29/ABPR XXII. GP

Eingelangt am 12.04.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Präsident des Nationalrates

 

Anfragebeantwortung

 

Die Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen haben am 6. April 2005 an den
Präsidenten des Nationalrates die schriftliche Anfrage 31/JPR betreffend BZÖ/FPÖ-
Kuddelmuddel und dessen rechtliche Auswirkungen auf die Zusammensetzung von Beiräten
und Kommissionen gerichtet.

Diese beantworte ich wie folgt:

Die österreichische Rechtsordnung kennt beim Parteibegriff einerseits die Partei im Sinne
des Parteiengesetzes sowie andererseits die Wahlpartei im Sinne der
Nationalratswahlordnung (bzw. der Landtagswahlordnungen) und schließlich die Partei im
Sinne des parlamentarischen Klubs im Nationalrat bzw. der parlamentarischen Fraktion
(siehe auch Peter Kostelka, Politische Parteien in der österreichischen Rechtsordnung,
in:FS Floretta, 1983). Im parlamentarischen Sprachgebrauch und im Wortlaut von Gesetzen,
in denen der Parteibegriff verwendet wird, werden die Begriffe Wahlpartei im Sinne der
Nationalratswahlordnung und politische Partei im Sinne des Parteiengesetzes meistens
synonym verwendet. Hinzu kommt, dass der Parlamentsklub die politische Vertretung der
Mitglieder der Wahlpartei ist, sodass es auch vorkommt, dass Rechte dem Klub zugemessen
werden, obwohl der Begriff Partei verwendet wird.

Zur legistischen Praxis der Verwendung des Parteibegriffes wurde von Heinz Fischer in
seinem Aufsatz „Die parlamentarischen Fraktionen" in H. Fischer (Hrsg.), Das politische
System Österreichs, 3. ergänzte Auflage, Wien 1982, darauf hingewiesen, dass es
zahlreiche Bundesgesetze gibt, „die fälschlicherweise von einer nicht nur politischen sondern
auch rechtlichen Identität der politischen Parteien und der parlamentarischen Klubs
ausgehen, in dem sie beispielsweise die Vertretung der politischen Parteien in bestimmten
Organen und  Institutionen vom Stärkeverhältnis der parlamentarischen Fraktionen  ,im


Hauptausschuss abhängig machen bzw. von dem im Hauptausschuss des Nationalrates
vertretenen Parteien´ sprechen. Diese Ungenauigkeit hat allerdings in der Praxis noch nie zu
Schwierigkeiten geführt, weil es durchaus der Realität entspricht, eine politische Identität
zwischen politischen Parteien und parlamentarischen Fraktionen zu unterstellen ...".

Da die Verwendung des Parteibegriffes in verschiedenen Bundesgesetzen auch bereits zu
einem Zeitpunkt erfolgte, als das Parteiengesetz noch nicht Bestandteil der österreichischen
Rechtsordnung war, möchte ich auf die umfassende Darstellung in dem von der
Bundesregierung erstatteten Bericht aus der
XI. Gesetzgebungsperiode (III-12 d.B.)
verweisen, in dem unter anderem festgestellt wird, „die Unterscheidung zwischen ,politischer
Partei' und ,Wahlpartei' ist juristischer Art. Tatsächlich ist es so, dass fast jede politische
Partei auch als Wahlpartei auftritt."

Die verschiedenen Parteibegriffe im österreichischen Recht, die Rechtsfolgen für Bestand,
Finanzierung, Rechte der Abgeordneten und die Abgrenzungsmerkmale der drei
Parteibegriffe sind unter Berücksichtung der gesamten neueren Rechtssprechung des
Verfassungsgerichtshofes und der wissenschaftlichen Literatur in einer Dissertation an der
rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien festgehalten und diskutiert: Mag.
Patricia Heindl, Die politische Partei im Verfassungsrecht, Parteiendemokratie, Parteibegriffe
und Parteienfreiheit, Wien 2002 (310 Seiten).

