4442/AB XXII. GP

Eingelangt am 29.08.2006
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0039-Pr 1/2006

 

An den

                                      Herrn Präsidenten des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 4453/J-NR/2006

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „die Vollziehung der Ersatzbestimmung für das anti-homosexuelle Sonderstrafgesetz § 209 StGB (§ 207b StGB)“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 5:

Im angefragten Zeitraum wurden beim Bezirksgericht Vöcklabruck gerichtliche Erhebungen gegen einen unbescholtenen 27-jährigen Verdächtigen wegen § 207b Abs. 1 StGB als alleinigem oder führendem Delikt geführt. Die beiden Partner waren männlichen Geschlechts und hatten im Tatzeitpunkt das 14. Lebensjahr vollendet. Mangelnde Reife konnte nicht festgestellt werden, ein diesbezügliches Sachverständigengutachten wurde nicht eingeholt. Das Verfahren wurde gemäß § 90 Abs. 1 StPO eingestellt.

Die Tathandlungen sollen nach dem 14. August 2002 vorgefallen sein.

Beim Landesgericht Klagenfurt wurden gerichtliche Vorerhebungen gegen einen im Tatzeitraum 34- bis 36-jährigen männlichen Verdächtigen geführt, der mit einer weiblichen Person zwischen deren vollendeten 14. und 16. Lebensjahr geschlechtliche Handlungen vornahm. Er war weder nach § 207b noch nach § 209 StGB vorbestraft. Da keine Anhaltspunkte für die Ausnutzung mangelnder Reife erhoben werden konnten, wurde das Verfahren gemäß § 90 Abs. 1 StPO eingestellt. Ob die Tathandlungen bereits vor dem 14. August 2002 begonnen hatten oder erst danach, konnte nicht objektiviert werden.

In dem in der Anfragebeantwortung vom 23. Jänner 2006 (Zahl 3641/J-NR/2005) als Antwort zu den Fragen 1 bis 5 angeführten Verfahren vor dem Bezirksgericht Kufstein gegen einen unbescholtenen 55-jährigen Täter wegen § 207b Abs. 1 StGB wurde dieser rechtskräftig zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt. Ein Sachverständigengutachten wurde nicht eingeholt. Bei der schüchternen 14-jährigen Jugendlichen besteht ein mehrfacher Entwicklungsrückstand. Ihr körperliches Erscheinungsbild gleicht eher dem eines Kindes und sie ist auch geistig hinter der altersentsprechenden Entwicklung zurück geblieben. Diese Umstände nutzte der Verurteilte zur Vornahme der sexuellen Handlungen aus.

Nach den mir vorliegenden Berichten der Staatsanwaltschaften wurden im zweiten Halbjahr 2005 wegen § 207b Abs. 1 StGB als alleinigem oder führendem Delikt weder Verwahrungs- noch Untersuchungshaft verhängt. Es gab im zweiten Halbjahr 2005 wegen § 207b Abs. 1 StGB auch keine Unterbringungen in Anstalten nach §§ 21, 22 und 23 StGB.

Zu 6:

Im 2. Halbjahr 2005 haben sich wegen § 207b Abs. 1 StGB als alleinigem oder im Sinne der Verurteilungsstatistik führendem Delikt eine 33-jährige Peron in der Justizanstalt Linz in Untersuchungshaft (diese angetreten am 4. Juni 2005), eine 58-jährige Person in der Justizanstalt Stein bzw. Justizanstalt Sonnberg in Strafhaft und eine 33-jährige Person in der Justizanstalt Linz im Maßnahmenvollzug nach § 21 Abs. 2 StGB befunden.

Derzeit befinden sich wegen § 207b Abs. 1 StGB als alleinigem oder im Sinne der Verurteilungsstatistik führendem Delikt keine Personen in Untersuchungs-, Strafhaft oder im Maßnahmenvollzug.

Zu 7 bis 11:

Nach den mir vorliegenden Berichten der Staatsanwaltschaften wurden im Anfragezeitraum keine Verfahren wegen § 207b Abs. 2 StGB als alleinigem oder führendem Delikt eingeleitet. Es wurde daher diesbezüglich weder Verwahrungs- noch Untersuchungshaft verhängt, es gab auch keine Verurteilungen oder Unterbringungen in Anstalten nach §§ 21, 22 und 23 StGB.

