4454/AB XXII. GP

Eingelangt am 29.08.2006
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BM für Land- Und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Anfragebeantwortung

 

JOSEF PRÖLL

Bundesminister

 

 

 

 

 

An den                                                                                               Zl. LE.4.2.4/0056-I 3/2006

Herrn Präsidenten

des Nationalrates

Dr. Andreas Khol

 

Parlament

1017 Wien                                                                                        Wien, am 29. AUG. 2006

 

 

 

Gegenstand:   Schriftl.parl.Anfr.d.Abg.z.NR Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,

Kolleginnen und Kollegen vom 30. Juni 2006, Nr. 4475/J,

betreffend gentechnikfreie Lebensmittelproduktion

 

 

 

 

 

Auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen vom 30. Juni 2006, Nr. 4475/J, betreffend gentechnikfreie Lebensmittelproduktion, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

 

Zu Frage 1:

 

Die Arbeitsgruppe hat sich dahingehend mit dieser Frage befasst, dass nicht nur die horizontale Koexistenz (auf den Anbau bezogen), sondern auch die vertikale Koexistenz (auf die Produktions- und Handelskette bezogen) eine Rolle spielt, um den Schwellenwert von 0,9% bei Lebensmitteln einzuhalten. Die AMA-Machbarkeitsstudie zur Auslobung „gentechnikfrei“ der AGES wurde in dieser Gruppe vorgestellt. Eine eingehende Behandlung erfolgt  in der Codex-Kommission des BMGF.

 

Zu den Fragen 2 und 7:

 

Mit der Charta für Gentechnikfreiheit bin ich bereits für eine transparente Gentechnikkennzeichnung eingetreten. Es ist notwendig, dass der „österreichische Lebensmittelhandel den Schulterschluss der KonsumentInnen mit den Bäuerinnen und Bauern bei der Ablehnung gentechnisch veränderter Lebensmittel auch in Zukunft aktiv mitgestaltet“. Derzeit wird die Codex-Richtlinie für gentechnikfreie Lebensmittel überarbeitet. Ziel der Richtlinie ist es, klare Vorgaben für die „Gentechnikfrei“-Kennzeichnung festzulegen, um die KonsumentInnen über ihre Wahlmöglichkeiten beim Kauf von Lebensmitteln zu informieren.

 

Zu Frage 3:

 

Die Kontrollkosten für GVO-freie Futtermittel (unter 0,9% Verunreinigung mit GVO) trägt im Rahmen der amtlichen Kontrolle das Bundesamt für Ernährungssicherheit, sofern keine Überschreitung des Schwellenwertes von 0,9% mit GVO vorliegt. Bei Überschreitung des Schwellenwertes trägt der Futtermittelhersteller die Kosten für die Kontrolle und Analyse. Die Kosten der GVO-Analytik (78 Proben Einzelfutter; 192 Proben Mischfutter) betragen pro Jahr ca. 80.000 Euro. Überdies darf bezüglich Art und Höhe der angefallenen Kosten auf die Überlegungen und Schätzungen der Machbarkeitsstudie zur Auslobung „gentechnikfrei“ und Vermeidung von GVO bei Lebensmitteln aus tierischer Erzeugung verwiesen werden (Kapitel 7, Seite 130 ff und Kapitel 9, Seite 140 ff).

 

Die Machbarkeitsstudie ist unter folgender Adresse abrufbar:

http://www13.ages.at/servlet/sls/Tornado/web/ages/content/9937017D95F53920C12570C100559C93

 

Zu den Fragen 4 und 5:

 

Konkrete und rechtlich verbindliche Koexistenzbestimmungen in Drittländern sind im Hinblick auf die Einhaltung eines definierten Schwellenwertregimes in den bedeutenden GVO-anbauenden Ländern kaum vorliegend. Zumeist sind in diesen Ländern die Beziehungen der GVO- und Nicht-GVO-Landwirtschaft durch das Privatrecht bestimmt. Privatrechtliche Zertifizierungssysteme regeln die Mindestanforderungen an die landwirtschaftliche Produktion für „GVO-freie“ Produkte (siehe dazu Machbarkeitsstudie Kapitel 3).

 

Um Verunreinigungen zu begrenzen, werden in der Studie mehrere technische Maßnahmen dazu vorgeschlagen (siehe dazu Machbarkeitsstudie Kapitel 6, Seiten 103-129 und Kapitel 11, Seiten 193-199). Voraussetzung sind vollständig getrennte Produktionsstätten/-standorte (ähnlich wie beim Fischmehl) und eigene Transportmittel (Schiffe, LKW usw.).

 

Zu Frage 6:

 

Durch den Ersatz von Sojaextraktionsschrot steigt die Nachfrage z.B. nach proteinliefernden, auch österreichischen Alternativen, wie zum Beispiel Trockenschlempe aus der Biospriterzeugung, wo österreichisches Getreide eingesetzt werden kann. Trockenschlempe ist laut amerikanischen Studien für alle Tierarten hervorragend geeignet. Erste heimische Studien mit Trockenschlempe sind bereits angelaufen.

