V o r b l a
t t
1. Problem
Entsprechend den Leitlinien, die bereits
vom Europäischen Rat in Lissabon (Juni 1992), Korfu (Juni 1994) und Essen
(Dezember 1994) festgelegt worden sind, ist die Europäische Union
entschlossen, ein dauerhaftes Schema für die Beziehungen zu den mediterranen
Drittstaaten im Zeichen der Partnerschaft festzulegen. Ziel der
Mittelmeerpolitik der Europäischen Union ist es, die Mittelmeerländer in
ihren Bemühungen um eine schrittweise Entwicklung der Region zu einer Zone des
Friedens, der Stabilität, des Wohlstandes und der Zusammenarbeit zu
unterstützen, und zu diesem Zweck eine euro-mediterrane Partnerschaft zu
schaffen, welche politische und Sicherheitsaspekte, wirtschaftliche und
finanzielle Aspekte sowie soziale und menschliche Aspekte umfasst.
2. Ziel
Zu diesem Zweck werden die
Kooperationsabkommen zwischen den südlichen Mittelmeer-Anrainerstaaten und
der Europäischen Gemeinschaft durch neue Assoziationsabkommen ersetzt. Die
Arabische Republik Ägypten ist nach dem Haschemitischen Königreich Jordanien
(1997), BGBl. III Nr. 101/2002, der Türkei (Unterzeichnung 1963),
Malta (1971), Zypern (1973), Israel (1995), BGBl. III Nr. 109/2000,
Tunesien (1995), BGBl. III Nr. 35/1998 und Marokko (1996)
BGBl. III Nr. 43/2000 ein weiterer mediterraner Partnerstaat, mit dem
ein Assoziationsabkommen ausverhandelt wurde.
3. Inhalt
Das Assoziationsabkommen ersetzt das
Kooperations-Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
und der Arabischen Republik Ägypten sowie das Abkommen zwischen den
Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der
Arabischen Republik Ägypten, die bereits im Jahre 1978 unterzeichnet wurden.
Das Assoziationsabkommen wurde am 25. Juni 2001 in Luxemburg unterzeichnet.
4. Alternativen
Keine.
5. Auswirkungen auf die Beschäftigung
und den Wirtschaftsstandort Österreich
Angesichts des relativ geringen
Warenverkehrs zwischen Österreich und Ägypten sind merkliche Auswirkungen nicht
absehbar.
6. Finanzielle Auswirkungen
Aus dem Assoziationsabkommen entstehen
keine direkten finanziellen Verpflichtungen für die Republik Österreich. Das
Entstehen von zusätzlichem Verwaltungsaufwand durch die Leistung von Amtshilfe
im Zollbereich kann nicht ausgeschlossen werden.
7. Verhältnis zu den
Rechtsvorschriften der Europäischen Union
Es handelt sich um ein völkerrechtliches
Abkommen, dessen Regelungen die Zuständigkeiten der Europäischen
Gemeinschaft überschreiten und das deshalb als gemischtes Abkommen von
der Europäischen Gemeinschaft und von den Mitgliedstaaten geschlossen
wird. Von der Europäischen Gemeinschaft wird es als Assoziationsabkommen
nach Art 310 EGV geschlossen
8. Besonderheiten des
Normerzeugungsverfahrens
Sonderkundmachung gemäß Art. 49 (2)
B-VG.
E R L Ä U T
E R U N G E N
zum Abkommenstext des Assoziationsabkommen
zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten
einerseits und der Arabischen Republik Ägypten andererseits
I. Allgemeines
Am 25. Juni 2001 haben
die Europäischen Gemeinschaften (EG, EGKS) und ihre Mitgliedstaaten und
die Arabische Republik Ägypten in Brüssel das Assoziationsabkommen -
auch Europa-Mittelmeer-Abkommen genannt - unterzeichnet. Im Hinblick auf
das Auslaufen des EGKS-Vertrags mit 23. Juli 2002 ist es jedoch nur noch von der
EG und den EU-Mitgliedstaaten zu ratifizieren.
Da das Abkommen neben Materien mit
Gemeinschaftskompetenz auch Materien regelt, für die die Mitgliedstaaten
zuständig sind (sog. gemischte Abkommen), bedarf es der Ratifizierung durch die
Mitgliedstaaten.
Das Europa-Mittelmeer-Abkommen stellt
ein weiteres einer Reihe neuer Abkommen dieser Art mit den
Mittelmeerdrittländern dar, die die Europäische Gemeinschaften zur
Stärkung ihrer Mittelmeerpolitik abgeschlossen haben, um einen Beitrag zur
Schaffung eines Klimas des Friedens, der Sicherheit und der wirtschaftlichen
Stabilität im Mittelmeer zu fördern. Durch die detaillierten
Abkommensbestimmungen wird Ägypten darauf vorbereitet, an der von
der Europäischen Gemeinschaft geplanten Freihandelszone zwischen
der Europäischen Gemeinschaft, dem mittel- und osteuropäischen Raum und
dem Mittelmeerbereich teilzunehmen.
Wie in den Europa-Abkommen mit den
mittel- und osteuropäischen Ländern, wurde in
die Europa-Mittelmeer-Abkommen eine vertragliche Bestimmung aufgenommen, die
die Achtung der Menschenrechte als ein wesentliches Element der Assoziation
vorsieht. Dies entspricht einer vom Europäischen Rat im Mai 1992
verabschiedeten Entschließung.
