Vorblatt
Probleme und Ziele der
Gesetzesinitiative
Mit der Schaffung eines Bundesgesetzes über
die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der
Europäischen Union (EU-JZG) soll eine einheitliche Grundlage für die
Zusammenarbeit in Strafsachen mit den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen
Union geschaffen werden. Anlass für dieses Bundesgesetz ist die bis zum
31. Dezember 2003 notwendige Umsetzung des vom Rat beschlossenen
Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren
zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Zugleich werden auch
weitere Beschlüsse und Rahmenbeschlüsse sowie Übereinkommen der Europäischen
Union, insbesondere hinsichtlich der rechtlichen Verankerung von Eurojust und des
Europäischen Justizellen Netzes und der Bildung gemeinsamer Ermittlungsgruppen
umgesetzt. Schließlich soll auch die Ratifizierung des
Rechtshilfeübereinkommens der Europäischen Union und eine spätere Ratifizierung
des dazugehörigen Protokolls vorbereitet werden.
Grundzüge der Problemlösung
Die fortschreitende Vereinheitlichung der
strafrechtlichen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen
Union macht ein eigenes Bundesgesetz erforderlich.
Im EU-JZG sollen die materiell rechtlichen
Voraussetzungen für Übergabe und Rechtshilfe zwischen den Justizbehörden der
Mitgliedstaaten der Europäischen Union abschließend unter Beibehaltung der
bisherigen Verfahrensvorschriften geregelt werden. Überdies soll ein
Rahmen für die kommenden Rechtsakte der Europäischen Union zur Vollstreckung
strafrechtlicher Entscheidungen auf der Grundlage der gegenseitigen Anerkennung
geschaffen werden.
Die zwingenden und die fakultativen
Ablehnungsgründe des Europäischen Haftbefehls werden in das Gesetz
übernommen. Auf Grund der von Österreich erwirkten Ausnahmebestimmung
können österreichische Staatsbürger frühestens ab 1. Jänner 2009 und dann
nur wegen Taten an andere Mitgliedstaaten übergeben werden, die nach dem
7. August 2002 außerhalb des Bundesgebiets begangen worden sind.
Alternativen
Novellierung des Auslieferungs- und
Rechtshilfegesetzes (ARHG) durch die Einfügung von Sonderbestimmungen über die
Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Der
Inhalt der Änderungen würde jedoch der bisherigen – subsidiären - Struktur
dieses Gesetzes widersprechen, weil zur Umsetzung der für Österreich
völkerrechtlich verpflichtenden Beschlüsse und Rahmenbeschlüsse des Rates der
Europäischen Union zwingendes Recht zu schaffen ist.
Finanzielle Auswirkungen
Im Jahre 2002 wurden insgesamt 131
Verfahren zur Auslieferung von Personen in andere Staaten gerichtsanhängig,
wobei nach der langjährigen Auslieferungsstatistik eher geringe Schwankung zu
erwarten wären. Die Einführung des Europäischen Haftbefehls könnte allerdings
zu einem Anstieg der Übergabeverfahren führen, weil die Voraussetzungen und das
Verfahren für eine Auslieferung gegenüber der bisherigen Rechtslage erweitert
bzw. vereinfacht werden. Dieser mögliche Anstieg kann jedoch nur spekulativ
beurteilt werden und entzieht sich einer seriösen Einschätzung. Eine
Belastung für den Bundeshaushalt sowie Auswirkungen auf die Planstellen des
Bundes würden sich nur bei einem sehr starken Anstieg der Auslieferungsfälle
aus Österreich in andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union ergeben.
Durchlieferungskosten werden in Zukunft
nicht mehr erstattet werden. Die dadurch bewirkte gegenseitige
Kostenaufhebung wird daher wahrscheinlich keine budgetären Auswirkungen
haben.
Die Einrichtung von Eurojust und der
Betrieb von Kontaktstellen des Europäischen Justiellen Netzes (EJN) wird
zumindest eine Planstelle eines österreichischen Staatsanwalts oder
Oberstaatsanwalts oder Richters bei Eurojust in Den Haag dauernd
binden. Die Zunahme des Rechthilfeverkehrs mit den Mitgliedstaaten wird
auch zu einer zusätzlichen Belastung jener Richter bei den Landesgerichten
führen, die die Kontaktstellenfunktion ausüben.
Die Änderungen im Rechtshilfebereich führen
vorerst nicht zu einer Ausweitung der Verpflichtung zur Rechtshilfe gegenüber
den Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Auswirkung auf die Beschäftigung und
den Wirtschaftsstandort Österreich
Keine.
Verhältnis zu Rechtsvorschriften der
Europäischen Union
Das vorgeschlagene Bundesgesetz dient
nahezu ausschließlich der Umsetzung völkerrechtlich verpflichtender Rechtsakte
des Rates der Europäischen Union. Der Ermessenspielraum dieser Rechtsakte
wird im Sinne einer weitgehenden Beibehaltung der bisherigen
Verfahrensvorschriften genutzt.
Besonderheiten des Normsetzungsverfahrens
In Ansehung der Verfassungsbestimmung des §
12 Abs. 1 ARHG erfordert die Regelung der Übergabe und Durchlieferung
österreichischer Staatsbürger abweichende Bestimmungen, die ebenfalls im Verfassungsrang
stehen müssen (siehe §§ 5, 33 und 77 Abs. 2).
Erläuterungen
Allgemeiner Teil
1. Hauptgesichtspunkte des
Entwurfes
a) Stand der strafrechtlichen
Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union
Die strafrechtliche Zusammenarbeit zwischen
den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (im Folgenden: „Mitgliedstaaten“) findet derzeit auf Grundlage der in Art. 34 Abs. 2 EU-V
vorgesehenen Formen, nämlich auf Grund von Beschlüssen und Rahmenbeschlüssen
des Rates sowie auf Grund völkerrechtlicher Übereinkommen statt. Das
Schwergewicht dieser Zusammenarbeit in der dritten Säule der Europäischen Union
liegt dabei in der Ausarbeitung von Rahmenbeschlüssen, die jedoch immer nur zu
einzelnen Regelungsbereichen erlassen werden. Dies führt zu einer
völkerrechtlichen Überlagerung mit den bereits bestehenden völkerrechtlichen
Instrumenten, insbesondere mit jenem Regelungswerk, das im Rahmen des
Europarates seit dem Jahr 1957 ausgearbeitet wurde. Die im Rahmen der
dritten Säule von den Mitgliedstaaten ausgearbeiteten völkerrechtlichen
Übereinkommen waren daher immer nur Zusatzübereinkommen zu den Übereinkommen
des Europarats.
Mit dem Europäischen Haftbefehl wurde
erstmals versucht, ein gesamtes Rechtsgebiet, nämlich die Auslieferung, durch
einen eigenen Rahmenbeschluss zu regeln. Dies wird zu einer völkerrechtlichen
Rechtsbereinigung zwischen den Mitgliedstaaten führen. Daneben bestehen
bereits die Rahmenbeschlüsse über gemeinsame Ermittlungsgruppen und über die
Vollstreckung von Sicherstellungsentscheidungen sowie der Beschluss über die
Einrichtung von Eurojust. Derzeit (Herbst 2003) werden Rahmenbeschlüsse
über die Vollstreckung von Geldstrafen sowie über Vollstreckung von
Einziehungsentscheidungen verhandelt, wobei hinsichtlich der Geldstrafen
bereits weitgehend politische Einigung im Rat erzielt wurde. Das
Rechtshilfeübereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten aus dem Jahr 2000 und das
Protokoll aus dem Jahr 2001 werden auf Grund ihrer komplexen und zum Teil von
der technischen Entwicklung bereits wieder überholten Regelungen im
Telekommunikations- und Bankwesenbereich von den Mitgliedstaaten nur sehr
schleppend ratifiziert.
Der vom Europäischen Konvent vorgelegte
Entwurf über eine Verfassung für Europa, ABl. C 169 vom
18. 7. 2003, S. 1, sieht in seinem Artikel
III-171 Abs. 1 vor, dass die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen
in der Europäischen Union durch Europäische Rahmengesetze geregelt werden soll,
die hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich sind, jedoch den
Mitgliedstaaten die Wahl der Form und Mittel überlassen. Auch in Zukunft
werden Rechtsakte im Bereich der strafrechtlichen Zusammenarbeit nicht
unmittelbar anwendbar, sondern in nationales Recht zu transformieren
sein. Diese Umsetzung künftiger Rechtsakte in jeweils besonderen Gesetzen
würde zu einer Zersplitterung und weiteren Unübersichtlichkeit des auf dem
Gebiet der strafrechtlichen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten anzuwendenden
Rechts führen. Die Umsetzung künftiger Rechtsakte – Rahmenbeschlüsse vor
und europäische Rahmengesetze nach Inkrafttreten der Verfassung für Europa –
wird daher durch Änderungen des in diesem Entwurf vorgeschlagenen Gesetzes zu
erfolgen haben.
Der vorliegende Entwurf hat die umfassende
Regelung der strafrechtlichen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten der
Europäischen Union zum Ziel, wobei vorerst auf eine subsidiäre Geltung des ARHG
und der völkerrechtlichen Verträge nicht verzichtet werden kann. Die
fortschreitende Regelung zahlreicher Einzelfragen der strafrechtlichen
Zusammenarbeit durch umsetzungsbedürftige Beschlüsse und Rahmenbeschlüsse der
Europäischen Union wird jedoch dazu führen, dass ein einheitliches Gesetz über
den Rechtshilfeverkehr mit den Mitgliedstaaten entstehen wird.
b)
Europäischer Haftbefehl
Der
Rat der Europäischen Union hat am 13. Juni 2002 den „Rahmenbeschluss über
den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den
Mitgliedstaaten“, ABl. L 190 vom 18. 7. 2002, S. 1 – 20, (im
Folgenden: „Rahmenbeschluss“) angenommen. Dieser Rahmenbeschluss
verpflichtet die Mitgliedsstaaten zur Umsetzung der durch ihn eingegangenen
Verpflichtungen bis 31. Dezember 2003, damit der Europäische Haftbefehl am
1. Jänner 2004 zwischen allen Mitgliedstaaten angewendet werden
kann. Seine Umsetzung in nationales Recht stellt – wie bereits erwähnt –
den Schwerpunkt des Entwurfs dar.
Die
begriffliche und inhaltliche Abkehr des Rahmenbeschlusses vom Begriff der
Auslieferung und die Einführung eines Systems der Vollstreckung des
Europäischen Haftbefehls durch ein Übergabeverfahren zwischen den
Mitgliedsstaaten lassen es nicht ratsam erscheinen, die Bestimmungen des
Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes (ARHG) jeweils durch Sonderbestimmungen
über die Übergabe zwischen den Mitgliedstaaten zu ergänzen. Der
vorliegende Entwurf vermeidet daher auch in seinen materiellen Bestimmungen
über die Voraussetzungen für eine Übergabe an einen anderen Mitgliedsstaat
Verweise auf Bestimmungen des ARHG. Die Umsetzungsbedürftigkeit von
Rahmenbeschlüssen nach Art. 34 Abs. 2 lit. b EU-V lässt
überdies auch einen Verweis auf Bestimmungen des Rahmenbeschlusses nicht zu, so
dass sich die Voraussetzungen für eine Vollstreckung eines Europäischen
Haftbefehls eines anderen Mitgliedstaats durch Österreich zur Gänze aus dem
Gesetz ergeben müssen.
Der
Rahmenbeschluss baut auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung
strafrechtlicher Entscheidungen auf. Schon der Europäische Rat von
Tampere/Finnland vom 14./16. Oktober 1999 hatte anlässlich seiner
Sondertagung über die Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und
des Rechts in der Europäischen Union die gegenseitige Anerkennung justizieller
Entscheidungen als einen Grundpfeiler der zukünftigen justiziellen
Zusammenarbeit in Zivil- und Strafsachen bezeichnet. Die
Schlussfolgerungen des Europäischen Rats von Tampere fordern in Nummer 35 die
Mitgliedstaaten auf, das bisherige Auslieferungsverfahren durch ein
vereinfachtes System der „Überstellung“ zu ersetzen, wenn sich Personen nach
ihrer rechtskräftigen Verurteilung der Justiz durch Flucht entziehen. Im
Übrigen sollten im Bereich der Auslieferung – unbeschadet des Grundsatzes eines
gerechten Gerichtsverfahrens – auch Eilverfahren in Erwägung gezogen werden.
Die
Forderungen des Europäischen Rates wurden vom Rat mit dem „Maßnahmenprogramm
des Rates zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung
gerichtlicher Entscheidungen“, ABl. C 12 vom 15. 1. 2001,
S. 10, aufgegriffen. Dabei wurde zur Umsetzung des Grundsatzes der
gegenseitigen Anerkennung die Schaffung eines Instruments empfohlen, mit dem
das förmliche Auslieferungsverfahren abgeschafft wird.
Die
Terroranschläge in New York und Washington am 11. September 2001 haben den
Anstrengungen zu einer Gesamtreform des Auslieferungsrechts zwischen den
Mitgliedstaaten höchste Priorität verliehen. Schon auf der auf Grund der
Terroranschläge abgehaltenen Sondersitzung des Rates für Justiz und Inneres am
20. September 2001 wurde beschlossen, einen von der Europäischen
Kommission am 19. September 2001 unterbreiteten Vorschlag für einen
Europäischen Haftbefehl und Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten,
ABl. C 332E vom 27. 11. 2001, S 305-319, den Arbeiten zu Grunde
zu legen und möglichst rasch darüber Einigung zu erzielen. Tatsächlich ist
es der belgischen Präsidentschaft unter enormen Arbeits- und Zeitdruck gelungen,
einen konsensfähigen Entwurf für einen Rahmenbeschluss dem Rat für Justiz und
Inneres am 6./7. Dezember 2001 vorzulegen und am Europäischen Rat am
14. Dezember 2001 in Laeken/Belgien darüber eine politische Einigung zu
erzielen. Nach den notwendigen Befassungen des Europäischen Parlaments und
der nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten sowie nach Erarbeitung des
Formblatts für den Europäischen Haftbefehl und nach Prüfung der Sprachfassungen
wurde der Rahmenbeschluss auf der Tagung des Rates für Justiz und Inneres am 13. Juni
2002 auch formell angenommen.
Das
Auslieferungsrecht zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union baut
bislang auf dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember
1957, BGBl. Nr. 320/1969, und seinem Zusatzprotokoll vom 15. Oktober
1975 (von Österreich nicht ratifiziert) sowie dem Zweiten Zusatzprotokoll vom
17. März 1978, BGBl. Nr. 297/1983, auf. Alle
Mitgliedstaaten haben das ebenfalls im Rahmen des Europarats ausgearbeitete
Europäische Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Jänner
1977, BGBl. Nr. 446/1978, ratifiziert, welches
auslieferungsrechtliche Bestimmungen für terroristische strafbare Handlungen
enthält. Auf dieser vom Europarat geschaffenen völkerrechtlichen Grundlage
wurden in der Europäischen Union die Übereinkommen vom 10. März 1995 über
das vereinfachte Auslieferungsverfahren, BGBl. III Nr. 169/2000, und
vom 27. September 1996 über die Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten
der Europäischen Union, BGBl. III Nr. 143/2001, ausgearbeitet, die
ebenso wie das Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ), BGBl. III
Nr. 90/1997, wiederum das Europäische Auslieferungsübereinkommen vom
13. Dezember 1957 abändern und ergänzen. Mit Einführung des
Europäischen Haftbefehls verpflichten sich die Mitgliedstaaten, diese
völkerrechtlichen Verträge ab dem 1. Jänner 2004 oder ab Anwendung des
Europäischen Haftbefehls untereinander nicht mehr anzuwenden.
