4488/AB XXII. GP

Eingelangt am 04.09.2006
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BM für Verkehr, Innovation und Technologie

Anfragebeantwortung

 

 

GZ. BMVIT-10.000/0032-I/PR3/2006     DVR:0000175

 

 

An den

Präsidenten des Nationalrates

Dr. Andreas Khol

 

Parlament

1017   W i e n

 

Wien, 29. August 2006

 

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 4573/J-NR/2006 betreffend Blutzoll auf Eisenbahnkreuzungen – Taferl als Scheinlösung, die die Abgeordneten Dr. Moser, Freundinnen und Freunde am 12. Juli 2006 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:

 

Frage 1:

Bereits in den vergangenen Jahren wurde der Verkehrsminister in mehreren parlamentarischen Anfragen auf die Sicherheitsdefizite an österreichischen Eisenbahnkreuzungen hingewiesen, in genereller Hinsicht wie auch speziell im Zusammenhang mit den Bedürfnissen von Seh- und Hörbehinderten. Trotzdem sind die erforderlichen Reformen ausgeblieben.

Welche Veranlassungen haben Sie getroffen, als Sie durch die parlamentarischen Anfragen auf Ihre Säumigkeit aufmerksam gemacht wurden?

Welche Lösungsvorschläge wurden seitens der Spezialisten Ihres Ministeriums entwickelt?

 

Antwort:

Schon in der Beantwortung Ihrer parlamentarischen Anfrage Nr. 2436/J-NR/2004 habe ich klargestellt, dass die Sicherheit an den österreichischen Eisenbahnkreuzungen durch die bestehenden eisenbahnrechtlichen Vorschriften in ausreichender Weise geregelt ist. Anpassungen an die technische Entwicklung sind selbstverständlich – wie das in allen Verwaltungsbereichen der Fall ist – rechtzeitig durchzuführen. Dies erfolgte bereits mehrfach in der Eisenbahnkreuzungsverordnung.

 

Hinsichtlich der Benützung von Eisenbahnkreuzungen durch Behinderte möchte ich abermals darauf  verweisen, dass die Aufnahme einer rasch umsetzbaren Bestimmung als grundsätzliche Bedachtnahme auf die Bedürfnisse behinderter Menschen in den vorliegenden Novellenentwurf der EKVO seitens der Behindertenvertreter nicht akzeptiert wurde, obwohl zusätzlich die Ausarbeitung einer diesbezüglichen technischen Richtlinie angeboten wurde. Hiezu darf ich nun berichten, dass diese Richtlinie unter Mitwirkung der Behindertenvertreter bereits erstellt und von der Österreichischen Forschungsgesellschaft Straße - Schiene - Verkehr (FSV) veröffentlicht wurde.

 

Fragen 2 bis 4:

Werden vom BMVIT neben wesentlichen Genehmigungsverfahren jetzt auch noch Regelungsaufgaben für Eisenbahnsicherheit an Außenstellen abgegeben?

Wird es zukünftig auch bei anderen Problemen Ihre Linie sein, heikle Fragen nach jahrelanger Nichtklärung durch Forschungsgesellschaften bearbeiten zu lassen?

 

Halten Sie es für richtig, dass in Österreich trotz der wohl unstrittig bestehenden Sicherheitsdefizite an Eisenbahnkreuzungen jetzt auch noch Maßnahmen ausprobiert werden, für die es offenbar nirgends Erfahrungswerte über ihre Wirksamkeit gibt?

Welche Untersuchungen liegen Ihnen zur Frage vor, weshalb diese Maßnahme in anderen Ländern Europas nicht vorgesehen wurde oder wird?

 

Mit welchen Ländern haben Sie bzw. Ihre MitarbeiterInnen in den letzten Monaten konkret Erfahrungen über mögliche Sicherheitsmaßnahmen an Eisenbahnkreuzungen ausgetauscht?

Welche Maßnahmen in welchen Ländern wurden hinsichtlich einer Anwendung konkret näher untersucht und schließlich zu Gunsten der Taferl-Lösung verworfen?

Welche Maßnahmen werden in Ihrem Ministerium derzeit konkret noch geprüft?

 

Antwort:

So wie bei der Erarbeitung des vorerwähnten Novellenentwurfes haben sich die Fachexperten meines Ressorts, der Länder, der verschiedenen Eisenbahnunternehmungen, des Kuratoriums für Verkehrssicherheit im Rahmen des in der Forschungsgesellschaft Schiene- Strasse - Verkehr angesiedelten Arbeitsausschusses „Eisenbahnkreuzungen“ mit Möglichkeiten einer Erhöhung der Aufmerksamkeit bei der Annäherung an Eisenbahnkreuzungen, welche durch Andreaskreuze und Abgabe akustischer Signale gesichert sind, auseinandergesetzt. Als Ergebnis wurde die Anbringung einer sogenannten „Pfeiftafel“ als eine für die Straßenverkehrsteilnehmer unterstützende Maßnahme empfohlen.