Zu 12:

Im 2. Halbjahr 2005 haben sich wegen § 207b Abs. 2 StGB als alleinigem oder im Sinne der Verurteilungsstatistik führendem Delikt keine Personen in Untersuchungs-, Strafhaft oder im Maßnahmenvollzug befunden. Auch derzeit befinden sich keine Personen dessentwegen in Untersuchungs-, Strafhaft oder im Maßnahmenvollzug.

Zu 13 bis 17:

Beim Landesgericht Korneuburg waren zwei Verfahren wegen § 207b Abs. 3 StGB als alleinigem oder führendem Delikt anhängig. Im ersten Verfahren soll der unbescholtene 51-jährige Verdächtige einem 15-jährigen männlichen Jugendlichen Bargeld für die Vornahme einer sexuellen Handlung an sich selbst geboten haben. Es sei jedoch beim Versuch geblieben, weil der Jugendliche nicht darauf eingegangen sei. Das Verfahren wurde infolge Todes des Verdächtigen beendet.

Im zweiten Verfahren wurden gegen drei unbescholtene männliche Verdächtige im Alter von 44, 54 und 75 Jahren sowie einen vierten unbescholtenen Verdächtigen unbekannten Alters gerichtliche Vorerhebungen eingeleitet. Die sexuellen Handlungen sollen jeweils mit weiblichen litauischen Prostituierten – deren genaues Alter derzeit aufgrund der noch laufenden Vorerhebungen nur hinsichtlich einer damals 17-jährigen bekannt ist – stattgefunden haben. Auch in diesen Fällen soll das Entgelt in Bargeld bestanden haben. Das Verleiten und die Unmittelbarkeit desselben ergeben sich aus dem Umstand, dass auch jugendliche Prostituierte – ungeachtet ihres Geschlechtes – sexuelle Handlungen an Freiern nicht unentgeltlich durchführen.

In beiden geschilderten Verfahren sollen die Tathandlungen nach dem 14. August 2002 stattgefunden haben. Eine Verwahrungs- oder Untersuchungshaft wurde nicht verhängt.

Beim Landesgericht Klagenfurt waren im angefragten Zeitraum zwei Verfahren wegen § 207b Abs. 3 StGB anhängig, die beide mit einer Verurteilung endeten. In beiden Fällen waren die Täter (70 bzw. 53 Jahre alt) männlichen und die jugendlichen Partner im Alter zwischen 15 und 17 Jahren weiblichen Geschlechts. Die Täter waren zwar vorbestraft, jedoch nicht wegen §§ 207b oder 209 StGB. Das Verleiten bestand in beiden Fällen im Anbieten bzw. Übergeben von Geld und/oder anderen Zuwendungen. Die Tathandlungen lagen jeweils nach dem 14. August 2002. Über beide Täter war sowohl die Verwahrungs- als auch die Untersuchungshaft verhängt worden. Die – rechtskräftig – verhängten unbedingten Freiheitsstrafen betrugen im Fall des 70-jährigen Verurteilten neun Monate, im Fall des 54-jährigen Verurteilten zwölf Monate. Es wurde keine Unterbringung in einer Anstalt nach §§ 21, 22 und 23 StGB angeordnet.

Im Übrigen wird auf die Antwort zu 20 verwiesen.

Beim Landesgericht für Strafsachen Wien wurden im angefragten Zeitraum vier Verfahren wegen § 207b Abs. 3 StGB geführt. In zwei Fällen war der jugendliche Partner jeweils der selbe 15-jährige Prostituierte. Die unbescholtenen Verdächtigen waren 25 bzw 30 Jahre alt. Als Entgelt sollen jeweils zwischen 40  und 60 € bezahlt worden sein. In den beiden Verfahren erfolgte ein Freispruch, weil der Jugendliche seine Aussagen in der Hauptverhandlung widerrief. Im dritten Fall war der Verdächtige 41 Jahre alt, seine Partnerin 17 Jahre. Auch hier sollte es gegen Bargeld zu sexuellen Handlungen kommen, infolge Einschreitens der Polizei während der „Preisverhandlungen“ sei es jedoch beim Versuch geblieben. Dieses Verfahren ist noch anhängig, weil die jugendliche Prostituierte bislang nicht zur Hauptverhandlung vorgeführt werden konnte. Das Verleiten und die Unmittelbarkeit desselben ergeben sich aus dem Umstand, dass auch jugendliche Prostituierte – ungeachtet ihres Geschlechtes – sexuelle Handlungen an Freiern nicht unentgeltlich durchführen. In allen drei Fällen lagen die mutmaßlichen Taten nach dem 14. August 2002. Es wurde weder Verwahrungs- noch Untersuchungshaft verhängt.