Die
Beratungen zum Rahmenbeschluss haben gezeigt, dass auch bei Geltung des
Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf die Durchführung eines
gerichtlichen Verfahrens zur Feststellung der Vollstreckbarkeit des
ausländischen Haftbefehls nicht verzichtet werden kann.
Der
Rahmenbeschluss legt die Voraussetzungen für einen Europäischen Haftbefehl
fest, die in den vorliegenden Gesetzesentwurf übernommen werden. Die Liste
jener Delikte, hinsichtlich derer die beiderseitige Strafbarkeit nicht geprüft
wird, wenn sie nach dem Recht des den Haftbefehl erlassenden Mitgliedstaats mit
zumindest drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind, wird als Anhang zum
vorliegenden Bundesgesetz aufgenommen. Ebenso ergibt sich das für die
Ausfertigung eines Europäischen Haftbefehls zu verwendende Formblatt, das den
notwendigen Inhalt eines solchen Haftbefehls enthält, aus dem Anhang zu diesem
Bundesgesetz.
Das
auf Grund eines Europäischen Haftbefehls im Inland durchzuführende Verfahren
soll sich weitgehend an dem im ARHG idF der RV eines
Strafrechtsänderungsgesetzes 2003 (StRÄG 2003, 294 d. Beilagen XXII. GP)
vorgesehenen Auslieferungsverfahren orientieren. Nur, wo spezifische Änderungen
erforderlich waren, etwa bei der vereinfachten Übergabe auf Grund der
Zustimmung des Betroffenen, werden abweichende Sonderregelungen
vorgeschlagen. Das gesamte Verfahren wird beim Untersuchungsrichter
konzentriert. Er soll über jede Vollstreckung eines Europäischen
Haftbefehls durch Österreich durch Beschluss zu entscheiden haben.
c)
Eurojust
Mit Beschluss des Rates vom
28. Februar 2002, ABl. L 63 vom 6. 2. 2002, S. 1,
wurde Eurojust zu Verstärkung der Bekämpfung der schweren Kriminalität
eingerichtet.
Schon derzeit hat Österreich eine Richterin
(ab 1. Jänner 2004 als Oberstaatsanwältin im Planstellenbereich der OStA
Wien) als nationales Mitglied zu Eurojust entsandt, die bei Eurojust in Den
Haag/Niederlande Österreich im Sinne der durch den Beschluss vom
28. Februar 2002 eingeräumten Befugnisse vertritt. Sowohl das
Entsendungsverfahren als auch die Kompetenzen des von Österreich entsandten
nationalen Mitglieds sollen gesetzlich geregelt werden. Es wird dabei von
einer Entsendung durch das Bundesministerium für Justiz ausgegangen. Das
nationale Mitglied ist bei seinem Handeln bei Eurojust jedenfalls an die
fachliche Weisungen des Bundesministers für Justiz gebunden. Im Hinblick
auf den unmittelbaren Geschäftverkehr des nationalen Mitglieds mit den
staatsanwaltschaftlichen Behörden wird auch eine Bindung an die fachlichen
Weisungen der Oberstaatsanwaltschaften vorgeschlagen. Damit werden aber
dem nationalen Mitglied die Befugnisse einer Justizbehörde nach Art. 24
des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom
20. April 1959, BGBl. Nr. 41/1969, eingeräumt. Über Weisung
kann das nationale Mitglied daher selbst Rechtshilfeersuchen
stellen. Ebenso können Rechtshilfeersuchen der Mitgliedstaaten unmittelbar
dem nationalen Mitglied übergeben werden, das in dieser Funktion wiederum das
Bundesministerium für Justiz vertritt.
d)
Europäisches Justizielles Netz
Ziel
des Entwurfs ist es, das mit der gemeinsamen Maßnahme vom 29. Juni 1998
errichtete Europäische Justizielle Netz, ABl. L 191 vom
7. 7. 1998, S. 1, auf eine gesetzliche Basis zu
stellen. Die Einrichtung der Kontaktstellen in Österreich erfolgte bislang
ausschließlich im Erlasswege durch das Bundesministerium für Justiz. Es
wird daher vorgeschlagen, die Einrichtung dieser Kontaktstellen gesetzlich
vorzusehen und ihnen die sich aus der gemeinsamen Maßnahme ergebenden Aufgaben
und Befugnisse zuzuordnen.
e)
Vollstreckung von Sicherstellungsentscheidungen
Auf Grundlage des Grundsatzes der
gegenseitigen Anerkennung wurde der Rahmenbeschluss über die Vollstreckung von
Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln
in der Europäischen Union vom 22. Juli 2003, ABl. L 196 vom
2. 8. 2003, S. 45 ausgearbeitet; auch seine Umsetzung in
nationales Recht soll durch den vorliegenden Entwurf vorgenommen werden.
f) Rechtshilfe
Die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den
Mitgliedstaaten findet derzeit fast ausschließlich auf der Grundlage
völkerrechtlicher Verträge, insbesondere auf Grund des Europäischen
Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959,
BGBl. Nr. 41/1969, und dem Zusatzprotokoll vom 17. März 1978,
BGBl. Nr. 296/1983, statt. Bereits die Bestimmungen der
Art. 48 bis 53 SDÜ haben die Anwendung des Übereinkommens vom
20. April 1959 ausgeweitet und auch die Postzustellung in Strafsachen
zwischen den Mitgliedstaaten ermöglicht.
Mit dem erst von drei Mitgliedstaaten
ratifizierten Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafaschen zwischen den
Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 29. Mai 2000, ABl. C 197
vom 12. 7. 2000, wurden die Rechtshilfebestimmungen des SDÜ neu
gefasst und Sonderbestimmungen für die Rechtshilfeleistung durch besondere
Ermittlungsarten geschaffen.
Seit dem Abschluss des Protokolls zu dem
Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten
der Europäischen Union vom 16. Oktober 2001, ABl. C 326 vom
21. 11. 2001, S. 2, werden Teilbereiche der strafrechtlichen
Zusammenarbeit nicht mehr durch völkerrechtliche Übereinkommen, sondern durch
Beschlüsse und Rahmenbeschlüsse nach Art. 34 Abs. 2 EU-V
geregelt. Damit stehen aber derzeit unmittelbar anwendbare
völkerrechtliche Übereinkommen und nicht unmittelbar anwendbare, jedoch
innerstaatlich unzusetzende Rechtsakte der Gemeinschaft nebeneinander in Geltung. Derzeit
liegen die Rahmenbeschlüsse vom 13. Juni 2003 über gemeinsame
Ermittlungsgruppen, ABl. L 162 vom 20. 6. 2002, S.1, und vom
22. Juli 2003 über die Vollstreckung von Entscheidungen über die
Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln,
ABl. L 196 vom 2. 8. 2003, S. 45, vor.
Zur Lösung dieser Rechtslage wird eine
völlige Umsetzung der Rahmenbeschlüsse der Gemeinschaft und eine schrittweise
Vorbereitung der Ratifikation des Übereinkommens vom 16. Oktober 2001
vorgeschlagen. Im Hinblick auf die derzeit in Ausarbeitung stehenden neuen
Rechtsakte der Europäischen Union wird eine Novellierung des vorgeschlagenen
Gesetzes unvermeidbar sein. Ziel dieser Maßnahmen ist die Schaffung eines
einheitlichen, alle Rechtshilfebestimmungen im Verhältnis zu den
Mitgliedstaaten umfassenden Gesetzes.
2. Finanzielle
Auswirkungen
Die Einführung des Europäischen Haftbefehls
wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu einem Anstieg der Übergabeverfahren
führen, der außerhalb der Schwankungsbreite der jährlichen Auslieferungsfälle
liegt. Die langjährige österreichische Auslieferungsstatistik zeigt seit
der Inkraftsetzung des Schengener Durchführungsübereinkommens am
1. Dezember 1997 eine stabile Zahl von Auslieferungsfällen und ein nahezu
gleichbleibendes Verhältnis der österreichischen Auslieferungsersuchen zu jenen
Ersuchen, die an Österreich gerichtet werden.
In weiten Bereichen übernimmt der
Gesetzesentwurf bereits in Anwendung stehende völkerrechtliche Bestimmungen
oder schafft für die Teilnahme Österreichs an bereits bestehenden Einrichtungen
der Europäischen Union die rechtlichen Grundlagen. Auch unter diesem
Gesichtspunkt erscheint es wenig wahrscheinlich, dass der Gesetzesentwurf
finanzielle Auswirkungen haben wird.
Durch die Verpflichtung, entweder eigene
Staatsbürger zur Strafvollstreckung anderen Mitgliedstaaten zu übergeben oder
diese Strafen im Inland zu vollziehen, erscheint jedoch ein Anstieg der Kosten
für den Strafvollzug möglich. Im Hinblick auf die Gesamtzahl der
österreichischen Auslieferungsfälle und der bisherigen Erfahrungen mit der
Übernahme der Strafvollstreckung dürften höchstens zehn zusätzliche Haftplätze
erforderlich werden.
3. Besonderheiten
des Normerzeugungsverfahrens
Der Gesetzesentwurf enthält in seinen §§ 5,
33 und 77 Abs. 2 Verfassungsbestimmungen, weil der Europäische Haftbefehl
in einem eingeschränkten Umfang auch zur Übergabe (Auslieferung)
österreichischer Staatsbürger ab dem 1. Jänner 2009 verpflichtet. In
diesem Umfang muss das im Verfassungsrang stehende Auslieferungsverbot nach §
12 ARHG durch entsprechende Verfassungsbestimmungen eingeschränkt werden.
Besonderer Teil
Zu § 1:
Der Gesetzesentwurf soll nur die
strafrechtliche Zusammenarbeit zwischen den Justizbehörden der Mitgliedstaaten
der Europäischen Union und der Republik Österreich regeln. In den
Rechtsbeziehungen zu Drittstaaten gelten daher weiterhin die völkerrechtlichen
Vereinbarungen und subsidiär das ARHG. Abs. 2 soll schon jetzt den
künftigen Rahmen des Regelungsbereichs vorgeben.
Um Regelungslücken zu vermeiden, wird ganz
allgemein auch in diesem Gesetzesentwurf die subsidiäre Geltung des ARHG
angeordnet. Soweit sich aber aus dem ARHG nichts anderes ergibt, ist die
StPO nach § 9 Abs. 1 ARHG sinngemäß anzuwenden. Da aber die
Voraussetzungen für die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls bereits im
Rahmenbeschluss vom 13. Juni 2002 abschließend geregelt sind, gelten die
im zweiten Hauptstück unmittelbar anwendbaren völkerrechtlichen Vereinbarungen
nur mehr subsidiär. Die Mitgliedstaaten haben sich überdies verpflichtet,
ab 1. Jänner 2004 oder ab tatsächlicher Anwendung des Europäischen
Haftbefehls die bisherigen völkerrechtlichen Auslieferungsvereinbarungen
untereinander nicht mehr anzuwenden.
Zu § 2:
Die Begriffsbestimmungen entsprechen
weitgehend den Definitionen des Rahmenbeschlusses über den Europäischen
Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten, des Rahmenbeschlusses
über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln in der
Europäischen Union sowie des Beschlusses zur Einrichtung von Eurojust.
Zu § 3:
Der Mechanismus des in
Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses definierten Europäischen
Haftbefehls tritt - in Umsetzung des vom Europäischen Rat von Tampere
postulierten Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher
Entscheidungen in Strafsachen - an die Stelle des herkömmlichen Auslieferungsverfahrens. Der
Begriff der Auslieferung wird durch jenen der Übergabe der gesuchten Person in
Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls ersetzt. Dessen ungeachtet folgt der
Europäische Haftbefehl materiell den Grundzügen des bisherigen
Auslieferungsrechts; inhaltlich stellt das Übergabeverfahren somit ein auf
Ebene der Gerichte verlagertes Auslieferungsverfahren dar.
Vor allem muss es sich daher beim
Europäischen Haftbefehl immer um die „justizielle“ Entscheidung einer
Justizbehörde des Ausstellungsstaats handeln. Ziel des Europäischen
Haftbefehls ist die Übergabe der gesuchten Person durch die Behörden des
Vollstreckungsstaats an die Behörden des Ausstellungsstaats. Damit
unterscheidet sich die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls zwar
verfahrensrechtlich, nicht aber inhaltlich von der traditionellen
Auslieferung. Findet eine zwangsweise Übergabe an die Behörden des
Ausstellungsstaats nicht statt, kommen auch die Garantien des Europäischen
Haftbefehls nicht zum Tragen.
Der Rahmenbeschluss geht von einer
Verpflichtung zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls aus, wenn die
Voraussetzungen hiefür vorliegen und nicht von einem der obligatorischen oder
fakultativen Ablehnungsgründe Gebrauch gemacht wird.
Da die Voraussetzungen für die Erlassung
ebenso wie für die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls zu regeln sind,
unterscheidet das Gesetz erst im verfahrensrechtlichen Teil zwischen der
Vollstreckung durch oder für Österreich. Wo die Bestimmungen dieses
Hauptstücks nur die Vollstreckung durch Österreich betreffen, ist dies
ausdrücklich normiert.
Zu § 4:
Kernstück des Europäischen Haftbefehls ist
eine Liste von 32 sehr unterschiedlichen strafbaren Handlungen, bei denen vom
Vollstreckungsstaat die beiderseitige Strafbarkeit nicht geprüft werden
darf. Wenn die ausstellende Justizbehörde den Sachverhalt als eine solche
Tat beurteilt und dieser nach dem Recht des Ausstellungsstaats mit einer
Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden
Maßnahme im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht ist, berechtigt daher
auch das Fehlen der beiderseitigen gerichtlichen Strafbarkeit nicht zur
Ablehnung der Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls. Diese Liste wird
durch Abs. 3 und Anhang I in den Gesetzesentwurf zur Gänze und unverändert
übernommen. Ob und in welchem Umfang die Richtigkeit der Einordnung in die
Liste vom österreichischen Gericht geprüft werden kann, wird durch §
19 Abs. 2 und 3 geregelt.
Außerhalb dieser Liste gilt
nach. Abs. 1 weiterhin der allgemeine Grundsatz der beiderseitigen
gerichtlichen Strafbarkeit als Voraussetzung für eine Übergabe zur
Strafverfolgung oder Strafvollstreckung. Voraussetzung ist aber eine
Strafdrohung nach dem Recht des Ausstellungsstaats von mindestens einem
Jahr. Eine Unterscheidung zwischen vorsätzlich oder fahrlässig begangenen
Taten findet nicht statt.