Gegenüber dem bisherigen
Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
sowie ihren Mitgliedstaaten und der Arabischen Republik Ägypten und dem
Abkommen der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und ihren
Mitgliedstaaten sowie der Arabischen Republik Ägypten vom 18. Januar 1977
enthält das Assoziationsabkommen im Wesentlichen folgende neue Elemente, die
teilweise auf Initiativen und Vorschläge der Bundesregierung beruhen:
- Die
Institutionalisierung eines politischen Dialogs auf hoher Ebene,
- Schaffung
einer regionalen Freihandelszone Europa-Mittelmeer in Übereinstimmung mit
den Bestimmungen der Welthandelsorganisation (WTO),
- die Errichtung
einer Freihandelszone zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Ägypten
mit größeren Zugeständnissen für landwirtschaftliche Erzeugnisse und der
Beseitigung der Zölle auf gewerbliche Waren innerhalb von 12 bis 15 Jahren nach
Inkrafttreten des Abkommens,
- eine
Verpflichtung zur Entwicklung von Rahmenbedingungen für die Niederlassungen von
Gesellschaften und zur Liberalisierung des grenzüberschreitenden
Dienstleistungsverkehrs,
- freier
Kapitalverkehr und Bestimmungen über Wettbewerb und Beihilfen,
- Verstärkung
der wirtschaftlichen Zusammenarbeit auf allen Gebieten, die für beide Seiten interessant
sind, um ausgewogenere wirtschaftliche Beziehungen zwischen Ägypten und
der Europäischen Gemeinschaft zu fördern,
- Zusammenarbeit
auf sozialem Gebiet und im kulturellen Bereich, insbesondere zur weiteren
gesellschaftlichen Integration der Staatsangehörigen beider Vertragsparteien
sowie zur Intensivierung des gegenseitigen Kulturverständnisses,
- eine finanzielle
Zusammenarbeit, die Ägypten in seinen Bemühungen unterstützt, seine Wirtschaft
zu reformieren sowie die Wirtschaftsinfrastruktur zu verbessern und die
Auswirkungen bei der schrittweisen Errichtung der Freihandelszone durch soziale
Maßnahmen flankiert,
- Förderung
regionaler Zusammenarbeit, um die friedliche Koexistenz und die wirtschaftliche
und politische Stabilität zu festigen,
- Einsetzung
eines Assoziationsrats, der die Durchführung des Abkommens überwacht, und eines
Assoziationsausschusses zur Umsetzung des Abkommens.
Das Europa-Mittelmeer-Abkommen ist auf
unbegrenzte Zeit abgeschlossen. Es verstärkt die bestehenden guten Beziehungen
zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Ägypten und festigt die 1995
mit der Erklärung von Barcelona begründete
Partnerschaft Europa-Mittelmeer. Hierbei wird als Grundsatz der
Beziehungen die Gegenseitigkeit, die Partnerschaft und die beiderseitige
Entwicklung nach demokratischen Grundsätzen und der Achtung der Menschenrechte
festgeschrieben. Mit dem Abkommen ist eine dauerhafte Basis für die Beziehungen
zu den Mittelmeerdrittländern im Zeichen der Partnerschaft festgelegt. Die enge
und umfassende Partnerschaft mit den Mittelmeerdrittstaaten ist das Gegenstück
zur Integrationspolitik gegenüber den Nachbarn in Mittel- und Osteuropa und
verleiht den Außenbeziehungen der Europäischen Union ihre geopolitische
Geschlossenheit. Das Abkommen wird einen Beitrag zu Frieden und Sicherheit in
der Region leisten und die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen Ägypten
und der Europäischen Gemeinschaft sowie zwischen Ägypten und seinen
Partnern im Mittelmeerraum fördern.
II. Besonderes
Präambel
Die Präambel beschreibt die politischen
Grundlagen und Zielsetzungen der Assoziation. Die Vertragsparteien bestätigen
die Bedeutung ihrer traditionellen Beziehungen und die Stärkung dieser Bindung,
die Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und insbesondere
die Achtung der Menschenrechte und die Gewährleistung der politischen und
wirtschaftlichen Freiheiten sowie die Förderung regionaler Zusammenarbeit. Als
weitere wichtige Elemente der Assoziation werden der regelmäßige politische
Dialog, die Bereitschaft der Europäischen Gemeinschaft zur umfangreichen
Unterstützung Ägyptens bei der Reform und Anpassung auf wirtschaftlichem und
sozialem Gebiet, der Freihandel in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der
Welthandelsorganisation (WTO) sowie die unterstützende Zusammenarbeit in den
Bereichen Wirtschaft, Soziales und Kultur hervorgehoben.
Allgemeine Grundsätze
(Artikel 1 und 2)
Ziele der Assoziation sind:
- ein politischer
Dialog zur Entwicklung enger politischer Beziehungen,
- eine schrittweise
Liberalisierung des Waren-, des Dienstleistungs- und des Kapitalverkehrs,
- durch Dialog und
Zusammenarbeit die Entwicklung ausgewogener wirtschaftlicher und sozialer
Beziehungen zu fördern,
- einen Beitrag zur
wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Ägyptens zu leisten,
- die regionale
Zusammenarbeit zu fördern, um die friedliche Koexistenz und die wirtschaftliche
und politische Stabilität zu festigen (Artikel 1).
Die Wahrung der Grundsätze der Demokratie
und der Achtung der Menschenrechte, von denen sich die Vertragsparteien bei
ihrer Innen- und Außenpolitik leiten lassen sollen, wird zum wesentlichen Bestandteil
der Assoziation erklärt. Ein schwerwiegender Verstoß gegen diese Grundsätze berechtigt
in Verbindung mit Artikel 86 Abs. 2 des Abkommens zur einseitigen fristlosen
Kündigung (sog. Suspendierungsklausel).
Titel I
Politischer Dialog
(Artikel 3 bis 5)
Dieser Teil des Abkommens enthält
Vorschriften über den politischen Dialog, der zur Entwicklung einer dauerhaften
solidarischen Partnerschaft, zur Verbesserung des gegenseitigen Verständnisses
sowie zu Wohlstand, Stabilität und Sicherheit in der Mittelmeerregion beitragen
soll.
Der politische Dialog soll in folgender
Weise durchgeführt werden:
- auf
Ministerebene, vor allem im Assoziationsrat,
- auf Ebene hoher
Beamter,
- durch Nutzung
aller diplomatischer Kanäle, einschließlich geeigneter Kontakte in
Drittstaaten,
- durch alle
anderen geeigneten Mittel,
- zwischen
dem Europäischen Parlament und der ägyptischen Volksversammlung.
Titel II
Freier Warenverkehr
(Artikel 6 bis 28)
Im zweiten Teil des Abkommens werden die
entsprechenden Bestimmungen des Kooperationsabkommens von 1977 übernommen.
Die Europäische Gemeinschaft und
Ägypten errichten in einer Übergangszeit von höchstens zwölf Jahren schrittweise
eine Freihandelszone, die im Einklang mit den Bestimmungen des GATT 1994 und
der Welthandelsorganisation (WTO) steht (Artikel 6).
