Vorblatt

Inhalt:

Das vorliegende Zusatzprotokoll hat zum Ziel, auf Ebene des Europarates die Todesstrafe gänzlich abzuschaffen.

 

Alternativen:

keine

 

Auswirkungen auf die Beschäftigungslage und den Wirtschaftsstandort Österreich:

keine

 

Finanzielle Auswirkungen:

keine

 

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Aufgrund des grundrechtlichen Inhalts kein Widerspruch.

 

Besonderheiten des Normsetzungsverfahrens:

Genehmigung gemäß Art. 50 Abs. 1 und 3 B-VG.

 

 

 


Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkt des Entwurfes:

Das Protokoll Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die gänzliche Abschaffung der Todesstrafe ist – wie die EMRK und die übrigen Zusatzprotokolle - verfassungsändernd und verfassungsergänzend und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 und 3 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter.Das Protokoll ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten des selbstständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden.

Die gänzliche Abschaffung der Todesstrafe in ganz Europa, dh. über das 6. Zusatzprotokoll zur Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 138/1985 idF BGBl. III Nr. 30/1998, hinaus und damit auch in Kriegs- und Krisenzeiten, ist ein von Österreich seit langem verfolgtes außenpolitisches Ziel.

Das 13. ZPEMRK das gemäß seines Art. 7 Abs. 1 zu seinem Inkrafttreten der Ratifizierung von zehn Vertragsstaaten bedarf, ist am 1. Juli 2003 in Kraft getreten.

 

Entstehungsgeschichte:

Das Recht auf Leben stellt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ein „unveräußerliches Attribut des Menschen“ dar und nimmt den „höchsten Rang in der internationalen Werteskala der Menschenrechte“ ein (siehe Urteil vom 22. März 2001, Streletz, Kessler und Krenz gegen Deutschland, Appl. 34044/96, 35532/97, 44801/98, Rz. 72, 85, 87 und 94).

 

Das nunmehr vorliegende Zusatzprotokoll (ZPEMRK), das die gänzliche Abschaffung der Todesstrafe in ganz Europa zum Inhalt hat, kann als Schlusspunkt einer Entwicklung im Sinne eines verbesserten Menschenrechtsschutzes gesehen werden. Bei Ausarbeitung des Art. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten war die Todesstrafe als Ausnahme vom Recht auf Leben noch insoweit zulässig, als sie von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist.

 

Seither hat eine Weiterentwicklung des nationalen und internationalen Rechts zugunsten der Abschaffung der Todesstrafe stattgefunden. Auf europäischer Ebene ist in diesem Prozess ein entscheidender Schritt durch die Annahme des 6. ZPEMRK im Jahre 1982 gesetzt worden. Dieses ZP ist das erste Rechtsinstrument in Europa und weltweit, das die Abschaffung der Todesstrafe in Friedenszeiten gewährleistet und weder ein Außerkraftsetzen im Notstandsfall noch Vorbehalte zulässt, und nahezu von allen Vertragsstaaten der Konvention ratifiziert worden ist.

 

Österreich hat sich bereits im Jahre 1968 dazu entschlossen, gemäß Art. 85 B-VG die Todesstrafe gänzlich abzuschaffen (BGBl. Nr. 73/1968). Insofern brachte schon das 6. ZPEMRK keine Neuerung für die österreichische Verfassungsrechtslage (s. RV 47 BlgNR 16. GP, 7).

 

Im Rahmen der Vereinten Nationen ist 1989 das Zweite Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, dessen Ziel die Abschaffung der Todesstrafe ist, angenommen worden. Seit einigen Jahren verabschiedet die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen regelmäßig Resolutionen mit dem Ziel, die Todesstrafe gänzlich abzuschaffen. Schließlich ist festzustellen, dass die Todesstrafe von den Sanktionen ausgeschlossen wurde, die der Internationale Strafgerichtshof und die Internationalen Strafgerichte für das ehemalige Jugoslawien und für Ruanda verhängen können.

 

Die Parlamentarische Versammlung des Europarates hat in jüngerer Zeit Kandidaten für die Aufnahme in den Europarat dazu aufgefordert, sich zu sofortigen Moratorien für Hinrichtungen zu verpflichten, die Todesstrafe aus ihren Rechtsordnungen zu streichen und das 6. ZPEMRK zu ratifizieren.

Die Parlamentarische Versammlung des Europarates hat ferner im Jahre 1994 alle Mitgliedstaaten, die es noch nicht getan hatten, aufgefordert, das 6. ZPEMRK unverzüglich zu unterzeichnen und zu ratifizieren (Entschließung 1044 (1994) über die Abschaffung der Todesstrafe). Sie hat schließlich in ihrer Empfehlung 1246 (1994) das Ministerkomitee eingeladen, ein neues Zusatzprotokoll zur Konvention zur Abschaffung der Todesstrafe sowohl in Friedens- als auch in Kriegszeiten auszuarbeiten.

 

Das Anliegen der Abschaffung der Todesstrafe wurde jüngst bei zwei höchstrangigen Veranstaltungen verfolgt:

Es war zum einen Gegenstand des zweiten Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Europarats im Oktober 1997. In der Schlusserklärung dieses Gipfels wurde die „allgemeine Abschaffung der Todesstrafe“ gefordert „und - für die Übergangszeit – auf der Wahrung der bestehenden Moratorien für Hinrichtungen in Europa gedrungen“. Das Ministerkomitee des Europarats hat in weiterer Folge am 9. No­vember 2000 eine Erklärung „Für ein Europa ohne Todesstrafe“ verabschiedet.

