4630/AB XXII. GP

Eingelangt am 14.09.2006
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BM für Verkehr, Innovation und Technologie

Anfragebeantwortung

 

 

 

GZ. BMVIT-10.000/0034-I/PR3/2006     DVR:0000175

 

An den

Präsidenten des Nationalrates

Dr. Andreas Khol

 

Parlament

1017   W i e n

 

Wien, 14. September 2006

 

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 4665/J-NR/2006 betreffend Milliarden-Verwirrung beim Projekt Brenner-Basistunnel (BBT), die die Abgeordneten Dr. Moser, Freundinnen und Freunde am 14. Juli 2006 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:

 

Im Allgemeinen und Fragen 1 bis 3:

Auf Grund welches konkreten Projektes bzw. welcher konkreter Unterlagen oder Studien kommen Sie zum Ergebnis, dass der Brennerbasistunnel Österreich weniger als 2 Milliarden Euro kosten wird?

 

Welchen Anteil der von Ihnen genannten 5 Milliarden Euro Gesamtkosten nehmen Baukosten und welchen Anteil Finanzierungskosten ein, und auf welchen konkreten Unterlagen oder Studien beruhen diese Angaben?

 

Was im einzelnen ist an den Angaben von EU-Projektkoordinator Karel van Miert falsch, und wie gelangen Sie zur Bewertung der Angaben von van Miert als „Lotteriespiel“?

 

Antwort:

Das Projekt „Brenner-Basis-Tunnel“ (BBT) erfordert auf Grund seiner außerordentlichen Größenordnung eine besonders sorgfältige Planung und zudem eine internationale Abstimmung zwischen den Verkehrsministerien und Eisenbahn-Infrastrukturunternehmen Österreichs und Italiens sowie auch mit der Europäischen Kommission. In den vergangenen Jahren wurde das Projekt Schritt für Schritt gemeinsam und abgestimmt weiterentwickelt. Mit dem Executive Report 2002 der Brenner Basistunnel EWIV liegen die Projektdaten und die Angaben über Investitionserfordernisse den Verkehrsministerien und auch der Europäischen Kommission vor.

 

Bekanntlich ist es generell üblich, Kostenangaben für Infrastrukturinvestitionen als Ergebnis eines solchen technischen Planungsprozesses ohne allfällige Finanzierungskosten zu nennen. Die diesbezügliche geschätzte Summe für den Basistunnel beträgt (ohne Valorisierung) 4,5 Mrd. €.

 

Seitens der Europäischen Union besteht die Bereitschaft 20% der oben angeführten Kosten zu tragen. Der restliche Betrag wird zu je 50% von der Republik Österreich und der Republik Italien getragen.

 

Weiters muss natürlich im Auge behalten werden, dass je nach Art der Finanzierung auch  Finanzierungskosten anfallen. Finanzierungskosten sind naturgemäß unter anderem stark von der Art der Finanzierungskonstruktion abhängig, d.h. insbesondere vom Anteil der Zuschüsse, des Privatkapitals, der Querfinanzierung etc..

 

Um diese Möglichkeiten auszuloten, wird derzeit durch die Brenner Basistunnel BBT SE eine Untersuchung der potenziellen Finanzierungs­konstruktionen für den BBT durchgeführt.

 

Der Europäische Koordinator Dr. Karel Van Miert ist selbstverständlich über alle relevanten Einzelheiten informiert.

 

Frage 4:

Aus welchen konkreten Gründen sollte der Brennerbasistunnel – wie von Ihnen beziffert – a) billiger als die in Errichtung befindlichen Schweizer Basistunnels, b) deutlich billiger als der 1994 eröffnete Kanaltunnel sein?

 

Antwort:

Es sollte bei Vergleichen stets darauf geachtet werden, dass nur Vergleichbares herangezogen wird:

 

Zum Eurotunnel wie auch zum Gotthard-Basistunnel werden auch die Zulaufstrecken hinzugerechnet, während sich die Angaben für den BBT fast zur Gänze auf den eigentlichen Basistunnel beziehen. Der in Österreich an den BBT anschließende Tunnel der Umfahrung Innsbruck wurde bekanntlich schon vor Jahren errichtet und der Ausbau im Unterinntal, der bereits zügig im Gange ist, wird als eigenes Projekt betrachtet.

 

Fragen 5 und 6:

Warum wurde der Öffentlichkeit bisher keine nachvollziehbare Darlegung der Kosten des Gesamtprojekts BBT samt nachvollziehbaren Angaben über deren Bedeckung vorgelegt?

