VORBLATT

Problem:

Anpassung des Abstimmungsmodus im Rat der Europäischen Zentralbank (Artikel 10.2 der ESZB/EZB-Satzung).

Ziel:

Sicherstellung einer raschen und effizienten Entscheidungsfindung nach der Erweiterung.

Inhalt:

Umstellung auf ein Drei-Gruppen-Rotationsmodell mit fünfzehn rotierenden Stimmrechten für die nationalen Zentralbankpräsidenten.

Alternativen:

Keine.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Keine.

Finanzielle Auswirkungen:

Keine.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Es handelt sich um einen Beschluss des Rates in der Zusammensetzung der

Staats- und Regierungschefs, der für sein Inkrafttreten der Ratifikation durch die Mitgliedstaaten gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften bedarf.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Sonderkundmachung gem. Art. 49 Abs. 2 B-VG


Erläuterungen

Der Beschluss des Rates in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs vom 21. März 2003 (2003/223/EG) über eine Änderung des Artikels 10.2 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank bedarf der Genehmigung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG. Er hat nicht politischen Charakter und enthält keine verfassungsändernden oder verfassungsergänzenden Bestimmungen. Er bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates nach Art. 50 Abs. 1 letzter Satz B-VG, da er keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder regelt. Der Beschluss ist einer unmittelbaren Anwendbarkeit im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass die Erlassung von Gesetzen gem. Art. 50 Abs. 2 B-VG als nicht erforderlich erscheint.

Durch den Vertrag von Nizza wurde im Hinblick auf die Erweiterung der Europäischen Union dem Artikel 10 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank folgender Absatz 6 angefügt: „Artikel 10.2 (der Satzung) kann vom Rat in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs entweder auf Empfehlung der EZB nach Anhörung des Europäischen Parlaments und der Kommission oder auf Empfehlung der Kommission nach Anhörung des Europäischen Parlaments und der EZB einstimmig geändert werden. Der Rat empfiehlt den Mitgliedstaaten, diese Änderungen anzunehmen. Diese Änderungen treten in Kraft, nachdem sie von allen Mitgliedstaaten gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften ratifiziert worden sind. Für eine Empfehlung der EZB nach diesem Absatz ist ein einstimmiger Beschluss des EZB-Rates erforderlich.“

Auf dieser Grundlage hat sich der EZB-Rat bei seinen Sitzungen am 5.12. und am 19.12.2002 auf eine solche Empfehlung geeinigt und diese am 3.2.2003, also unmittelbar nach Inkrafttreten des Vertrages von Nizza, an den Rat übermittelt. Die Stellungnahme der Kommission wurde am 19.2.2003, die Stellungnahme des Europäischen Parlaments am 10.3.2003 übermittelt. Der Rat in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs hat am 21.3.2003 den vom EZB-Rat empfohlenen Rechtstext formell beschlossen. Veröffentlicht ist der Beschluss der Staats- und Regierungschefs im ABl. Nr. L 83 vom 01.04.2003 S. 66.

Gemäß diesem Beschluss wird es künftig nach einer Übergangsphase ein Drei-Gruppen-Rotationsmodell mit fünfzehn rotierenden Stimmrechten für die nationalen Zentralbankpräsidenten geben. Die sechs Mitglieder des Direktoriums behalten ihre dauerhaften Stimmrechte. Die Zuordnung der Mitgliedstaaten zur jeweiligen Gruppe erfolgt auf Grundlage ihrer Anteile am gemeinschaftlichen Bruttoinlandsprodukt (Gewicht: 5/6) sowie der Anteile der monetären Finanzinstitute in den Mitgliedstaaten an der gemeinschaftlichen Gesamtbilanz der monetären Finanzinstitute (Gewicht: 1/6).

