4501/AB XXII. GP

Eingelangt am 05.09.2006
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

JOSEF PRÖLL

Bundesminister

 

 

 

 

 

 
An den                                                                                               Zl. LE.4.2.4/0087-I 3/2006

Herrn Präsidenten

des Nationalrates

Dr. Andreas Khol

 

Parlament

1017 Wien                                                                                        Wien, am 4. SEP. 2006

 

 

 

Gegenstand:   Schriftl.parl.Anfr.d.Abg.z.NR Heidemarie Rest-Hinterseer,

Kolleginnen und Kollegen vom 14. Juli 2006, Nr. 4633/J,

betreffend Ergebnis der Studie „Frauen und Politik am Land“

 

 

 

 

 

Auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Heidemarie Rest-Hinterseer, Kolleginnen und Kollegen vom 14. Juli 2006, Nr. 4633/J, betreffend Ergebnis der Studie „Frauen und Politik am Land“, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

 

Vorab bedarf es zum besseren Verständnis der Beantwortung der Anfrage, sich die wesentlichen Fakten und Zahlen sowie Grundlinien der österreichischen Agrarpolitik im Hinblick auf Bäuerinnen sowohl auf ihre wirtschaftliche und soziale Stellung wie auch in Bezug auf Förderungsprogramme vor Augen zu führen:

 

Im Jahr 2005 wurden von den 149.466 Hauptbetrieben im INVEKOS-Datenstand 117.816 Betriebe von so genannten natürlichen Personen bewirtschaftet. Weiters wurden 25.193 Betriebe als Ehegemeinschaften geführt und auf Personengemeinschaften bzw. juristische Personen entfallen 6.457 Betriebe. 72.260 Betriebe oder 48 % aller im INVEKOS erfassten Betriebe sind „Frauenbetriebe“, das bedeutet, dass Frauen entweder Betriebsleiterinnen oder Mitbewirtschafterinnen sind. Der Anteil von Frauen in betrieblichen Entscheidungspositionen ist in Österreich zwar regional sehr unterschiedlich, im europäischen Vergleich aber dennoch sehr hoch. So sind etwa in großen Teilen Oberösterreichs sowie des Flachgaus in Salzburg bis zu 75 % der Frauen in Entscheidungspositionen auf den Höfen.

 

Zur Darstellung der Verteilung der Förderungen zwischen Männer und Frauen wurden die Beträge der Kategorie Ehegemeinschaft je zur Hälfte auf Frauen- und Männerbetriebe aufgeteilt. Von den insgesamt 1,71 Mrd. Euro konnten 1,64 Mrd. Euro den 149.466 Betrieben zugeordnet werden. Davon entfallen 575 Mio. Euro (35 %) auf Frauenbetriebe, rund 1 Mrd. Euro auf Männerbetriebe (61,5 %) und 60 Mio. Euro auf juristische Personen (3,5 %).

 

Der Anteil der „Frauenbetriebe“ bezogen auf die einzelnen Fördermaßnahmen zeigt ein sehr differenziertes Bild: Den höchsten prozentuellen Anteil weist die Berufsbildung (Teilnehmerförderung) mit 44 % auf, gefolgt von der Maßnahme Neuaufforstung (42 %). Die Maßnahme "Diversifizierung", bei der im Rahmen des Artikels 33 Einkommensalternativen für land- und forstwirtschaftliche Betriebe gefördert werden, weist mit 41 % den dritthöchsten Wert auf. Bei der Milchprämie haben die von Frauen geführten Betriebe einen Anteil von 37 %.

 

Bei näherer Betrachtung der Milchviehbetriebe zeigt sich, dass mehr als 50 % der Milchviehbetriebe von Frauen geführt werden und dass 52 % aller Milchkühe in Österreich auf diesen Betrieben gemolken werden. Bei der Forstförderung im Rahmen des Artikels 32 liegt der Anteil von Frauenbetrieben bei 18 % des Fördervolumens. Der Anteil bei den finanziell großen Maßnahmen ÖPUL, AZ und Betriebsprämie liegt mit rund 35 % etwa im Durchschnitt der Verteilung aller Förderungen.

