Vorblatt

Probleme und Ziele der Gesetzesinitiative

Mit der Schaffung eines Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG) soll eine einheitliche Grundlage für die Zusammenarbeit in Strafsachen mit den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union geschaffen werden. Anlass für dieses Bundesgesetz ist die bis zum 31. Dezember 2003 notwendige Umsetzung des vom Rat beschlossenen Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Zugleich werden auch weitere Beschlüsse und Rahmenbeschlüsse sowie Übereinkommen der Europäischen Union, insbesondere hinsichtlich der rechtlichen Verankerung von Eurojust und des Europäischen Justizellen Netzes und der Bildung gemeinsamer Ermittlungsgruppen umgesetzt. Schließlich soll auch die Ratifizierung des Rechtshilfeübereinkommens der Europäischen Union und eine spätere Ratifizierung des dazugehörigen Protokolls vorbereitet werden.

Grundzüge der Problemlösung

Die fortschreitende Vereinheitlichung der strafrechtlichen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union macht ein eigenes Bundesgesetz erforderlich. 

Im EU-JZG sollen die materiell rechtlichen Voraussetzungen für Übergabe und Rechtshilfe zwischen den Justizbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union abschließend unter Beibehaltung der bisherigen Verfahrensvorschriften geregelt werden. Überdies soll ein Rahmen für die kommenden Rechtsakte der Europäischen Union zur Vollstreckung strafrechtlicher Entscheidungen auf der Grundlage der gegenseitigen Anerkennung geschaffen werden.

Die zwingenden und die fakultativen Ablehnungsgründe des Europäischen Haftbefehls werden in das Gesetz übernommen. Auf Grund der von Österreich erwirkten Ausnahmebestimmung können österreichische Staatsbürger frühestens ab 1. Jänner 2009 und dann nur wegen Taten an andere Mitgliedstaaten übergeben werden, die nach dem 7. August 2002 außerhalb des Bundesgebiets begangen worden sind.

Alternativen

Novellierung des Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes (ARHG) durch die Einfügung von Sonderbestimmungen über die Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Der Inhalt der Änderungen würde jedoch der bisherigen – subsidiären - Struktur dieses Gesetzes widersprechen, weil zur Umsetzung der für Österreich völkerrechtlich verpflichtenden Beschlüsse und Rahmenbeschlüsse des Rates der Europäischen Union zwingendes Recht zu schaffen ist. 

Finanzielle Auswirkungen

Im Jahre 2002 wurden insgesamt 131 Verfahren zur Auslieferung von Personen in andere Staaten gerichtsanhängig, wobei nach der langjährigen Auslieferungsstatistik eher geringe Schwankung zu erwarten wären. Die Einführung des Europäischen Haftbefehls könnte allerdings zu einem Anstieg der Übergabeverfahren führen, weil die Voraussetzungen und das Verfahren für eine Auslieferung gegenüber der bisherigen Rechtslage erweitert bzw. vereinfacht werden. Dieser mögliche Anstieg kann jedoch nur spekulativ beurteilt werden und entzieht sich einer seriösen Einschätzung. Eine Belastung für den Bundeshaushalt sowie Auswirkungen auf die Planstellen des Bundes würden sich nur bei einem sehr starken Anstieg der Auslieferungsfälle aus Österreich in andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union ergeben.

Durchlieferungskosten werden in Zukunft nicht mehr erstattet werden. Die dadurch bewirkte gegenseitige Kostenaufhebung wird daher wahrscheinlich keine budgetären Auswirkungen haben. 

Die Einrichtung von Eurojust und der Betrieb von Kontaktstellen des Europäischen Justiellen Netzes (EJN) wird zumindest eine Planstelle eines österreichischen Staatsanwalts oder Oberstaatsanwalts oder Richters bei Eurojust in Den Haag dauernd binden. Die Zunahme des Rechthilfeverkehrs mit den Mitgliedstaaten wird auch zu einer zusätzlichen Belastung jener Richter bei den Landesgerichten führen, die die Kontaktstellenfunktion ausüben.