Kapitel I
Gewerbliche Waren
(Artikel 7 bis 11)
Die Europäische Gemeinschaft geht beim
Abbau von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung (frei von mengenmäßigen
Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung) von dem Grundsatz der
Asymmetrie aus, d.h. der Abbau der Zölle und mengenmäßigen Beschränkungen im
gewerblichen Bereich setzt bei Ägypten wesentlich später ein und endet zwölf
Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens. Der Anwendungsbereich des Zollabbaus
und Abgaben gleicher Wirkung ist in Art. 7 festgelegt (Ausnahme die in
Anhang 1 aufgeführten landwirtschaftlichen Erzeugnisse und
Verarbeitungsprodukte).
Nach Artikel 8 können ägyptische
gewerbliche Waren frei von Zöllen und Abgaben und ohne mengenmäßige
Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung eingeführt werden. Artikel 8
bestätigt damit die seit 1. Januar 1980 geltende Einfuhrregelung.
In Artikel 9 wird der Zeitplan für den
ägyptischen Abbau der Einfuhrzölle und Abgaben gleicher Wirkung auf die
Ursprungserzeugnisse der Gemeinschaft festgelegt:
- Für
Ursprungswaren der Gemeinschaft des Anhangs 2, z.B. bestimmte verarbeitete
landwirtschaftliche Erzeugnisse, wird Ägypten spätestens nach Ablauf von drei
Jahren seit Inkrafttreten des Abkommens alle darauf erhobenen Zölle und Abgaben
beseitigt haben.
- Ägypten beseitigt
seine Einfuhrzölle und Abgaben gleicher Wirkung auf weitere Ursprungswaren
der Europäischen Gemeinschaft nach gestaffelten Zeitplänen, die in den
Anhängen 3 (spätestens nach 9 Jahren), 4 (spätestens nach 12 Jahren) und 5
(spätestens nach 15 Jahren) aufgeführt sind.
Bei Waren ohne sofortigen Zollabbau, die
nicht in den Anhängen 2, 3, 4, und 5 aufgeführt sind, erfolgt der Zollabbau
nach einem Zeitplan, der durch Beschluss des Assoziationsauschusses festgelegt
wird (im Wesentlichen für Ägypten sensible gewerbliche Erzeugnisse, Art. 9
Abs. 5).
- Treten bei einer Ware ernste Schwierigkeiten
auf, so kann der entsprechende Zeitplan in Art. 9 Abs. 1, 2, 3 bzw. 4
vom Assoziationsausschuss einvernehmlich geändert werden mit der Maßgabe, dass
der Zeitplan, um dessen Änderung ersucht wird, für die betreffende Ware nicht
über die Übergangszeit hinaus verlängert wird (Art. 9 Abs. 6).
Ägypten kann Zölle für die in Artikel 9
genannten Produkte bis zu 25 % des Warenwertes einführen, wenn bei
sogenannten „jungen Industrien“ oder bestimmten Wirtschaftszweigen, die sich in
der Umstrukturierung befinden, ernsthafte Schwierigkeiten entstehen. Hierbei
darf der Anteil der betroffenen Importe 20 % der Gesamtimporte
gewerblicher Waren aus der Gemeinschaft nicht übersteigen. Ferner muss für
diese industriellen Produkte der Gemeinschaft weiterhin eine Zollpräferenz für
die Europäische Gemeinschaft gesichert bleiben. Diese Ausnahmeregelungen
gelten höchstens fünf Jahre und treten spätestens bei Ablauf der zwölfjährigen
Übergangszeit außer Kraft (Artikel 11).
Kapitel 2
Landwirtschaftliche Erzeugnisse,
Fischereierzeugnisse und landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse
(Artikel 12 bis 16)
Das Kapitel 2 enthält die Bestimmungen über
den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten (Artikel 12 bis 16) und
landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnissen (Protokoll Nr. 3).
Die Europäische Gemeinschaft und
Ägypten nehmen schrittweise eine stärkere Liberalisierung ihres Agrarhandels
auf der Grundlage der Gegenseitigkeit vor (Artikel 13), die im dritten Jahr,
indem das Abkommen angewandt wird, geprüft und ab dem Beginn des vierten Jahres
angewendet werden soll (Artikel 15).
Die Europäischen Gemeinschaften
gewähren für die hauptsächlichen ägyptischen Agrarexporte (z.B. Gemüse,
Kartoffeln, Erdnüsse) bei der Einfuhr Zollkonzessionen (Protokoll Nr. 1),
die im wesentlichen aus einer Aufhebung der Zölle bzw. Zollsenkungen ohne
Mengenbegrenzungen und für sensiblere Agrarprodukte im Rahmen von
Zollkontingenten und Einfuhrkalendern bestehen. Ägypten gewährt für bestimmte
Agrarprodukte (z.B. Zuchtvieh, Rindfleisch, Milchprodukte, Hülsenfrüchte,) der Europäischen
Gemeinschaft im Rahmen von Zollkontingenten Präferenzzölle (Protokoll
Nr. 2).
Der Warenkreis dieses Kapitels umfasst
Ursprungwaren der Gemeinschaft und Ägyptens, welche in Anhang 2 des
Gründungsvertrages festgelegt sind. Diese Erzeugnisse, u.a. lebende Tiere,
Fische, Gemüse, Pflanzen, Getreide, werden auch von der österreichischen
Landwirtschaft produziert. Um eine, den eventuellen geänderten Produktionslagen
möglicherweise widersprechende, langfristige Anwendung dieser Regelung zu
verhindern, ist eine Überprüfung der Lage und der Liberalisierungsmaßnahmen im
3. Jahr nach der Anwendung des Abkommens vorgesehen. Ebenso und unter
Berücksichtigung des Handelsausmaßes sowie der Sensibilität einzelner Waren
prüfen die Gemeinschaft und Ägypten im Rahmen des Assoziationsrates die
Möglichkeit einander in geeigneter Weise weiter Zugeständnisse gewähren zu
können.