Das Rotationsmodell beruht auf den bereits im Maastricht-Vertrag verankerten Grundsätzen „one person, one vote“ und „in a personal and independent capacity“. Beide Prinzipien bleiben insoferne voll erhalten, als sie für jene Mitglieder des EZB-Rates gelten, die gerade ein Stimmrecht ausüben. Das Prinzip der „Repräsentativität“ stellt sicher, dass auch nach der Erweiterung jede geldpolitische Entscheidung des EZB-Rates tatsächlich durch einen ausreichenden Teil der Volkswirtschaften der Eurozone „gestützt“ wird. In dem nunmehr vorgesehenen Rotationsmodel wird jedes Votum durch mehr als 60% des BIP/Finanzsektor-Indikators des Euroraumes unterlegt.

Für die Anwendung des Rotationssystems sind zwei Stufen vorgesehen, die sich nach der Abfolge der Erweiterung der Euro-Zone richten:

·       Ab dem Zeitpunkt, zu dem die Anzahl der Zentralbankpräsidenten 15 übersteigt, und bis zu dem Zeitpunkt, an dem diese 21 beträgt, werden die Zentralbankpräsidenten in zwei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe besteht aus den fünf Zentralbankpräsidenten jener Mitgliedstaaten, die aufgrund der oben genannten Indikatoren (Bruttoinlandsprodukt, Finanzsektor) über die größten Anteile in der Euro-Zone verfügen. Die zweite Gruppe setzt sich aus allen anderen Zentralbankpräsidenten zusammen. Die fünf Zentralbankpräsidenten der ersten Gruppe verfügen zusammen über vier, die Zentralbankpräsidenten der zweiten Gruppe über elf Stimmrechte, wobei die Abstimmungshäufigkeit in der ersten Gruppe aber nicht geringer sein darf als in der zweiten Gruppe. Der EZB-Rat kann daher mit 2/3-Mehrheit das Inkrafttreten des Rotationssystems bis zu dem Zeitpunkt verschieben, zu dem die Anzahl der Zentralbankpräsidenten 18 übersteigt.

·       Ab dem Zeitpunkt, zu dem die Anzahl der Zentralbankpräsidenten 22 beträgt, werden drei Gruppen gebildet. Die erste Gruppe umfasst weiterhin fünf, die zweite Gruppe die Hälfte aller Zentralbankpräsidenten. Die dritte Gruppe besteht aus den übrigen Zentralbankpräsidenten. Die erste Gruppe hat vier Stimmrechte, die zweite Gruppe acht und die dritte Gruppe drei Stimmrechte. Ab dem Zeitpunkt, zu dem die Euro-Zone aus 27 Mitgliedstaaten besteht, beträgt die Häufigkeit, mit der die Zentralbankpräsidenten in der ersten Gruppe abstimmen, 80%, in der zweiten Gruppe 57% und in der dritten Gruppe 38%. Österreich wird sich gemeinsam mit anderen mittelgroßen Volkswirtschaften wie beispielsweise Belgien in der zweiten Gruppe befinden.

Die Rotation der Stimmrechte beruht ferner auf dem Grundsatz, dass innerhalb jeder Gruppe die Zentralbankpräsidenten für gleich lange Zeiträume stimmberechtigt sind. Die Bestimmungen zur Durchführung dieses Grundsatzes werden vom EZB-Rat mit 2/3-Mehrheit verabschiedet.

Da Absatz 6 der Satzung sämtliche Änderungen auf Artikel 10.2 der Satzung beschränkt, bleiben das Recht der Mitglieder des EZB-Rates auf Anwesenheit während der Sitzungen des EZB-Rates sowie das Recht auf Teilnahme als Mitglieder des EZB-Rates an den Beratungen (Artikel 10.1 der Satzung) unberührt. Darüber hinaus wirken sich die Änderungen der Abstimmungsregeln auch nicht auf die Abstimmung über Beschlüsse aus, die gemäß der Artikel 28 (Kapital der EZB), 29 (Schlüssel für die Kapitalzeichnung), 30 (Übertragung von Währungsreserven auf die EZB), 32 (Verteilung der monetären Einkünfte der nationalen Zentralbanken), 33 (Verteilung der Nettogewinne und Verluste der EZB) und 51 (Abweichung von Artikel 32) der Satzung erlassen werden. Gemäß Artikel 10.3. der Satzung werden für Beschlüsse im Rahmen dieser Artikel die Stimmen im EZB-Rat nach den Anteilen der nationalen Zentralbanken am gezeichneten Kapital der EZB gewogen.