Die Änderungen im Rechtshilfebereich führen vorerst nicht zu einer Ausweitung der Verpflichtung zur Rechtshilfe gegenüber den Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

Auswirkung auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich

Keine.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union

Das vorgeschlagene Bundesgesetz dient nahezu ausschließlich der Umsetzung völkerrechtlich verpflichtender Rechtsakte des Rates der Europäischen Union. Der Ermessenspielraum dieser Rechtsakte wird im Sinne einer weitgehenden Beibehaltung der bisherigen Verfahrensvorschriften genutzt.

Besonderheiten des Normsetzungsverfahrens

In Ansehung der Verfassungsbestimmung des § 12 Abs. 1 ARHG erfordert die Regelung der Übergabe und Durchlieferung österreichischer Staatsbürger abweichende Bestimmungen, die ebenfalls im Verfassungsrang stehen müssen (siehe §§ 5, 33 und 77 Abs. 2).


 

Erläuterungen

Allgemeiner Teil

1. Hauptgesichtspunkte des Entwurfes

a) Stand der strafrechtlichen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union

Die strafrechtliche Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (im Folgenden: „Mitgliedstaaten“) findet derzeit auf Grundlage der in Art. 34 Abs. 2 EU-V vorgesehenen Formen, nämlich auf Grund von Beschlüssen und Rahmenbeschlüssen des Rates sowie auf Grund völkerrechtlicher Übereinkommen statt. Das Schwergewicht dieser Zusammenarbeit in der dritten Säule der Europäischen Union liegt dabei in der Ausarbeitung von Rahmenbeschlüssen, die jedoch immer nur zu einzelnen Regelungsbereichen erlassen werden. Dies führt zu einer völkerrechtlichen Überlagerung mit den bereits bestehenden völkerrechtlichen Instrumenten, insbesondere mit jenem Regelungswerk, das im Rahmen des Europarates seit dem Jahr 1957 ausgearbeitet wurde. Die im Rahmen der dritten Säule von den Mitgliedstaaten ausgearbeiteten völkerrechtlichen Übereinkommen waren daher immer nur Zusatzübereinkommen zu den Übereinkommen des Europarats.

Mit dem Europäischen Haftbefehl wurde erstmals versucht, ein gesamtes Rechtsgebiet, nämlich die Auslieferung, durch einen eigenen Rahmenbeschluss zu regeln. Dies wird zu einer völkerrechtlichen Rechtsbereinigung zwischen den Mitgliedstaaten führen. Daneben bestehen bereits die Rahmenbeschlüsse über gemeinsame Ermittlungsgruppen und über die Vollstreckung von Sicherstellungsentscheidungen sowie der Beschluss über die Einrichtung von Eurojust. Derzeit (Herbst 2003) werden Rahmenbeschlüsse über die Vollstreckung von Geldstrafen sowie über Vollstreckung von Einziehungsentscheidungen verhandelt, wobei hinsichtlich der Geldstrafen bereits weitgehend politische Einigung im Rat erzielt wurde. Das Rechtshilfeübereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten aus dem Jahr 2000 und das Protokoll aus dem Jahr 2001 werden auf Grund ihrer komplexen und zum Teil von der technischen Entwicklung bereits wieder überholten Regelungen im Telekommunikations- und Bankwesenbereich von den Mitgliedstaaten nur sehr schleppend ratifiziert.

Der vom Europäischen Konvent vorgelegte Entwurf über eine Verfassung für Europa, ABl. C 169 vom 18. 7. 2003, S. 1, sieht in seinem Artikel III-171 Abs. 1 vor, dass die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen in der Europäischen Union durch Europäische Rahmengesetze geregelt werden soll, die hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich sind, jedoch den Mitgliedstaaten die Wahl der Form und Mittel überlassen. Auch in Zukunft werden Rechtsakte im Bereich der strafrechtlichen Zusammenarbeit nicht unmittelbar anwendbar, sondern in nationales Recht zu transformieren sein. Diese Umsetzung künftiger Rechtsakte in jeweils besonderen Gesetzen würde zu einer Zersplitterung und weiteren Unübersichtlichkeit des auf dem Gebiet der strafrechtlichen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten anzuwendenden Rechts führen. Die Umsetzung künftiger Rechtsakte – Rahmenbeschlüsse vor und europäische Rahmengesetze nach Inkrafttreten der Verfassung für Europa – wird daher durch Änderungen des in diesem Entwurf vorgeschlagenen Gesetzes zu erfolgen haben.

