Zu 342 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Abweichende persönliche Stellungnahme

gemäß § 42 Abs.5 GOG

der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger

zum Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Transport von Tieren auf der Straße (Tiertransportgesetz-Straße, TGSt) geändert wird (233 d.B.)

Es handelt sich bei der gegenständlichen Gesetzesvorlage der Regierung um eine verspätete Umsetzung der EU-Richtlinie 91/628/EWG idF 95/29/EG über den Schutz von Tieren beim Transport innerhalb der europäischen Union. Österreich wurde bereits anlässlich einer Kontrolle der EU-Kontrollteams SANCO GD(SANCO)/8677/2002 gerügt. Kritisiert wurde, dass das BMVIT keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Einhaltung der Vorschriften der EU an den Tierschutz während des Transports geschaffen habe. Weitere Kritikpunkte waren:

      dass die zuständige zentrale Behörde (BMVIT) über kein veterinärmedizinisches Fachwissen verfüge und nicht in ausreichendem Maß andere Ministerien mit der entsprechenden Expertise kontaktiere,

      dass das BMVIT andere Mitgliedstaaten nicht über Verstöße ihrer Transportunternehmen informiere,

      dass die Sammlung von Informationen über die durchgeführten Kontrollen nur zum Teil erfüllt wurden,

      dass es keine Rechtsgrundlage für ein System zur Kontrolle der Transportpläne gebe und solche Pläne dennoch genehmigt werden,

      dass es kein System zur Beurteilung der Durchführbarkeit des geplanten Transports oder zur Wiedervorlage der Transportpläne nach Abschluss des Transports gebe.

An die EU-Kommission wurde vom SANCO-Kontrollteam die Empfehlung gerichtet, die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Österreich zu erwägen, da nicht alle Bestimmungen der Richtlinie 91/628/EWG des Rates (in der geänderten Fassung) in nationales Recht übernommen wurden.

In der vorliegenden Regierungsvorlage zur Umsetzung der EU-Richtlinien 91/628/EWG idF 95/29/EG über den Schutz von Tieren beim Transport wird der Handlungsspielraum, den die EU-Richtlinie lässt, nicht genützt, um Verbesserungen für die Situation der Tiere beim Transport zu erreichen. Verglichen mit dem österreichischen Tiertransportgesetz-Straße (TGSt), das hinsichtlich der Transportzeit und -strecke bisher über die EU-Standards hinausgeht (Schlachttiertransporte dürfen nur bis zum nächstgelegenen geeigneten inländischen Schlachtbetrieb durchgeführt werden, wobei den Gesamttransportdauer von sechs Stunden und eine Entfernung von 130 km und auf Autobahnen von 260 km nicht überschritten werden darf), bedeutet diese Umsetzung einen Rückschritt.

Im Entwurf fehlen darüber hinaus folgende wichtigen Regelungen und Aspekte:

      Regelungen über die maximale Anzahl der Tiere pro Transporteinheit und Tierart

      Vorschriften über die notwendige Trennung von bestimmten Tieren (z.B. von behornten und unbehornten Rindern)

      maximal festzulegende Gewichtsunterschiede gemeinsam transportierter Tiere

      das Ausmaß der Ruhezeiten

      eine Definition von transportunfähigen Tieren

       Vorschreibung eines Dokuments über die Herkunft der Tiere (eine Herkunftsbescheinigung ist für Verladungen an Sammelstellen gem. Richtlinie 95/29/EG vorzuschreiben; notwendig wäre dies auch, um einen Transport von mehr als 50 km auszuschliessen)

      eine Definition über den „angemessenen Raum über den Tieren“

      ein Passus, wonach weder Schmutz noch Exkremente auf darunter befindliche Tiere fallen dürfen (das ist dzt. geltendes Recht gem. § 6 (4) TGSt)

      die Sicherstellung einer adäquaten Anzahl von Tränkestellen, die der Tierart und –zahl entsprechend sowie dem Tränkeverhalten der Tiere angepasst zur Verfügung stehen müssen

      ein Passus, dass Tiertransportbetreuer ihre Sachkunde nachweisen müssen

       Strafbestimmungen betreffend Verstöße gegen die Bestimmungen der Transportbescheinigung

      Gültigkeit des TGSt auch bei gewerblichen Transporten bis 50 km (Ausnahmen nur wie im alten Gesetz z.B. bei der Alpung).

Ohne flankierende Maßnahmen zur Verbesserung der Kontrolle wird sich kaum etwas an den Missständen bei den Tiertransporten ändern. Um das Leiden der Tiere während des Transports zu verringern und die Einhaltung der Gesetzeslage zu gewährleisten, wäre ein Bündel von Maßnahmen notwendig. Derzeit besteht z.B. keine Möglichkeit, die Weiterfahrt eines Tiertransportes zu untersagen, wenn dieser aus einem anderen Mitgliedstaat kommend die EU-Tierschutz-Vorschriften für Straßenfahrzeuge zur Beförderung von Tieren nicht erfüllt. Laut Richtlinie 95/29/EG wäre das Aussprechen eines Verbotes der Weiterfahrt und das Anordnen der Abladung auf österreichischer Ebene regelbar. Dort heisst es in Kap. II, Art. 5, Teil A, Nummer 1, Buchstabe c: „Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass (...) Tiere nicht so befördert werden, dass sie (...) unnötig leiden müssen“.