Zur Strafvollstreckung kann ein
Europäischer Haftbefehl erlassen oder vollstreckt werden, wenn beiderseitige
Strafbarkeit nach Abs. 1 oder eine Tat nach Abs. 3 vorliegt und
mindestens noch insgesamt 4 Monate Freiheitsstrafe zu vollstrecken
sind. Dabei sind vollstreckbare Ersatzfreiheitsstrafen wie Freiheitsstrafen
zu behandeln und mehrere Freiheitsstrafen oder Strafreste zusammenzurechnen..
Für die Vollstreckung eines Europäischen
Haftbefehls im Inland gilt nach Abs. 5 der schon in § 11 Abs. 3 ARHG
vorgesehene Grundsatz der akzessorischen Auslieferung. Ist daher die
Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls zumindest hinsichtlich einer Tat
nach Abs. 1 oder 3 zu bewilligen, so ist die Vollstreckung auch
hinsichtlich aller anderen Taten zulässig, soweit beiderseitige Strafbarkeit
vorliegt. Unter diesen Voraussetzungen wird die Vollstreckung des
Haftbefehls auch zum Vollzug von weniger als insgesamt 4 Monaten
Freiheitsstrafe bewilligt.
Zu § 5:
Die im Verfassungsrang stehende Bestimmung
des § 12 ARHG hat bisher die Auslieferung österreichischer Staatsbürger
ausnahmslos verboten. Österreichischen Staatsbürgern wurde hinsichtlich
strafbarer Handlungen, die sie im Ausland begangen haben, dennoch keine
Straffreiheit gewährt, weil die österreichischen Strafgesetze nach § 65
Abs. 1 Z 1 StGB hinsichtlich im Ausland begangener Taten, die auch durch
die Gesetze des Tatorts mit Strafe bedroht sind, unter anderem dann gelten,
wenn der Täter zur Zeit der Tat Österreicher war oder wenn er die
österreichische Staatsbürgerschaft später erworben hat und zur Zeit der
Einleitung des Strafverfahrens noch besitzt.
Österreich hat in den Verhandlungen zum
Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl mit Nachdruck auf sein im
Verfassungsrang stehendes Verbot der Auslieferung österreichischer Staatsbürger
und auf seine uneingeschränkte Verpflichtung zur strafrechtlichen Verfolgung
von Auslandstaten österreichischer Staatsbürger hingewiesen. Art. 33
Abs. 1 des Rahmenbeschlusses gewährt Österreich ausdrücklich das Recht,
bis zu einer Änderung des § 12 Abs. 1 ARHG, spätestens jedoch bis zum 31. Dezember
2008, die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls abzulehnen, wenn es sich
bei der gesuchten Person um einen österreichischen Staatsbürger handelt und
wenn die Handlung, derentwegen der Europäische Haftbefehl erlassen worden ist,
nach österreichischem Recht nicht gerichtlich strafbar ist. Diese
Ausnahmebestimmung wird durch § 77 Abs. 2 im Verfassungsrang übernommen.
Die Übergabe österreichischer Staatsbürger
an Mitgliedstaaten ist nur nach Maßgabe von § 5 Abs. 2 bis 5
zulässig. Es bleibt daher das grundsätzliche Verbot des § 12 ARHG
aufrecht.
Die Vollstreckung eines Europäischen
Haftbefehls gegen einen österreichischen Staatsbürger ist nach Abs. 2
unzulässig, wenn die Tat nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist
und dem Geltungsbereich der österreichischen Strafgesetze unterliegt. Die
Geltung der österreichischen Strafgesetze wird sich in der Regel auf § 65
Abs. 1 Z 1 StGB gründen. Art. 4 Z 2 des Rahmenbeschlusses
berechtigt zur Ablehnung der Vollstreckung, wenn die Person, gegen die ein
Europäischer Haftbefehl erlassen wurde, im Vollstreckungsstaat wegen derselben
Handlung strafrechtlich verfolgt wird.
Art. 4 Z 7 lit. b des
Rahmenbeschlusses berechtigt zur Ablehnung der Vollstreckung eines Europäischen
Haftbefehls wegen Taten, die außerhalb des Hoheitsgebiets des
Ausstellungsstaats begangen worden sind, wenn die Rechtsvorschriften des
Vollstreckungsstaats die Verfolgung von außerhalb seines Hoheitsgebiets
begangenen Straftaten gleicher Art nicht zulassen. Bei extraterritorialer
Zuständigkeit wird die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls gegen einen
österreichischen Staatsbürger nach Abs. 3 dann abzulehnen sein, wenn bei
sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts keine Zuständigkeit der österreichischen
Gerichte für solche außerhalb Österreichs begangenen Taten bestünde. Dabei
wird es sich in der Regel um Taten handeln, die nach österreichischem Recht
nicht gerichtlich strafbar sind.
Ein Europäischer Haftbefehl zur
Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung
verbundenen vorbeugenden Maßnahme wird grundsätzlich nicht durch die Übergabe
der betroffenen Person, sondern durch den Vollzug der Strafe im Inland
vollstreckt, soweit im Übrigen alle anderen Voraussetzungen für eine
Vollstreckung dieses Haftbefehls und die Übergabe der betroffenen Person vorliegen
würden. Die §§ 39 bis 44 enthalten jene Bestimmungen, nach denen der
Vollzug der Strafen in Österreich stattfindet.
Wird die Vollstreckung eines Europäischen
Haftbefehls gegen einen österreichischen Staatsbürger zur Strafverfolgung
bewilligt, so hat dies immer unter der Bedingung der Rücküberstellung des
österreichischen Staatsbürgers zum Strafvollzug nach Österreich zu geschehen.
Alle Ablehnungsgründe und Bedingungen sind
nach Abs. 6 verzichtbar. Der österreichische Staatsbürger kann diesen
Verzicht frühestens in der ersten Haftverhandlung wirksam abgeben, wenn er sich
in Übergabe- oder Untersuchungshaft befindet.
Zu § 6:
Art. 4 Z 7 lit. a des
Rahmenbeschlusses berechtigt zur Ablehnung der Vollstreckung eines Europäischen
Haftbefehls wegen Taten, die nach den Rechtsvorschriften des
Vollstreckungsstaats ganz oder teilweise in dessen Hoheitsgebiet begangen
worden sind. Ob eine Tat im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats begangen
wurde, richtet sich dabei nach dessen Rechtsvorschriften. Das
Territorialitätsprinzip ergibt sich aus § 62 StGB, wobei die österreichischen
Strafgesetze auch für Taten gelten, die auf österreichischen Schiffen oder Luftfahrzeugen
begangen worden sind. Eine Tat ist nach § 67 Abs. 2 StGB im Inland begangen,
wenn der Täter im Inland gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder ein dem
Tatbild entsprechender Erfolg ganz oder zum Teil im Inland eingetreten ist oder
nach den Vorstellungen des Täters im Inland hätte eintreten sollen.
Schon im Hinblick auf den Entfall der
Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit nach § 4 Abs. 3 wäre es unvertretbar,
Personen zu übergeben, die im Inland Handlungen gesetzt haben, die nach österreichischem
Recht nicht gerichtlich strafbar sind. Daher gilt der Ablehnungsgrund auch
für im Inland begangene Handlungen, die nach österreichischem Recht nicht
gerichtlich strafbar sind.
Zu § 7:
Die Beachtung des Grundsatzes „ne bis in
idem“ nach Art. 3 Z 2 des Rahmenbeschlusses ist unverzichtbar und gilt
daher nach Art. 4 Z 3 des Rahmenbeschlusses auch im Verhältnis zwischen
dem Vollstreckungsstaat und dem Ausstellungsstaat. Anders als in § 8 Z 1
und 2 wird bei österreichischer Gerichtsbarkeit auf die Aufzählung jener
Voraussetzungen verzichtet, unter denen eine österreichische Entscheidung die
Strafverfolgung im Ausstellungsstaat unzulässig macht. Jede rechtskräftige
österreichische Entscheidung, die der weiteren Strafverfolgung im
Ausstellungsstaat auf Grund der bestehenden völkerrechtlichen Regelungen
(derzeit insbesondere Art. 54 SDÜ) entgegensteht, verpflichtet zur
unverzichtbaren Ablehnung der Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls.
Art. 4 Z 2 des Rahmenbeschlusses
berechtigt zur Ablehnung der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls, wenn
die gesuchte Person, gegen die der Europäische Haftbefehl ergangen ist, im
Vollstreckungsstaat wegen derselben Handlung strafrechtlich verfolgt
wird. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Strafverfolgung vor oder
nach dem Einlangen des Ersuchens um Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls
eingeleitet wurde, weil die Vollstreckungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der
gerichtlichen Entscheidung über die Vollstreckung vorliegen müssen. Dieser
fakultative Ablehnungsgrund wird in Abs. 2 Z 1 übernommen. Die Einleitung
eines Strafverfahrens setzt aber voraus, dass österreichische Strafgerichtsbarkeit
besteht und die dem Haftbefehl zu Grunde liegenden Taten allem Anschein nach
auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar sind. Die Einleitung
eines Verfahrens wegen Taten, die nach österreichischem Recht nicht gerichtlich
strafbar sind, und die nachfolgende Zurücklegung der Anzeige können schon im
Hinblick auf die damit sonst ermöglichte Umgehung der Übergabe etwa durch Selbstanzeige
nicht die Voraussetzungen für einen Ablehnungsgrund nach Abs. 2 erfüllen. Abs.
2 gilt daher nur für Taten, die nach österreichischem Recht gerichtlich
strafbar sind und der österreichischen Strafgerichtsbarkeit unterliegen.
Nach Art. 4 Z 3 des Rahmenbeschlusses
kann die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls auch dann abgelehnt
werden, wenn die Behörden des Vollstreckungsstaats beschlossen haben, wegen
derselben Straftat kein Verfahren einzuleiten oder ein bereits eingeleitetes
Verfahren einzustellen. Dieser Ablehnungsgrund wurde in Abs. 2 Z 2
übernommen.
Schon nach § 16 Abs. 2 und 3 ARHG ist eine
Auslieferung trotz eigener Gerichtsbarkeit zulässig, wenn dem Strafverfahren im
ersuchenden Staat unter dem Blickwinkel verschiedener Abwägungsgründe der
Vorzug zu geben ist. Diese Regelung wird in Abs. 3 in den Grundzügen
übernommen. Sie betrifft jedoch immer nur Fälle, in denen die Entscheidung
der österreichischen Gerichte oder Staatsanwaltschaften keine Bindungswirkung für
die Behörden des Ausstellungsstaats entfaltet und überdies die betroffene
Person nicht österreichischer Staatsbürger ist, weil nach § 5 Abs. 2 die
Auslieferung österreichischer Staatsbürger immer unzulässig ist, wenn die Taten
nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar sind und dem Geltungsbereich
der österreichischen Strafgesetze unterliegen. Über das Vorliegen dieser
Voraussetzungen hat der Untersuchungsrichter zu entscheiden, gegen dessen
Entscheidungen sowohl der betroffenen Person als auch der Staatsanwaltschaft
das Rechtmittel der Beschwerde an den Gerichtshof zweiter Instanz offen
steht.
Zu § 8:
Nach Art. 3 Z 2 des Rahmenbeschlusses
ist die Übergabe obligatorisch abzulehnen, wenn die gesuchte Person wegen
derselben Handlung von einem Mitgliedstaat rechtskräftig verurteilt
(abgeurteilt) worden ist, vorausgesetzt, dass im Fall einer Verurteilung die
Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem
Recht des Urteilsmitgliedstaats nicht mehr vollstreckt werden kann. Dieser
obligatorische Ablehnungsgrund wird in Z 1 zur Gänze übernommen.
Der EuGH hat mit Urteil vom
11. Februar 2003 in den verbundenen Rechtssachen Hüseyin GÖZÜTÖK
(C-187/01) und Klaus BRÜGGE (C-385/01) das Verbot der Doppelbestrafung nach
Art. 54 SDÜ dahingehend ausgelegt, dass unter den Worten „durch eine
Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt worden ist“ und „im Falle einer
Verurteilung“ auch urteilsähnliche Gerichts- und Staatsanwaltschaftverfügungen
zu verstehen sind, wenn diese zu einem Verbrauch des Strafanklagerechts
führen. Solche Entscheidungen binden aber nur, wenn nicht die Ausnahmen
vom Verbot der Doppelbestrafung nach Art. 55 SDÜ zur Anwendung
gelangen. Der Ablehnungsgrund nach Z 2 ist daher auf
staatsanwaltschaftliche Verfügungen des Tatortstaats beschränkt.
Nach Art. 4 Z 5 des Rahmenbeschlusses
kann die Übergabe abgelehnt werden, wenn die gesuchte Person wegen derselben
Handlung von einem Drittstaat rechtskräftig verurteilt worden ist,
vorausgesetzt, dass im Fall einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt
worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaats nicht
mehr vollstreckt werden kann. Dieser fakultative Ablehnungsgrund wird zwar
übernommen, jedoch bei Freisprüchen auf Entscheidungen der Gerichte des
Tatortstaats beschränkt. Dadurch werden nicht alle Entscheidungen von
Drittstaaten in gleicher Weise berücksichtigt, sondern nur gerichtliche
Tatortentscheidungen als Übergabehindernis anerkannt.
Die völkerrechtliche Bindungswirkung von
Entscheidungen des Internationalen Strafgerichtshofs und der Internationalen
Gerichte für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda ergibt sich aus den Statuten
dieser Gerichte. Die Statuten der Internationalen Gerichte für das
ehemalige Jugoslawien, BGBl. Nr. 37/1995, und Ruanda binden als Resolutionen
des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen nach Kapitel VII der Satzung der
Vereinten Nationen alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Überdies
haben alle Mitgliedstaaten auch das Römische Statut des Internationalen
Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998, BGBl. III Nr. 180/2002,
ratifiziert. Die Bundesgesetze über die Zusammenarbeit mit den
Internationalen Gerichten, BGBl. Nr. 263/1996 und mit dem
Internationalen Strafgerichtshof, BGBl. I Nr. 135/2002, haben die Verpflichtungen
aus diesen völkerrechtlichen Instrumenten innerstaatlich umgesetzt.
Zu § 9:
Die Übergabe von
Personen, die nach dem Recht des Vollstreckungsstaats auf Grund ihres Alters
strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden können, ist nach
Art. 3 Z 3 des Rahmenbeschlusses obligatorisch abzulehnen. Daher ist
die Übergabe von Personen, die zur Tatzeit nach österreichischem Recht
strafunmündig waren, unzulässig. Damit entspricht diese Bestimmung
weitgehend § 21 ARHG.