Der vorliegende Entwurf hat die umfassende Regelung der strafrechtlichen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zum Ziel, wobei vorerst auf eine subsidiäre Geltung des ARHG und der völkerrechtlichen Verträge nicht verzichtet werden kann. Die fortschreitende Regelung zahlreicher Einzelfragen der strafrechtlichen Zusammenarbeit durch umsetzungsbedürftige Beschlüsse und Rahmenbeschlüsse der Europäischen Union wird jedoch dazu führen, dass ein einheitliches Gesetz über den Rechtshilfeverkehr mit den Mitgliedstaaten entstehen wird.

b) Europäischer Haftbefehl

Der Rat der Europäischen Union hat am 13. Juni 2002 den „Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten“, ABl. L 190 vom 18. 7. 2002, S. 1 – 20, (im Folgenden: „Rahmenbeschluss“) angenommen. Dieser Rahmenbeschluss verpflichtet die Mitgliedsstaaten zur Umsetzung der durch ihn eingegangenen Verpflichtungen bis 31. Dezember 2003, damit der Europäische Haftbefehl am 1. Jänner 2004 zwischen allen Mitgliedstaaten angewendet werden kann. Seine Umsetzung in nationales Recht stellt – wie bereits erwähnt – den Schwerpunkt des Entwurfs dar.

Die begriffliche und inhaltliche Abkehr des Rahmenbeschlusses vom Begriff der Auslieferung und die Einführung eines Systems der Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls durch ein Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedsstaaten lassen es nicht ratsam erscheinen, die Bestimmungen des Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes (ARHG) jeweils durch Sonderbestimmungen über die Übergabe zwischen den Mitgliedstaaten zu ergänzen. Der vorliegende Entwurf vermeidet daher auch in seinen materiellen Bestimmungen über die Voraussetzungen für eine Übergabe an einen anderen Mitgliedsstaat Verweise auf Bestimmungen des ARHG. Die Umsetzungsbedürftigkeit von Rahmenbeschlüssen nach Art. 34 Abs. 2 lit. b EU-V lässt überdies auch einen Verweis auf Bestimmungen des Rahmenbeschlusses nicht zu, so dass sich die Voraussetzungen für eine Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls eines anderen Mitgliedstaats durch Österreich zur Gänze aus dem Gesetz ergeben müssen.

Der Rahmenbeschluss baut auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung strafrechtlicher Entscheidungen auf. Schon der Europäische Rat von Tampere/Finnland vom 14./16. Oktober 1999 hatte anlässlich seiner Sondertagung über die Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in der Europäischen Union die gegenseitige Anerkennung justizieller Entscheidungen als einen Grundpfeiler der zukünftigen justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und Strafsachen bezeichnet. Die Schlussfolgerungen des Europäischen Rats von Tampere fordern in Nummer 35 die Mitgliedstaaten auf, das bisherige Auslieferungsverfahren durch ein vereinfachtes System der „Überstellung“ zu ersetzen, wenn sich Personen nach ihrer rechtskräftigen Verurteilung der Justiz durch Flucht entziehen. Im Übrigen sollten im Bereich der Auslieferung – unbeschadet des Grundsatzes eines gerechten Gerichtsverfahrens – auch Eilverfahren in Erwägung gezogen werden.

Die Forderungen des Europäischen Rates wurden vom Rat mit dem „Maßnahmenprogramm des Rates zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen“, ABl. C 12 vom 15. 1. 2001, S. 10, aufgegriffen. Dabei wurde zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung die Schaffung eines Instruments empfohlen, mit dem das förmliche Auslieferungsverfahren abgeschafft wird.