Es ist gerade im Bereich der Verkehrssicherheit durchaus üblich, Expertengruppen mit der Ausarbeitung von Empfehlungen zu beauftragen. Die Umsetzung derartiger Empfehlungen obliegt selbstverständlich nach wie vor den hiefür zuständigen Organen, im konkreten Fall dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie.

 

Zur medialen Aufbereitung der Thematik Pfeiftafel ist festzuhalten, dass diese unter Einbeziehung der vorerwähnten Organisationen sowie der Autofahrerclubs im Zusammenhang mit einer österreichweiten vom BMVIT initiierten Verkehrssicherheitskampagne  über das richtige Verhalten bei der Annäherung an bzw. beim Übersetzen von Eisenbahnkreuzungen durchgeführt wurde, weil nur dadurch die Bewusstseinsbildung im richtigen Umgang mit Eisenbahnkreuzungen effizient gestaltbar war.

Gerade Bewusstseinsbildung ist in Fragen der Verkehrssicherheit ein ganz wesentliches Element der Vorsorge.

 

Es ist richtig, dass Österreich in dieser Angelegenheit eine Vorreiterrolle inne hat, jedoch auch darauf zu verweisen, dass diesbezüglich zwischen Vertretern aus Deutschland (Expertengruppe Eisenbahnübergänge, Eisenbahnbundesamt, Innenministerium für das Land Bayern) und unseren Fachexperten oftmalige Kontakte stattgefunden haben und eine derartige Lösung auch von Deutscher Seite als überlegenswert  bezeichnet wurde. Im Rahmen des wiederkehrenden Erfahrungsaustausches von Vertretern meines Ressorts mit dem Eisenbahnbundesamt Bonn - so auch im Mai des heurigen Jahres - wurde neben vielen anderen Sicherheitsfragen auch diese Thematik eingehend erörtert. Ebenso möchte ich darauf hinweisen, dass auch mit der Schweiz (Bahnverwaltung, Bundesamt für Verkehr) bereits ein Erfahrungsaustausch hinsichtlich der Sicherheit an Bahnübergängen stattgefunden hat.

 

Frage 5:

Nach welcher Rechtsgrundlage wird die Anbringung der Taferl angeordnet?

Welche Rechtsstellung haben die Taferl, handelt es sich um a) Sicherheitseinrichtungen, b) Zusatzeinrichtungen oder c) nur um bloße Informationen für die Straßenbenützer ohne weitere rechtliche Bedeutung?

 

Antwort:

Wie zur Beantwortung der Fragen 2 bis 4 dargelegt, haben auch verschiedene Eisenbahnunternehmungen an der Entwicklung dieser Tafel mitgewirkt und selbstverständlich wurde im Zusammenhang mit der Einführung dieser Zusatztafel über den Fachverband der Schienenbahnen eine Abstimmung über die termingerechte Anbringung herbeigeführt. Nach den  vorliegenden Vollzugsmeldungen wurden die Zusatztafeln innerhalb des vorgesehenen Zeitraumes montiert.

 

Die Abmessungen der Tafel und deren Anbringung wurden in den Durchführungserlass zur EKVO 1961 aufgenommen.

 

Die Zusatztafel soll die Verkehrsteilnehmer auf ihre in der Eisenbahnkreuzungsverordnung normierte Verpflichtung, auch auf die Abgabe von akustischen Signalen vom Schienfahrzeug aus zu achten, besonders hinweisen.

 

Frage 6:

Welche konkreten Verbesserungen ergeben sich durch die Taferl für sehbehinderte Menschen?

Welche konkreten Verbesserungen ergeben sich durch die Taferl für hörbehinderte Menschen?

 

Antwort:

Im Rahmen der Gespräche über die Erstellung der Richtlinie für die Bedachtnahme auf behinderte Menschen (seh- und hörbehinderte Menschen) im Zusammenhang mit der Benutzung schienengleicher Eisenbahnkreuzungen wurde die besagte Tafel „auf Pfeifsignal achten“ positiv aufgenommen. Diesbezüglich wurde vom Vertreter der sehbehinderten Menschen besonders darauf hingewiesen, dass sehbehinderte oder blinde Menschen ganz speziellen Schulungen unterzogen werden, die besonders die Aneignung akustischer Wahrnehmungen in den Vordergrund stellen. Ebenso wurde dabei hingewiesen, dass sehbehinderte bzw. blinde Menschen mit Hilfe von Begleitpersonen auf bestimmte Routen geschult werden, sodass diese Tafel hier einen Hinweis für die Wahl einer Route geben kann und in weiterer Folge für die Schulung blinder bzw. sehbehinderter Menschen sehr dienlich ist. Für hörbehinderte Menschen bringt die Tafel eben den Hinweis, dass z.B. bei regelmäßiger Benutzung einer mit Andreaskreuz und Abgabe akustischer Signale gesicherten Eisenbahnkreuzung eine Änderung der Routenwahl ins Auge gefasst werden soll oder dass die Unterstützung von Begleitpersonen zweckmäßig ist.