Ergeben sich aber
Hinweise darauf, dass die betroffene Person nach dem Recht des
Ausstellungsstaats strafunmündig gewesen ist, so besteht nach der
vorgeschlagenen Gesetzesbestimmung die Verpflichtung für österreichische
vollstreckende Justizbehörden, die ausstellende Justizbehörde darüber in
Kenntnis zu setzen, um ihr die Rückziehung des Europäischen Haftbefehls zu
ermöglichen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass durch die Verwendung falscher
oder gefälschter Personaldokumente im Ausland dort Strafverfahren gegen die
betroffenen Personen eingeleitet werden und erst durch die von den
österreichischen Behörden durchgeführten Identitätserhebungen die wahre
Identität sowie das wahre Alter der betroffenen Personen festgestellt und damit
der Nachweis erbracht werden kann, dass in diesen Fällen im Ausland Haftbefehle
gegen Personen erlassen wurden, die nach dem Recht des Ausstellungsstaats
strafunmündig gewesen sind.
Zu § 10:
Die Vollstreckung eines Europäischen
Haftbefehls wegen einer nach österreichischem Recht eingetretenen Verjährung
oder einer in Österreich erlassenen Amnestie kann nur abgelehnt werden, wenn
die Taten auch unter die österreichische Gerichtsbarkeit gefallen
wären. Dieser Ablehnungsgrund ist auf die vom Gesetzgeber durch Gesetz
angeordnete Amnestie beschränkt und umfasst daher nicht individuelle Gnadenmaßnahmen. Amnestien
betreffen immer nur Taten, die der eigenen Gerichtsbarkeit unterliegen, so dass
es der Beschränkung auf solche Fälle gar nicht bedürfte. Nach Art. 3
Z 1 des Rahmenbeschlusses ist in solchen Fällen einer Amnestie die Übergabe obligatorisch
abzulehnen, während der Ablehnungsgrund der Verjährung im Rahmenbeschluss gemäß
Art. 4 Z 4 fakultativ vorgesehen ist. Die hier verankerten Grundsätze
entsprechen Art. 9 des Übereinkommens über die Auslieferung zwischen den
Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 27. September 1996,
BGBl. III Nr. 143/2001.
Durch Art. 4 Z 4 des Rahmenschlusses
wird auch klargestellt, dass ausschließlich die Verjährung nach dem Recht des
Vollstreckungsstaats zur Ablehnung berechtigt, wenn hinsichtlich der Taten
eigene Gerichtsbarkeit bestanden hat. Eine allfällige Verjährung nach dem
Recht des Ausstellungsstaats hindert daher ebenso wenig die Übergabe wie die
Verjährung nach österreichischem Recht hinsichtlich Taten, die nicht der
österreichischen Gerichtsbarkeit unterliegen. Damit folgt der
Rahmenbeschluss schon den bisherigen Bestimmungen nach Art. 8 des
Übereinkommens über die Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten der
Europäischen Union.
Zu § 11:
Art. 5 Z 1 des Rahmenbeschlusses
berechtigt dazu, die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls, der zur
Vollstreckung einer Strafe oder freiheitsentziehenden vorbeugenden Maßnahme
erlassen wurde, an die Bedingung zu knüpfen, dass im Fall eines
Abwesenheitsurteils die ausstellende Justizbehörde eine von der vollstreckenden
Justizbehörde als ausreichend angesehene Zusicherung abgibt, wonach die betroffene
Person die Möglichkeit haben wird, eine Wiederaufnahme des Verfahren
erfolgreich zu beantragen und bei der Gerichtsverhandlung anwesend zu sein.
Zusätzlich zu Art. 5 Z 1 des Rahmenbeschlusses
fordert der Gesetzesentwurf, dass die betroffene Person, die nicht persönlich
geladen wurde, auf eine andere Weise, die den Erfordernissen des Art. 6
EMRK entspricht, vom Ort und der Zeit der Verhandlung Kenntnis erlangt hat.
Zu § 12:
Nach Art. 4 Z 1 des Rahmenbeschlusses
darf in den Fällen, in denen die beiderseitige Strafbarkeit als
Übergabevoraussetzung bestehen bleibt, die Vollstreckung eines Europäischen
Haftbefehls nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass das Recht des Vollstreckungsstaats
keine gleichartigen Steuern vorschreibt oder keine gleichartigen Steuer-, Zoll-
und Währungsbestimmungen enthält wie das Recht des Ausstellungsstaats.
Ein allgemeiner Ablehnungsgrund für die
Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls wegen fiskalischer strafbarer
Handlungen besteht nicht. Die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls
wegen solcher strafbarer Handlungen richtet sich daher ausschließlich nach § 4
Abs. 1, weil fiskalische strafbare Handlungen nicht unter die Liste des § 4 Abs.
3 fallen. Daher sind Europäische Haftbefehle wegen fiskalischer strafbarer
Handlungen gegen ausländische Staatsangehörige immer zu vollstrecken, wenn die
Handlungen nach dem Recht des Ausstellungsstaats mit mindestens 12 Monaten
Freiheitsstrafe bedroht sind. Ein Mindeststrafmaß nach österreichischem
Recht ist nicht erforderlich.
Die beiderseitige Strafbarkeit ist nach den
bereits in Art. 2 Abs. 2 des Zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen
Auslieferungsübereinkommen vom 17. März 1978,
BGBl. Nr. 297/1983, und in Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens über
die Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom
27. September 1996, BGBl. III Nr. 143/2001, festgelegten
Grundsätzen zu beurteilen. Ziel ist die Klarstellung, welcher Maßstab bei
der Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit anzulegen ist. Demnach wird
eine Identität der dem Strafverfahren wegen fiskalischer strafbarer Handlungen
zu Grunde liegenden Steuern, Zölle und Währungsbestimmungen nicht
gefordert. Vorschriften des Außenhandels fallen dabei nicht unter diese
Sonderbestimmung, so dass hinsichtlich solcher strafbarer Handlungen die
Identität der Außenhandelsvorschriften zu prüfen ist, soweit diese nicht
ohnedies bereits durch Gemeinschaftsrecht harmonisiert sind oder unter eine
Kategorie eines illegalen Handels nach § 4 Abs. 3 und Anhang I fallen.
Zu § 13:
Ziel des Gesetzesentwurfs ist es, die
bisher für Auslieferungen geltenden Zuständigkeitsvorschriften weitgehend auch
für die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls beizubehalten. Daher
wird trotz der subsidiären Geltung des ARHG nach § 1 Abs. 2 ausdrücklich
angeordnet, dass sich die Zuständigkeit nach § 26 ARHG richtet.
Zu § 14:
Form und Inhalt des Europäischen
Haftbefehls werden durch Art. 8 des Rahmenbeschlusses vorgegeben. Sie
entsprechen dem als Anhang zum Rahmenbeschluss und als Anhang II zu diesem
Gesetzesentwurf angeschlossenem Formblatt. Nach dem Entwurf soll daher
zwingend das in Anhang II beigefügte Formblatt für die Ausfertigung eines
Europäischen Haftbefehls Verwendung finden und seinen Inhalt determinieren.
Art. 8 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses
geht davon aus, dass der Europäische Haftbefehl unmittelbar von der
ausstellenden Justizbehörde der vollstreckenden Justizbehörde übermittelt wird,
wenn bereits der Aufenthaltsort der gesuchten Person bekannt ist. Soweit
jedoch ein Mitgliedstaat allgemein oder im Europäischen Haftbefehl eine
zentrale Übermittlungsstelle benannt hat, findet der Geschäftsverkehr unmittelbar
zwischen dem inländischen Gericht und dieser zentralen Übermittlungsstelle
statt.
Eine Übermittlung
von Unterlagen findet nur dann im Weg des Bundesministeriums für Justiz statt,
wenn Schwierigkeiten aufgetreten sind, die vom inländischen Gericht im
unmittelbaren Behördenverkehr nicht behoben werden können. Art. 10
Abs. 5 des Rahmenbeschlusses sieht für solche Fälle eine Einschaltung der
Zentralstellen der Mitgliedstaaten vor.
Der Europäische
Haftbefehl kann durch jedes sichere technische Mittel übermittelt werden, das
die Erstellung einer schriftlichen Fassung ermöglicht, die dem Empfänger eine
Prüfung der Echtheit ermöglicht. Alle Übermittlungsarten, die diese
Voraussetzungen erfüllen, sind als gleichwertig anzusehen. Nach der
derzeitigen Übung wird der Europäische Haftbefehl in erster Linie mittels
Telefax übermittelt werden. Eine urschriftliche Übermittlung im Postweg
kann nur gefordert werden, wenn Bedenken gegen die Echtheit bestehen.
Zu § 15:
Die Vollstreckung eines Europäischen
Haftbefehls soll dadurch sichergestellt werden, dass die betroffene Person
während eines anhängigen Verfahrens oder wenn Anlass für die Einleitung eines
solchen Verfahrens besteht, nicht außer Landes gebracht, insbesondere aber
nicht abgeschoben werden darf. Diese Vorschrift entspricht weitgehend § 13
ARHG.
Zu § 16:
Ein Übergabeverfahren soll stets dann
einzuleiten sein, wenn gegen die gesuchte Person ein (aufrechter) Europäischer
Haftbefehl eines anderen Mitgliedstaats besteht und anzunehmen ist, dass sich
die gesuchte Person im Inland aufhält. In diesen Fällen ist ein besonderes
Ersuchen der ausstellenden Justizbehörde nicht erforderlich, weil die Erlassung
eines Europäischen Haftbefehls bereits das Ersuchen um dessen Vollstreckung
darstellt. Dabei ist es unerheblich, auf welche Weise die Justizbehörden
vom Vorliegen dieser Voraussetzungen Kenntnis erlangt haben.
Dem Europäischen Haftbefehl sind
Ausschreibungen im Schengener Informationssystem gleichgestellt. In diesen
Fällen ist daher ebenfalls von Amts wegen ein Übergabeverfahren einzuleiten und
die ausschreibende Justizbehörde um die Vorlage eines Europäischen Haftbefehls
zu ersuchen.
Alle anderen Fälle von Personenfahndungen
auf Grund von Ausschreibungen anderer Mitgliedstaaten sind vom
Bundesministerium für Inneres zu behandeln. Die näheren Vorschriften sind
in der Gemeinsamen Fahndungsvorschrift der Bundesministerien für Inneres,
Justiz und Finanzen enthalten.
Zu § 17:
§ 28 ARHG sieht ein System des Anbots der
Auslieferung vor, das sich insbesondere in Fällen bewährt hat, in denen erst die
Erhebungen der österreichischen Behörden dazu führen, dass eine ausländische
Behörde einen Haftbefehl wegen Taten erlassen kann, die Anlass für eine
Auslieferung geben können.
Dieses Verfahren wird auch für den
Europäischen Haftbefehl übernommen. Ein Übergabeverfahren kann daher
bereits eingeleitet werden, wenn ein Europäischer Haftbefehl eines anderen
Mitgliedstaats nicht vorliegt, aber auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen
ist, dass eine im Inland betretene Person Taten begangen habe, die Anlass für
die Erlassung eines Europäischen Haftbefehls bieten. Der Untersuchungsrichter
hat daher die in Betracht kommende Justizbehörde des anderen Mitgliedstaats zu
befragen, ob gegen die betroffene Person ein Europäischer Haftbefehl erlassen
werden wird. Für die Erlassung eines solchen Haftbefehls ist eine Frist zu
bestimmen, die in keinem Fall 40 Tage überschreiten darf.
Wurde zwar bereits ein Europäischer
Haftbefehl durch die ausstellende Justizbehörde des anderen Mitgliedstaats
erlassen, aber dem österreichischen Gericht nicht vorgelegt, so hat der
Untersuchungsrichter nach § 19 Abs. 2 vorzugehen und um die Übermittlung einer
Ausfertigung dieses Haftbefehls zu ersuchen, wenn die Angaben über den Inhalt
des Europäischen Haftbefehls nicht ausreichen. Auch in diesem Fall wird
die zu setzende Frist in keinem Fall 40 Tage überschreiten dürfen.
Zu § 18:
Grundsätzlich ist die Erlassung eines
Europäischen Haftbefehls bereits ein Ersuchen um Verhängung der Übergabehaft
und Durchführung eines Übergabeverfahrens. Es bedarf daher keines
gesonderten Ersuchens der ausstellenden Justizbehörde.
Das Vorliegen eines aufrechten Europäischen
Haftbefehls stellt die Grundlage für die Durchführung des Übergabeverfahrens
dar. Eine Ausschreibung der gesuchten Person im Schengener Informationssystem
nach Art. 95 SDÜ, die in Zukunft nur mehr auf Grundlage eines Europäischen
Haftbefehls erfolgen wird, gilt ebenso als Ersuchen um Verhängung der
Übergabehaft und Durchführung eines Übergabeverfahrens.
Zur Klarstellung dient die ausdrückliche
Anordnung, dass sich die Haft zur Sicherung der betroffenen Person nach § 29
ARHG richtet.
Zu § 19:
Der Europäische Haftbefehl ist in gleicher
Weise wie ein Auslieferungsersuchen zu prüfen. Es gilt der Grundsatz der
formellen Prüfung. Eine Verdachtsprüfung findet daher nur nach Maßgabe des
§ 33 Abs. 2 ARHG statt.
Die Einordnung der Taten in die Liste nach
Anhang I ist grundsätzlich nur über Einwand der betroffenen Person oder von
Amts wegen bei offenkundiger Unrichtigkeit zu prüfen. Der ausstellenden
Justizbehörde soll jedoch die Möglichkeit zu einer Stellungnahme eingeräumt
werden, wenn die Übergabe sonst unzulässig wäre. Dabei wäre in gleicher
Weise wie bei einem Ersuchen um Vorlage von ergänzenden Unterlagen
vorzugehen. Der ausstellenden Justizbehörde ist eine Frist für ihre
Stellungnahme oder für ergänzende Unterlagen zu setzen.
Sonderbestimmungen bestehen für den Einwand
der drohenden Verletzung des Art. 6 des EU-Vertrags. Solche Einwände
sollen dann zu prüfen sein, wenn die betroffene Person bislang gehindert
gewesen ist, die Einwände vor der ausstellenden Justizbehörde oder vor
Europäischen Gerichten vorzubringen
Der Entwurf lässt ebenso wie das ARHG die
Frage offen, ob ein anhängiges Asylverfahren der Vollstreckung eines
Europäischen Haftbefehls entgegensteht. Ein Asylantrag wegen drohender
Verfolgung in einem Mitgliedstaat wird der Übergabe an diesen Mitgliedstaat
regelmäßig nicht entgegenstehen. Das Protokoll zum Vertrag von Amsterdam
über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten,
BGBl. III Nr. 83/1999, bestimmt im Übrigen, dass die Mitgliedstaaten
untereinander als sichere Herkunftsländer gelten. Ein Asylantrag wegen
Verfolgung in einem Drittstaat steht der Übergabe an einen Mitgliedstaat dann
nicht entgegen, wenn der Mitgliedstaat die Zusage abgibt, die betroffene Person
nicht während des in Österreich anhängigen Asylverfahrens in den behaupteten
Verfolgerstaat abzuschieben.