 

Diese Zahlen zeigen vor allem, dass Österreichs Bäuerinnen sich den wirtschaftlichen Herausforderungen stellen und neue Impulse im bäuerlichen Familienunternehmen setzen. Das Berufsbild der Bäuerin hat sich in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich verändert. Sie ist heute Unternehmerin im ländlichen Raum und fühlt sich für die Sicherung des Familieneinkommens ebenso verantwortlich wie für die Produktion von gesunden, hochwertigen Lebensmitteln. Sie verbessert nicht nur das Verhältnis zwischen Erzeuger und Verbraucher, sondern sichert die Nahversorgung im ländlichen Raum. Damit Österreichs Bäuerinnen den ständig steigenden Anforderungen auch gewachsen sind und den Arbeitsplatz Bauernhof erhalten können, brauchen sie politische Rahmenbedingungen, die eine aktive und wirtschaftlich erfolgreiche Landwirtschaft im ländlichen Raum sichern. Mit dem neuen Programm für die Ländliche Entwicklung und dem „Grünen Pakt für Österreichs Landwirtschaft“ sind auch für die Zukunft bedeutende wirtschaftliche und soziale Sicherstellungen für die bäuerlichen Betriebe garantiert.

 

Die Professionalisierung und berufliche Qualifikation ist daher gerade für Frauen in der Landwirtschaft ein überaus wichtiges Fundament für die Bewältigung ihrer Aufgaben im Familienbetrieb. Um erfolgreich zu sein, müssen sich die Bäuerinnen stets auf neue Produktionszweige und Dienstleistungen einstellen und ihre Produktionsschwerpunkte im Betrieb mit den Märkten und regionalen Entwicklungskonzepten abstimmen. Die berufliche Ausbildung und Weiterbildung sind daher Schlüsselfaktoren. Rund ein Drittel der Bäuerinnen hat vor der Heirat einen nicht-landwirtschaftlichen Beruf ausgeübt und verfügt auch über eine abgeschlossene Berufsausbildung außerhalb der Landwirtschaft. Jede fünfte Bäuerin kann auf den Abschluss einer mittleren Schule oder Matura verweisen, jede zehnte Bäuerin hat eine eigene Berufsausbildung in der Landwirtschaft absolviert. Um die Wettbewerbsfähigkeit der bäuerlichen Betriebe weiter zu verbessern, haben die Weiterbildungs- und Beratungsangebote, wie sie die Landwirtschaftskammern anbieten, eine besondere Bedeutung.

 

Mit dem Bildungsprogramm „Bäuerliche Familienunternehmen, bfu“ werden unter Einbeziehung der Fördermittel aus der Ländlichen Entwicklung sehr kostengünstige und hochwertige Seminare angeboten. Neben der Vermittlung von betriebswirtschaftlichen Grundkenntnissen umfasst es auch den Bereich der sozialen Kompetenz. Gerade im Sinne einer langfristig erfolgreichen, partnerschaftlichen Unternehmensführung ist die Erarbeitung und Bewertung unterschiedlicher Alternativen für die Entwicklung des bäuerlichen Familienbetriebes von entscheidender Bedeutung. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lernen weiterhin hinter ihrer eigenen Strategie zu stehen oder lohnenswerte Alternativen in ihrem Betrieb zu finden, wobei aber auch die familiäre Situation berücksichtigt wird.

 

Die Professionalisierung im agrarischen Unternehmertum bietet insbesondere auch die interessante Chance, den Bäuerinnen und Bauern gezielte Hilfestellung bei der partnerschaftlichen Betriebsführung zu leisten. Das Erlernte bringt wichtige Impulse für die gesunde Weiterentwicklung des Hofes und hilft auch, die persönliche Lebensqualität der Bauernfamilie zu steigern. Eine wesentliche Aufgabe der Agrarpolitik ist es ebenso, zu motivieren und Mut zu machen, denn nur aktive, kreative und innovative Bäuerinnen und Bauern werden die Zukunft meistern.