Kapitel 3
Gemeinsame Bestimmungen
(Artikel 17 bis 28)
Das Kapitel 3 (Artikel 17 bis 28) enthält
allgemeine Bestimmungen für das ordnungsgemäße Funktionieren des freien
Warenverkehrs. Hierzu zählt z.B. das Verbot der Einführung neuer Zölle bei der
Ein- und Ausfuhr und mengenmäßiger Einfuhr- und Ausfuhrbeschränkungen sowie ein
Verbot der Diskriminierung, z.B. bei der Erhebung von indirekten Steuern und
Abgaben im Warenverkehr.
Vereinbar ist das Abkommen mit der
Aufrechterhaltung oder Errichtung von Zollunionen, Freihandelszonen oder
Grenzverkehrsregelungen, sofern diese keine Änderung der im Abkommen
vorgesehenen Handelsregelung bewirken (Art. 21).
Im Falle von Dumping im Sinne von Artikel
VI des GATT 1994 im Handel zwischen den Vertragsparteien kann die betroffene
Vertragspartei im Einklang mit dem WTO-Übereinkommen zur Durchführung des
Artikels VI des GATT 1994 geeignete Maßnahmen gegen die Praktiken ergreifen,
z.B. Antidumpingzölle einführen (Artikel 22).
Außer in Dringlichkeitsfällen muss vor
Einführung von Schutzmaßnahmen im Fall der Artikel 22, 25 (Schwierigkeiten der
ausführenden Vertragspartei in Bezug auf Drittstaat oder Gefahr für wesentliche
Ware) versucht werden, im Assoziationsausschuss eine Lösung zu finden. Wird
innerhalb von 30 Tagen keine zufriedenstellende Lösung gefunden, kann die
Vertragspartei, die Schutzmaßnahmen zu ergreifen beabsichtigt, Art. XIX
des GATT 1994 und das WTO-Übereinkommen über Schutzmaßnahmen anwenden bzw.
geeignete Maßnahmen treffen (Artikel 24 Abs. 2, 25 Abs. 2).
Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverbote
oder Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung,
Gesundheitsschutz und zum Schutz von nationalem Kulturgut getroffen werden,
sind weiterhin zulässig (Artikel 26).
Von besonderer handelspolitischer Bedeutung
ist die Definition des Ursprungserzeugnisses (Artikel 27 und Protokoll
Nr. 4). Das Assoziationsabkommen enthält für die Einfuhr in
die Europäische Gemeinschaft Vorzugsbedingungen im Zollbereich gegenüber
der Einfuhr aus Drittländern in Bezug auf gewerbliche Waren und eine Reihe von
landwirtschaftlichen Produkten mit Ursprung in Ägypten und umgekehrt. Damit
diese Präferenzen nicht Drittlandswaren gewährt werden, die in den Präferenzraum
eingeführt und ohne Be- und Verarbeitung in die andere Vertragspartei
ausgeführt werden, ist bei der Einfuhr durch einen Präferenznachweis zu
belegen, dass die Ware ihren Ursprung in der Europäischen Gemeinschaft
oder in Ägypten hat. Nach den Bestimmungen des Abkommens (Protokoll Nr.4) hat
eine Ware ihren Ursprung in der Europäischen Gemeinschaft oder in Ägypten,
wenn sie dort entweder vollständig gewonnen oder hergestellt oder eine ausreichende
Be- und Verarbeitung erfahren hat. Das Ausmaß der erforderlichen Be- und
Verarbeitung ist für jede Ware im Einzelnen festgelegt. Vorgesehen sind
technische Kriterien oder das Erfordernis eines bestimmten Wertzuwachses oder
eine Kombination der beiden Kriterien. Bei Ursprungswaren einer Vertragspartei,
die im anderen Partnerland weiterverarbeitet werden (passive Lohnveredelung),
wird der zur Präferenzberechtigung erforderliche Ursprung erlangt, wenn an der
Ursprungsware zwar mehr als eine sogenannte Minimalbehandlung vorgenommen wird,
ohne dass dies jedoch das Mindestmaß der erforderlichen Be- oder Verarbeitung
erfüllte (Protokoll Nr. 4).
Die Freihandelsregelung des Abkommens
unterliegt einer Prüfung des GATT/WTO. Hieraus könnten sich gegebenenfalls
Konsequenzen für das Abkommen ergeben.
Titel III
Niederlassungsrecht und Erbringung
von Dienstleistungen
(Artikel 29 bis 30)
Bestätigung der jeweiligen Verpflichtungen
der Vertragsparteien aus dem Allgemeinem Übereinkommen über den Handel mit
Dienstleistungen („GATS“) in der Anlage des Übereinkommens zur Errichtung der
WTO, insbesondere die Verpflichtung, einander in den Dienstleistungssektoren,
für die diese Verpflichtungen gelten, die Meistbegünstigung zu gewähren.
Erweiterung des Geltungsbereichs des
Abkommens um das Recht von Gesellschaften der einen Vertragspartei auf
Niederlassung im Gebiet der anderen Vertragspartei und die Liberalisierung der
Erbringung von Dienstleistungen durch Gesellschaften der einen Vertragspartei
an Dienstleistungsnutzer im Gebiet der anderen Vertragspartei wird von den
Vertragsparteien geprüft werden. Der Assoziationsrat wird dazu entsprechende
Empfehlungen geben (Art. 29, 30). Artikel 29 ist aus fremdenrechtlicher
Sicht nicht relevant. Die vorliegende Textierung des Artikel 30 stellt darauf
ab, dass eine Erweiterung des Geltungsbereiches in Richtung der Gewährung des
Niederlassungsrechtes einer Vertragspartei zu prüfen ist. Durch diese in Absatz
1 aufgenommene Absicht werden nach der ho. Rechtsmeinung die geltenden
österreichische Einwanderungsregelungen nicht berührt bzw. auch kein
Sonderrecht auf Zuzug normiert.
Titel IV
Kapitalverkehr und sonstige
wirtschaftliche Fragen
(Artikel 31 bis 38)
Kapitel 1
Zahlungen und Kapitalverkehr
(Artikel 31 bis 33)
Artikel 31 sieht vorbehaltlich des
Art. 33 vor, dass alle Leistungsbilanzzahlungen in frei konvertierbarer
Währung genehmigt werden.