Im Übrigen wird auf die Antwort zu 20 verwiesen.

In dem in der Anfragebeantwortung vom 23. Jänner 2006 (Zahl 3641/J-NR/2005) als Antwort zu den Fragen 13 bis 17 angeführten Verfahren vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien betreffend einen unbescholtenen 54-jährigen Verdächtigen wegen §§ 15, 207b Abs. 3 StGB erfolgte im zweiten Halbjahr eine Verurteilung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe im Ausmaß von drei Monaten. Das Oberlandesgericht Wien gab der vom Beschuldigten erhobenen Berufung (im ersten Halbjahr 2006)  Folge und sprach den Angeklagten frei.


 

Zu 18:

 

Im 2. Halbjahr 2005 haben sich wegen § 207b Abs. 3 StGB als alleinigem oder im Sinne der Verurteilungsstatistik führendem Delikt:

in Untersuchungshaft befunden:

5 Personen;

in der JA Klagenfurt (Alter: 70 Jahre)
in der JA Klagenfurt (Alter: 54 Jahre)
in der JA Linz (Alter: 33 Jahre)
in den JA Steyr, JA Wels (Alter: 71 Jahre) (§ 429 StPO)
in der JA Krems (Alter: 38 Jahre);

in Strafhaft befunden:
3 Personen;
in der JA Garsten (Alter: 65 Jahre)
in der JA Klagenfurt (Alter: 54 Jahre)
in der JA Steyr (Alter: 44 Jahre);

im Maßnahmenvollzug nach § 21 Abs. 2 StGB befunden:
1 Person;
in der JA Garsten (Alter: 37 Jahre)

Derzeit befinden sich wegen § 207b Abs. 3 StGB als alleinigem oder im Sinne der Verurteilung Statistik führendem Delikt  

in Untersuchungshaft
2 Personen:
in der JA Linz (Alter: 46 Jahre)
in der JA Steyr (Alter: 24 Jahre);

in Strafhaft
3 Personen:
in der JA Garsten (Alter: 65 Jahre)
in der JA Klagenfurt (Alter: 71 Jahre)
in der JA Klagenfurt (Alter: 55 Jahre);

im Maßnahmenvollzug nach § 21 Abs. 2 StGB
1 Person:
in der JA Garsten (Alter: 37 Jahre)


 

Zu 19:

Der Untergebrachte weist neben Verurteilungen wegen § 209 StGB auch Vorstrafen wegen Vermögens- und Urkundendelikten sowie Körperverletzung und strafbarer Handlungen gegen die Freiheit und die Rechtspflege auf.

Zu 20:

Zu dem in der Justizanstalt Josefstadt befindlichen Verurteilten:

Zu diesem Verfahren ist anzumerken, dass es zunächst wegen §§ 15, 206 Abs. 1, 207 Abs. 1 StGB eingeleitet worden war, weil der 63-jährige Verurteilte an einem zwölfjährigen Burschen schweren sexuellen Missbrauch nach § 206 Abs. 1 StGB versucht und in mehreren Angriffen außer dem Fall des § 206 geschlechtliche Handlungen vorgenommen haben soll. Er wurde letztlich ausschließlich wegen §§ 15, 207b Abs. 3 StGB (versuchte Verleitung zum Geschlechtsverkehr durch Anbot von 40 €, der Minderjährige ging nur zum Schein darauf ein und verständigte die Polizei) verurteilt. Der Verurteilte war nicht ausschließlich wegen der angefragten Delikte vorbestraft. Die Tathandlung lag nach dem 14. August 2002. Der voraussichtliche Entlassungszeitpunkt ist April 2007.

Zu dem in der Justizanstalt Klagenfurt befindlichen Verurteilten:

Der Verurteilte war zu den Tatzeitpunkten 45 bzw. 46 Jahre alt, seine ausschließlich weiblichen potenziellen Partner waren 17 bzw. zwei 15 Jahre alt. Der Verurteilte wies keine Vorstrafen nach § 207b bzw. § 209 StGB auf. Das Entgelt hätte in Geld (500 €, einem unbestimmten Geldbetrag sowie 400 €) bestanden, es blieb jedoch in allen drei Fällen beim Versuch, weil die Jugendlichen nicht auf das Angebot eingingen. Die Tathandlungen lagen sämtlich nach dem 14. August 2002. Der Verurteilte wurde bereits bedingt entlassen.

 

28. August 2006

 

(Maga. Karin Gastinger)