 

 

 

Frage 7:

Können Sie verbindlich erklären, dass die Anbringung der Taferl zwischen dem Andreaskreuz und dem Straßenverkehrszeichen „Halt“ nach den geltenden Rechtsvorschriften zulässig ist?

Welche Haftungen ergeben sich für das Eisenbahnunternehmen, wenn sich an einer Eisenbahnkreuzung ein Unfall ereignet und das Taferl vom Eisenbahnunternehmen nicht oder noch nicht angebracht worden ist?

Welche Rechtsfolgen ergeben sich bei einem Verlust oder einer Beschädigung der Tafel für das Eisenbahnunternehmen bzw. den Straßenbenützer?

 

Antwort:

Wie schon in meiner Antwort zu Frage 2 bis 4 betont, dient die Tafel „auf Pfeifsignal achten“ als unterstützende Maßnahme für die Verkehrsteilnehmer. Die Anbringung wurde selbstverständlich auch nach straßenverkehrsrechtlichen Gesichtspunkten geprüft. Falls eine derartige Tafel fehlt  ergeben sich keine Konsequenzen, da - wie eingangs erwähnt - die Verkehrsteilnehmer gemäß EKVO verpflichtet sind, bei Annäherung an eine mit Andreaskreuz und Stopptafel gesicherte Eisenbahnkreuzung besondere Aufmerksamkeit auf die Abgabe akustischer Signale herannahender Schienfahrzeuge zu richten  und durch die Tafel lediglich zusätzlich auf dieses zwingende Gebot hingewiesen werden soll.

 

Fragen 8 und 9:

Welche Kosten werden für die Herstellung und Montage der Tafeln voraussichtlich anfallen?

Welche Kosten werden für die Erhaltung (Erneuerung) der Taferl voraussichtlich jährlich anfallen?

Wer wird für die Kosten bzw. die Montage der Taferl aufkommen?

 

Wie geht es jetzt mit den Reformen bei Eisenbahnkreuzungen weiter?

Wann ist mit der Reform der Eisenbahnkreuzungs-Verordnung zu rechnen?

In welcher Weise wird sich das BMVIT um die Anliegen behinderter Menschen an Eisenbahnkreuzungen nun weiter annehmen?

Welche Schritte sind als nächstes geplant?

 

Antwort:

Die Montagefristen der Tafeln wurden im Einvernehmen mit den  Eisenbahnunternehmungen unter Einräumung einer ausreichenden Frist zur Beschaffung und Montage festgelegt.  Die Gesamtkosten für die rund 4900 Tafeln belaufen sich nach Mitteilung der Eisenbahnunternehmungen auf etwa 470.000 €.

 

Die in Ihrer Anfrage geäußerte Vermutung bzw. Annahme, dass dies weitere Schritte zur Novellierung der EKVO in den Hintergrund treten lässt, ist unbegründet. Ich verweise nur auf die oben erwähnte Richtlinie der FSV. Weiters wird ständig das Unfallgeschehen beobachtet und ausgewertet und daraus Maßnahmen abgeleitet, die einerseits die Aufmerksamkeit der Straßenverkehrsteilnehmer bei der Annäherung sowohl an nichttechnisch als auch an technisch gesicherte schienengleiche Eisenbahnkreuzungen erhöhen und andererseits günstigere Möglichkeiten zur technischen Sicherung von Eisenbahnkreuzungen unter Beibehaltung des Sicherheitsstandards aufzeigen sollen.

 

Wie Untersuchungen seit vielen Jahren zeigen, lassen sich Unfälle weder an nichttechnisch gesicherten noch an technisch gesicherten Eisenbahnkreuzungen gänzlich vermeiden. Diesbezüglich darf ich auf die laufenden Untersuchungen über das Unfallgeschehen an Eisenbahnkreuzungen hinweisen. Anhand dieser Ergebnisse und Analysen arbeiten die Eisenbahnunternehmen gemeinsam mit den betroffenen Bundesländern an der Beseitigung derartiger Problemstellen, und zwar mit sehr großem Erfolg.

 

Ebenso sei angemerkt, dass im Zusammenwirken mit dem Fachverband der Fahrschulen die Führerschein-CD überarbeitet wurde, um im Rahmen der Fahrausbildung eine höhere Sensibilisierung bei der Benützung von Eisenbahnkreuzungen zu erreichen. Weiters wurde vor einigen Wochen in Zusammenarbeit mit der ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG ein Folder mit wichtigen Tipps bzw. einer Auflistung von Verhaltensregeln für die sichere Benutzung von Eisenbahnkreuzungen erstellt, der durch die ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG bei Kontakten mit den Gemeinden zur Verteilung gelangt. Weiters sollen die Polizeidienststellen flächendeckend beteilt werden, um im Rahmen des Verkehrsunterrichtes das richtige Verhalten bei Eisenbahnkreuzungen frühzeitig zu schulen.

 

Mit freundlichen Grüßen