4565/AB XXII. GP

Eingelangt am 12.09.2006
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BM für Bildung, Wissenschaft und Kultur

Anfragebeantwortung

 

 

Herrn

Präsidenten des Nationalrates

Univ.-Prof. Dr. Andreas Khol

Parlament

1017 Wien                                                                                                                      GZ 10.000/0161-III/4a/2006

                                                                                           

                                                                                                                                       

                                                                                                     

Wien, 11. September 2006

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 4688/J-NR/2006 betreffend Universitäts- und Forschungszentrum Tulln, die die Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen am 14. Juli 2006 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:

 

Grundsätzlich ist der gegenständlichen Anfragebeantwortung vorauszuschicken, dass die Uni­versitäten und damit auch die Universität für Bodenkultur Wien mit dem Universitätsgesetz 2002 volle Rechtsfähigkeit erhielten. Dies bedeutet, dass sie als juristische Personen des öffentlichen Rechts in ihren universitären Angelegenheiten und daher auch in Standortfragen Ent­scheidungsbefugnis haben. Ein entsprechender Willensbildungsprozess innerhalb der Univer­sität und eine abschließende Einigung im Rahmen der Leistungsvereinbarung sind dafür Vor­aussetzung.

 

Ad 1.:

Es ist ein wesentlicher Inhalt und Aspekt der Autonomie, im Rahmen der Aufgaben der Universität Kooperationen, Vereinbarungen und Verbindungen, wie etwa in wirtschaftlicher Hinsicht, im Rahmen der Aufgaben der Universität zu ihrem Vorteil und dem ihrer Angehörigen und der Gesellschaft einzugehen.

 

Ad 2.:

Nein. Es kann nicht nachvollzogen werden, weshalb durch den Abschluss eines Vertrages in Ausgestaltung der Universitätsautonomie diese eingeschränkt werden soll. Standort-entscheidungen gründen sich immer auf langfristige Überlegungen. Bei dieser Entscheidung der Universität soll das zukunftsorientierte Forschungsgebiet „Nachwachsende Rohstoffe und ressourcenorientierte Technologien“ entwickelt und eine verstärkte nationale und internationale Positionierung erreicht werden.

 

Ad 3.:

Die Rechte und Pflichten der Vertragspartner ergeben sich aus dem Kooperationsvertrag. Es gibt eine Verpflichtung des Landes Niederösterreich, das Gebäude, und eine Verpflichtung der Stadt Tulln, die Liegenschaft zur Verfügung zu stellen. Die Universität und das Austrian Research Center Seibersdorf (ARCS) verpflichten sich zur Inbetriebnahme und zur Zahlung des Mietentgeltes. Ein Ungleichgewicht besteht daher aus Sicht des BMBWK nicht.

 

Ad 4.:

Nach Auskunft des Rektorates wurden von der Universität auch andere Standortmöglichkeiten geprüft, die jedoch gegenüber dem Standort Tulln im Kontext eines umfassenden Raumkonzeptes erhebliche Nachteile aufweisen. Grundsätzlich fällt die Willensbildung zur Standortentscheidung in den autonomen Bereich der Universität. Raum- und Funktionskonzepte und die Folgekostenabschätzung erfolgten in Abstimmung mit dem Universitätsrat.

 

Ad 5. und 6:

Der Entwicklungsplan ist veröffentlicht und auch auf der Homepage der Universität zugänglich gemacht. Beide Betriebsräte sind in Sozialplanfragen nach Auskunft des Rektorates eingebunden, um für alle Beteiligten gute Lösungen zu erarbeiten.

Nach Mitteilung der Universität unterstützen alle verantwortlichen Departments- und Institutsleiter und auch die Mehrheit der Arbeitsgruppenleiter das Vorhaben und sehen darin eine Entwicklungschance für die Universität. Wichtig ist eine gute interne Kommunikation an der Universität selbst. Auf die weitere Verstärkung dieser Kommunikation wurde in der ersten Verhandlungsrunde zum Abschluss der Leistungsvereinbarung hingewiesen.

 

Ad 7.:

Wie schon zu Frage 4 ausgeführt, waren die geprüften Standortalternativen laut Mitteilung des Rektorats nicht optimal. Das Rektorat der Universität führt mit den Vertretern des BOKU-Forums regelmäßige Gespräche um Missverständnisse und Differenzen auszugleichen.

 

Ad 8. und 26.:

Die gegenständliche Standortfrage und die damit verbundenen Konsequenzen werden im Rahmen der Verhandlungen zur Leistungsvereinbarung erörtert werden. Eine Vorwegnahme des Verhandlungsergebnisses ist nicht möglich.

 

Ad 9.:

Neben den schon dargelegten Entwicklungspotenzialen in der Forschung wird sich nach Auskunft des Rektorates die Lehre am Standort Tulln auf Master- und Doktoratsprogramme konzentrieren. In beiden Fällen werden unter anderem auch für Programme, die in internationale Kooperationen eingegliedert sind, ausgezeichnete Rahmenbedingungen geboten.

 

Ad 10.:

Die drei Hauptbereiche der Universität sind bereits heute an der Türkenschanze, in der Muthgasse und in Tulln angesiedelt. Mit dem Standortkonzept sollen diese Hauptstandorte gezielt gestärkt und fachlich verwandte Wissensgebiete räumlich zusammengeführt werden.