Die Terroranschläge in New York und Washington am 11. September 2001 haben den Anstrengungen zu einer Gesamtreform des Auslieferungsrechts zwischen den Mitgliedstaaten höchste Priorität verliehen. Schon auf der auf Grund der Terroranschläge abgehaltenen Sondersitzung des Rates für Justiz und Inneres am 20. September 2001 wurde beschlossen, einen von der Europäischen Kommission am 19. September 2001 unterbreiteten Vorschlag für einen Europäischen Haftbefehl und Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten, ABl. C 332E vom 27. 11. 2001, S 305-319, den Arbeiten zu Grunde zu legen und möglichst rasch darüber Einigung zu erzielen. Tatsächlich ist es der belgischen Präsidentschaft unter enormen Arbeits- und Zeitdruck gelungen, einen konsensfähigen Entwurf für einen Rahmenbeschluss dem Rat für Justiz und Inneres am 6./7. Dezember 2001 vorzulegen und am Europäischen Rat am 14. Dezember 2001 in Laeken/Belgien darüber eine politische Einigung zu erzielen. Nach den notwendigen Befassungen des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten sowie nach Erarbeitung des Formblatts für den Europäischen Haftbefehl und nach Prüfung der Sprachfassungen wurde der Rahmenbeschluss auf der Tagung des Rates für Justiz und Inneres am 13. Juni 2002 auch formell angenommen.

Das Auslieferungsrecht zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union baut bislang auf dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957, BGBl. Nr. 320/1969, und seinem Zusatzprotokoll vom 15. Oktober 1975 (von Österreich nicht ratifiziert) sowie dem Zweiten Zusatzprotokoll vom 17. März 1978, BGBl. Nr. 297/1983, auf. Alle Mitgliedstaaten haben das ebenfalls im Rahmen des Europarats ausgearbeitete Europäische Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Jänner 1977, BGBl. Nr. 446/1978, ratifiziert, welches auslieferungsrechtliche Bestimmungen für terroristische strafbare Handlungen enthält. Auf dieser vom Europarat geschaffenen völkerrechtlichen Grundlage wurden in der Europäischen Union die Übereinkommen vom 10. März 1995 über das vereinfachte Auslieferungsverfahren, BGBl. III Nr. 169/2000, und vom 27. September 1996 über die Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, BGBl. III Nr. 143/2001, ausgearbeitet, die ebenso wie das Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ), BGBl. III Nr. 90/1997, wiederum das Europäische Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 abändern und ergänzen. Mit Einführung des Europäischen Haftbefehls verpflichten sich die Mitgliedstaaten, diese völkerrechtlichen Verträge ab dem 1. Jänner 2004 oder ab Anwendung des Europäischen Haftbefehls untereinander nicht mehr anzuwenden.

Die Beratungen zum Rahmenbeschluss haben gezeigt, dass auch bei Geltung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens zur Feststellung der Vollstreckbarkeit des ausländischen Haftbefehls nicht verzichtet werden kann.

Der Rahmenbeschluss legt die Voraussetzungen für einen Europäischen Haftbefehl fest, die in den vorliegenden Gesetzesentwurf übernommen werden. Die Liste jener Delikte, hinsichtlich derer die beiderseitige Strafbarkeit nicht geprüft wird, wenn sie nach dem Recht des den Haftbefehl erlassenden Mitgliedstaats mit zumindest drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind, wird als Anhang zum vorliegenden Bundesgesetz aufgenommen. Ebenso ergibt sich das für die Ausfertigung eines Europäischen Haftbefehls zu verwendende Formblatt, das den notwendigen Inhalt eines solchen Haftbefehls enthält, aus dem Anhang zu diesem Bundesgesetz. 

Das auf Grund eines Europäischen Haftbefehls im Inland durchzuführende Verfahren soll sich weitgehend an dem im ARHG idF der RV eines Strafrechtsänderungsgesetzes 2003 (StRÄG 2003, 294 d. Beilagen XXII. GP) vorgesehenen Auslieferungsverfahren orientieren. Nur, wo spezifische Änderungen erforderlich waren, etwa bei der vereinfachten Übergabe auf Grund der Zustimmung des Betroffenen, werden abweichende Sonderregelungen vorgeschlagen. Das gesamte Verfahren wird beim Untersuchungsrichter konzentriert. Er soll über jede Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls durch Österreich durch Beschluss zu entscheiden haben.

c) Eurojust

Mit Beschluss des Rates vom 28. Februar 2002, ABl. L 63 vom 6. 2. 2002, S. 1, wurde Eurojust zu Verstärkung der Bekämpfung der schweren Kriminalität eingerichtet.