Auch der freie Kapitalverkehr für
Direktinvestitionen in Gesellschaften in Ägypten ist gewährleistet, ferner die
Liquidation oder Rückführung dieser Investitionen und etwaiger daraus
resultierender Gewinne (Artikel 32). Bei Zahlungsbilanzschwierigkeiten eines
Mitgliedstaats oder Ägyptens können die Europäische Gemeinschaft oder
Ägypten unter den Voraussetzungen des GATT und der Art. VIII, XIX des Statut
des IWF Beschränkungen für laufende Zahlungen einführen, sofern diese Maßnahmen
unbedingt notwendig sind (Artikel 33).
Kapitel 2
Wettbewerb und sonstige
wirtschaftliche Fragen
(Artikel 34 bis 38)
Das Europa-Mittelmeer-Abkommen sieht
ein Verbot von wettbewerbsbeschränkenden Praktiken im Sinne von Artikel 81
EG-Vertrag, der Ausnutzung einer Monopolstellung im Sinne von Artikel 82
EG-Vertrag sowie von unzulässigen Beihilfen im Sinne von Artikel 87 EG-Vertrag
vor. Der Assoziationsrat erlässt innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten
des Abkommens die dazu erforderlichen Durchführungsvorschriften. Bis zum Erlass
dieser Vorschriften gelten für die Durchführung des Verbots staatlicher
Beihilfen die entsprechenden Bestimmungen des WTO-Übereinkommens über
Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen zwischen den Vertragsparteien (Artikel 34
Abs. 2, Art. 23).
Die Vertragsparteien sorgen für Transparenz
im Bereich der staatlichen Beihilfen, indem sie u.a. der anderen Vertragspartei
jährlich Bericht erstatten über den Gesamtbetrag und die Verteilung der
Beihilfen und auf Ersuchen Auskunft über die Beihilfeprogramme erteilen
(Art. 34 Abs. 3).
Für Agrar- und Fischereiprodukte gilt das
Verbot staatlicher Beihilfen, die durch Begünstigung bestimmter Unternehmen
oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen,
nicht. Hinsichtlich dieser Erzeugnisse findet das WTO-Übereinkommen über die
Landwirtschaft und die einschlägigen Bestimmungen des WTO-Übereinkommens über
Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen Anwendung (Art. 34 Abs. 4).
Die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und
Ägypten formen alle staatlichen Handelsmonopole so um, dass am Ende des fünften
Jahres nach Inkrafttreten des Abkommens jede Diskriminierung ausgeschlossen ist
(Artikel 35). Vorrechte staatlicher Monopolbetriebe mit wirtschaftlicher
Tätigkeit, die den Handel zwischen der Gemeinschaft und Ägypten verzerren und
den Interessen der Vertragspartner zuwiderlaufen, werden ab dem fünften Jahr
nach Inkrafttreten des Abkommens aufgehoben. Damit wird eine Diskriminierung
von EU-Unternehmen hinsichtlich der Beschaffung und Vermarktung von Produkten
beseitigt (Art. 36).
Artikel 37 enthält Regelungen zum Schutz
der Rechte an geistigem Eigentum. Anhang 6 schreibt vor, welchen multilateralen
Übereinkünften über die Rechte an geistigem Eigentum Ägypten bis spätestens
Ende des vierten Jahres nach Inkrafttreten des Abkommens beitreten muss. Die
Anwendung dieses Artikels und des Anhangs 6 wird von den Vertragsparteien
regelmäßig überprüft. Die Vertragsparteien setzen sich die gegenseitige und
schrittweise Liberalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens zum Ziel
(Artikel 38).
Titel V
Wirtschaftliche Zusammenarbeit
(Artikel 39 bis 61)
Die wirtschaftliche Zusammenarbeit hat zum
Ziel, ausgewogene wirtschaftliche Beziehungen zwischen den Vertragsparteien zu
fördern, die Anstrengungen Ägyptens im Hinblick auf seine nachhaltige
wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu unterstützen (Artikel 39). Die
Zusammenarbeit konzentriert sich vorrangig auf die Wirtschaftszweige, in denen
interne Schwierigkeiten bestehen oder die durch die Liberalisierung der
ägyptischen Wirtschaft insgesamt betroffen sind. Außerdem soll die
wirtschaftliche Zusammenarbeit Ägyptens mit den anderen Ländern der Region
gefördert werden (Art. 40).
Die wirtschaftliche Zusammenarbeit wird
durch einen regelmäßigen wirtschaftspolitischen Dialog, durch Informations- und
Meinungsaustausch sowie durch Beratung, Vermittlung von Fachwissen und
Ausbildungsmaßnahmen und durch technische und administrative Hilfe bei der
Ausarbeitung von Rechtsvorschriften verwirklicht (Artikel 41).
Eine besondere Bedeutung kommt der Bildung
und Berufsausbildung bei öffentlichen und privaten Unternehmen,
handelsbezogenen Dienstleistungen, der öffentlichen Verwaltung, technischen Einrichtungen,
Normierungs- und Zertifizierungsorganisationen zu. Dabei wird dem Zugang von
Frauen zu Hochschulbildung und Berufsausbildung besondere Aufmerksamkeit
gewidmet (Art. 42).
Für die wirtschaftliche Zusammenarbeit sind
folgende Bereiche vorgesehen:
- Zusammenarbeit
in Wissenschaft und Technologie
(Art. 43),
- Umwelt
(Art. 44),
- Industrielle
Zusammenarbeit (Art. 45),
- Investitionen
und Investitionsförderung (Art. 46),
- Normung und
Konformitätsprüfung (Art. 47),
- Rechtsangleichung
(Art. 48),
- Finanzdienstleistungen
(Art. 49),
- Landwirtschaft
und Fischerei (Art. 50),
- Verkehr
(Art. 51),
- Informationsgesellschaft
und Telekommunikation (Art. 52),
- Energie
(Art. 53),
- Tourismus
(Art. 54),
- Zoll
(Art. 55; Protokoll Nr. 5 über gegenseitige Amtshilfe im
Zollbereich),
- Zusammenarbeit
im Bereich der Statistik (Art. 56),
- Geldwäsche
(Art. 57),
- Bekämpfung
des Drogenmissbrauchs (Art. 58),
- Bekämpfung
des Terrorismus (Art. 59),
- Regionale
Zusammenarbeit (Art.60)
- Verbraucherschutz
(Art. 61).