Zu § 20:
Nach § 34 Abs. 3 ARHG hat der
Bundesminister für Justiz die Übergabe der betroffenen Person bei einer
Einwilligung zur vereinfachten Auslieferung nach § 32 Abs. 1 ARHG
anzuordnen. Dabei hat der Bundesminister für Justiz nach § 32 Abs. 3
zweiter Satz ARHG auch die sonstigen Voraussetzungen für die Auslieferung zu
prüfen und bei Bedenken die Durchführung des „ordentlichen“
Auslieferungsverfahren zu veranlassen. Auf diesen Rechtsschutz soll auch
beim Europäischen Haftbefehl nicht verzichtet werden. Daher wird eine
eingeschränkte Beschwerdemöglichkeit gegen die Anordnung der Übergabe durch den
Untersuchungsrichter eingeführt.
Art. 13 des Rahmenbeschlusses
orientiert sich weitgehend an Art. 7 des Übereinkommens zwischen den
Mitgliedstaaten über das vereinfachte Auslieferungsverfahren vom 10. März
1995, BGBl. III Nr. 169/2000. Daher hält auch der Gesetzentwurf
an der bisherigen Rechtslage nach dem ARHG fest. Mit der Zustimmung zur
vereinfachten Übergabe soll daher weiterhin ein Verzicht auf die Beachtung des
Grundsatzes der Spezialität verbunden sein.
Über die vereinfachte Übergabe entscheidet
ausschließlich der Untersuchungsrichter, der bei Vorliegen der Voraussetzungen
für eine Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls mit Beschluss die Übergabe
anzuordnen hat. Der rechtskräftige Beschluss ist die Bewilligung der
Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls. Der Beschluss, dem
Übersetzungen in die Sprache des Ausstellungsstaats nicht angeschlossen werden
müssen, ist der ausstellenden Justizbehörde im unmittelbaren Geschäftsverkehr
nach § 14 zu übermitteln. Liegen hingegen die Voraussetzungen für eine
Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls nicht vor, so ist trotz Zustimmung
der betroffenen Person eine Entscheidung über die Übergabe nach § 21 zu
treffen.
Nach Art. 17 Abs. 1 des
Rahmenbeschlusses wird der Europäische Haftbefehl als Eilsache erledigt, weshalb
auch nach Art. 17 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses eine endgültige
Entscheidung über die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls innerhalb von
10 Tagen ab der Erteilung der Zustimmung der betroffenen Person erfolgen
soll. Diesem Gedanken der Verfahrenbeschleunigung soll durch kurze Beschwerdefristen
in der Dauer von 3 Tagen gegen die Anordnung der Übergabe durch den
Untersuchungsrichter Rechnung getragen werden. Ähnliche kurze
Beschwerdefristen finden sich in vergleichbaren Fällen bereits in § 16 Abs. 2
des Bundesgesetzes über die Zusammenarbeit mit den internationalen Gerichten,
BGBl. Nr. 263/1996, und in § 26 Abs. 8 des Bundesgesetzes über die
Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof, BGBl. I
Nr. 135/2002.
Wenngleich die betroffene Person auf Grund
ihrer Einwilligung zur vereinfachten Übergabe durch den Beschluss des
Untersuchungsrichters zumeist nicht beschwert sein wird, sind doch Fälle zu
berücksichtigen, in denen keine Einwilligung vorliegt, die den Erfordernissen
des § 32 ARHG entspricht . Daher erscheint es unvertretbar, die
Übergabeanordnung des Untersuchungsrichters unanfechtbar zu machen.
Zu § 21:
Auf das Verfahren zur Bewilligung oder
Ablehnung der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls soll § 31 ARHG
sinngemäß Anwendung finden. Der Untersuchungsrichter hat über den
Europäischen Haftbefehl mit Beschluss zu entscheiden, gegen den der betroffenen
Person und der Staatsanwaltschaft die Beschwerde an den Gerichtshof zweiter
Instanz zusteht. Der rechtkräftige Beschluss ist die Bewilligung oder die
Ablehnung der Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls und der ausstellenden
Justizbehörde unmittelbar zu übermitteln.
Ziel des Rahmenbeschlusses ist unter
anderem die Beschleunigung der Übergabeverfahren durch ein System von
verschiedenen Fristen. Nach Art. 17 Abs. 3 sollte die endgültige
Entscheidung über die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls innerhalb von
60 Tagen nach der Festnahme der gesuchten Person erfolgen. Um diese
Vorgabe sicherzustellen, hat der Untersuchungsrichter binnen 30 Tagen ab Festnahme
der gesuchten Person zu entscheiden, damit auch ein allfälliges
Beschwerdeverfahren innerhalb der Frist von 60 Tagen abgeschlossen werden
kann. Kann die Frist von 60 Tagen in Ausnahmefällen nicht eingehalten
werden, so hat der Untersuchungsrichter vor Ablauf dieser Frist die
ausstellende Justizbehörde darüber zu verständigen, wodurch sich die Frist um
weitere 30 Tage auf insgesamt 90 Tage verlängert.
Der Gesetzesentwurf knüpft an einen Verstoß
gegen das Fristensystem keine unmittelbaren Rechtsfolgen (die Fristen sind
daher nicht als Fallfristen zu verstehen, bei deren Überschreitung die
betroffene Person zu enthaften wäre). Daher bleiben die Bestimmungen über
die Übergabehaft unberührt und ist auch bei Fristüberschreitung das
Übergabeverfahren weiterzuführen und so rasch wie möglich abzuschließen.
Zu § 22:
Art. 16 des Rahmenbeschlusses gibt
jenen Maßstab vor, nach dem zu entscheiden ist, wenn mehrerer Europäischer
Haftbefehle vorliegen. Inhaltlich entspricht diese Bestimmung weitgehend §
24 ARHG. Die Abwägungsgründe für die Entscheidung, welchem Europäischen
Haftbefehl der Vorrang einzuräumen ist, sollen jedoch an die besonderen
Verhältnisse zwischen den Mitgliedstaaten angepasst werden. So sollen die
Staatsangehörigkeit der betroffenen Person oder die Möglichkeiten der weiteren
Übergabe nicht mehr besonders zu berücksichtigen sein.
Der Gesetzesentwurf nimmt die in
bilateralen Auslieferungsverträgen bewährte Regelung auf, wonach bereits mit
der Entscheidung über den Vorrang auch über eine allfällige weitere Übergabe zu
entscheiden ist.
Zu § 23:
Die Entscheidung bei einem Zusammentreffen
eines Europäischen Haftbefehls mit einem Auslieferungsersuchen eines
Drittstaats soll dem Bundesminister für Justiz zukommen, der nach § 34 Abs. 1
ARHG die Auslieferung zu bewilligen oder abzulehnen und nach § 34 Abs. 2 ARHG
bei konkurrierenden Auslieferungsersuchen darüber zu entscheiden hat, welchem
Auslieferungsersuchen der Vorrang einzuräumen ist.
Das Gericht soll aus diesem Grund seine
Entscheidungen über den Europäischen Haftbefehl und über das
Auslieferungsersuchen dem Bundesminister für Justiz vorzulegen haben.
Zu § 24:
Art. 23 des Rahmenbeschlusses geht
grundsätzlich davon aus, dass zwischen der Vollstreckungs- und der Ausstellungsbehörde
ein Übergabetermin sowie ein Übergabeort einvernehmlich festgelegt werden und
die betroffene Person binnen 10 Tagen ab Rechtkraft der Bewilligung der
Vollstreckung auch übernommen wird, widrigenfalls die Person freizulassen
ist. Damit wird von Art. 18 Abs. 3 des Europäischen
Auslieferungsübereinkommens abgegangen, wonach Ort und Zeit der Übergabe vom
ersuchten Staat festzusetzen und mitzuteilen sind.
Die Übergabe von Personen auf dem Landweg
an die Behörden eines Nachbarstaats soll binnen 10 Tagen ab der Bewilligung der
Übergabe durch den Untersuchungsrichter erfolgen, weil im Ausstellungsstaat für
die Übernahme der betroffenen Person keine besonderen Vorbereitungen
erforderlich sind. In allen übrigen Fällen soll der Untersuchungsrichter
mit der Ausstellungsbehörde einen Übergabetermin zu vereinbaren haben. Zu
diesem Zweck wird die ausstellende Justizbehörde um einen Vorschlag für die
Übergabe binnen 10 Tagen ab der Bewilligung zu ersuchen sein. Diese
Aufforderung ist auch dem Bundesministerium für Inneres (Bundeskriminalamt) zu
übermitteln.
Der Gesetzesentwurf geht davon aus, dass
regelmäßig ein inländischer Übergabeort, nämlich ein österreichischer Flughafen
oder Grenzübergang, und nicht ein im Ausland gelegener Übergabeort vereinbart
wird.
Wird die betroffene Person binnen 10 Tagen
ab Rechtskraft der Bewilligung der Übergabe nicht übernommen, so soll sie
freigelassen werden, wenn nicht Gründe vorliegen, die sich dem Einfluss der
beteiligten Mitgliedstaaten entziehen. Dazu zählen insbesondere mangelnde
Transportmöglichkeiten, Störungen im Flugverkehr, überbuchte Flüge oder
Streiks. Wurde aber binnen 10 Tagen ab der Bewilligung der Übergabe
bereits ein Übergabetermin vereinbart, so geht der Entwurf davon aus, dass dies
zum frühestmöglichen Zeitpunkt geschehen soll und daher Umstände, die sich dem
Einfluss der Behörden des Ausstellungsstaats entziehen, einer früheren
Übernahme entgegen gestanden sind.
Schlägt die ausstellende Justizbehörde
binnen 10 Tagen ab Rechtskraft der Bewilligung der Übergabe einen
Übergabetermin nach Ablauf dieser Zehntagesfrist vor, so soll der
Untersuchungsrichter selbständig zu prüfen haben, ob dieser Vorschlag für einen
späteren Termin von Gründen bestimmt wurde, die sich dem Einfluss des
Ausstellungsstaats entzogen haben.
War die Übergabe binnen 10 Tagen ab der
Bewilligung aus Gründen nicht möglich, die sich dem Einfluss der beteiligten
Mitgliedstaaten entziehen, so soll die Übergabe binnen 10 Tagen nach Wegfall
der Hindernisse zu erfolgen haben. Auch bei einem fruchtlosen Ablauf
dieser Frist soll die betroffene Person freigelassen werden. Diese
Hindernisse können sowohl im Ausstellungsstaat als auch in Österreich bestehen.
Die Regelung hinsichtlich der Übergabe von
Gegenständen im Zusammenhang mit der Vollstreckung eines Europäischen
Haftbefehls nach Art. 29 des Rahmenbeschlusses entspricht weitgehend der
schon bisher geltenden Regelung nach § 25 ARHG. Sind aber
vermögensrechtliche Anordnungen im Inland zu treffen, so soll eine Übergabe der
Gegenstände nur unter dem Vorbehalt der Rückgabe nach Abschluss des Verfahrens
im Ausstellungsstaat stattfinden können.
Zu § 25:
Art. 23 Abs. 4 und Art. 24 des
Rahmenbeschlusses sehen Gründe für den Aufschub der tatsächlichen Übergabe
vor. Die humanitären Aufschubsgründe des Art. 23 Abs. 4 des
Rahmenbeschlusses sollen um den bereits aus § 37 Z 1 ARHG bekannten Grund der
Transportunfähigkeit erweitert werden.
Zu § 26:
Art. 24 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses
sieht die Möglichkeit vor, die betroffene Person der Ausstellungsbehörde
vorübergehend zu übergeben. Die Übergabe soll unter Bedingungen
stattfinden, die von der Ausstellungs- und der Vollstreckungsbehörde
schriftlich zu vereinbaren sind. Die vereinbarten Bedingungen sollen für
alle Behörden des Ausstellungsstaats verbindlich sein.
Die vorgeschlagene Bestimmung legt die
allgemeinen Bedingungen für eine bedingte Übergabe fest und soll daher
anzuwenden sein, wenn Österreich Vollstreckungsstaat oder Ausstellungsstaat
ist.
Zu § 27:
§ 39 ARHG sieht die Möglichkeit der
Wiederaufnahme des Auslieferungsverfahrens vor, die auch in den vorliegenden
Gesetzesentwurf übernommen wird. Der Untersuchungsrichter kann dabei den
Beschluss bei Vorliegen von Wiederaufnahmegründen nach der StPO
aufheben. Erfahrungsgemäß wird die überwiegende Zahl von Wiederaufnahmeanträgen
zwischen der Bewilligung und der Durchführung der Übergabe gestellt. Nach
§ 25 Abs. 1 Z 2 berechtigt aber nur eine bereits bewilligte Wiederaufnahme zum
Aufschub der Übergabe. Zur Vermeidung von Verfahrenverzögerungen hat daher
der nach § 68 Abs. 3 StPO zuständige Untersuchungsrichter das Übergabeverfahren
fortzuführen.
Zu § 28:
Art. 30 des Rahmenbeschlusses
bestimmt, dass die durch die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls im
Hoheitsgebiet des Vollstreckungsmitgliedstaats entstandenen Kosten zu dessen
Lasten gehen.
Zu § 29:
Mit der Inkraftsetzung des SDÜ für
Österreich am 1. Dezember 1997, BGBl. III Nr. 204/1997, und dem
Wegfall der Kontrollen an den Binnengrenzen ist die Ausschreibung im Schengener
Informationssystem nach Art. 95 SDÜ zum Regelfall für die Einleitung einer
Auslandsfahndung geworden. Über die Erlassung eines Europäischen
Haftbefehls, der nach § 18 Abs. 1 ein Ersuchen um Durchführung des Übergabeverfahrens
und Verhängung der Übergabehaft darstellt, soll das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft
entscheiden. Die inhaltlichen Voraussetzungen ergeben sich aus § 4 dieses
Gesetzesentwurfs.
Ist der Aufenthaltsort der gesuchten Person
bekannt oder bestehen bestimmte Anhaltspunkte dafür, dass sich die gesuchte
Person an einem bestimmten Ort aufhält, soll das Gericht auf Antrag der
Staatsanwaltschaft den Europäischen Haftbefehl, dem nach § 30 Abs. 2
Übersetzungen in die Sprache des Vollstreckungsstaats anzuschließen sind,
unmittelbar nach § 14 der zuständigen vollstreckenden Justizbehörde übermitteln. Um
die rasche Verbreitung und Verfügbarmachung von Haftbefehlsdaten durch das Schengener
Informationssystem zu nützen, wird auch bei einen festgestellten oder
wahrscheinlichen Aufenthaltsort der gesuchten Person zusätzlich eine
Ausschreibung nach Art. 95 SDÜ zu veranlassen sein.
Ist ein Aufenthaltsort nicht bekannt, soll
das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Ausschreibung der gesuchten
Person im Schengener Informationssystem nach Art. 95 SDÜ
veranlassen. Überdies soll zusätzlich eine Fahndung im Wege der
Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation – INTERPOL veranlasst
werden, wenn durch die Ausschreibung im Schengener Informationssystem nicht
alle Mitgliedstaaten erreicht werden können. Dies wird bis zur Inkraftsetzung
des SDÜ im Vereinigten Königreich und Irland sowie in den zehn neuen
Beitrittsländern stets zu erfolgen haben.
