268 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (224 der Beilagen): Bundesgesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen (Außerstreitgesetz - AußStrG)

 

Das in seinen Grundzügen aus dem Jahr 1854 stammende Außerstreitgesetz entspricht vor allem in seinem mit 19 Paragraphen äußerst knapp und lückenhaft geregelten allgemeinen Teil nicht mehr den Anforderungen an eine moderne, der Rechtsstaatlichkeit verpflichtete Verfahrensordnung. Die bestehenden Regelungsdefizite wurden von der Rechtsprechung durch Analogie zur Zivilprozessordnung zu lösen versucht, was dazu geführt hat, dass große Bereiche der Regelungsaufgaben nicht vom Gesetz, sondern von der Praxis der Gerichte übernommen wurden. Eine Vorgangsweise, die im Licht des Art. 18 B-VG und des Art. 6 EMRK nicht unproblematisch ist.

Dies fällt umso schwerer ins Gewicht, als im außerstreitigen Verfahren, dem eine Vielzahl unterschiedlichster Materien zugewiesen wurde, zum überwiegenden Teil jene Rechtsbeziehungen zu regeln beziehungsweise zu entscheiden sind, die die Kernbereiche des Privat- und Familienlebens betreffen.

Es soll daher eine moderne, den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit, aber auch dem besonders hilfeorientierten und friedensrichterlichen Charakter des Außerstreitverfahrens Rechnung tragende, eigenständige Verfahrensordnung geschaffen werden, die insbesondere auch geeignet ist, die Lebensverhältnisse des Alltagslebens zukunftsorientiert zu regeln.

Im Zuge einer Gesamtreform des Außerstreitgesetzes werden die bestehenden Regelungsdefizite beseitigt, indem den Anforderungen des Art. 6 EMRK genügende Bestimmungen über die Sicherstellung des rechtlichen Gehörs, das Beweisverfahren, das Rechtsmittelverfahren ebenso vorgesehen werden wie die Umschreibung des Parteibegriffes und die Einführung der Rechtsinstitute der Unterbrechung, des Ruhens und des Innehaltens des Verfahrens sowie des Abänderungsverfahrens.

Erstmals werden generelle Regelungen über die Vertretungspflicht und den Kostenersatz eingeführt.

Unter Beachtung der Verfahrensvereinfachung und Verfahrensbeschleunigung werden vor allem auch die im Besonderen Teil des Außerstreitgesetzes geregelten Verfahren moderner gefasst und der Rechtsweg für Angelegenheiten, die bisher teils im außerstreitigen, teils im streitigen Verfahren zu erledigen waren, zur Gänze in das Außerstreitverfahren übernommen. Dies betrifft vor allem die Integration des bisherigen Erbrechtsstreits als Verfahren über das Erbrecht in das Verlassenschaftsverfahren, die Abstammungsverfahren und die Verfahren über den gesetzlichen Unterhalt zwischen in gerader Linie verwandter Personen.

Das vorgeschlagene Außerstreitverfahrensgesetz wird zum Teil wegen des verbesserten Rechtsschutzes einen höheren Verfahrensaufwand erfordern, teilweise sind die neuen Bestimmungen aber auch auf Vereinfachung des Verfahrens und Entlastung der Gerichte angelegt. In welcher Relation sich diese Maßnahmen konkret auswirken, lässt sich im Voraus nicht zuverlässig abschätzen. Es soll daher einige Zeit nach In-Kraft-Treten eine Evaluierung der Auswirkungen des neuen Außerstreitverfahrens im Hinblick auf die Veränderungen in der Auslastung der Gerichte durchgeführt werden.

 

Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 5. November 2003 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter  die Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Dr. Johannes Jarolim, Dr. Christian Puswald, Dr. Helene Partik-Pablé, Mag. Dr. Josef Trinkl, Bettina Stadlbauer, Dr. Gabriela Moser, Mag. Ruth Becher, Mag. Gisela Wurm, Mag. Walter Tancsits, Mag. Heribert Donnerbauer sowie der Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer  und die Ausschussobfrau Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Dr. Helene Partik-Pablé  einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

Zu § 89:

§ 260 Abs. 1 Z 4 AußStrG-aF sieht die Angabe des Tages des Wirksamwerdens der Annahme vor. Der Entfall einer solchen ausdrücklichen Regelung wurde in der allgemeinen Begutachtung vorgeschlagen und nicht bemängelt. Um Zweifel über den Tag des Wirksamwerdens der Adoption auszuschließen, ist der Ausschuss der Auffassung, dass doch eine ausdrückliche Regelung in das neue AußStrG übernommen werden soll.

Zu § 90:

§ 257 Abs. 2 AußStrG-aF sieht vor, dass Minderjährige über 14 Jahre in Verfahren über die Annahme an Kindes statt selbständig vor Gericht handeln können. Aus systematischen Gründen konnte dies letztlich nicht in den § 104 AußStrG-nF übernommen werden, der – anders als in Vorentwürfen – nicht über die Verfahren über Pflege und Erziehung sowie über das Recht auf persönlichen Verkehr ausgedehnt werden konnte. Damit fehlt im neuen AußStrG aber eine ausdrückliche Anordnung der vollen Verfahrensfähigkeit von Minderjährigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, in Adoptionssachen. Es war keinesfalls beabsichtigt, die volle Verfahrensfähigkeit dieser Minderjährigen gegenüber der bisherigen Rechtslage einzuschränken. Dies war auch in allen bisherigen rechtspolitischen Fachdiskussionen stillschweigend vorausgesetzt. Nach Ansicht des Justizausschusses kann jedoch nicht in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise damit gerechnet werden, dass die Gerichte ohne ausdrückliche Verweisung auf den neuen § 104 auch aufgrund des geänderten Gesetzestextes von diesem Verständnis ausgehen werden. Aus diesem Grund hält der Justizausschuss die Aufnahme einer ausdrücklichen Verweisungsvorschrift in den Gesetzestext für notwendig.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Dr. Helene Partik-Pablé mit Stimmenmehrheit angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2003-11-05

Mag. Walter Tancsits Mag. Dr. Maria Theresia Fekter

       Berichterstatter                     Obfrau