Schon derzeit hat Österreich eine Richterin (ab 1. Jänner 2004 als Oberstaatsanwältin im Planstellenbereich der OStA Wien) als nationales Mitglied zu Eurojust entsandt, die bei Eurojust in Den Haag/Niederlande Österreich im Sinne der durch den Beschluss vom 28. Februar 2002 eingeräumten Befugnisse vertritt. Sowohl das Entsendungsverfahren als auch die Kompetenzen des von Österreich entsandten nationalen Mitglieds sollen gesetzlich geregelt werden. Es wird dabei von einer Entsendung durch das Bundesministerium für Justiz ausgegangen. Das nationale Mitglied ist bei seinem Handeln bei Eurojust jedenfalls an die fachliche Weisungen des Bundesministers für Justiz gebunden. Im Hinblick auf den unmittelbaren Geschäftverkehr des nationalen Mitglieds mit den staatsanwaltschaftlichen Behörden wird auch eine Bindung an die fachlichen Weisungen der Oberstaatsanwaltschaften vorgeschlagen. Damit werden aber dem nationalen Mitglied die Befugnisse einer Justizbehörde nach Art. 24 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959, BGBl. Nr. 41/1969, eingeräumt. Über Weisung kann das nationale Mitglied daher selbst Rechtshilfeersuchen stellen. Ebenso können Rechtshilfeersuchen der Mitgliedstaaten unmittelbar dem nationalen Mitglied übergeben werden, das in dieser Funktion wiederum das Bundesministerium für Justiz vertritt.

d) Europäisches Justizielles Netz

Ziel des Entwurfs ist es, das mit der gemeinsamen Maßnahme vom 29. Juni 1998 errichtete Europäische Justizielle Netz, ABl. L 191 vom 7. 7. 1998, S. 1, auf eine gesetzliche Basis zu stellen. Die Einrichtung der Kontaktstellen in Österreich erfolgte bislang ausschließlich im Erlasswege durch das Bundesministerium für Justiz. Es wird daher vorgeschlagen, die Einrichtung dieser Kontaktstellen gesetzlich vorzusehen und ihnen die sich aus der gemeinsamen Maßnahme ergebenden Aufgaben und Befugnisse zuzuordnen.

e) Vollstreckung von Sicherstellungsentscheidungen

Auf Grundlage des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung wurde der Rahmenbeschluss über die Vollstreckung von Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln in der Europäischen Union vom 22. Juli 2003, ABl. L 196 vom 2. 8. 2003, S. 45 ausgearbeitet; auch seine Umsetzung in nationales Recht soll durch den vorliegenden Entwurf vorgenommen werden.

f) Rechtshilfe

Die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten findet derzeit fast ausschließlich auf der Grundlage völkerrechtlicher Verträge, insbesondere auf Grund des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959, BGBl. Nr. 41/1969, und dem Zusatzprotokoll vom 17. März 1978, BGBl. Nr. 296/1983, statt. Bereits die Bestimmungen der Art. 48 bis 53 SDÜ haben die Anwendung des Übereinkommens vom 20. April 1959 ausgeweitet und auch die Postzustellung in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten ermöglicht.

Mit dem erst von drei Mitgliedstaaten ratifizierten Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafaschen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 29. Mai 2000, ABl. C 197 vom 12. 7. 2000, wurden die Rechtshilfebestimmungen des SDÜ neu gefasst und Sonderbestimmungen für die Rechtshilfeleistung durch besondere Ermittlungsarten geschaffen.

Seit dem Abschluss des Protokolls zu dem Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 16. Oktober 2001, ABl. C 326 vom 21. 11. 2001, S. 2, werden Teilbereiche der strafrechtlichen Zusammenarbeit nicht mehr durch völkerrechtliche Übereinkommen, sondern durch Beschlüsse und Rahmenbeschlüsse nach Art. 34 Abs. 2 EU-V geregelt. Damit stehen aber derzeit unmittelbar anwendbare völkerrechtliche Übereinkommen und nicht unmittelbar anwendbare, jedoch innerstaatlich unzusetzende Rechtsakte der Gemeinschaft nebeneinander in Geltung. Derzeit liegen die Rahmenbeschlüsse vom 13. Juni 2003 über gemeinsame Ermittlungsgruppen, ABl. L 162 vom 20. 6. 2002, S.1, und vom 22. Juli 2003 über die Vollstreckung von Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln, ABl. L 196 vom 2. 8. 2003, S. 45, vor.

