129 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Regierungsvorlage

(Übersetzung)

Zusatzprotokoll zum Europäischen Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften oder Behörden

Die Mitgliedsstaaten des Europarates, die dieses Protokoll zum Europäischen Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften im folgenden als „Rahmenübereinkommen“ bezeichnet) unterzeichnen-

in Bestätigung der Bedeutung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften in Grenzgebieten,

entschlossen, weitere Maßnahmen zu ergreifen, um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften zu gewährleisten,

in dem Wunsch, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften in Grenzgebieten zu erleichtern und weiterzuentwickeln,

in Anerkennung der Notwendigkeit, das Rahmenübereinkommen mit der derzeitigen Situation in Europa in Einklang zu bringen,

in der Erwägung, dass es angebracht wäre, das Rahmenübereinkommen zu ergänzen, um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zischen Gebietskörperschaften zu stärken, eingedenk der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung,

in Anbetracht der anlässlich des 40. Jahrestages des Europarates vom Ministerkomitee abgegebenen Erklärung über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa, in der unter anderem zu weiteren Maßnahmen zum allmählichen Abbau der Schranken jeder Art - seien es administrative, rechtliche, politische oder psychologische - aufgerufen wird, welche die Entwicklung grenzüberschreitender Vorhaben hemmen könnten -

haben folgende Zusatzbestimmungen vereinbart:

Artikel 1

(1) Jede Vertragspartei erkennt das Recht der ihrer Zuständigkeit unterstehenden, in den Artikeln 1 und 2 des Rahmenübereinkommens bezeichneten Gebietskörperschaften an, Vereinbarungen über grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit den Gebietskörperschaften anderer Staaten in gemeinsamen Zuständigkeitsbereichen im Einklang mit den in ihren Satzungen festgelegten Verfahren, in Übereinstimmung mit dem innerstaatlichen Recht und unter Beachtung der internationalen Verpflichtungen der betreffenden Vertragspartei zu schließen, und achtet dieses Recht.

(2) Eine Vereinbarung über grenzüberschreitende Zusammenarbeit begründet die Verantwortlichkeit nur derjenigen Gebietskörperschaften, die sie geschlossen haben.

Artikel 2

Die im Rahmen einer Vereinbarung über grenzüberschreitende Zusammenarbeit gemeinsam gefassten Beschlüsse werden von den Gebietskörperschaften innerhalb ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung in Übereinstimmung mit ihrem innerstaatlichen Recht umgesetzt. Die auf diese Weise umgesetzten Beschlüsse werden angesehen, als hätten sie dieselbe Rechtskraft und die gleichen rechtlichen Auswirkungen wie Maßnahmen, die von diesen Körperschaften im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung getroffen werden.

Artikel 3

Von Gebietskörperschaften geschlossene Vereinbarungen über grenzüberschreitende Zusammenarbeit können eine für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zuständige Einrichtung mit oder ohne Rechtspersönlichkeit einsetzen. Unter Beachtung der innerstaatlichen Gesetzgebung wird in der Vereinbarung festgelegt, ob diese Einrichtung unter Berücksichtigung der ihr übertragenen Aufgaben innerhalb der Rechtsordnung des Staates, dem die Gebietskörperschaften, welche die Vereinbarung geschlossen haben, angehören, als Einrichtung des öffentlichen oder des privaten Rechts angesehen werden soll.

Artikel 4

(1) Ist die Einrichtung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Rechtspersönlichkeit ausgestattet, so wird diese nach dem Recht der Vertragspartei bestimmt, in der sie ihren Sitz hat. Die anderen Vertragsparteien, denen die an der Vereinbarung beteiligten Gebietskörperschaften angehören, erkennen die Rechtspersönlichkeit der Einrichtung in Übereinstimmung mit ihrem innerstaatlichen Recht an.

(2) Die Einrichtung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit führt die ihr von den Gebietskörperschaften übertragenen Aufgaben in Übereinstimmung mit ihrem Zweck und unter den von ihrem innerstaatlichen Recht vorgesehenen Voraussetzungen wie folgt aus:

                a) Die Maßnahmen der Einrichtung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit unterliegen ihrer Satzung und dem Recht des Sitzstaates;

               b) die Einrichtung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist jedoch nicht befugt, allgemein anwendbare Maßnahmen oder Maßnahmen, welche die Rechte und Freiheiten einzelner berühren könnten, zu treffen;

                c) die Einrichtung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit wird aus dem Haushalt der betreffenden Gebietskörperschaften finanziert. Sie ist nicht befugt, Abgaben steuerlicher Art zu erheben. Gegebenenfalls kann sie Einnahmen in bezug auf Dienstleistungen erhalten, die sie für Gebietskörperschaften, Nutzer oder Dritte erbringt;

               d) die Einrichtung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit stellt einen jährlichen Haushaltsvorschlag sowie eine Schlussabrechnung auf, die von Rechnungsprüfern bestätigt wird, die von den an der Vereinbarung beteiligten Gebietskörperschaften unabhängig sind.

Artikel 5

(1) Die Vertragsparteien können, falls ihr innerstaatliches Recht dies zulässt, beschließen, dass die Einrichtung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit eine Einrichtung des öffentlichen Rechts ist und dass ihre Maßnahmen innerhalb der Rechtsordnung jeder Vertragspartei dieselbe Rechtskraft und die gleichen rechtlichen Auswirkungen haben wie die von den Gebietskörperschaften, welche die Vereinbarung geschlossen haben, getroffenen Maßnahmen.