Zu § 30:
Ein Europäischer Haftbefehl kann nur unter
Verwendung des im Anhang zum Rahmenbeschluss beigefügten Formblattes
ausgestellt werden. Dieses Formblatt wurde als Anhang II zu diesem
Gesetzesentwurf aufgenommen. Hinsichtlich des notwendigen Inhalts verweist
der Entwurf ebenfalls auf das Formblatt. Der Umfang der Angaben,
insbesondere zu Punkt e) (Beschreibung der Tatumstände und deren rechtliche
Würdigung), ist durch das Formblatt nicht beschränkt. Wie bisher werden
alle zur Last liegenden Taten zu beschreiben und rechtlich zu würdigen
sein. Das Formblatt geht davon aus, dass der gesuchten Person mit einem
Europäischen Haftbefehl mehrere Taten zur Last gelegt werden können. Daher
wird auch die Anzahl der Straftaten in Abschnitt e) des Formblatts anzugeben
sein.
Art. 8 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses
fordert, dass der Europäische Haftbefehl in die Amtssprache oder eine der
Amtssprachen des Vollstreckungsstaats zu übersetzen ist. Bei Übermittlung
des Europäischen Haftbefehls an die vollstreckende Justizbehörde ist daher eine
Übersetzung anzuschließen.
Der Bundesminister für Justiz hat nach Abs.
3 eine Liste jener Staaten zu verlautbaren, die gegenüber dem
Generalsekretariat des Rates eine Erklärung abgegeben haben, dass sie eine
andere als ihre eigene Amtssprache akzeptieren. Österreich wird gegenüber
dem Ratssekretariat einen gegenseitigen Übersetzungsverzicht erklären, der der
bisherigen Rechtslage nach Art. 23 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens
entspricht.
Zu § 31:
Eine Übergabe auf Grund des Europäischen
Haftbefehls findet nach Art. 27 und 28 des Rahmenbeschlusses grundsätzlich
unter dem Vorbehalt der Spezialität statt. Die Wirkungen der Spezialität
sollen jedoch gegenüber § 70 ARHG eingeschränkt werden. Überdies soll auch
klargestellt werden, welche Fälle nicht unter den Spezialitätsschutz
fallen.
Die formellen Voraussetzungen für ein
Ersuchen um Zustimmung zur weiteren Strafverfolgung sollen die zu § 70 ARHG und
Art. 12 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens ergangene
Rechtsprechung (OGH 3. 9. 2002, 11 Os 87/02) umsetzen. Nach
Übergabe der betroffenen Person soll eine „Ergänzung“ des bereits erlassenen Europäischen
Haftbefehls nicht in Betracht kommen, sondern wäre ein Beschluss zu fassen, der
die Sachverhaltsdarstellung des früheren Europäischen Haftbefehls durch
Anführung weiterer Handlungen und die dadurch begründeten Straftaten ergänzt.
Die weitere Übergabe an einen anderen
Mitgliedstaat sowie die Weiterlieferung an einen Drittstaat werden als Fragen
der Spezialität behandelt und in einer einzigen Bestimmung zusammengefasst.
Österreich hat zu Art. 11 des
Übereinkommens über die Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen
Union vom 27. September 1996, BGBl. III Nr. 142/2001, einen
generellen Verzicht auf die Beachtung des Grundsatzes der Spezialität abgegeben
und wird daher auch von den gleichartigen Erklärungsmöglichkeiten nach
Art. 27 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses zu einem
generellen Verzicht auf die Beachtung der Spezialität bei weiterer
Strafverfolgung oder Strafvollstreckung sowie bei weiterer Übergabe oder
Weiterlieferung Gebrauch machen. Da die Anwendung des generellen Spezialitätsverzichts
auf Gegenseitigkeit beruht, soll der Bundesminister für Justiz nach Abs. 7 eine
Liste jener Staaten verlautbaren, die ebenfalls von dieser
Erklärungsmöglichkeit Gebrauch gemacht haben.
Die Zuständigkeit zur Entscheidung über
Auslieferungsersuchen von Drittstaaten wurde durch den Rahmenbeschluss nicht
geändert. Daher entscheiden bei einem Zusammentreffen eines Europäischen
Haftbefehls mit einem Auslieferungsersuchen eines Drittstaats weiterhin die
Justizzentralstellen oder die jeweiligen Außenministerien. Soll daher eine
Weiterlieferung aus Österreich an einen Drittstaat stattfinden, wäre das
Ersuchen um Zustimmung zur Weiterlieferung immer im Weg des Bundesministeriums
für Justiz zu stellen. . Abs. 6 soll dabei auch klarstellen, dass ein
solches Ersuchen bereits vor der Entscheidung des Untersuchungsrichters über
die Zulässigkeit der Auslieferung zu stellen ist.
Zu § 32:
Art. 25 des Rahmenbeschlusses sieht
eine generelle Pflicht zur Bewilligung der Durchlieferung einer gesuchten
Person an einen anderen Mitgliedstaat vor. Wird lediglich das
Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats überflogen und ist eine Zwischenlandung dort
nicht geplant, ist der Rahmenbeschluss nicht anwendbar. Ein solcher
Überflug bedarf daher keiner Bewilligung.
Grundsätzlich soll auch ein inländischer
Strafanspruch der Durchlieferung der betroffenen Person durch das Gebiet der
Republik Österreich nicht entgegen stehen. In solchen Fällen soll aber die
Staatsanwaltschaft prüfen, ob Anlass für eine Übertragung der Strafverfolgung
oder für die Erwirkung der Übergabe oder der Auslieferung besteht.
Zu § 33:
Nach der
Verfassungsbestimmung des § 44 ARHG war bislang die Durchlieferung
österreichischer Staatsbürger immer unzulässig. Nach Art. 25 des
Rahmenbeschlusses kann die Durchlieferung eigener Staatsangehöriger zur
Vollsteckung einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßnahme
abgelehnt und die Durchlieferung eigener Staatsangehöriger zur Strafverfolgung
von der Bedingung der Rücküberstellung zum Strafvollzug im Durchlieferungsstaat
abhängig gemacht werden. Nach dem Gesetzesentwurf soll Österreich von
diesen Möglichkeiten des Rahmenbeschlusses Gebrauch machen.
Zu § 34:
Die Bewilligung
der Durchlieferung nach Art. 25 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses soll
ausschließlich auf Grundlage der übermittelten Angaben erfolgen. Diese
inhaltlichen Anforderungen für ein formgerechtes Durchlieferungsersuchen werden
in Abs. 1 zur Gänze übernommen.
Schon nach den Vorschriften des ARHG ist
eine innerstaatliche Haftanordnung für die Zeit der Durchlieferung durch
Österreich nicht vorgesehen, weil in diesen Fällen der ausländische Haftbefehl,
hinsichtlich dessen ein dritter Staat bereits die Auslieferung bewilligt hat,
unmittelbar vollzogen wird. Hinsichtlich der Durchführung der
Durchlieferung sollen die Vorschriften des ARHG zur Anwendung kommen.
Zu § 35:
Schon bisher hat über eine Durchlieferung
durch Österreich nach § 47 Abs. 1 ARHG der Bundesminister für Justiz im
Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres entschieden. Mit der
Durchlieferung wird eine bereits bewilligte Auslieferung oder Vollstreckung
eines Europäischen Haftbefehls in Österreich unmittelbar vollzogen. Daher
erscheint eine besondere gerichtliche Bewilligung für diese Durchführung nicht
mehr erforderlich. Jene Staaten, die für die Durchlieferung eine
gerichtliche Bewilligung und die Erlassung eines Durchlieferungshaftbefehls
fordern, können eine Durchlieferung kaum kurzfristig bewilligen, sondern
bedürfen hiefür einer erheblichen Vorlaufzeit. Daher soll auch im
Verhältnis zu den Mitgliedstaaten an der auch grundrechtlich unbedenklichen
Bewilligung durch den Bundesminister für Justiz festgehalten werden. Da
die tatsächliche Durchführung der Durchlieferung dem Bundesministerium für
Inneres obliegt, ist eine Beteiligung des Bundesministeriums für Inneres am
Entscheidungsprozess erforderlich.
Zu § 36:
Ersuchen um Durchlieferung von Personen
durch einen Mitgliedstaat nach Österreich werden im unmittelbaren
Behördenverkehr gestellt und übermittelt. Daher soll der Bundesminister
für Justiz den österreichischen Gerichten durch Verordnung jene Stellen der
Mitgliedstaaten bekannt geben, die zur Entgegennahme von
Durchlieferungsersuchen zuständig sind.
Besteht Anlass zur Durchlieferung durch
einen Mitgliedstaat auf Grund eines an einen Drittstaat gestellten
österreichischen Auslieferungsersuchens, soll der für die Erwirkung der
Auslieferung zuständige Bundesminister für Justiz auch die Durchlieferung durch
den Mitgliedstaat erwirken. Das Gericht wird daher die in § 34
bezeichneten Durchlieferungsunterlagen dem Bundesminister für Justiz vorzulegen
haben.
Zu § 37:
Nach Art. 30 des Rahmenbeschlusses
gehen die Kosten, die durch die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls im
Hoheitsgebiet des Vollstreckungsmitgliedstaats entstehen, zu dessen
Lasten. Ob unter dem Begriff „Vollstreckungsmitgliedstaat“ auch der die
Durchlieferung bewilligende Mitgliedstaat zu verstehen ist, erscheint
auslegungsbedürftig. Ersatz für die Kosten der Durchlieferung soll daher
nur dann zu verlangen sein, wenn auch der Ausstellungsstaat Kosten für eine
Durchlieferung durch sein Hoheitsgebiet den österreichischen Behörden in
Rechnung stellt.
Zu § 38:
Die völkerrechtlichen Verpflichtungen der
Republik Österreich gegenüber Drittstaaten bleiben durch Art. 21 des
Rahmenbeschlusses unberührt. Wurde eine Person aus einem Drittstaat unter
Vorbehalt der Spezialität nach Österreich ausgeliefert, so besteht bei
Vorliegen eines Europäischen Haftbefehls die Verpflichtung, den Drittstaat um
die Zustimmung zur Weiterlieferung dieser Person zu ersuchen. Auch die
österreichischen Gesetze über die Zusammenarbeit mit den Internationalen
Gerichten und dem Internationalen Strafgerichtshof gelten unverändert weiter.
Zu § 39:
Österreich hat sich ebenso wie die überwältigende
Mehrheit der Mitgliedstaaten das Recht vorbehalten, eigene Staatsbürger nicht
zur Vollstreckung auf Grund eines Europäischen Haftbefehls zu übergeben,
sondern die in den Mitgliedstaaten verhängte Freiheitsstrafe oder mit
Freiheitsentziehung verbundene vorbeugenden Maßnahmen im Inland zu
vollstrecken.
Der Gesetzesentwurf geht davon aus, dass
ein Europäischer Haftbefehl zur Strafvollstreckung künftig Ersuchen um
Übernahme der Strafvollstreckung weitgehend ersetzen wird, weil die
Mitgliedstaaten bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen für die Vollstreckung
eines Europäischen Haftbefehls verpflichtet sind, eigene Staatsangehörige
entweder dem anderen Mitgliedstaat zur Strafvollstreckung zu übergeben oder die
verhängte Strafe selbst zu vollziehen. Diese Verpflichtung besteht auch,
wenn die dem Europäischen Haftbefehl zu Grunde liegenden Taten nach
österreichischem Recht nicht gerichtlich strafbar sind. In diesen Fällen
bedarf es nach Abs. 1 nicht der Zustimmung der verurteilten Person zur Vollstreckung
in Österreich.
Die übrigen Bestimmungen über die Übernahme
der Strafvollstreckung orientieren sich an den §§ 64 bis 67
ARHG. Weiterhin sollen nur österreichische Staatsbürger, die einen
Aufenthalt im Inland hatten, zum Vollzug ausländischer Strafen übernommen
werden. Die notwendigen Anpassungen ergeben sich darüber hinaus aus dem
SDÜ sowie aus dem Protokoll zum Übereinkommen über die Überstellung
verurteilter Personen vom 18. Dezember 1997, BGBl. III
Nr. 26/2001.
Zu § 40:
Die Vollstreckung einer von einem Gericht
eines Mitgliedstaats verhängten Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung
verbundenen vorbeugenden Maßnahme kann grundsätzlich nur übernommen werden,
wenn die verurteilte Person der Vollstreckung im Inland zustimmt.
Außer in den Fällen des § 39 Abs. 1 soll
das Erfordernis der Zustimmung der verurteilten Person entfallen, wenn sie sich
durch Flucht nach Österreich der Vollstreckung im Urteilsstaat entzogen hat
oder gegen sie im Urteilsstaat eine fremdenpolizeiliche Maßnahme ergangen ist,
die ihr das Verbleiben im Urteilsstaat nach Strafverbüßung verbietet.
Zu § 41:
In besonderen Fällen, insbesondere bei
Flucht österreichischer Staatsbürger aus der Vollstreckung im Ausland nach
Österreich, ergibt sich die Notwendigkeit, solche Personen zur Sicherung der
weiteren Vollstreckung in Haft zu nehmen. Bislang wurde gegen den im
Ausland rechtkräftig verurteilten österreichischen Staatsbürger zumeist ein
eigenes Inlandsverfahren eingeleitet. Die österreichische Gerichtsbarkeit
hat sich dabei auf § 64 und § 65 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 StGB gestützt.
In Fällen, in denen der in einem
Mitgliedsstaat rechtskräftig verurteilte österreichische Staatsbürger im
Bundesgebiet angehalten wird, und in denen entweder bereits ein Ersuchen um
Übernahme der Strafvollstreckung oder ein Europäischer Haftbefehl zur
Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder vorbeugenden Maßnahme vorliegt und
überdies die Zustimmung des Verurteilten zur Vollstreckung nicht erforderlich
ist, soll das zur Erlassung der inländischen Vollstreckungsentscheidung
zuständige Gericht die Haft verhängen können. Diese Haft soll überdies nur
bei Fluchtgefahr unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit und auch nur dann
zulässig sein, wenn die Vollstreckung nicht von vornherein unzulässig
erscheint.
Schon Art. 2 Abs. 2 des
Zusatzprotokolls zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen
vom 18. Dezember 1997, BGBl. III Nr. 26/2001, hat den
Vollstreckungsstaat ermächtigt, in Fällen, in denen die verurteilte Person aus
der Haft geflohen ist, die Person festzunehmen oder auf andere Weise
sicherzustellen, dass sie bis zur Entscheidung über das Vollstreckungsersuchen
im Hoheitsgebiet des Heimatstaats bleibt.
Auf diese Haft zur Sicherung der
Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Fällen, in denen es der Zustimmung
der verurteilten Person nicht bedarf, sollen die Vorschriften über die
Untersuchungshaft sinngemäß Anwendung finden. Der Untersuchungsrichter
soll daher über die Haft entscheiden und auch die Haftverhandlungen
durchführen. Er wird den Akt umgehend dem zuständigen Senat von drei
Richtern zur Entscheidung nach § 44 Abs. 1 vorzulegen haben.