 

Nachteile für die Landwirtschaft können sich aus der mangelnden Versorgung mit gentechnikfreiem Soja aus dem Hauptversorgungsgebiet Südamerika (Lieferschwierigkeiten, Verunreinigungen mit über 0,9% GVO, erhöhter Preis) ergeben.

 

Ausführungen zur Verfügbarkeit von GVO-freiem Sojaextraktionsschrot finden sie in der Machbarkeitsstudie unter Kapitel 4, Seiten 60 – 93. In Österreich werden jährlich etwa 500.000 bis 600.000 Tonnen Sojaschrot benötigt. Aus der heimischen und somit verlässlich gentechnikfreien Produktion steht dafür aber nur ein Bruchteil zur Verfügung. Die Produktion der Sojabohne in Österreich ist derzeit erfreulicherweise wieder steigend und liegt in der Größenordung von etwa 60.000 Tonnen. Leider ist bei uns der Anbau aufgrund der klimatischen Verhältnisse limitiert.

 

Zu Frage 8:

 

Mit der Österreichischen Charta für Gentechnikfreiheit unterstütze ich die Einrichtung gentechnikfreier Regionen auf freiwilliger Basis. Nach dem EU-Rechtssystem und den WTO-Vorgaben ist prinzipiell ein Zulassungsverfahren für GVO vorzusehen, ein generelles Verbot ist nicht möglich. In den sogenannten Gentechnikvorsorgegesetzen der Länder sind Bestimmungen enthalten, die es z.B. ermöglichen, dass Regionen wie Nationalparks vom Anbau von GVO ausgenommen werden können.

 

Dem europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen sind inzwischen alle Bundesländer beigetreten. Die Gentechnikvorsorgegesetze sind so streng formuliert, dass der GVO-Anbau wesentlich erschwert ist. Darüber hinaus unterliegen die derzeit für den Anbau in der EU zugelassenen GVO-Sorten gänzlich der Verbotsverordnung für das Maiskonstrukt MON 810.

 

Zu Frage 9:

 

Die Charta des Europäisches Netzwerkes gentechnikfreier Regionen tritt jedoch grundsätzlich für eine gentechnikfreie Umwelt ein.

 

Zu Frage 10:

 

Auf Basis der Saatgut-Gentechnik-Verordnung wird seit 2001 dafür Sorge getragen, dass zerti­fiziertes in Österreich in Verkehr gebrachtes Saatgut auch auf das Vorhandensein unbeabsichtigter GVO-Verunreinigungen überprüft wird. Wenngleich in Österreich kein GVO-Anbau erfolgt, so könnte es ohne diese Vorsichtsmaßnahme doch zu gentechnischen Verunreinigungen kommen. Durch österreichische GVO-Verbotsverordnungen konnte in Österreich bisher auch ein Anbau von Saatgut gentechnisch veränderter Sorten verhindert werden. Ich habe in Brüssel diese Verordnungen und auch Verbotsverordnungen anderer Mitgliedstaaten der EU erfolgreich verteidigt. Diese kritische österreichische Linie wird auch bei Neuzulassungsanträgen von GVOs in allen Entscheidungsgremien der EU weiter verfolgt.

 

Als Vorsorge für ein mögliches Koexistenzszenario habe ich darüber hinaus im Juni 2005 die Saatgut-Anbaugebiete-Verordnung erlassen, womit den für den Anbau zuständigen Ländern die Möglichkeit eingeräumt wird, geschlossene Saatgutvermehrungsgebiete für die Absicherung des GVO-freien Anbaus einzurichten. Ich beabsichtige auch weiterhin, in der Förderungspolitik, dem biologischen Landbau und somit der selbst auferlegten gentechnikfreien Produktion einen besonderen Schwerpunkt einzuräumen.


Zu Frage 11:

 

Für diese Angelegenheit ist das BMGF federführend zuständig. Der Codex stellt in seinem Wesen ein objektiviertes Sachverständigengutachten dar, das einerseits die Verbrauchererwartung und andererseits die üblichen Herstellungsverfahren widerspiegelt. Diese Funktion des Codex erhält selbstverständlich meine volle Unterstützung (siehe auch Antwort zu Frage 2).

 

Zu Frage 12:

 

Die Weiterentwicklung der Anforderungen der AMA-Gütesiegelrichtlinien obliegt dem sozialpartnerschaftlich besetzten Lenkungsgremium der QM-Abteilung der AMA-Marketing, sofern es produktübergreifende Bestimmungen betrifft, und für produktspezifische Kriterien den einzelnen Fachgremien für das AMA-Gütesiegel.

 

 

Der Bundesminister: