4402/AB XXII. GP

Eingelangt am 21.08.2006
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0037-Pr 1/2006

 

An den

                                      Herrn Präsidenten des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 4432/J-NR/2006

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Nahrungsergänzungsmittel/Gefälschte Arzneimittel – Doping & Gesundheitsgefährdung – Gerichtliche Verfahren“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Im Jahr 2005 wurden sechs Anzeigen wegen § 84a Arzneimittelgesetz (AMG) erstattet; diese teilen sich auf die einzelnen Staatsanwaltschaften wie folgt auf:

Staatsanwaltschaft Linz (1), Staatsanwaltschaft Innsbruck (3), Staatsanwaltschaft Leoben (1), Staatsanwaltschaft Klagenfurt (1). Befasste Gerichte waren die Landesgerichte Innsbruck und Leoben sowie das Bezirksgericht Hall in Tirol (je 1 Verfahren).

Zu 2:

In einem Verfahren der Staatsanwaltschaft Innsbruck wurde auch wegen §§ 146, 147 Abs. 2, 148 und 177 StGB ermittelt (schwerer, gewerbsmäßiger Betrug und fahrlässige Gemeingefährdung). Im Verfahren der Staatsanwaltschaft Linz wurde auch dem Verdacht nach §§ 15, 83 StGB (versuchte Körperverletzung) nachgegangen.

Zu 3 und 4:

Insgesamt wurden fünf Anzeigen – teils nach Vorerhebungen – gemäß § 90 Abs. 1 StPO zurückgelegt. In drei Fällen lag kein tatbildliches Handeln im Sinne des § 84a AMG vor, in zwei Fällen wurde die subjektive Tatseite als nicht nachweisbar erachtet.

Zu 5:

Im Jahr 2005 kam es zu keiner rechtskräftigen Verurteilung nach § 84a AMG.

Zu 6:

In keinem Fall.

Zu 7:

Ein Verfahren, das hinsichtlich eines zur Aufenthaltsermittlung ausgeschriebenen Verdächtigen abgebrochen ist.

Zu 8:

Die Beurteilung der Schadenersatzansprüche von Sportlern, die verunreinigte Nahrungsergänzungsmittel zu sich genommen haben und deshalb gesperrt worden sind, wird ganz wesentlich von den Umständen des Einzelfalls abhängen. Allenfalls kann in solchen Rechtsstreitigkeiten auch das Produkthaftungsgesetz eine Rolle spielen. Dabei wird freilich zu beachten sein, dass dieses Haftungsgesetz nur einen Mindestschutz gewähren soll und vor allem nicht bloße Vermögensschäden abdeckt (OGH in RdW 2001/35, 21). Diese Beschränkung des Schutzumfangs ist durch die dem Produkthaftungsgesetz zugrunde liegende Produkthaftungsrichtlinie vorgegeben, von deren Standards die Mitgliedstaaten nicht zu Gunsten der Verbraucher und Geschädigten abweichen können. Unberührt bleiben allerdings die allgemeinen Regelungen für die Haftung aus Verschulden. Dabei können einem gesperrten Sportler unter Umständen auch die Erleichterungen in der vertraglichen Haftung zugute kommen.

Zu 9:

Dieses Verfahren wurde mangels Nachweisbarkeit der subjektiven Tatseite bei den Importeuren der „Super complete capsules“ eingestellt. Die Importeure gaben an, sie hätten von ihren amerikanischen Geschäftspartnern regelmäßig Gutachten und Zertifikate über die Unbedenklichkeit der importierten Produkte verlangt. Tatsächlich ergab sich aus den von den Importeuren vorgelegten Bestätigungen, dass keine der auf der Dopingliste stehenden Substanzen in den Produkten enthalten seien.

Zu 10:

Nein, weil der Verdacht eines Finanzvergehens nicht indiziert war.

Zu 11:

Ja.

Zu 12:

In den im Jahre 2005 anhängig gewordenen Verfahren wurden Verwaltungsbehörden in drei Fällen verständigt (in zwei Fällen die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde, in einem Fall die Veterinärabteilung beim Amt der Kärntner Landesregierung). In zwei Fällen unterblieb eine derartige Mittelung.