Durch die Änderung der EZB-Satzung wird die Voraussetzung geschaffen, dass der EZB-Rat auch in einer erweiterten Union seine Entscheidungen rasch und effizient treffen kann. Ebenso ist mit dem vorliegenden Modell weiterhin eine ausgewogene Gewichtung zwischen großen und kleineren Mitgliedstaaten einerseits sowie Mitgliedstaaten und Direktorium anderseits gegeben. Die großen Mitgliedstaaten werden zwar mit einer höheren Stimmrechtsfrequenz als die kleineren Mitgliedstaaten ausgestattet; allerdings werden sie über keine Mehrheit im EZB-Rat verfügen und selbst bei einer gemeinsamen Vorgangsweise mit dem Direktorium wäre eine einfache Mehrheit nur bei Unterstützung durch zumindest einen kleineren Mitgliedstaat gegeben. Die geänderten Entscheidungsstrukturen sind zudem ein wichtiges Signal gegenüber der Öffentlichkeit und den Finanzmärkten, dass die Entscheidungsfähigkeit der Geldpolitik und folglich die Stabilität der gemeinsamen Währung auch in der erweiterten Union sichergestellt sind.

Nach ständiger österreichischer Verfassungspraxis erfolgt die Ratifikation von Rechtsakten, die von den Mitgliedstaaten gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften anzunehmen sind, gemäß Art. 65 Abs. 1 iVm Art. 50 B-VG. Für die Einordnung in das System der österreichischen Rechtsordnung ist entscheidend, ob der Inhalt des konkreten Rechtsaktes seinem Inhalt nach auf einfachgesetzlicher Ebene oder als Verfassungsrecht zu erzeugen wäre bzw. ob sein Inhalt im Widerspruch zu geltenden einfachgesetzlichen oder verfassungsrechtlichen Vorschriften steht bzw. diese ergänzt. Artikel 10.2 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank wäre bereits in seiner ursprünglichen Fassung einer einfachgesetzlichen Genehmigung auf Grundlage von Artikel 50 Abs. 1 B-VG zugänglich gewesen.

Der Beschluss bedarf daher der Genehmigung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG. Er hat nicht politischen Charakter und enthält keine verfassungsändernden oder verfassungsergänzenden Bestimmungen. Er bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates nach Art. 50 Abs. 1 letzter Satz B-VG, da er keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder regelt. Der Beschluss ist einer unmittelbaren Anwendbarkeit im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass die Erlassung von Gesetzen gem. Art. 50 Abs. 2 B-VG als nicht erforderlich erscheint. Die Kundmachung des Beschlusses soll gem. Art 49 Abs.2 B-VG dadurch erfolgen, dass er in dänischer, englischer, finnischer, französischer, griechischer, italienischer, niederländischer, portugiesischer, schwedischer und spanischer Sprache zur öffentlichen Einsichtnahme beim Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegt.


Die Bundesregierung hat beschlossen, dem Nationalrat vorzuschlagen, anlässlich der Genehmigung des Staatsvertrages gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG zu beschließen, dass die dänische, englische, finnische, französische, griechische, italienische, niederländische, portugiesische, schwedische und spanische Sprachfassung dadurch kundzumachen sind, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

Daran anknüpfend wurde mit Rücksicht auf eine sparsame und zweckmäßige Verwaltung gemäß § 23 Abs. 2 GOG-NR von der Vervielfältigung und Verteilung dieser Sprachfassungen Abstand genommen.

 

Die gesamte Regierungsvorlage liegt in der Parlamentsdirektion zur Einsicht auf.