 

In den letzten Jahren sind die Bäuerinnen immer mehr zu Botschafterinnen für Konsumentinnen und Konsumenten geworden. Vor allem durch Aktionen wie etwa Schule am Bauernhof, Urlaub am Bauernhof, Direktvermarktung als auch bei Aktivitäten der Seminarbäuerinnen oder bäuerlichen Lebensmittelberaterinnen bekommen die Konsumenten mehr Einblick in das Leben einer Bauernfamilie und können sich ein realistisches Bild davon machen. Bäuerinnen sind überaus glaubwürdige Partnerinnen im Umgang mit Konsumenten und daher sind gerade öffentlichkeitswirksame Projekte, die das Umfeld der bäuerlichen Lebensmittelerzeugung transparent machen und somit die Landwirtschaft dem Verbraucher nahe bringen, von besonders großer Bedeutung.

 

Die Tätigkeit der heimischen Bäuerinnen ist somit für die neue Ausrichtung der Politik für die Ländliche Entwicklung von entscheidender Bedeutung: Bäuerinnen tragen durch ihren Einsatz viel zur Stärkung der ländlichen Räume bei. Ihr unternehmerisches Können und ihre Kreativität sind die Grundlage für neue Einkommenschancen in klassischen bäuerlichen Tätigkeitsfeldern und bei der Erschließung von neuen Erwerbskombinationen wie etwa Tagesmütter am Bauernhof oder Seminarbäuerinnen.

 

Wir müssen künftig aber auch die Zusammenarbeit zwischen den bäuerlichen Betrieben forcieren und die Zusammenarbeit mit anderen Wirtschaftsbereichen ausbauen. Die österreichischen Bäuerinnen sind neuen Entwicklungen gegenüber aufgeschlossen und werden sich auch künftig engagiert und nach ihren persönlichen Möglichkeiten und Bedürfnissen den neuen Herausforderungen in Politik und Wirtschaft stellen. Dies betrifft vor allem auch das Engagement in der Politik auf allen Ebenen in Bund, Land und Gemeinden, in der bäuerlichen Interessenvertretung sowie im landwirtschaftlichen Genossenschaftsbereich.

 

Zu Frage 1:

 

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Motive, sich politisch zu engagieren, vielfältig sind und ihnen zum Teil unterschiedliche Werthaltungen zu Grunde liegen. Dies gilt im gleichen Maße für die Einschätzung des Engagements für den ländlichen Raum. Unterschiedliche Schwerpunktsetzungen, die im privaten Bereich der Familie, in beruflichen Möglichkeiten, in anerkannten und respektierten Traditionen oder in eigenen Befähigungen und Interessen liegen, lassen weder eine Generalisierung noch eine willkürliche Partizipation am politischen Engagement in der Öffentlichkeit zu. Umgekehrt sind in einer demokratischen Gesellschaftsordnung jedoch alle Prozesse und Instrumente mit Nachdruck abzulehnen, die das Engagement im Besonderen von Frauen aus geschlechtsspezifischen oder anderen Motiven in politischen Strukturen, Organisationen und Institutionen beinträchtigen oder gar verhindern. Dies gilt   ebenso uneingeschränkt für den gesamten Bereich der Agrarpolitik. Der partnerschaftlichen Erziehung, Ausbildung, Wirtschaftsführung, Ressourcenverteilung wie auch der entsprechenden Förderpolitik wird hierbei, wie einleitend bereits ausgeführt, ein hoher Stellenwert eingeräumt.

 

Dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ist das aus Schweden stammende gleichstellungssensible Indikatorensystem mit seiner 3R- Methode und seiner Erweiterung bekannt. Hierzu ist zu bemerken, dass diese oder ähnliche Methoden durchaus überlegenswert sind, damit die Partizipation von Frauen im Bereich der Agrarpolitik in den politischen und institutionellen Strukturen verstärkt zur Anwendung kommt.