Zur Lösung dieser Rechtslage wird eine völlige Umsetzung der Rahmenbeschlüsse der Gemeinschaft und eine schrittweise Vorbereitung der Ratifikation des Übereinkommens vom 16. Oktober 2001 vorgeschlagen. Im Hinblick auf die derzeit in Ausarbeitung stehenden neuen Rechtsakte der Europäischen Union wird eine Novellierung des vorgeschlagenen Gesetzes unvermeidbar sein. Ziel dieser Maßnahmen ist die Schaffung eines einheitlichen, alle Rechtshilfebestimmungen im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten umfassenden Gesetzes.

2. Finanzielle Auswirkungen

Die Einführung des Europäischen Haftbefehls wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu einem Anstieg der Übergabeverfahren führen, der außerhalb der Schwankungsbreite der jährlichen Auslieferungsfälle liegt. Die langjährige österreichische Auslieferungsstatistik zeigt seit der Inkraftsetzung des Schengener Durchführungsübereinkommens am 1. Dezember 1997 eine stabile Zahl von Auslieferungsfällen und ein nahezu gleichbleibendes Verhältnis der österreichischen Auslieferungsersuchen zu jenen Ersuchen, die an Österreich gerichtet werden.

In weiten Bereichen übernimmt der Gesetzesentwurf bereits in Anwendung stehende völkerrechtliche Bestimmungen oder schafft für die Teilnahme Österreichs an bereits bestehenden Einrichtungen der Europäischen Union die rechtlichen Grundlagen. Auch unter diesem Gesichtspunkt erscheint es wenig wahrscheinlich, dass der Gesetzesentwurf finanzielle Auswirkungen haben wird.

Durch die Verpflichtung, entweder eigene Staatsbürger zur Strafvollstreckung anderen Mitgliedstaaten zu übergeben oder diese Strafen im Inland zu vollziehen, erscheint jedoch ein Anstieg der Kosten für den Strafvollzug möglich. Im Hinblick auf die Gesamtzahl der österreichischen Auslieferungsfälle und der bisherigen Erfahrungen mit der Übernahme der Strafvollstreckung dürften höchstens zehn zusätzliche Haftplätze erforderlich werden.

3. Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens

Der Gesetzesentwurf enthält in seinen §§ 5, 33 und 77 Abs. 2 Verfassungsbestimmungen, weil der Europäische Haftbefehl in einem eingeschränkten Umfang auch zur Übergabe (Auslieferung) österreichischer Staatsbürger ab dem 1. Jänner 2009 verpflichtet. In diesem Umfang muss das im Verfassungsrang stehende Auslieferungsverbot nach § 12 ARHG durch entsprechende Verfassungsbestimmungen eingeschränkt werden.


Besonderer Teil

Zu § 1:

Der Gesetzesentwurf soll nur die strafrechtliche Zusammenarbeit zwischen den Justizbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Republik Österreich regeln. In den Rechtsbeziehungen zu Drittstaaten gelten daher weiterhin die völkerrechtlichen Vereinbarungen und subsidiär das ARHG. Abs. 2 soll schon jetzt den künftigen Rahmen des Regelungsbereichs vorgeben. 

Um Regelungslücken zu vermeiden, wird ganz allgemein auch in diesem Gesetzesentwurf die subsidiäre Geltung des ARHG angeordnet. Soweit sich aber aus dem ARHG nichts anderes ergibt, ist die StPO nach § 9 Abs. 1 ARHG sinngemäß anzuwenden. Da aber die Voraussetzungen für die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls bereits im Rahmenbeschluss vom 13. Juni 2002 abschließend geregelt sind, gelten die im zweiten Hauptstück unmittelbar anwendbaren völkerrechtlichen Vereinbarungen nur mehr subsidiär. Die Mitgliedstaaten haben sich überdies verpflichtet, ab 1. Jänner 2004 oder ab tatsächlicher Anwendung des Europäischen Haftbefehls die bisherigen völkerrechtlichen Auslieferungsvereinbarungen untereinander nicht mehr anzuwenden. 

Zu § 2:

Die Begriffsbestimmungen entsprechen weitgehend den Definitionen des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten, des Rahmenbeschlusses über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln in der Europäischen Union sowie des Beschlusses zur Einrichtung von Eurojust.