 

Wann wird der Öffentlichkeit eine solche nachvollziehbare Darlegung der Kosten des Gesamtprojekts BBT samt Bedeckung endlich vorgelegt?

 

Antwort:

Die Kostenschätzungen aus dem Executive Report 2002 der Brenner Basistunnel EWIV liegen unverändert vor und wurden bereits mehrfach kommuniziert. Dabei handelt es sich unbestritten um eine nachvollziehbare Darlegung der Kosten, die auch Grundlage für die Europäische Union war, einen Zuschuss in der Höhe von 50% für die Errichtung des Pilotstollens zum BBT zu gewähren.

 

Fragen 7 bis 10:

Können Sie bestätigen, dass der BBT nach derzeitigen Stand der Dinge mit italienischer Bahntechnik und Stromsystem ausgerüstet werden soll, was (Stichwort Gleichstromkorrosion – dickere Tunnelkalotten) zu massiv erhöhtem Materialaufwand und damit erhöhten Baukosten führen würde?

 

Wann haben Sie bzw. Ihre Vertreter dieser Lösung, die nicht im Interesse der österreichischen Steuerzahler und der Bahn wäre, konkret zugestimmt?

 

Können Sie bestätigen, dass mit dieser Ausführung des Tunnels gesichert wäre, dass nicht die Neue Österreichische Tunnelbautechnik zur Anwendung kommen kann und dadurch italienische (sizilianische?) Bauunternehmen bessere Chancen auf den Zuschlag für die Ausführung bekommen?

 

Können Sie bestätigen, dass bei Ausrüstung des BBT mit italienischer Eisenbahntechnik/Stromsysteme im Raum Innsbruck-Unterinntal zusätzliche Einrichtungen für die Übergabe nötig werden und wo sollen diese im dicht besiedelten Tiroler Zentralraum untergebracht werden?

 

Antwort:

Nach derzeitigem Verfahrensstand werden die sicherungstechnischen Anlagen und das Stromsystem des BBT nicht nach italienischen Standards ausgerüstet. Eine derartige Entscheidung wurde nicht getroffen.

 

Mit Sicherheit kann jedoch bereits zum jetzigen Zeitpunkt festgehalten werden, dass auf Grund der Interoperabilitätsrichtlinien der EU 96/48 und 2001/14 und der darauf basierenden  EU-weit gültigen „Technischen Spezifikationen für Interoperabilität“ (TSI) jedenfalls nur eine Elektrifizierung mit Wechselstrom erfolgen kann, weshalb die in den Punkten 7 bis 10 geäußerten Sorgen hinsichtlich der Ausführung des Tunnelrohbaus unbegründet sind.

 

Zu Frage 11:

Werden Sie das Projekt eines reinen Gütertunnels (vgl. Kummer-Studie), das in mehrerlei Hinsicht wesentlich kostengünstiger umsetzbar wäre, forciert berücksichtigen, wenn nein, warum nicht?

 

Antwort:

Es hat sich schon bei früheren Alternativ-Vorschlägen zu verschiedensten Projekten erwiesen, dass die behauptete maßgebliche Kostenreduktion bei näherer Betrachtung nicht im behaupteten Ausmaß realisiert werden kann. Darüber hinaus ist die Variante eines reinen Güterverkehrstunnels in der Arbeitsgemeinschaft Brenner Basis Tunnel untersucht, aber verworfen worden.

 

Ein wesentlicher Aspekt zur Tunnelsicherheit sollte als Argument dafür genügen: es wird immer wieder übersehen, dass auch in einem Tunnel, der nur dem Güterverkehr dienen soll, Triebfahrzeugführer auf den Lokomotiven arbeiten und auch Erhaltungs- und Erneuerungsarbeiten durchgeführt werden müssen, dass also Menschen im Tunnel arbeiten werden, für die schon aus Gründen des verbindlichen Arbeitnehmerschutzes entsprechende Sicherheitsvorkehrungen erforderlich sind. Weiters sei darauf hingewiesen,

dass im begleiteten Kombinierten Verkehr auch „Fahrgäste“ mitreisen, und zwar die LKW-Fahrer, die ihre Fahrzeuge begleiten.

 

In der Erkenntnis, dass die investiven Erfordernisse nicht so entscheidend geringer wären, wenn auf Personenverkehr verzichtet würde, wurde bereits vor über zehn Jahren der Ausbau der Brennerachse für Personen- und Güterverkehr international vereinbart und auch in diesem Sinne in die TEN-Leitlinien ( inklusive der prioritären Projekte ) aufgenommen.

 

Mit freundlichen Grüßen