Zu Artikel 44: Ziel der Zusammenarbeit ist es, eine Verschlechterung der
Umweltlage zu verhindern, den Stand der Umwelt zu überwachen und die rationelle
Nutzung der natürlichen Ressourcen zu gewährleisten, um eine nachhaltige
Entwicklung sicherzustellen.
Zu Artikel 51: Die Vertragsparteien
definieren als Ziele ihrer Kooperation die Umstrukturierung und Modernisierung
der mit den wichtigsten transeuropäischen Verkehrsverbindungen von gemeinsamem
Interesse verbundenen Straßen-, Hafen- und Flughafeninfrastruktur, die
Kompatibilität von Betriebsnormen mit der Europäischen Union, eine
Erneuerung der technischen Anlagen für den kombinierten Verkehr Straße/Schiene,
den Containerverkehr und den Güterumschlag und die Verbesserung des Managements
der Flughäfen, der Eisenbahnen und der Luftverkehrskontrolle.
Zu Artikel 52: Im Mittelpunkt dieser
Bestimmungen steht das Bekenntnis beider Vertragsparteien zur Schaffung einer
modernen und leistungsfähigen modernen Gesellschaft mit Hilfe entsprechender
Informations- und Kommunikationstechnologien. Als hilfreich für diese werden
der Dialog über die Aspekte der Informationsgesellschaft, der
Informationsaustausch, die notwendige technische Hilfe in den verschiedenen
Betätigungsfeldern, die Verbreitung neuer Informations- und
Kommunikationstechnologien, die Wichtigkeit gemeinsamer Forschungsprojekte, die
Beteiligung ägyptischer Organisationen an Pilotprojekten und europäischen
Programmen und Verbund der Netze und die Interoperabilität der Telematikdienste
in der Gemeinschaft und in Ägypten genannt.
Zu Artikel 57: Diese Bestimmung erfordert
keinen innerstaatlichen Handlungsbedarf, da in diesen Bereichen seitens des BMI
bereits derzeit auf bilateraler Ebene eine polizeiliche Kooperation mit Ägypten
stattfindet und es anlassbezogen zu einem entsprechenden Informationsaustausch
zwischen den mit der Bekämpfung der Geldwäsche befassten Einheiten kommt. Die
Bestimmung entspricht den Anforderungen für eine effiziente Bekämpfung und
stellt einen weiteren Baustein in der internationalen globalen Kooperation dar.
Zu Artikel 58 : Gegenständliche Bestimmung
gibt die Zielrichtung des Drogenaktionsplanes der EU für das Jahr 2000 bis 2004
wieder. Schwerpunkte der operativen Zusammenarbeit sowie der Zusammenarbeit im
Bereich der Prävention bilden die Grundlage und entsprechen der derzeit
aktuellen Drogenpolitik in den MS der EU, wonach ein ausgewogener Ansatz
zwischen Repression und Prävention bestehen soll.
Im Bereich der operativen Zusammenarbeit
besteht derzeit zwischen Österreich und Ägypten auf bilateraler polizeilicher
Ebene anlassbezogen ein Kooperations- mechanismus, der eine effiziente
Strafverfolgung gewährleistet. Die im Assoziationsabkommen angeführten Artikel
zu den Themenbereichen Artikel 57 - Geldwäsche, Artikel 58 - Bekämpfung des
Drogenmissbrauchs, entsprechen den Anforderungen einer effizienten
internationalen Kooperation.
Zu Artikel 58, Abs 3, 3. Unterabsatz: es
wird angemerkt, dass Österreich bereits sämtlichen 3 UNO-Konventionen
beigetreten ist und im Rahmen dieser Verpflichtungen bereits die Strafbarkeit
von Missbrauch von Vorläuferstoffen und psychotropen Substanzen im
Suchtmittelgesetz verankert wurde. Darüber hinaus wird derzeit ein
Rahmenbeschluss Drogenhandel ausgearbeitet, durch den eine Harmonisierung der
Strafbestimmungen auf EU-Ebene erreicht werden wird. Zusätzliche
Verpflichtungen ergeben sich aus dem Abkommen daher für Österreich nicht.
Zu Artikel 59: Bisher wurde mit den
ägyptischen Sicherheitsbehörden im Anlassfall zusammengearbeitet. Je nach den
Entwicklungen im Terrorismusbereich wird sich auch die künftige Zusammenarbeit
gestalten. Änderungen im Polizei-kooperationsgesetz sind nicht erforderlich.
Zu Artikel 61: Durch diese Bestimmung wird
Österreich nicht verpflichtet Verbraucher
-schutzbestimmungen über die bereits bestehenden hinaus zu erlassen.
Titel VI
Kapitel 1
Dialog und Zusammenarbeit im sozialen
Bereich
(Artikel 62 bis 67)
Die Vertragspartner heben die Bedeutung
hervor, die sie der fairen Behandlung ihrer legal im Gebiet der anderen
Vertragspartei beschäftigten Arbeitnehmer beimessen, die dort ihren legalen
Wohnsitz haben. Sie kommen überein, auf Ersuchen eines von ihnen Gespräche über
bilaterale Abkommen auf Gegenseitigkeit über die Arbeitsbedingungen und die
Ansprüche auf Sozialleistungen der Arbeitnehmer aufzunehmen (Art. 62).
Artikel 62 betont die faire Behandlung der legal im Gebiet der anderen
Vertragspartei beschäftigten Arbeitnehmer. Auf Wunsch eines der beiden
Vertragspartner können Gespräche über bilaterale Abkommen auf Gegenseitigkeit
über die Arbeitsbedingungen und die Ansprüche auf Sozialleistungen der
Arbeitnehmer aufgenommen werden. Österreich hat derzeit kein bilaterales
Sozialversicherungsabkommen mit Ägypten. Auf europäischer Ebene regelt die
Verordnung 1408/71/EWG die Koordination der Sozialversicherungssysteme. Derzeit
ist ein Vorschlag der Kommission zur Ausweitung des Geltungsbereiches der
Verordnung 1408/71 auf alle Drittstaatsangehörigen in Verhandlung, wobei die Verordnung
nur dann zur Anwendung kommen kann, wenn ein Drittstaatsangehöriger in
zumindest zwei Mitgliedstaaten der Europäischen Union sich legal
aufgehalten und gearbeitet hat.