Zum anderen wurden von der Europäischen Ministerkonferenz über die Menschenrechte, die am 3./4. November 2000 in Rom anlässlich des 50. Jahrestags der Unterzeichnung der Europäischen Menschenrechtskonvention stattfand, mit Entschließung II die wenigen Mitgliedstaaten, die die Todesstrafe noch nicht abgeschafft und das 6. ZP noch nicht ratifiziert hatten, nachdrücklich ersucht, dieses Protokoll so rasch wie möglich zu ratifizieren und in der Zwischenzeit die Moratorien bereits ausgesprochener Todesstrafen strikt zu befolgen. Zugleich hat die Kon­ferenz das Ministerkomitee des Europarates eingeladen, „zu prüfen, ob ein neues Zusatzprotokoll zur Kon­vention machbar ist, das die Möglichkeit ausschließt, die Todesstrafe für Taten, die in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr begangen werden, aufrechtzuerhalten (Nr. 14 der Entschließung II)“.

 

In diesem Zusammenhang ist auch hervorzuheben, dass auf Ebene der Europäischen Union im Juni 1998 „Leitlinien für eine Politik gegenüber Drittstaaten in Bezug auf die Todesstrafe“ beschlossen wurden, die ein aktives Vorgehen der Union für die universelle Abschaffung der Todesstrafe vorsehen.

 

Schweden hat November 2000 bereits bei der 733. Tagung der Ministerdelegierten vom 7. Dezember 2000 einen Entwurf für ein neues ZP unterbreitet. Die Expertengremien des Europarates haben sodann im Verlauf des Jahres 2001 den Protokollentwurf beraten und den Erläuternden Bericht dazu ausgearbeitet. Am 21. Februar 2002 hat das Ministerkomitee den Wortlaut des 13. ZP angenommen. Österreich hat das 13. ZP am 3. Mai 2002 in Vilnius anlässlich einer Ministerkonferenz unterzeichnet.

 

Finanzielle Auswirkungen:

Da mit Art. 85 B-VG die Todesstrafe in Österreich bereits im Jahre 1968 gänzlich abgeschafft wurde, sind in finanzieller Hinsicht keine Auswirkungen zu erwarten.

Kompetenzgrundlage:

Der vorliegende Entwurf stützt sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 1 B-VG („Bundesverfassung“).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Aufgrund seiner verfassungsergänzenden Natur bedarf der vorliegende Staatsvertrag der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 und 3 B-VG; er ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist.

 

Besonderer Teil

Zu Art. 1:

Die vorliegende Formulierung ist ident mit Art. 1 des 6. ZP. Der umfassende Charakter des nunmehr vorliegenden ZP ergibt sich daraus, dass es – im Gegensatz zum 6. ZP in seinem Art. 2  – keinen Eingriffsvorbehalt mehr enthält. Überdies gibt die Präambel über das Ziel des 13. ZP unmissverständlich Aufschluss.

Zu Art. 2 und 3:

Auch diese beiden Bestimmungen stammen aus dem 6. ZP, sie entsprechen Art. 3 und 4 des 6. ZP. Sie runden den generellen Charakter des vorliegenden ZP ab, indem keinerlei Ausnahmen in Notstandsfällen bzw. im Hinblick auf Vorbehalte erlaubt werden.

Zu Art. 4:

Diese Bestimmung wurde den üblichen Schlussklauseln des Europarates entnommen. Sie erleichtert Vertragsstaaten, die noch Kolonien oder Übersee-Territorien udgl besitzen, eine rasche Ratifizierung, Annahme oder Genehmigung des vorliegenden ZP. Für den Fall, dass die Verantwortlichkeit eines Vertragsstaates für die internationalen Beziehungen eines in einer solchen Erklärung bezeichneten Hoheitsgebiets endet, ist jedoch vorgesehen, dass die aus dem vorliegenden ZP erfließende Verpflichtung nicht auf dem betreffenden Gebiet gleichsam haftet (Prinzip der tabula rasa bei Entlassung von Gebieten in die Unabhängigkeit). Auf keinen Fall wird es einem Vertragsstaat ermöglicht, die Todesstrafe in einem solchen Hoheitsgebiet wieder einzuführen.

Zu Art. 5:

Hier wird das Verhältnis des 13. ZP zur EMRK und insbesondere zu deren Art. 2 (Recht auf Leben) klargestellt. Die nach Art. 2 Abs. 1, zweiter Satz, EMRK vorgesehene allgemeine Zulässigkeit der Todesstrafe - ebenso die in Art. 2 des 6. ZP vorgesehene Zulässigkeit der Todesstrafe für Taten, die in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr begangen wurden, verliert für jene Staaten, die das vorliegende ZP ratifiziert haben, ihre Anwendbarkeit. Abgesehen von dem Bereich der Todesstrafe hat das durch Art. 2 EMRK gewährleistete Recht auf Leben durch das vorliegende ZP jedoch keine Änderung erfahren.

Schließlich ist mit Art. 5 des 13. ZP auch sichergestellt, dass das absolute Verbot der Todesstrafe vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, sei es im Wege einer Individualbeschwerde gemäß Art. 34 EMRK, sei es mit Staatenbeschwerde gemäß Art. 33 EMRK, eingeklagt werden kann.

Zu Art. 6 bis 8:

Diese Bestimmungen entsprechen den Muster-Schlussklauseln des Europarates.

Das Inkrafttreten des ZP ist an das Ratifizieren durch zehn der 44 Vertragsstaaten der EMRK geknüpft.