Zu § 3:

Der Mechanismus des in Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses definierten Europäischen Haftbefehls tritt - in Umsetzung des vom Europäischen Rat von Tampere postulierten Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen - an die Stelle des herkömmlichen Auslieferungsverfahrens. Der Begriff der Auslieferung wird durch jenen der Übergabe der gesuchten Person in Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls ersetzt. Dessen ungeachtet folgt der Europäische Haftbefehl materiell den Grundzügen des bisherigen Auslieferungsrechts; inhaltlich stellt das Übergabeverfahren somit ein auf Ebene der Gerichte verlagertes Auslieferungsverfahren dar.

Vor allem muss es sich daher beim Europäischen Haftbefehl immer um die „justizielle“ Entscheidung einer Justizbehörde des Ausstellungsstaats handeln. Ziel des Europäischen Haftbefehls ist die Übergabe der gesuchten Person durch die Behörden des Vollstreckungsstaats an die Behörden des Ausstellungsstaats. Damit unterscheidet sich die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls zwar verfahrensrechtlich, nicht aber inhaltlich von der traditionellen Auslieferung. Findet eine zwangsweise Übergabe an die Behörden des Ausstellungsstaats nicht statt, kommen auch die Garantien des Europäischen Haftbefehls nicht zum Tragen.

Der Rahmenbeschluss geht von einer Verpflichtung zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls aus, wenn die Voraussetzungen hiefür vorliegen und nicht von einem der obligatorischen oder fakultativen Ablehnungsgründe Gebrauch gemacht wird.

Da die Voraussetzungen für die Erlassung ebenso wie für die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls zu regeln sind, unterscheidet das Gesetz erst im verfahrensrechtlichen Teil zwischen der Vollstreckung durch oder für Österreich. Wo die Bestimmungen dieses Hauptstücks nur die Vollstreckung durch Österreich betreffen, ist dies ausdrücklich normiert.

Zu § 4:

Kernstück des Europäischen Haftbefehls ist eine Liste von 32 sehr unterschiedlichen strafbaren Handlungen, bei denen vom Vollstreckungsstaat die beiderseitige Strafbarkeit nicht geprüft werden darf. Wenn die ausstellende Justizbehörde den Sachverhalt als eine solche Tat beurteilt und dieser nach dem Recht des Ausstellungsstaats mit einer Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht ist, berechtigt daher auch das Fehlen der beiderseitigen gerichtlichen Strafbarkeit nicht zur Ablehnung der Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls. Diese Liste wird durch Abs. 3 und Anhang I in den Gesetzesentwurf zur Gänze und unverändert übernommen. Ob und in welchem Umfang die Richtigkeit der Einordnung in die Liste vom österreichischen Gericht geprüft werden kann, wird durch § 19 Abs. 2 und 3 geregelt.

Außerhalb dieser Liste gilt nach. Abs. 1 weiterhin der allgemeine Grundsatz der beiderseitigen gerichtlichen Strafbarkeit als Voraussetzung für eine Übergabe zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung. Voraussetzung ist aber eine Strafdrohung nach dem Recht des Ausstellungsstaats von mindestens einem Jahr. Eine Unterscheidung zwischen vorsätzlich oder fahrlässig begangenen Taten findet nicht statt.

Zur Strafvollstreckung kann ein Europäischer Haftbefehl erlassen oder vollstreckt werden, wenn beiderseitige Strafbarkeit nach Abs. 1 oder eine Tat nach Abs. 3 vorliegt und mindestens noch insgesamt 4 Monate Freiheitsstrafe zu vollstrecken sind. Dabei sind vollstreckbare Ersatzfreiheitsstrafen wie Freiheitsstrafen zu behandeln und mehrere Freiheitsstrafen oder Strafreste zusammenzurechnen..

Für die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls im Inland gilt nach Abs. 5 der schon in § 11 Abs. 3 ARHG vorgesehene Grundsatz der akzessorischen Auslieferung. Ist daher die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls zumindest hinsichtlich einer Tat nach Abs. 1 oder 3 zu bewilligen, so ist die Vollstreckung auch hinsichtlich aller anderen Taten zulässig, soweit beiderseitige Strafbarkeit vorliegt. Unter diesen Voraussetzungen wird die Vollstreckung des Haftbefehls auch zum Vollzug von weniger als insgesamt 4 Monaten Freiheitsstrafe bewilligt. 