Der Artikel 62 im Abkommen mit Ägypten ist
weniger weit gehend als Bestimmungen in den Abkommen mit Tunesien
(Art. 65), Marokko (Art. 65) und dem kürzlich unterzeichneten
Abkommen mit Algerien (Art. 68), da nur die Aufnahme bilateraler
Verhandlungen betreffend ein bilaterales Abkommen vorgesehen ist.
Zu Artikel 63: Im sozialen Bereich sollen
die Vertragsparteien einen regelmäßigen Dialog darüber führen, wie weitere
Fortschritte bei der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, der Gleichbehandlung und
der gesellschaftlichen Integration der Staatsangehörigen beider
Vertragsparteien erzielt werden können, die im Gebiet der jeweils anderen
Vertragspartei einen legalen Wohnsitz haben.
Der Dialog konzentriert sich auf die
Probleme der Arbeits- und Lebensbedingungen der Einwanderer, der Migration, der
illegalen Einwanderung und den Maßnahmen zur Förderung der Gleichbehandlung der
Staatsangehörigen beider Vertragsparteien, der Kenntnis der Kultur des anderen,
der Toleranz und der Beseitigung von Diskriminierung. Dieser Artikel behandelt
die Thematik für zukünftige Dialoge im Rahmen des Abkommens. Ein unmittelbarer
Anwendungsbereich zum Fremdenrecht besteht jedoch nicht.
Im sozialen Bereich sind Projekte und
Programme vorgesehen, die sich auf alle Gebiete von gemeinsamem Interesse
erstrecken können und die mit den Maßnahmen der Mitgliedstaaten und den in dem
betreffenden Bereich tätigen internationalen Organisationen koordiniert werden
können (Art. 65, 66)
Artikel 65 sieht die Zusammenarbeit in Form
von Projekten und Programmen im sozialen Bereich vor, die im Interesse der
Vertragsparteien liegen. Das Bundesministerium für soziale Sicherheit,
Generationen und Konsumentenschutz hält die angeführten Bereiche der
Zusammenarbeit, insbesondere die Förderung der Rolle der Frau in der
wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, die Verbesserung des Systems der sozialen
Sicherung, die Verbesserung der Gesundheitsversorgung, die Verbesserung der
Lebensbedingungen in armen Gebieten und Austauschprogramme im Jugendbereich für
zweckmäßig zur Erreichung der Ziele des Abkommens gemäß Artikel 1 Absatz 2.
Priorität genießt dabei:
- Verringerung
des Migrationsdrucks;
- Förderung
der Rolle der Frau;
- Unterstützung
und Ausbau ägyptischer Programme für Familienplanung und Schutz von Mutter und
Kind;
- Verbesserung
des Systems der sozialen Sicherung
Hierbei sind weiters Projekte und Programme
in Aussicht gestellt, die bestimmte (auch fremdenrechtlich relevante) Themen
betreffen. Ein Sonderrecht für Einwanderungsabsichten bzw. etwaige
Aufenthaltsrechte sind jedoch auch hier nicht vorgesehen.
Kapitel 2
Zusammenarbeit bei der Verhütung und
Kontrolle der illegalen Einwanderung und anderen Konsularfragen
(Artikel 68 bis 70)
Im Rahmen der Zusammenarbeit bei der
Verhütung und Kontrolle der illegalen Einwanderung erklären sich beide
Vertragsparteien bereit, die jeweils im anderen Vertragsstaat sich illegal
aufhaltenden eigenen Staatsangehörigen rückzuübernehmen (Rückübernahmeklauseln,
welche die EU in allen Assoziationsabkommen und gemischten Abkommen anstrebt).
Nach Inkrafttreten des Abkommens werden auf
Ersuchen einer Vertragspartei bilaterale Abkommen zwischen den Vertragsparteien
über die spezifischen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Rückübernahme
ihrer Staatsangehörigen geschlossen. Bei der Durchführung dieser Abkommen wird
Ägypten geeignete finanzielle und technische Hilfe gewährt. Der Assoziationsrat
prüft, welche weiteren gemeinsamen Anstrengungen zur Verhütung und Kontrolle
der illegalen Einwanderung, einschließlich des Menschenhandels, unternommen
werden können (Art. 68, 69, 70). Artikel 69 sieht vor, auf Wunsch einer Vertragspartei
ein Rückübernahmeabkommen abzuschließen, das auch Bestimmungen über die
Übernahme von Drittstaatsangehörigen enthält. Artikel 70 sieht weitere
Anstrengungen zur Verhütung der illegalen Migration vor. Die gemeinsame
Erklärung zu Titel VI, Kapitel 1, in der die Bereitschaft bekundet wird,
Personen, die bona fide an der Umsetzung des Abkommens mitwirken, erleichtert
(beschleunigt) erforderliche Visa zu erteilen, stellt eine Standardformulierung
in derartigen Abkommen dar.
Kapitel 3
Zusammenarbeit in den Bereichen
Kultur, audiovisuelle Medien und Information (Art. 71)
Die Zusammenarbeit im kulturellen Bereich
zielt darauf ab, die beiderseitige Kenntnis und das Verständnis der jeweils
anderen Kultur zu verbessern. Im Bereich der audiovisuellen Medien soll die
Kooperation bei Koproduktion und Ausbildung gefördert und der kommerzielle
Bereich durch gemeinsame Projekte, Ausbildung und Informationsaustausch
gefördert werden.
Titel VII
Finanzielle Zusammenarbeit
(Artikel 72 bis 73)
Die finanzielle Zusammenarbeit soll zur
Verwirklichung der Ziele des Abkommens beitragen. Dazu wird für Ägypten ein
Finanzierungspaket mit geeigneten Verfahren bereitgestellt. Der
Anwendungsbereich erstreckt sich auf die Modernisierung der Wirtschaft, die
Verbesserung der Wirtschaftsinfrastruktur, die Förderung von
Privatinvestitionen und beschäftigungswirksamen Tätigkeiten sowie die
Berücksichtigung der wirtschaftlichen Auswirkungen aus der schrittweisen
Errichtung einer Freihandelszone auf Ägypten (Artikel 72).