Zu § 42:
Ebenso wie nach § 65 Abs. 1 ARHG ist auch
im Vollstreckungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten ein Anpassungsverfahren
durchzuführen und die in Österreich zu vollstreckende Strafe unter
weitestgehender Bedachtnahme auf die im Mitgliedstaat verhängte Sanktion
festzusetzen. Dadurch soll klargestellt werden, dass eine autonome
Strafbemessung nach österreichischem Recht nicht stattzufinden hat.
Muss nach § 39 Abs. 1 im Inland eine Strafe
wegen Taten vollstreckt werden, die nach österreichischem Recht nicht
gerichtlich strafbar sind, so findet ebenfalls ein Anpassungsverfahren
statt. Bei der Bestimmung der Strafhöhe soll nicht nur auf die im
Mitgliedstaat verhängte Sanktion Bedacht genommen werden, sondern sollen auch
die österreichischen Strafbemessungsgrundsätze nach §§ 32 bis 34 StGB sinngemäß
berücksichtigt und nach österreichischem Recht neu bewertet
werden. Reichen die Angaben im Europäischen Haftbefehl nicht aus, kann die
ausstellende Justizbehörde nach § 19 Abs. 2 um eine Ergänzung und die Vorlage
einer Urteilsausfertigung ersucht werden.
Zu § 43:
Die Behandlung einlangender
Vollstreckungsersuchen nach § 39 Abs. 2 entspricht weitgehend § 66
ARHG. Der Bundesminister für Justiz soll alle einlangenden Ersuchen
unmittelbar oder im Wege der Staatsanwaltschaft dem zuständigen Gericht zur
Entscheidung zuleiten.
Zu § 44:
Ein Europäischer Haftbefehl zur
Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung
verbundenen vorbeugenden Maßnahme gegen einen österreichischen Staatsbürger
wird regelmäßig bei dem nach § 13 zuständigen Gerichtshof erster Instanz
einlangen oder diesem zuständigkeitshalber weitergeleitet werden. Der
Untersuchungsrichter soll zunächst ein Übergabeverfahren einleiten und über
eine Haft nach § 41 entscheiden. Hat der betroffene österreichische
Staatsbürger auf das Übergabehindernis nach § 5 Abs. 4 nicht verzichtet und
ergibt sich, dass sonst alle Voraussetzungen für die Vollstreckung eines
solchen Europäischen Haftbefehls vorliegen, so soll der Akt ohne weitere
Entscheidung des Untersuchungsrichters dem zuständigen Senat von drei Richtern
dieses Gerichtshofs zur Entscheidung vorgelegt werden. Der rechtskräftige
Beschluss, mit dem die Strafvollstreckung auf Grund eines Europäischen
Haftbefehls übernommen wurde, ist der ausstellenden Justizbehörde im
unmittelbaren Behördenverkehr zu übermitteln. Dieser Beschluss stellt die
Bewilligung der Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls dar, wobei aber die
im Ausstellungsstaat verhängte Freiheitsstrafe oder vorbeugende Maßnahme im Inland
vollzogen wird.
Zu § 45:
Der Rahmenbeschluss vom 22. Juli 2003
über die Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder
Beweismitteln in der Europäischen Union, ABl. L 196 vom
2. 8. 2003, S. 45, verpflichtet zur Schaffung von Vorschriften
über die Sicherung von Beweismitteln und von Vermögensgegenständen, die einer
späteren Einziehung (vermögensrechtlichen Anordnung) unterliegen.
Zu § 46:
Zur Entscheidung über die Vollstreckung von
Sicherstellungsentscheidungen ist der Gerichtshof erster Instanz berufen, in
dessen Sprengel sich der Vermögensgegenstand oder das Beweismittel
befindet. Das Verfahren richtet sich grundsätzlich nach den Vorschriften
der StPO. Der Staatsanwaltschaft kommt daher die dort vorgesehene
Antragslegitimation zu.
Zu § 47:
Die Gründe für die Ablehnung der
Vollstreckung einer Sicherstellungsentscheidung werden taxativ aufgezählt.
Die Sicherstellung ist nach Abs. 1 Z 3
abzulehnen, wenn sich aus den Angaben in der Bescheinigung ergibt, dass die
Sicherstellung in Bezug auf eine Tat begehrt wird, hinsichtlich derer bereits
eine endgültige Entscheidung ergangen ist, die nur unter den Voraussetzungen
der ordentlichen Wiederaufnahme aufgehoben werden kann und der weiteren
Strafverfolgung im Ausstellungsstaat entgegensteht.
Zu § 48:
Durch die Verwendung des Begriffs
„Verfahren“ in Abs. 1 soll klargestellt werden, dass jedes inländische
Verfahren, in dem eine Beschlagnahme oder Sicherstellung rechtmäßig angeordnet
werden kann, der Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung vorgeht.
Im Fall der Aufhebung der im inländischen
Verfahren angeordneten Beschlagnahme oder Sicherstellung soll über die
Vollstreckung der ausländischen Sicherstellungsentscheidung so zu entscheiden
sein, dass sie unmittelbar nach Aufhebung der inländischen Entscheidung wirksam
werden kann.
Zu § 49:
Grundsätzlich ist die Beschlagnahme oder
Sicherstellung bis zum Einlangen eines Rechtshilfeersuchens des
Ausstellungsstaats aufrecht zu erhalten, soweit die Voraussetzungen für die
Maßnahme fortbestehen. Dem Ausstellungsstaat soll dadurch die Möglichkeit
geboten werden, eine endgültige Entscheidung über die von der Beschlagnahme
oder Sicherstellung betroffenen Gegenstände erlassen zu können. Die im
Inland angeordneten Maßnahmen sind nach § 58 dritter Satz ARHG zu
befristen.
Zu § 50:
In dieser Bestimmung werden jene Umstände
angeführt, von denen die ausstellende Justizbehörde zu verständigen ist.
Zu § 51:
Zur Vollstreckung von
Sicherstellungsentscheidungen findet der unmittelbare Geschäftsverkehr
statt. Es können daher der Postweg, aber auch Telefax oder E-Mail benützt
werden. Eine entsprechende Regelung ist bereits in § 14 des
Gesetzesentwurfs enthalten, weshalb ein Verweis auf diese Bestimmung genügt.
Ersuchen um Vollstreckung einer
Sicherstellungsentscheidung sollen ausschließlich unter Verwendung des im
Anhang III zu diesem Gesetzesentwurf angeschlossenen Formblatts
erfolgen. Übersetzungen in die Amtssprache oder einer der Amtssprachen des
Vollstreckungsstaats sind vom Gericht anzuschließen.
Zu § 52:
Die Verhandlungen zu einem Rahmenbeschluss
über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf
Einziehungsentscheidungen sind noch nicht abgeschlossen. Die Umsetzung der
Verpflichtungen aus diesem Rahmenbeschluss soll künftig unter diesem Abschnitt
erfolgen. Bis zu diesem Zeitpunkt sind im Verhältnis zu den
Mitgliedstaaten die bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen und die Bestimmungen
des ARHG anzuwenden.
Zu § 53:
Die Vollstreckung von Geldstrafen und
anderer finanzieller Sanktionen wird sich künftig nach dem Rahmenbeschluss über
die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und
Geldbußen richten. Inhaltlich wurde im Rat der Europäischen Union im Jahre
2003 bereits eine politische Einigung erzielt, so dass eine Beschlussfassung
für das Jahr 2004 zu erwarten ist.
Auch die Umsetzung dieser Verpflichtungen
soll künftig unter diesem Abschnitt stattfinden. Bis zu diesem Zeitpunkt
sind im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten die bestehenden völkerrechtlichen
Vereinbarungen und die Bestimmungen des ARHG anzuwenden.
Zu § 54:
Der Gesetzesentwurf strebt an, dass
Unionsbürger ihre von österreichischen Gerichten verhängten Freiheitsstrafen
grundsätzlich in ihren Heimatstaaten verbüßen sollen. Das Übereinkommen
über die Überstellung verurteilter Personen vom 21. März 1983,
BGBl. Nr. 524/1983, das von allen Mitgliedstaaten ratifiziert wurde,
erfordert die Zustimmung der verurteilten Person zur Vollstreckung im Heimatstaat. Hingegen
sieht das Zusatzprotokoll vom 18. Dezember 1997 zu diesem Übereinkommen,
BGBl. III Nr. 26/2001, die Möglichkeit vor, in bestimmten Fällen auch
ohne Ersuchen und Zustimmung des Strafgefangenen ein Ersuchen um Übernahme der
Strafvollstreckung zu stellen. Wenngleich das Protokoll erst von den
Mitgliedsstaaten Dänemark, Luxemburg, den Niederlanden und Schweden ratifiziert
wurde, soll innerhalb der Gemeinschaft nach Möglichkeit bei Strafresten von
mehr als einem Jahr immer von Amts wegen geprüft werden, ob ein Ersuchen um
Übernahme der Strafvollstreckung zu stellen ist, weil über den Betroffenen ein
rechtskräftiges Aufenthaltsverbot erlassen wurde. Dafür soll aber die
Überstellung in diesem Fall stets unter dem Schutz der Spezialität stattfinden.
Zu § 55:
Die Rechtshilfe zwischen den
Mitgliedstaaten findet derzeit weitgehend auf Grundlage völkerrechtlicher
Übereinkommen des Europarats und der Europäischen Union statt. Zu
Einzelfragen sind aber auch schon Beschlüsse und Rahmenbeschlüsse des Rates
ergangen.
Um diesen unterschiedlichen
völkerrechtlichen Anforderungen Rechnung zu tragen, sollen die Bestimmungen des
V. Hauptstück nur subsidiär zu den unmittelbar anwendbaren zwischenstaatlichen
Vereinbarungen zur Anwendung gelangen. Die zu diesem Gesetz subsidiäre
Anwendung des ARHG ergibt sich bereits aus § 1 Abs. 2.
Zu § 56:
Die Formulierung „auch in Strafsachen
zuständiges Gericht“ in Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 entspricht Art. 3 Abs. 1 des
Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten
der Europäischen Union. Durch diese Formulierung soll sichergestellt
werden, dass auch das österreichische Verwaltungsstrafverfahren, das wegen des
Trennungsgrundsatzes (Art. 94 B-VG) derzeit nicht dem deutschen
Ordnungswidrigkeitenrecht entspricht, auf Grund der bestehenden
Beschwerdemöglichkeiten an die Unabhängigen Verwaltungssenate als Tribunale im
Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung
fällt. Damit entspricht die Regelung inhaltlich den Bestimmungen des Art
49 lit. a SDÜ.
Abs. 1 Z 2 betrifft die Voraussetzungen für
die allgemeine Rechtshilfeleistung. Für Durchsuchungen und Beschlagnahmen
kommen jedoch weiterhin die Sonderbestimmungen des Art. 5 des Europäischen
Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959,
BGBl. Nr. 41/1969, und Art. 51 SDÜ zur Anwendung.
Zu § 57:
Für den Rechtshilfeverkehr mit den
Mitgliedstaaten behält der Gesetzesentwurf die Zuständigkeitsregelungen nach §
55 ARHG bei. In den Fällen des § 56 Abs. 1 Z 2 wird Rechtshilfe auch dann
durch die österreichischen Justizbehörden geleistet, wenn das Ersuchen von
einer Verwaltungsbehörde eines Mitgliedstaats ausgeht.
Zu § 58:
Der Entwurf übernimmt die Grundsätze des §
59 Abs. 1 ARHG, wonach selbstständige Ermittlungshandlungen durch Beamte der
Mitgliedstaaten grundsätzlich im Inland unzulässig sind. Sehen jedoch zwischenstaatliche
Vereinbarungen Einsatzformen wie gemeinsame Ermittlungsgruppen vor, sollen
einzelne Handlungen von Beamten der Mitgliedstaaten in Inland vorgenommen
werden können, wenn die entsprechende Leitung durch österreichische Beamte
sichergestellt ist. Im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten soll die
Dienstverrichtung ausländischer Beamter in Österreich nur mehr der Bewilligung
des zuständigen Gerichts, nicht jedoch auch jener des Bundesministers für
Justiz bedürfen.
Zu § 59:
Die Gleichstellung der strafrechtlichen
Verantwortlichkeit für Straftaten von und gegen Beamte eines Mitgliedstaats ist
schon durch Art. 42 SDÜ hinsichtlich der grenzüberschreitenden Maßnahmen
nach diesem Übereinkommen anerkannt und soll durch Abs. 1 nunmehr auf alle
bewilligten Einsätze ausländischer Beamter im Inland ausgedehnt werden.
Auch hinsichtlich der Deckung
zivilrechtlicher Ansprüche, die sich aus dem Einsatz von Beamten eines
Mitgliedstaats im Inland ergeben können, bestehen bereits in Art. 43 SDÜ
entsprechende Regelungen.
Als Grundregel soll gelten, dass ein
Mitgliedstaat für alle Schäden, die von seinen Beamten während eines solchen
Einsatzes verursacht werden, haftet. Der Geschädigte soll in erster Linie
den Schaden im Inland und in jenem Umfang geltend machen können, in dem er auch
für Schäden durch österreichische Beamte entschädigt werden könnte. Der
geleistete Schadenersatz ist von jenem Mitgliedstaat, dem der Beamte angehört
hat, zurückzufordern. Vorbehaltlich dieser Rückforderung und unbeschadet
etwaiger Ansprüche gegenüber Dritten, beispielsweise den Beamten, die die
betreffenden Maßnahmen durchgeführt haben, darf der Mitgliedstaat, in dem der
Schaden entstanden ist, keine weiteren Ersatzansprüche geltend
machen. Damit entspricht die vorgeschlagene Regelung den Art. 15 und
16 des Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den
Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 29. Mai 2000, ABl. C 197
vom 12. 7. 2000, und den Art. 2 und 3 des Rahmenbeschlusses des
Rates vom 13. Juni 2002 über gemeinsame Ermittlungsgruppen, ABl. L
162 vom 20. 6. 2002.
Zu § 60:
Auf Grund der schleppenden Ratifikation des
Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten
der Europäischen Union vom 29. Mai 2000, ABl. C 197 vom
12. 7. 2000, hat sich die Notwendigkeit ergeben, die Bestimmungen
über gemeinsame Ermittlungsgruppen, die bereits in Art. 13 dieses Übereinkommens
geregelt worden sind, nahezu wortgleich in den Rahmenbeschluss vom
13. Juni 2002 über gemeinsame Ermittlungsgruppen, ABl. L 162 vom
20. 6. 2002, S. 1, zu übernehmen. Dieser Rahmenbeschluss
war bis 1. Jänner 2003 innerstaatlich umzusetzen.
Die Bestimmungen dieses Abschnitts sollen
die rechtliche Grundlage für die Bildung gemeinsamer Ermittlungsgruppen durch
österreichische Justizbehörden schaffen. Eine gemeinsame Ermittlungsgruppe
soll im Inland nur tätig werden können, soweit ihr ein österreichisches
Mitglied angehört, dem auch die Leitung der Ermittlungstätigkeiten im Inland
obliegen muss.
Der Rat der Europäischen Union hat mit
Empfehlung vom 8. Mai 2003, ABl. C 121 vom 23. 5. 2003,
S. 1, ein Modell für eine Vereinbarung über die Bildung einer gemeinsamen
Ermittlungsgruppe vorgeschlagen das die notwendigen und fakultativen Angaben
der zur Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe abzuschließenden
Vereinbarung enthält. Der Gesetzesentwurf verweist auf die als Anhang IV
angeschlossene Mustervereinbarung.