(2) Die Vereinbarung kann jedoch vorsehen, dass es Sache der Gebietskörperschaften ist, welche die Vereinbarung geschlossen haben, solche Maßnahmen durchzuführen, insbesondere dann, wenn sie die Rechte, Freiheiten und Interessen einzelner berühren könnten. Darüber hinaus kann jede Vertragspartei bestimmen, dass der Einrichtung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit keine allgemeinen Aufgaben übertragen werden können und dass eine solche Einrichtung nicht befugt ist, allgemein anwendbare Maßnahmen zu treffen.

Artikel 6

(1) Maßnahmen, die von den Gebietskörperschaften aufgrund einer Vereinbarung über grenzüberschreitende Zusammenarbeit getroffen werden, unterliegen derselben Aufsicht[1], wie sie im Recht jeder Vertragspartei für Maßnahmen der Gebietskörperschaften vorgeschrieben sind, welche die Vereinbarung geschlossen haben.

(2) Maßnahmen, die von der aufgrund einer Vereinbarung eingesetzten Einrichtung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit getroffen werden, unterliegen der Aufsicht, die im Recht des Staates vorgesehen ist, in dem die Einrichtung ihren Sitz hat, wobei die Interessen der Gebietskörperschaften der anderen Staaten nicht vernachlässigt werden dürfen. Die Einrichtung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit hat den Informationsanforderungen der Behörden der Staaten, denen die Gebietskörperschaften angehören, nachzukommen. Die Aufsichtsbehörden der Vertragsparteien bemühen sich, geeignete Koordinierungs- und Informationsmöglichkeiten zu schaffen.

(3) Maßnahmen, die von einer in Artikel 5 Absatz 1 bezeichneten Einrichtung getroffen werden, unterliegen derselben Aufsicht, wie sie im Recht jeder Vertragspartei für Maßnahmen der Gebietskörperschaften vorgeschrieben sind, welche die Vereinbarung geschlossen haben.

Artikel 7

Streitigkeiten, die sich aus der Arbeit einer Einrichtung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ergeben, werden Gerichten unterbreitet, die nach innerstaatlichen Recht oder einer völkerrechtlichen Übereinkunft zuständig sind.

Artikel 8

(1) Jede Vertragspartei erklärt bei der Unterzeichnung dieses Protokolls oder bei der Hinterlegung ihrer Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde, ob sie die Artikel 4 und 5 oder nur einen dieser Artikel anwenden wird.

(2) Eine solche Erklärung kann in der Folge jederzeit modifiziert werden.

Artikel 9

Vorbehalte zu diesem Protokoll sind nicht zulässig.

Artikel 10

(1) Dieses Protokoll liegt für die Staaten, die das Rahmenübereinkommen unterzeichnet haben, zur Unterzeichnung auf; sie können ihre Zustimmung, gebunden zu sein, ausdrücken,

                a) indem sie es ohne Vorbehalt der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnen oder

               b) indem sie es vorbehaltlich der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnen und später ratifizieren, annehmen oder genehmigen

(2) Ein Mitgliedstaat des Europarates kann nicht dieses Protokoll ohne Vorbehalt der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnen oder eine Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde hinterlegen, wenn er nicht bereits eine Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde zum Rahmenübereinkommen hinterlegt hat oder gleichzeitig hinterlegt.

(3) Die Ratifikations-, Annahme oder Genehmigungsurkunden werden beim Generalsekretär des Europarats hinterlegt.

Artikel 11

(1) Dieses Protokoll tritt drei Monate nach dem Tag in Kraft, an dem vier Mitgliedsstaaten des Europarates nach Artikel 10 ihre Zustimmung ausgedrückt haben, durch das Protokoll gebunden zu sein.

(2) Für jeden Mitgliedstaat, der später seiner Zustimmung ausdrückt, durch das Protokoll gebunden zu sein, tritt es drei Monate nach dem Tag der Unterzeichnung oder der Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde in Kraft.

Artikel 12

(1) Nach Inkrafttreten dieses Protokolls kann jeder Staat, der dem Rahmenübereinkommen beigetreten ist, auch dem Protokoll beitreten.

(2) Der Beitritt erfolgt durch Hinterlegung einer Beitrittsurkunde beim Generalsekretär des Europarates; der Beitritt wird drei Monate nach ihrer Hinterlegung wirksam.

Artikel 13

(1) Jede Vertragspartei kann dieses Protokoll jederzeit durch eine an den Generalsekretär des Europarates gerichtete Notifikation kündigen.

(2) Die Kündigung wird sechs Monate nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär wirksam.

Artikel 14

Der Generalsekretär des Europarates notifiziert den Mitgliedstaaten des Europarates und jeden Staat, der diesem Protokoll beigetreten ist,

                a) jede von den Vertragsparteien nach Artikel 8 abgegebene Erklärung;

               b) jede Unterzeichnung;

                c) jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitritturkunde;

               d) jeden Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls nach den Artikeln 11 und 12;

                e) jede andere Handlung, Notifikation oder Mitteilung im Zusammenhang mit diesem Protokoll.

Zu Urkund dessen haben die hierzu befugten Unterzeichneten dieses Protokoll unterschrieben.

Geschehen zu Straßburg am 9. November 1995 in englischer und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv des Europarats hinterlegt wird. Der Generalsekretär des Europarats übermittelt jedem Mitgliedstaat des Europarates und jedem Staat der zum Beitritt zu diesem Protokoll eingeladen worden ist, beglaubigte Abschriften.



[1] Anmerkung: Die Schweiz verwendet in ihrer Übersetzung den sinnverwandten

Begriff "Kontrolle".