Abweichende persönliche Stellungnahme

gemäß § 42 Abs. 5 GOG

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser

zum Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem im Zusammenhang mit der Neuordnung des Außerstreitverfahrensrechts das Mietrechtsgesetz, das Wohnungseigentumsgesetz 2002, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, das Heizkostenabrechnungsgesetz, das Richtwertgesetz, das Sportstättenschutzgesetz, das Landpachtgesetz, die Exekutionsordnung und das Rechtsanwaltstarifgesetz geändert werden (Wohnrechtliches Außerstreitbegleitgesetz – WohnAußStrBeglG – 249 d.B.)

 

Wir begrüßen zwar grundsätzlich die Neuregelung des Außerstreitrechts, das noch aus dem Jahre 1854 stammt, und erkennen ausdrücklich die langjährigen Vorarbeiten der ExpertInnen im Justizministerium an. Justizminister Böhmdorfer und die Regierungsfraktionen haben aber am Ende der Vorbereitungsarbeiten eine in keiner Weise gerechtfertigte Eile an den Tag gelegt, weswegen wir der vorliegenden Regierungsvorlage nicht zustimmen können.

Am 30. 9. 2003 hat der Ministerrat den Entwurf eines Bundesgesetzes über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen sowie den Entwurf eines Außerstreit beschlossen und als Regierungsvorlagen dem Nationalrat. Die Regierungsvorlage eines Wohnrechtlichen Außerstreitbegleitgesetzes wurde dem Nationalrat überhaupt erst am 22.10.2003 vorgelegt.

Insbesondere die Neuregelung des MieterInnenschutzes ist für uns nicht akzeptabel. Mit der Einführung des Kostenersatzes und der (relative) Anwaltspflicht wird dieses seit 1922 bestehende Schutzsystem fundamental gefährdet. Denn mit der Einführung des Kostenersatzes und der relativen Anwaltspflicht wird das Außerstreitverfahren in wesentlichen Punkten dem normalen Zivilprozess angeglichen und verliert so seine streitbeilegende und friedensrichterliche Funktion. Und darüber hinaus wird mit der relativen Anwaltspflicht und dem Kostenersatz Standespolitik für die Rechtsanwaltschaft betrieben.

Angesichts der konstruktiven Vorbreitung des Gesetzes durch die ExpertInnen des Justizministeriums und dem Faktum, dass es erst im Jahr 2005 in Kraft treten soll, war es absolut nicht notwendig, dieses Reformvorhaben durch eine derart unnötige Eile zu entwerten.

 

Wir haben daher im Justizausschuss auch den Antrag auf Vertagung gestellt, damit noch ein ExpertInnenhearing stattfinden kann. Dies hätte zu keiner langfristigen Verzögerung geführt, haben doch beide Oppositionsparteien ihr ausdrückliches Einverständnis erklärt, das Gesetz noch dieses Jahr ins Plenum zu bringen. Dazu war die Regierungsmehrheit aber nicht bereit.

 

Das bisherige MiterInnenschutzsystem war geprägt durch mehrere Prinzipien: Formlosigkeit, kein Prozesskostenrisiko, freies Vertretungsrecht, einfacher direkter Rechtszugang. Diese Vorteile werden durch den jetzt vorliegenden Gesetzesentwurf mit einem Schlag zerstört.

Während der Gesetzgeber des Jahres 1922 die wohnrechtlichen Schutzgesetze nur dann als durchsetzbar erkannte, wenn der Rechtszugang für alle Bevölkerungsgruppen - ohne Kostenrisiko - einfach und offen gestaltet ist, soll die Schutzwirkungen zwingender gesetzlicher Regelungen durch abschreckende Prozesskostenrisiken wirkungslos gemacht werden.

Obwohl bei der allgemeinen Reform des Außerstreitverfahrens sämtliche Kostentragungsregeln im Grunde beibehalten werden,  - im Familienrechtsbereich wird es überhaupt keinen Kostenersatzanspruch geben, was wir ausdrücklich begrüßen  - soll nun allein im Wohnrecht - ohne ersichtlichen Grund - das Verfahren risikoreicher und teurer werden. In jenen Gemeinden, in denen Schlichtungsstellen zur Entlastung der Bezirksgerichte eingerichtet sind, werden wesentlich weniger Verfahren durch Streitbeilegung abgeschlossen werden können (in Wien sind 2002 von den insgesamt 8.737 Fällen 86 Prozent vor der Schlichtungsstelle geregelt worden und nur 14 Prozent bei den Bezierksgerichten gelandet).

 

Sämtliche MieterInnen- und EigentümerInnenschutzorganisationen aus dem Bereich des Miet- und Wohnungseigentumsrechts, die Caritas, die Volkshilfe, die Arbeiterkammer aber sogar der Oberste Gerichthof haben vor diesem neuen Kostenersatz und fordern die Beibehaltung der derzeitigen Regelung gewarnt.

Der Kostenersatz wird zur Folge haben, dass die Prozesskosten für den Großteil der österreichischen Bevölkerung eine derart abschreckende Wirkung haben, dass sie bestehende Rechte gar nicht mehr wahrnehmen.

 

Ein Rechtssystem jedoch, das sich die Rechtsdurchsetzung nicht mehr leisten möchte und beginnt sowohl beim Einsatz von RichterInnen zu sparen, als auch diejenigen, die ihre Recht durchsetzen wollen, mit zusätzlichen Risiken und Kosten zu belasten, höhlt damit aber auch den Rechtsstaat an sich aus, da der Wert eines Rechtes direkt mit seiner Möglichkeit seiner Durchsetzung zusammenhängt. Auf die Wohnrechtsebene gebracht heißt das beispielhaft, ein Recht auf Betriebskosten- oder Mietzinsüberprüfung ist totes Recht, wenn die Durchsetzung mit so abschreckenden Kostenfolgen verknüpft wird, dass der Mieter/die Mieterin auf die Überprüfung letztlich verzichtet. Damit wird gerade jenen Schutzsuchenden, die sich das Prozesskostenrisiko nicht ohne weiteres leisten können, der Zugang zum Recht de facto verweigert.