Die Befugnis zum Abschluss einer besonderen
Vereinbarung zur Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe ergibt sich aus
dem Gemeinschaftsrecht und beruht auf dem Rahmenbeschluss vom 13. Juni
2002.
Zu § 61:
Voraussetzung für die Bildung einer
gemeinsamen Ermittlungsgruppe in einem anhängigen inländischen Strafverfahren
soll ein besonderer Zusammenhang mit einem ausländischen Ermittlungsverfahren
sein. Überdies soll die Beteiligung ausländischer Beamter an den im Inland
durchzuführenden Erhebungen zur Aufklärung zweckmäßig sein und dem abgestimmten
Vorgehen aller beteiligten Behörden dienen.
Die Bildung einer gemeinsamen
Ermittlungsgruppe soll im Hinblick auf § 97 Abs. 2 StPO grundsätzlich dem
Untersuchungsrichter auf Antrag der Staatsanwaltschaft obliegen.
Zu § 62:
Der Austausch von Informationen, die von
einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe im Inland gewonnen werden, ist in jenem
Umfang zulässig, in dem solche Informationen auch durch die Leistung von Rechtshilfe
erlangt hätten werden können. Soweit Informationen von österreichischen
Teilnehmer an einer im Ausland tätig gewesenen gemeinsamen Ermittlungsgruppe
erlangt worden sind, richtet sich die Verwendung nach den Grundsätzen des
Rahmenbeschlusses, die in Abs. 2 und 3 übernommen werden. Soweit die
Rechtsordnung des Einsatzstaats nichts anderes bestimmt, ist für eine
weitergehende Verwendung der Informationen die vorherige Zustimmung des
Einsatzstaats einzuholen.
Zu § 63:
Mit Beschluss des Rates vom
28. Februar 2002, ABl. L 63 vom 6. 3. 2002, S. 1,
wurde Eurojust zur Verstärkung der Bekämpfung der schweren Kriminalität
eingerichtet. Damit wurde die mit Beschluss des Rates vom
14. Dezember 2000, ABl. L 324 vom 21. 12. 2000, S. 2,
eingerichtete vorläufige Stelle zur justiziellen Zusammenarbeit in ihre
endgültige Rechtsform übergeführt. Nach Art. 42 des Beschlusses vom
6. 3. 2002 hatten die Mitgliedstaaten ihr innerstaatliches Recht bis
zum 6. September 2003 den Erfordernissen für eine Zusammenarbeit mit
Eurojust anzupassen.
Zu § 64:
Für die Tätigkeiten des von Österreich
entsandten nationalen Mitglieds bedarf es schon deshalb keiner besonderen
gesetzlichen Regelung, weil das nationale Mitglied weiterhin im
Weisungszusammenhang des Bundesministeriums für Justiz stehen soll. Das
nationale Mitglied unterliegt daher den fachlichen Weisungen des
Bundesministers für Justiz, wozu auch dienstliche Anordnungen zu verstehen
sind. Ebenso sind die Oberstaatsanwaltschaften berechtigt, in ihren
Zuständigkeitsbereichen dem nationalen Mitglied Weisungen zu erteilen. Diese
Stellung soll nunmehr ebenso ausdrücklich im Gesetz umschrieben werden wie die
Entsendungsvoraussetzungen und das Entsendungsverfahren. Das nationale
Mitglied soll auch organisatorisch dem Bundesministerium für Justiz als
Zentralstelle zugeordnet und nach § 39a Abs. 1 Z 1 BDG 1979 zu Eurojust
entsandt werden.
Zu § 65:
Die Aufgaben des Mitglieds der gemeinsamen
Kontrollinstanz ergeben sich aus Art. 23 des Beschlusses vom
28. Februar 2002. Der gemeinsamen Kontrollinstanz obliegt die
Überwachung der Tätigkeiten von Eurojust bei der Verarbeitung personenbezogener
Daten. Die Mitglieder der gemeinsamen Kontrollinstanz sind in der Ausübung
ihres Amtes unabhängig.
Die gemeinsame Kontrollinstanz besteht aus
drei ständigen Mitgliedern. Jeder Mitgliedstaat hat einen Richter als
Mitglied namhaft zu machen. Der von einem Mitgliedstaat namhaft gemachte
Richter wird ein Jahr, bevor dieser Staat den Vorsitz im Rat übernimmt, für die
Dauer von einem Jahr und sechs Monaten ständiges Mitglied. Der von Österreich
namhaft gemachte Richter wird daher ab 1. Jänner 2005 ständiges Mitglied
in der gemeinsamen Kontrollinstanz werden. Für die Dauer des Vorsitzes
Österreichs im Rat im ersten Halbjahr 2006 wird der von Österreich namhaft
gemachte Richter auch den Vorsitz in der gemeinsamen Kontrollinstanz
führen.
Die gemeinsame Kontrollinstanz wird
mindestens einmal im Halbjahr tagen. Werden Beschwerden behandelt, die
Daten aus einem Mitgliedstaat betreffen, so ist das von diesem Mitgliedstaat
entsandte Mitglied als Ad-hoc-Richter beizuziehen. Die Sekretariatskosten
werden vom Eurojust-Haushalt getragen.
Zu § 66:
Die Gerichte und Staatsanwaltschaften
können sich im Rahmen der Zuständigkeit von Eurojust nach § 63 im unmittelbaren
Geschäftsverkehr an das von Österreich entsandte nationale Mitglied von
Eurojust wenden und um allgemeine Unterstützung ersuchen. Die
Sicherheitsbehörden sollen solche Ersuchen im Wege der zuständigen
Justizbehörden stellen. Das nationale Mitglied ist im Rahmen der
allgemeinen Unterstützungsleistung nicht an allfällige Weisungen der Gerichte
und Staatsanwaltschaften gebunden.
Zu § 67:
Das österreichische Mitglied bei Eurojust
soll durch diese Bestimmung ermächtigt werden, an Eurojust oder an andere
nationale Mitglieder Informationen in jenem Umfang weiterzugeben, wie sie durch
die Leistung von Rechtshilfe erlangt werden hätten können.
Zu § 68:
Ersuchen
des Kollegiums von Eurojust an einen Mitgliedstaat zur Durchführung oder zur
Unterlassung bestimmter Maßnahmen soll besondere Bedeutung zukommen, weil eine
Mehrheit der bei Eurojust vertretenen nationalen Mitglieder ein solches
Vorgehen unterstützt. Daher bestehen besondere Anforderungen, wenn
österreichische Behörden einem solchen Ersuchen des Kollegiums von Eurojust
nicht zu entsprechen gedenken.
Art. 7
lit. a und Art. 8 des Beschlusses sehen keine Verpflichtung vor,
einem Ersuchen von Eurojust zu entsprechen. Vielmehr soll eine Ablehnung
bestimmter Ersuchen des Kollegiums gegenüber Eurojust begründet werden
müssen. Eine beabsichtigte Ablehnung eines Ersuchens von Eurojust
hinsichtlich Strafverfolgung oder Koordinierungsmaßnahmen durch die
Staatsanwaltschaft soll daher der Oberstaatsanwaltschaft nach § 8 Abs. 1 StAG
zu berichten sein. Eine Ablehnung gegenüber Eurojust soll immer eine
Begründung beinhalten.
Zu § 69:
Das
Europäische Justizielle Netz wurde mit der vom Rat am 29. Juni 1998
angenommenen gemeinsamen Maßnahme, ABl. L 191 vom 7. 7. 1998,
S. 4, eingerichtet. Die Mitgliedstaaten haben sich damit verpflichtet,
im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung Kontaktstellen einzurichten, die
das gesamte Hoheitsgebiet und alle Formen schwerer Kriminalität abdecken.
Zu § 70:
Das
Bundesministerium für Justiz hat im Einvernehmen mit den Oberlandesgerichten
bereits Kontaktstellen bei den Landesgerichten am Sitz der Oberlandesgerichte
eingerichtet. Diese bereits bewährte Praxis soll nunmehr auch gesetzlich
festgeschrieben werden. Es soll den Präsidenten der Oberlandesgerichte
obliegen, für diese Kontaktstellen geeignete Richter dem Bundesministerium für
Justiz vorzuschlagen. Die Gerichte und Staatsanwaltschaften sollen zur
weitgehend formfreien Zusammenarbeit mit den Kontaktstellen verpflichtet
werden.
Zu § 71:
Die
besondere Ermittlungsmaßnahme der kontrollierten Lieferung wird unter anderem
in Art. 12 des Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen
den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vom 29. Mai 2000, ABl. C
197 vom 12. 7. 2000, unter weitgehendem Verweis auf die Vorschriften
der innerstaatlichen Rechtsordnung geregelt.
Eine
kontrollierte Lieferung betrifft ausschließlich verkehrsbeschränkte oder
verbotene Gegenstände, nicht auch Personen. Die Durchbeförderung von
Personen im Rahmen von Schlepperei durch Österreich fällt daher nicht unter die
Definition einer kontrollierten Lieferung. Überdies verbieten auch
humanitäre Gründe eine solche Vorgangsweise.
Die
Ein-, Aus- und Durchfuhr von Hehlerei- und Diebsware durch das Bundesgebiet
wird nur dann eine kontrollierte Lieferung darstellen, wenn durch die
Beförderung oder Verheimlichung der Gegenstände auch im Inland eine strafbare
Handlung verwirklicht wird.
Eine
kontrollierte Lieferung ist in erster Linie der Verzicht der Staatsanwaltschaft
auf ein Einschreiten hinsichtlich der Ein-, Aus- und Durchfuhr von
Verbotswaren, deren Innehabung im Bundesgebiet unter gerichtlicher Strafe
steht. Regelmäßig findet die kontrollierte Lieferung auch unter
Observation statt. Diese dient dazu, den Weg der Lieferung zu verfolgen,
den jederzeitigen Zugriff auf die Verdächtigen und die Waren im Inland
sicherzustellen und die Übernahme der kontrollierten Lieferung durch die
Behörden des anderen Staats zu ermöglichen.
Eine
zugelassene Einfuhr von verkehrsbeschränkten oder verbotenen Gegenstände in das
Bundesgebiet stellt deshalb keine kontrollierten Lieferungen dar, weil die
Staatsanwaltschaft in solchen Fällen zu einem Einschreiten verpflichtet
ist.
Zu § 72:
§
23 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) regelt jene Fälle, in denen die
Sicherheitsbehörden von einem Einschreiten Abstand nehmen können. Auch
diese Bestimmung lässt § 25 StPO unberührt. Die kontrollierte Lieferung
wird daher nur in Ausnahmefällen etwa durch einen verdeckten Ermittler
persönlich begleitet werden können. Eine Durchführung der kontrollierten
Lieferung der Verbotswaren ausschließlich durch inländische oder ausländische
Beamte ist nach § 25 StPO regelmäßig unzulässig. Die Entscheidung der
Staatsanwaltschaft, die kontrollierte Lieferung durch das Bundesgebiet
zuzulassen, kommt einem Vorgehen nach § 34 Abs. 2 Z 2 StPO gleich. Durch Abs.
3 Z 3 wird die weitere Überwachung und der Zugriff im anderen Staat
sichergestellt, so dass dort ein Strafverfahren eingeleitet und durchgeführt
werden kann. Die Staatsanwaltschaft kann daher diesen Staat um die
Übernahme der Strafverfolgung wegen des Transits der Verbotswaren durch
Österreich ersuchen.
Zu § 73:
Art. 14 des Übereinkommens über die
Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union
vom 29. Mai 2000, ABl. C 197 vom 12. 7. 2000, sieht vor,
dass sich die Mitgliedstaaten bei strafrechtlichen Ermittlungen durch verdeckt
oder unter falscher Identität handelnde Beamte unterstützen. Die verdeckte
Ermittlung wird dabei nach Maßgabe der innerstaatlichen Rechtsvorschriften des
Einsatzstaats durchgeführt. Ähnliche Bestimmungen finden sich in dem von
Österreich ebenfalls noch nicht ratifizierten Übereinkommen der Europäischen
Union über die Zusammenarbeit der Zollverwaltungen vom 18. Dezember 1997,
ABl. C 24 vom 23. 1. 1998.
Der Gesetzesentwurf regelt nur den Einsatz
ausländischer verdeckter Ermittler in einem im Ausland bereits eingeleiteten
Strafverfahren. Unberührt bleiben die Möglichkeiten des Tätigwerdens
ausländischer Beamter im Bundesgebiet nach § 15 des Polizeikooperationsgesetz
(PolKG).
Die verdeckte Ermittlung für ein
Strafverfahren oder Ermittlungsverfahren eines Mitgliedstaats soll
grundsätzlich nur zulässig sein, wenn die Taten die Erlassung eines
Europäischen Haftbefehls rechtfertigen würden. Überdies müsste ohne die
verdeckte Ermittlung im Inland die Aufklärung erheblich erschwert oder sonst
aussichtslos sein.
Zu § 74:
Der verdeckte Ermittler soll ausschließlich
durch das Bundesministerium für Inneres (Bundeskriminalamt) geführt
werden. Er soll zur Befolgung der Weisungen der österreichischen Behörden
verpflichtet sein. Die ersuchende Behörde soll ihre Verfügungen dem
verdeckten Ermittler im Wege der den Einsatz leitenden österreichischen Behörde
mitteilen. Durch dieses Führungsschema sollen einander widersprechende
Weisungen vermieden werden.
Der ausländische verdeckte Ermittler ist
nicht nur berechtigt, Informationen zu sammeln, sondern auch Scheingeschäfte
vorzunehmen und Urkunden zu gebrauchen, die über seine Identität als Beamter täuschen. Die
Voraussetzungen für den Gebrauch solcher Urkunden und die Vornahme von
Scheingeschäften werden im Abs. 4 und 5 genau geregelt.
Zu § 75:
Nach Art. 52 SDÜ ist die Zustellung
gerichtlicher Urkunden im Postweg vorgesehen. Die Zustellung im Postweg
ist der Regelfall. Werden in den vorgesehenen Fällen Übersetzungen nicht
angeschlossen, liegen die Voraussetzungen für eine Zustellung im Postweg nicht
vor, so dass das Schriftstück als nicht zugekommen gilt.
Zu § 77:
Österreich hat mit einer Erklärung zu Art. 32 des Rahmenbeschlusses die rückwirkende Anwendung des Europäischen Haftbefehls ausgeschlossen. Auf Taten, die ganz oder teilweise vor dem Inkrafttreten des Rahmenbeschlusses am 7. August 2002 begangen worden sind, soll dieses Bundesgesetz daher nicht anzuwenden sein. Es sollen die Bestimmungen des ARHG in Zeitpunkt der Entscheidung über den Europäischen Haftbefehl gelten, der wie ein Auslieferungsersuchen behandelt werden soll. Die materiellen Auslieferungsvoraussetzungen sollen sich ebenfalls nach den zum 7. August 2002 geltenden zwischenstaatlichen Vereinbarungen richten.