sollte ein Passagier die Kontrollgebühr zu Unrecht bezahlt haben, erhält er sie von der ÖBB-Personenverkehr AG rückerstattet.

Von der in engen gesetzlichen Grenzen bestehenden Möglichkeit zur behördlichen Anordnung in Tariffragen muss ich daher nicht Gebrauch machen.

 

Fragen 4 und 5:

Können Sie ausschließen, dass Sie §15 Eisenbahnbeförderungsgesetz zum Nachteil der Fahrgäste ändern werden, zB auf Zuruf von Vorständen aus dem ÖBB-Konzern?

 

Werden Sie in den verbleibenden Wochen Ihrer Amtsführung endlich damit beginnen, eine vernünftige Nahverkehrs-Politik zu machen, und werden Sie in diesem Zusammenhang auf den Vorstand der ÖBB Personenverkehr AG dahingehend einwirken, dass derlei rechtlich fragwürdige Kundenschikanierungsmanöver unterlassen werden?

 

Antwort:

Angesichts der über meine Nachfrage hin aufgeklärten Sachlage bedarf es aus meiner Sicht keiner weiteren Initiative, auch nicht zu einer anlassfallbezogenen Änderung der Gesetzesgrundlage.

 

Abschließend halte ich fest, dass die Problematik betreffend Selbstbedienungsstrecken dem bmvit nicht nur aus Pressemeldungen wie den zitierten, sondern auch aus direkt an das bmvit gerichteten  Beschwerden bekannt ist. Es ist unbestritten, dass die Personalkosten der ÖBB als größter Kostenblock selbstverständlich – wie auch in anderen europäischen Ländern üblich – durch Rationalisierungsmaßnahmen wie die Automation der Fahrscheinausgabe reduziert werden müssen. Dabei ist eine schwierige Gratwanderung zwischen wirtschaftlichen Gesichtspunkten einerseits und kundenfreundlichen andererseits zu beschreiten.

 

 

Mit freundlichen Grüßen