Neben der vollständigen Umsetzung der Bestimmungen der EU-Richtlinien treten die Grünen treten für folgende Maßnahmen auf der nationalen Ebene ein:

      Schaffung wirksamer Prüfsysteme an Stellen, die Tiertransporte regelmäßig bei Ferntransporten passieren, um zu prüfen, ob die Tiere entsprechend den Transportplänen bzw. den EU-Bestimmungen befördert werden;

      Erhöhung der Anzahl der Tiertransport-Kontrollen auf der Straße und Durchführung von Inspektionen, um sicherzustellen, dass Fahrzeuge mit lebenden Tieren das österreichische Territorium nicht verlassen, wenn sie überladen sind, kranke Tiere enthalten oder den sonstigen Normen nicht entsprechen;

      Ablehnung von Fahrtplänen, die unvollständige Angaben enthalten oder erkennen lassen, dass die Bestimmungen betreffend Fahrzeiten, Ruhepausen und Fütterungs- und Tränkabstände auf der geplanten Fahrt voraussichtlich nicht eingehalten werden;

      Ausbildung und Ernennung von praktischen TierärztInnen zu Tiertransport-InspektorInnen, die mit jenem apparativen und logistischen Aufwand auszustatten sind, dass sie die Tiertransporte effizient überwachen können;

      Verhängung erheblich härterer Strafen gegen Transportunternehmer, die gegen die Richtlinie 91/628/ verstoßen;

       Unterrichtung anderer EU-Mitgliedstaaten und Drittstaaten, in denen der grenzüberschreitende Transport beginnt, über alle schwerwiegenden Mängel im Hinblick auf Fahrpläne, Zustand der Fahrzeuge oder Gesundheit und Wohlergehen der Tiere;

      jährliche Berichterstattung an den österreichischen Nationalrat und an die EU-Kommission über die durchgeführten Kontrollen (Häufigkeit der Kontrollen, Art der festgestellten Mängel und Übertretungen sowie Sanktionsmaßnahmen);

sowie

      Erstellung eines Planes zur Förderung kleiner, örtlicher Schlachthöfe und mobiler Schlachthäuser, damit die Fahrtzeiten für Schlachttiere auf ein Mindestmaß reduziert werden.

Den aktuellen Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung des Rates über den Schutz von Tieren beim Transport und allen damit zusammenhängenden Vorgängen sowie zur Änderung der Richtlinie 64/432/EWG und 93/119/EG des Rates halten die Grünen für unzureichend. Er folgt weder den Empfehlungen des Europäischen Parlaments noch den Empfehlungen des „Scientific Committee on Animal Health and Welfare“ und sieht kein allgemein gültiges Transportzeitlimit von acht Stunden vor. Der derzeitige Vorschlag sieht lediglich eine Transportzeit von neun Stunden exklusive 45 Minuten Fahrerpause, gefolgt von zwölf Stunden Pause ohne Entladung der Tiere, die beliebig oft wiederholt werden kann, vor.

Die Grünen setzen sich auf EU-Ebene daher im wesentlichen für folgende Reformen ein:

Die Ausfuhrerstattungen für Lebendtiere sind gänzlich abzuschaffen.

      Die Transportzeit darf max. acht Stunden betragen, sofern die Tiertransporter über eine geeignete Ausstattung verfügen (Belüftung, ständige Versorgung mit frischem Wasser und ausreichendes Platzangebot in dem Ausmaß, dass alle Tiere gleichzeitig liegen können).

      Die Transportzeit beginnt mit dem Aufladen des ersten Tieres am Abfahrtsort und endet mit dem Abladen des letzten Tieres am Bestimmungsort.

       Voraussetzung für den Transport der Tiere ist ein einwandfreier Gesundheitszustand. Trächtige Tiere dürfen nur während der ersten Hälfte der Tragezeit transportiert werden. Den Tieren muss während der gesamten Fahrt ausreichend Einstreu, Wasser und Futter zur Verfügung stehen.

      Die EU-Kommission erstattet jährlich dem Rat, dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten einen Bericht über die Tiertransporte in der EU und legt ein Handlungsprogramm zur Verbesserung vor.

Bei der Einfuhr lebender Tiere hat an den EU-Außengrenzen neben der tierärztlichen Kontrolle der Tiere auch eine Kontrolle der Transportfahrzeuge auf Einhaltung der gemeinschaftlichen Lade- und Wohlbefindensnormen zu erfolgen. Es ist nachzuweisen, dass die gemeinschaftlichen Bestimmungen im Hinblick auf die Lade- und Gesundheitsnormen sowie die Dauer der Transporte lebender Tiere eingehalten werden. Sofern Verstöße festgestellt werden oder die Einhaltung der genannten Bestimmungen nicht nachgewiesen werden kann, ist die Einfuhr dieser Tiere in die EU zu untersagen. In diesem Fall sind die Tiere für mindestens 48 Stunden auf EU-Territorium aufzustallen, entsprechend zu versorgen sowie unter Beachtung der EU-Gesetzgebung entweder zurückzusenden oder bei Herstellung der Rechtskonformität die Weiterfahrt zu ermöglichen.

Die Spielräume zur Verringerung der Leiden der Tiere werden im Rahmen der gegenständlichen Regierungsvorlage in unzureichender Weise genützt. Aufgrund der Initiative der Grünen soll allerdings in der nächsten Plenarsitzung des Nationalrats zusätzlich eine Vierparteien-Entschließung zustandekommen, die die Assistenzleistungen für die Tätigkeit der Tiertransportinspektoren in Hinkunft sicherstellt. Sollte diese Entschließung den Erfordernissen nicht genügen, so können die Grünen aus den angeführten Erwägungen dem vorliegenden Gesetzesvorschlag jedenfalls nicht zustimmen.