Im Hinblick auf die spezifischen juristischen Ausprägungen des politischen Phänomens
Partei in Form der politischen Partei, der Wahlpartei und des parlamentarischen Klubs lässt
sich unter Berücksichtigung der Judikatur, der Literatur und der Staatspraxis jedenfalls
Folgendes festhalten:

Ein Mitglied einer Wahlpartei muss nicht Mitglied einer politischen Partei sein. Die
Mitgliedschaft in einer Wahlpartei ist unveränderbar, solange ein Mandat ausgeübt wird oder
sich der betreffende Mandatar nach einem Mandatsverzicht nicht von der Wahlliste nach der
Nationalratswahlordnung streichen lässt.

Die Wahlpartei, deren Mitglieder gemäß § 7 Geschäftsordnungsgesetz einen Klub gebildet
haben, wird politisch durch diesen Klub vertreten. Die Wahlpartei wird vor den Wahlbehörden
durch den Zustellungsbevollmächtigten im Sinne der Nationalratswahlordnung vertreten und
im Anwendungsbereich des Geschäftsordnungsgesetzes in der Regel durch den Klub.
Mandatare und Kandidaten einer Wahlpartei können ihre Parteizugehörigkeit zu einer Partei
im Sinne des Parteiengesetzes ändern. Es kommt auch immer wieder vor, dass ein von
einer Wahlpartei in den Nationalrat entsandter Mandatar keine Parteizugehörigkeit zu einer


Partei im Sinne des Parteiengesetzes aufweist.

Mandatare einer Wahlpartei haben auch das Recht, jederzeit in eine andere Partei im Sinne
des Parteiengesetzes einzutreten. Unter den Bedingungen des § 7 Geschäftsordnungs-
gesetz können sie auch Mitglieder in einem anderen Klub werden.

Zu Frage 1:

Im Nationalrat sind Angehörige von Wahlparteien vertreten, diese Wahlparteien werden in
der Regel von politischen Parteien im Sinne des Parteiengesetzes durch die Einbringung
eines Wahlvorschlages gegründet. Die Angehörigen von Wahlparteien sind daher in der
Mehrzahl der Fälle auch Mitglieder in den politischen Parteien, die diese Wahlparteien
gegründet haben. Angehörige von Wahlparteien, die zum Mitglied des Nationalrates gewählt
wurden, können auch keiner Partei im Sinne des Parteiengesetzes angehören, und sie
können auch jederzeit zu einer anderen Partei im Sinne des Parteiengesetzes wechseln.

Zur Beantwortung der Frage 1 ist die Interpretation des Art. 148g Abs. 2 B-VG von
Bedeutung. Gemäß diesen Bestimmungen (bzw. den Bestimmungen des § 29 Abs. 2 lit. g
Geschäftsordnungsgesetzes) ist der Hauptausschuss dazu berufen, einen Gesamtvorschlag
für die Wahl der Mitglieder der Volksanwaltschaft zu erstatten, wobei „die drei
mandatsstärksten Parteien des Nationalrates das Recht haben, je ein Mitglied für diesen
Gesamtvorschlag namhaft zu machen".

Die parlamentarische Praxis hat diesen Begriff „Partei" regelmäßig in der Weise interpretiert,
dass die parlamentarischen Klubs entsprechende Vorschläge übermittelt haben:
Mit Schreiben vom 23. Juni 1989 hat Dr. Heinz Fischer, der damalige Obmann der
sozialistischen Parlamentsfraktion, Präsident Rudolf Pöder mitgeteilt, dass seitens der
sozialistischen Parlamentsfraktion vorgeschlagen wird, die Abgeordnete Mag. Evelyn
Messner zu einem Mitglied der Volksanwaltschaft zu wählen. In ähnlicher Weise haben
Klubobmann Dr. Friedrich König für den Parlamentsklub der Österreichischen Volkspartei
und Norbert Gugerbauer für den Klub der freiheitlichen Abgeordneten und Bundesräte
Dr. Herbert Kohlmaier bzw. Horst Schender vorgeschlagen. Weiters habe ich als
Klubobmann des ÖVP-Parlamentsklubs z.B. mit Schreiben vom 11. Mai 1995 bzw. vom
22. Mai 2001 (jeweils an den Präsidenten Dr. Heinz Fischer) Frau Ingrid Korosec bzw. Frau
Rosemarie Bauer namhaft gemacht. Auch der Vorsitzende der Sozialdemokratischen
Parlamentsfraktion Dr. Alfred Gusenbauer hat mit Schreiben vom 16. Mai 2001 dem
Präsidenten des Nationalrates (und Vorsitzenden des Hauptausschusses) Dr. Heinz Fischer
mitgeteilt, dass die Sozialdemokratische Parlamentsfraktion Dr. Peter Kostelka für den
Gesamtvorschlag des Hauptausschusses namhaft macht. Legt man diese parlamentarische


Praxis zugrunde, dass die drei mandatsstärksten parlamentarischen Klubs als Parteien im
Sinne des Art. 148g B-VG aufzufassen sind, dann sind der Parlamentsklub der
Österreichischen Volkspartei, der Klub der Sozialdemokratischen Abgeordneten sowie der
Freiheitliche Parlamentsklub die drei Klubs, die gemäß Art. 148g Abs. 2 B-VG das Recht auf
Namhaftmachung eines Vorschlages haben.

Zu Frage 2:

Zur Bedeutung der Worte „im Hauptausschuss vertreten" oder ähnlichen Formulierungen ist
zunächst darauf hinzuweisen, dass gemäß § 30 Geschäftsordnungsgesetz zur Wahl des
Hauptausschusses Wahllisten einzureichen sind (die Mitglieder des Hauptausschusses
werden zum Unterschied von den anderen Ausschüssen nicht unmittelbar durch
Namhaftmachung der Klubs gewählt). Von jeder Liste werden so viele Abgeordnete
Mitglieder des Hauptausschusses, als dem Verhältnis der Zahlen der Abgeordneten
entspricht, die die einzelnen Listen unterzeichnet haben. Diese Wahllisten werden in
jahrzehntelanger Praxis des Nationalrates von den Parlamentsklubs vorgelegt. Demnach
setzt sich der Hauptausschuss derzeit aus 14 Mitgliedern des Parlamentsklubs der
Ö
sterreichischen Volkspartei, 12 Mitgliedern der Sozialdemokratischen Parlamentsfraktion
sowie je 3 Parlamentariern des Freiheitlichen Parlamentsklubs und des Grünen Klubs
zusammen.

Da jedes Mitglied des Hauptausschusses einer Wahlpartei angehört, repräsentiert jedes
Mitglied des Hauptausschusses auch jene politische Partei im Sinne des Parteiengesetzes,
die seinerzeit die Wahlpartei gegründet hat. Wenn ein Mitglied des Hauptausschusses einer
Partei beitritt, die nicht als Wahlpartei an der letzten Wahl teilgenommen hat, so hat der
Gesetzgeber offenkundig nicht beabsichtigt, dass diese neue politische Partei im Sinne des
Parteiengesetzes als im Hauptausschuss vertreten anzusehen ist. In der
XXII. GP gibt es nur
die bereits bestehenden folgenden Wahlparteien: ÖVP, SPÖ, FPÖ und die Grünen.

Zu den Fragen 3 bis 5:

Zusätzlich zu Obigem wird hiezu festgehalten: Bei der letzten Nationalratswahl haben die
vier Wahlparteien ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grüne Mandate im Nationalrat errungen. Nach der
Konstituierung des Nationalrates haben sich dann vier parlamentarische Klubs gebildet. Alle
vier Wahlparteien sind sowohl im Nationalrat, als auch im Hauptausschuss des Nationalrates
vertreten.