 

Ad 11.:

In den derzeit laufenden Verhandlungen zur Leistungsvereinbarung werden auch die sieben Forschungscluster thematisiert, die alle interdisziplinär und standortübergreifend ausgerichtet sind und dadurch eine umfassende Interdisziplinarität sicherstellen können.

 

Ad 12.:

Die Konzentration auf drei Standorte bietet nach Auskunft des Rektorates die Möglichkeit einer Teilkonzentration, die dem Auseinanderdriften entgegenwirkt. Eine Stärke der Universität liegt in der Befassung mit Produktionsketten und in begleitenden Querschnittsthemen im gesamten Bereich der Umwelt- und Lebenswissenschaften. Dadurch wird die Vernetzung der einzelnen Standorte gezielt gestärkt.

 

Ad 13.:

Der Erreichungsgrad der in den Leistungsvereinbarungen vereinbarten Entwicklungslinien und Ziele findet sich in den jährlich zu legenden Leistungsberichten und den jährlich zu erstellenden Wissensbilanzen.

 

Ad 14. und 18.:

Dass Verträge über den Erwerb oder die Miete von Grundstücken oder vorhandenen Gebäuden nicht der Anwendung des Bundesvergabegesetzes unterliegen ist keine Annahme, sondern die ausdrücklich angeführte Ausnahme, also die Anwendung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen. Dieser Sachverhalt ist im 3. Abschnitt, § 10 Pkt. 8 BVergG 2006, BGBl. I Nr. 17 vom 31. Jänner 2006 geregelt:

 

3. Abschnitt

Ausnahmen vom Geltungsbereich

Vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommene Vergabeverfahren

§ 10. Dieses Bundesgesetz gilt nicht

          (1. - 9.)

        8. für Verträge über Erwerb oder Miete von oder Rechte an Grundstücken oder vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichen Vermögen ungeachtet deren Finanzierungsmodalitäten, ausgenommen Verträge über finanzielle Dienstleistungen jeder Form, die gleichzeitig, vor oder nach dem Kauf- oder Mietvertrag abgeschlossen werden,

          (9. - 17.)

 

Ad 15. bis 17. und 19.:

Da die parlamentarische Anfrage betreffend „Finanzzentrum Linz“ einen gänzlich anderen Gegenstand zum Inhalt hat, ist ein Vergleich nicht möglich.

 

Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur vertritt, wie schon in der Anfragebeantwortung Nr. 4161/AB vom 5. Juli 2006 ausgeführt, die Rechtsansicht, dass der Erwerb und die Miete an oder von Grundstücken oder Gebäuden von der Anwendung des Bundesvergabegesetzes ausgenommen sind. Die vom Bundesvergabegesetz vorgeschriebenen Ausschreibungen im Zuge der Errichtungstätigkeit werden derzeit vom Land Niederösterreich durchgeführt.

 

Ad 20.:

Wie aus der bisherigen Anfragebeantwortung hervorgeht, bestehen keine Rechtswidrigkeiten. Die Beurteilung des Standortes findet sich im BOKU-Entwicklungskonzept Universitäts- und Forschungszentrum Tulln. Neben wirtschaftlichen Erwägungen waren vor allem wissenschaftliche Gründe ausschlaggebend: Die Entstehung eines Zentrums für Pflanzenwissenschaften, nachwachsende Rohstoffe und darauf basierenden ressourcenorientierte Technologien.

 

Ad 21.:

Aufgrund der internen Überlegungen der Universität zum Raumkonzept und den Kenntnissen aus den Planungsarbeiten zum Technologiezentrum Muthgasse hat sich laut Mitteilung des Rektorats klar herausgestellt, dass realisierbare Alternativen am Standort Wien – insbesondere wegen der erforderlichen Versuchsflächen von rund 40 ha – nicht vorhanden sind.

 

Ad 22.:

Aufgrund der vorgelegten Unterlagen und der einstimmigen Genehmigung des Universitätsrats ist eine entsprechende sorgfältige Planung erkennbar. Nähere Erörterungen erfolgen in den Verhandlungen zur Leistungsvereinbarung.

 

Ad 23.:

Alle von der Universität in den Entwurf der Leistungsvereinbarung aufgenommenen Projekte sind eingehend zu erörtern. Diese Erörterung wurde bereits begonnen und ist derzeit im Gange.

 

Ad 24.:

Nicht der Ausstieg, sondern der Einstieg in den Themenbereich „Nachwachsende Rohstoffe“ wurde durch die Zuteilung von Profilbildungsmitteln sichergestellt. Diese Mittel werden seitens der Universität für die anfallenden Vorarbeiten verwendet.

 

Ad 25.:

Dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur ist es wichtig, dass die Entwicklungsprojekte der Universitäten gut vorbereitet, ausdiskutiert und möglichst breit mitgetragen werden. Nach gründlicher Vorbereitung wurde im Nationalrat das Bundesgesetz über das Institute of Science and Technology – Austria sowie die Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich über die Errichtung und den Betrieb des Institute of Science and Technology – Austria mit breiter Mehrheit beschlossen und somit die Grundlage für die bestmögliche Entwicklung des Institute of Science and Technology – Austria geschaffen.

 

 

Die Bundesministerin:

 

Elisabeth Gehrer eh.