Zu 13 und 14:

Mit dem – auf einem Initiativantrag von ÖVP, F-BZÖ und SPÖ beruhenden - Anti-Doping-Bundesgesetz vom 19.5.2006, BGBl. I Nr. 64, mit dem das Bundes-Sportförderungsgesetz 2005, BGBl. I Nr. 143, geändert wurde, wurden Bestimmungen über Prävention, Forschungsförderung, Aufklärung und Kontrollen, die Schaffung einer Unabhängigen Dopingkontrolleinrichtung sowie Disziplinarmaßnahmen (§ 22) und verwaltungsstrafrechliche Bestimmungen gegen Blut- und Gendoping (§ 26) vorgesehen; die bestehenden Strafbestimmungen der § 84a iVm § 5a AMG – dieser Straftatbestand wurde erst durch BGBl. Nr. I 2002/33 eingeführt – und § 6a iVm § 2a RezeptpflichtG blieben unberührt. Weitere Verschärfungen wurden vom Gesetzgeber offenbar für nicht erforderlich gehalten.

Inwiefern der Entfall der Worte "zu Dopingzwecken im Sport" in § 84a und in § 5a AMG zu einer einfacheren Verfolgung führen könnte, wie in der Anfrage angenommen, bedürfte noch einer eingehenden Prüfung. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es unter den zahlreichen in Betracht kommenden Substanzen viele gibt, die auch zu anderen Zwecken verwendet werden können. Beispielsweise handelt es sich häufig um Wirkstoffe, die auch zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt werden können (vgl. den Ausnahmetatbestand in § 5a Abs. 2, der jedenfalls beizubehalten sein wird). Jedenfalls in diesem Bereich kann sich daher die Anklage immer mit dem Argument des Beschuldigten konfrontiert sehen, er habe die Arzneimittel nicht zu Zwecken des Dopings in Verkehr gesetzt.

Im Übrigen stellt das Erfordernis des Vorsatzes in Bezug auf die Verwendung "zu Dopingzwecken im Sport" auch kein übergroßes Hindernis für die Anklage dar: es genügt dolus eventualis (§ 5 Abs. 1 StGB)

Die Anti-Doping-Konvention 1991, BGBl. Nr. 451, verpflichtet in Art. 1 die Vertragsparteien, innerhalb der jeweiligen verfassungsrechtlichen Grenzen jene Maßnahmen zu ergreifen, die zur Anwendung der Bestimmungen dieses Übereinkommens notwendig sind; nach Art. 4 müssen die Vertragsstaaten gegebenenfalls Gesetze, Bestimmungen oder Verwaltungsmaßnahmen erlassen, um den Zugriff auf verbotene pharmakologische Wirkstoffgruppen und -methoden und insbesondere auf anabole Steroide sowie die Anwendung dieser Wirkstoffe und Methoden einzuschränken. Die Vertragsstaaten sind jedoch nicht verpflichtet, Strafbestimmungen einzuführen.

Bereits derzeit sind im Arzneimittelgesetz (AMG) teils empfindliche Verwaltungsstrafen vorgesehen. Auch ist zu bedenken, dass für all jene Substanzen, die unter das Regime des Suchtmittelgesetzes (SMG) fallen und für Doping verwendet werden, die Bestimmungen des SMG – samt den teils sehr strengen Strafdrohungen, aber auch den dort vorgesehenen gesundheitsbezogenen Maßnahmen – zur Anwendung kommen. Weiters sind auch die im gegenständlichen Zusammenhang anwendbaren Strafbestimmungen des Strafgesetzbuches (StGB), vor allem die Delikte der Gemeingefährdung (§§ 176, 177), aber auch sonstige Straftatbestände des StGB, zu berücksichtigen. Viele der in Rede stehenden Verhaltensweisen sind daher bereits durch bestehende strafrechtliche Vorschriften erfasst.

Aus den angeführten Gründen ist das Bundesministerium für Justiz der Ansicht, dass für den Bereich des gerichtlichen Strafrechts kein Handlungsbedarf besteht, zumal der Straftatbestand des § 84a AMG, der das In-Verkehr-Setzen von Arzneimitteln zu Dopingzwecken sowie deren Anwendung bei anderen unter gerichtliche Strafe stellt - wie erwähnt - erst kürzlich eingeführt wurde. Da im Übrigen mit den bestehenden und kürzlich erweiterten verwaltungsstrafrechtlichen Bestimmungen das Auslangen gefunden werden kann, besteht kein darüber hinausgehender Bedarf an strafrechtlicher Sanktionierung, insbesondere der Sportler selbst.

. August 2006

(Maga. Karin Gastinger)