Bei außerordentlichen
gesamtwirtschaftlichen und finanziellen Problemen, die sich durch Anwendung
des Abkommens ergeben können, werden die Vertragsparteien die Tendenzen in den
Handels- und Finanzbeziehungen zwischen der Gemeinschaft und Ägypten im Rahmen
des regelmässigen wirtschaftlichen Dialogs verfolgen (Artikel 73).
Titel VIII
Institutionelle, Allgemeine und
Schlussbestimmungen
(Artikel 74 bis 92)
Durch das Abkommen wird ein Assoziationsrat
(Artikel 74 bis 76) geschaffen, der einmal jährlich auf Ministerebene sowie,
wenn besondere Umstände dies erfordern, mehrmals zusammentritt. Er überwacht
die Durchführung der Verpflichtungen aus dem Abkommen. Der Assoziationsrat besteht
aus den Mitgliedern des Rates der Europäischen Union und der Kommission
einerseits und Mitgliedern der Regierung Ägyptens andererseits. Er kann
bindende Beschlüsse fassen und zweckdienliche Empfehlungen aussprechen.
Der Assoziationsrat wird von einem
Assoziationsausschuss unterstützt, der für die Umsetzung des Abkommens
zuständig ist und dessen Aufgaben durch den Assoziationsrat im Einzelnen
bestimmt werden (Artikel 77 bis 79). Der Assoziationsrat erleichtert die
Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Parlament und der ägyptischen
Volksversammlung (Artikel 81).
Jede der beiden Vertragsparteien hat das
Recht, sich an den Assoziationsrat zur Beilegung von Streitigkeiten zu wenden
(Artikel 82). Kann der Assoziationsrat die Streitigkeiten nicht durch Beschluss
beenden, so können die Parteien innerhalb von zwei Monaten Schiedsrichter ernennen.
Ein dritter Schiedsrichter wird vom Assoziationsrat bestellt. Die Entscheidung
der Schiedsrichter ergeht mit Stimmenmehrheit und ist bindend.
In den Allgemeinen Bestimmungen (Artikel 83
und 84) wird festgestellt, dass das Recht der Vertragsparteien, Maßnahmen zu
treffen, die nationale Sicherheitsinteressen und militärische Angelegenheiten
betreffen, durch das Abkommen nicht berührt wird. Die Vertragsparteien sichern
sich die Nichtdiskriminierung zu.
Das Abkommen wird nicht auf Vorteile
ausgedehnt, die eine Vertragspartei auf steuerlichem Gebiet gewährt (Artikel
85).
Im Falle von Vertragsverstößen können die
Vertragsparteien nach vorheriger Konsultation des Assoziationsrates die
erforderlichen Maßnahmen zu deren Behebung ergreifen, wobei die Maßnahmen zu
ergreifen sind, die das Funktionieren des Abkommens am wenigsten
beeinträchtigen (Artikel 86). Nur in Fällen erheblicher Verletzung des
Abkommens (Artikel 86 Abs. 2) ist die Ergreifung von Maßnahmen bis zur
sofortigen Kündigung ohne vorheriges Konsultationsverfahren möglich.
Eine erhebliche Verletzung des Abkommens im
Sinne des Artikels 86 Abs. 2 des Europa-Mittelmeer-Abkommens liegt in
einer nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts nicht zulässigen Ablehnung
der Erfüllung des Abkommens oder in einem schweren Verstoß gegen einen
wesentlichen Bestandteil des Abkommens, wodurch eine Lage geschaffen wird, die
für Konsultationen nicht förderlich ist oder in der eine Verzögerung für die
Ziele des Abkommens nachteilig wäre.
Die Schlussbestimmungen im Artikel 87
erklären die Protokolle Nr. 1 bis 5 und die Anhänge 1 bis 6 zu
Bestandteilen des Abkommens.
Im Artikel 88 werden die Vertragsparteien
im Sinne des Abkommens definiert.
Artikel 89 bestimmt die Gültigkeit des
Abkommens auf unbegrenzte Zeit. Zusätzlich zu der Kündigung wegen
Vertragsverletzung kann das Abkommen mit einer Frist von sechs Monaten ohne
Angabe von Gründen gekündigt werden. Im Artikel 90 wird die territoriale
Gültigkeit des Abkommens bestimmt.
Artikel 92 definiert den Zeitpunkt des
Inkrafttretens.
Die Kommentierung zu den Protokollen
Nr. 1, 2 und 3 ist in Titel II, Kapitel 2 enthalten. Das Protokoll
Nr. 4 wird in Titel II, Kapitel 3, das Protokoll Nr. 5 in Titel V mit
dargestellt. Die Anhänge Nr. 1 bis 5 sind in Titel II, Kapitel 1 und der
Anhang Nr. 6 ist in Titel IV, Kapitel 2 kommentiert.
III. Schlussakte
Die Schlussakte enthält die förmliche
Annahme der verhandelten Texte, d.h. des Hauptabkommens, der dazugehörigen
Anhänge und Protokolle sowie gemeinsame Erklärungen der Europäischen Gemeinschaft
und der Arabischen Republik Ägypten und Erklärungen der Europäischen
Gemeinschaft.
Die Bundesregierung hat beschlossen, dem
Nationalrat vorzuschlagen, anlässlich der Genehmigung des vorliegenden
Staatsvertrages gemäß Art. 49 Abs. 2 B‑VG zu beschließen, dass die
Kundmachung dieses Abkommens samt Schlussakte einschließlich der dieser
beigefügten Erklärungen, die in den elf Amtssprachen der Europäischen Union im
Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wird, in allen authentischen
Sprachfassungen durch Auflage im Bundesministerium für auswärtige
Angelegenheiten erfolgt.
Daran anknüpfend wurde mit Rücksicht auf
eine sparsame und zweckmäßige Verwaltung gemäß § 23 Abs. 2 GOG‑NR von
der Vervielfältigung und Verteilung der Vorlage Abstand genommen.
Die gesamte Regierungsvorlage liegt in der
Parlamentsdirektion zur Einsicht auf.