 

Zu den Fragen 2 und 3:

 

Bei der Förderung des beruflichen Aufstieges wird von den unmittelbaren Führungskräften im Rahmen des Mitarbeitergespräches auch über die berufliche Weiterentwicklung der Bediensteten gesprochen. Darauf basierend wird ein Plan für die Weiterentwicklung der beruflichen und persönlichen Kompetenz erarbeitet. Weiters werden Frauen zur Bewerbung für Führungspositionen motiviert. Im Einzelnen verweise ich auf den Frauenförderungsplan für mein Ressort.

 

In der Zentralstelle meines Ressorts wurde weiters von sehr engagierten Mitarbeiterinnen ein eigenes Frauennetzwerk installiert.

 

 

 

Zu Frage 4:

 

Ich möchte in Erinnerung rufen, dass laut Evaluierung Österreich hinsichtlich des Genderef­fekts in Vergleich zu anderen EU-Staaten sehr gut liegt. Es wurden im Rahmen der Evaluierung speziell für diesen Bereich Forschungsprojekte in Auftrag gegeben, die zum Teil noch nicht abgeschlossen sind und für die ex-post-Evaluierung herangezogen werden.

 

Dem EU-weiten Querschnittsziel der Chancengleichheit wird selbstverständlich im neuen Programm für die Ländliche Entwicklung 2007 – 2013 Rechnung getragen.

 

Vorausschicken möchte ich, dass der Zugang zu allen Maßnahmen des Ländlichen Entwicklungsprogramms nach wie vor geschlechtsunabhängig gestaltet ist. Angesichts der Bedeutung der Frauen in der familienbetrieblich orientierten Landwirtschaft Österreichs wird spezifisch auf die Bedürfnisse dieser Frauen eingegangen und es werden im Bereich der Wettbewerbsstärkung die Bildungsangebote diesbezüglich prioritär ausgerichtet. Insbesondere im Förderbereich „Lebensqualität im ländlichen Raum und Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft“ werden in Bereichen, wo eine unterdurchschnittliche Beteiligung von Frauen zu beobachten ist, Projekte, die von Frauen initiiert werden, bei der Auswahl besonders berücksichtigt.

 

Zu Frage 5:

 

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass der Anteil von Führungspositionen von Frauen in der bäuerlichen Interessenorganisation, den Agrarbezirksbehörden, im Raiffeisenverband oder in der Sozialversicherungsanstalt der Bauern ausschließlich den genannten Organisationen obliegt. Die Strukturen der genannten Verbände bestehen auf Grund von Gesetzen oder Satzungen, die demokratische Entscheidungsprozesse und qualifizierte Führungskräfte sicherstellen.

 

Eine „Regelung von Geschlechterverhältnissen“ in diesen Organisationen gehört daher nicht zu meinem unmittelbaren Aufgaben- oder Einflussbereich, wohl aber eine Beispiel gebende Politik der nachhaltigen Förderung von Frauen in meinem Zuständigkeitsbereich.

 

 

Zu Frage 6:

 

Zunächst ist auszuführen, dass die Arbeitsverteilung innerhalb des bäuerlichen Familienbetriebes im persönlichen Entscheidungsbereich der Familie liegt. Durch Schaffung von agrarpolitischen Rahmenbedingungen, wie etwa dem Programm für die Ländliche Entwicklung oder anderen Förderprogrammen werden Rahmenbedingungen geschaffen, die Planungssicherheit im betriebswirtschaftlichen und im Einkommensbereich bedeuten. Daraus erwachsen zugleich entscheidende Impulse für ein partnerschaftliches Klima auf den Bauernhöfen. Vor allem mit den bereits erwähnten Aus- und Weiterbildungsangeboten und ihren spezifischen Programmen, wird der Grundsatz der partnerschaftlichen und gerechten Arbeitsteilung forciert und auch bereits der nachfolgenden Generation vermittelt. Dies trägt entscheidend dazu bei, jene „Freiräume“ zu schaffen, die es Bäuerinnen ermöglicht, sich verstärkt in politische Entscheidungsgremien einzubringen.

 

 

Der Bundesminister: