50/ABPR XXII. GP
Eingelangt am 14.07.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Präsident des Nationalrates
Anfragebeantwortung
Die Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen haben am
13. Juli 2006 an
den Präsidenten
des Nationalrates die schriftliche Anfrage 54/JPR betreffend
„unzureichende
Beantwortung von Schriftlichen Anfragen - Marginalisierung des Interpellationsrechtes
durch
gewisse Mitglieder der Bundesregierung,
insbesondere durch Vizekanzler Hubert Gorbach"
gerichtet.
Diese Anfrage darf ich wie folgt beantworten:
Zu Frage 1-4:
Seitens
der Parlamentsdirektion wird die Einhaltung der Beantwortungsfrist
gemäß § 91 Abs. 4
Geschäftsordnungsgesetz kontrolliert. Dabei wird von der
Parlamentsdirektion auch geprüft, ob
z.B. zu 7 Fragen auch 7 Antworten bzw.
Begründungen warum nicht beantwortet wird, vorliegen.
Dies dient für allfällige
telefonische Rückfragen, ob die Anfragebeantwortung vollständig
übermittelt wurde.
Die
Anfragebeantwortungen werden nach langjähriger parlamentarischer Praxis
systematisch
weder vom Präsidenten noch von der
Parlamentsdirektion inhaltlich geprüft. Selbstverständlich
interessiert
sich jeder Präsident insbesondere für Anfragen, die jene Materien
betreffen, die in
den Ausschüssen beraten oder vorberaten werden, denen er selbst
angehört. Dies bedeutet
jedoch nicht, dass vom Präsidenten eine Kontrolle über die
vollständige Beantwortung einer
Anfrage
durchgeführt wird. Denn gemäß § 92 Abs. 3
Geschäftsordnungsgesetz kann der
Nationalrat
beschließen, eine Anfrage nicht zur Kenntnis zu nehmen. Und es obliegt
nicht dem
Präsidenten anstelle des Nationalrates dieses Recht wahrzunehmen. Auch im
Kommentar
Atzwanger/Zögernitz zum Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrates, 3.
Auflage, heißt es in
Fußnote 16 zu §91:
„Das
G begründet keine Prüfungskompetenz des Präs dahin,
ob der Verpflichtung zur
Beantwortung
oder Bekanntgabe der Gründe für die Nichtbeantwortung einer Anfrage
hinreichend entsprochen worden
ist. Hingegen hat der NR die Möglichkeit, den Beschluss
zu fassen,
die Beantwortung nicht zur Kenntnis zu nehmen (§ 92 Abs.3)."
Im übrigen bin ich nicht verpflichtet
Auskunft über meinen Briefverkehr zu geben, den ich
außerhalb der Wahrnehmung meiner
geschäftsordnungsmäßigen Pflichten führe.
Zu den Fragen 5 und 6:
Siehe die Beantwortung zu Frage 4.
Zu den Fragen 7 und 8:
Da
die Bestimmungen der Bundesverfassung auch von den Mitglieder der
Bundesregierung zu
beachten sind, braucht wohl nicht betont zu
werden, dass ein Mitglied der Bundesregierung alles
unternehmen muss, um dem Interpellationsrecht zu entsprechen.
Allerdings bedeutet dies, dass die Mitglieder der Bundesregierung nur
zu einer Beantwortung im
Rahmen
der Bestimmungen des Art. 52 B-VG und der diesbezüglichen
Ausführungs-
bestimmungen in der
Geschäftsordnung verpflichtet sind. In der parlamentarischen Praxis ist es
zwar hin und wieder vorgekommen, dass ein
interpelliertes Mitglied der Bundesregierung
einerseits darauf hingewiesen hat,
dass bestimmte Anfragen nicht dem Art. 52 B-VG
unterliegen, weil es sich um ein dem
Aktienrecht unterliegendes Unternehmen handelt,
andererseits aber dann den Vorstand
dieses Unternehmens brieflich vom Gegenstand der
Anfrage in
Kenntnis gesetzt und das diesbezügliche
Antwortschreiben dem Nationalrat
zugeleitet hat. Daraus kann jedoch nicht eine rechtliche Verpflichtung
abgeleitet werden. In
diesem Zusammenhang
möchte ich auch auf den Bericht des Verfassungsausschusses (1142
d.B., XVIII.GP) zur diesbezüglichen
B-VG-Novelle 1993 verweisen, in dem es u.a. heißt:
„Wird
eine wirtschaftliche Tätigkeit durch Organe einer selbständigen
juristischen Person
ausgeübt, so kann sich das
Interpellationsrecht nur auf die Rechte des Bundes (zB
Anteilsrecht in der Hauptversammlung
einer Aktiengesellschaft) und die
Ingerenzmöglichkeiten seiner
Organe beziehen, nicht jedoch auf die Tätigkeit der Organe
der juristischen Person, die von den Eigentümervertretern bestellt
wurden."
Auch im Korinek/Holoubek-Kommentar zum B-VG wird zum Art. 52 im Zusammenhang mit den
sogenannten Ausgliederungen Folgendes festgestellt:
„Weite Bereiche der Aufgabenerfüllung
entrücken so der parlamentarischen Kontrolle.
Diese,
und damit auch die Möglichkeit zur Interpellation, beginnt erst dort, wo
Leitungsbefugnisse
bzw. Ingerenzmöglichkeiten der Regierungsmitglieder hinsichtlich der
Tätigkeit
des selbständigen Rechtsträgers einsetzen. Entsprechende
Einflussmöglichkeiten
können etwa durch Personalhoheit, Organisations- und
Finanzgewalt,
Entsendungsrechte oder sondergesetzlich bzw. gesellschaftsvertraglich
statuierte (Zustimmungs)Rechte begründet
sein. Nur soweit tatsächlich die Möglichkeit
zur Ausübung der Anteils-, Überwachungs- und Ingerenzverwaltung
besteht, sind
Interpellationen möglich."
Zum Verständnis der Ingerenzmöglichkeiten eines Mitgliedes der
Bundesregierung bei
Gesellschaften die
dem Aktienrecht unterliegen, ist darauf hinzuweisen, dass gemäß
§ 103 Abs.
2 des Aktiengesetzes die Hauptversammlung
über Fragen der Geschäftsführung nur
entscheiden kann, wenn der Vorstand es verlangt bzw. wenn bei einem der
Zustimmung des
Aufsichtsrates vorbehaltenen Geschäfts der Aufsichtsrat es verlangt.
Wenn es für eine Aktiengesellschaft gesetzliche vorgesehene
Berichtspflichten an den
zuständigen
Bundesminister gibt, wie z.B. in § 39 des Bundesbahngesetzes, dann
gehören
solche
Berichte zu jenen Angelegenheiten, die gemäß Art. 52 B-VG auch dem
Interpellationsrecht
unterliegen.
Abschließend möchte ich neuerlich darauf hinweisen, dass der
Nationalrat gemäß § 92 Abs. 3
Geschäftsordnungsgesetz
beschließen kann, eine Anfrage nicht zur Kenntnis zu nehmen. Dem
Präsidenten des Nationalrates obliegt es
nicht, anstelle des Nationalrates dieses Recht
wahrzunehmen.