Zu § 5:

Die im Verfassungsrang stehende Bestimmung des § 12 ARHG hat bisher die Auslieferung österreichischer Staatsbürger ausnahmslos verboten. Österreichischen Staatsbürgern wurde hinsichtlich strafbarer Handlungen, die sie im Ausland begangen haben, dennoch keine Straffreiheit gewährt, weil die österreichischen Strafgesetze nach § 65 Abs. 1 Z 1 StGB hinsichtlich im Ausland begangener Taten, die auch durch die Gesetze des Tatorts mit Strafe bedroht sind, unter anderem dann gelten, wenn der Täter zur Zeit der Tat Österreicher war oder wenn er die österreichische Staatsbürgerschaft später erworben hat und zur Zeit der Einleitung des Strafverfahrens noch besitzt.

Österreich hat in den Verhandlungen zum Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl mit Nachdruck auf sein im Verfassungsrang stehendes Verbot der Auslieferung österreichischer Staatsbürger und auf seine uneingeschränkte Verpflichtung zur strafrechtlichen Verfolgung von Auslandstaten österreichischer Staatsbürger hingewiesen. Art. 33 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses gewährt Österreich ausdrücklich das Recht, bis zu einer Änderung des § 12 Abs. 1 ARHG, spätestens jedoch bis zum 31. Dezember 2008, die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls abzulehnen, wenn es sich bei der gesuchten Person um einen österreichischen Staatsbürger handelt und wenn die Handlung, derentwegen der Europäische Haftbefehl erlassen worden ist, nach österreichischem Recht nicht gerichtlich strafbar ist. Diese Ausnahmebestimmung wird durch § 77 Abs. 2 im Verfassungsrang übernommen.

Die Übergabe österreichischer Staatsbürger an Mitgliedstaaten ist nur nach Maßgabe von § 5 Abs. 2 bis 5 zulässig. Es bleibt daher das grundsätzliche Verbot des § 12 ARHG aufrecht.

Die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls gegen einen österreichischen Staatsbürger ist nach Abs. 2 unzulässig, wenn die Tat nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist und dem Geltungsbereich der österreichischen Strafgesetze unterliegt. Die Geltung der österreichischen Strafgesetze wird sich in der Regel auf § 65 Abs. 1 Z 1 StGB gründen. Art. 4 Z 2 des Rahmenbeschlusses berechtigt zur Ablehnung der Vollstreckung, wenn die Person, gegen die ein Europäischer Haftbefehl erlassen wurde, im Vollstreckungsstaat wegen derselben Handlung strafrechtlich verfolgt wird. 

Art. 4 Z 7 lit. b des Rahmenbeschlusses berechtigt zur Ablehnung der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls wegen Taten, die außerhalb des Hoheitsgebiets des Ausstellungsstaats begangen worden sind, wenn die Rechtsvorschriften des Vollstreckungsstaats die Verfolgung von außerhalb seines Hoheitsgebiets begangenen Straftaten gleicher Art nicht zulassen. Bei extraterritorialer Zuständigkeit wird die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls gegen einen österreichischen Staatsbürger nach Abs. 3 dann abzulehnen sein, wenn bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts keine Zuständigkeit der österreichischen Gerichte für solche außerhalb Österreichs begangenen Taten bestünde. Dabei wird es sich in der Regel um Taten handeln, die nach österreichischem Recht nicht gerichtlich strafbar sind.

Ein Europäischer Haftbefehl zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme wird grundsätzlich nicht durch die Übergabe der betroffenen Person, sondern durch den Vollzug der Strafe im Inland vollstreckt, soweit im Übrigen alle anderen Voraussetzungen für eine Vollstreckung dieses Haftbefehls und die Übergabe der betroffenen Person vorliegen würden. Die §§ 39 bis 44 enthalten jene Bestimmungen, nach denen der Vollzug der Strafen in Österreich stattfindet. 

Wird die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls gegen einen österreichischen Staatsbürger zur Strafverfolgung bewilligt, so hat dies immer unter der Bedingung der Rücküberstellung des österreichischen Staatsbürgers zum Strafvollzug nach Österreich zu geschehen.

Alle Ablehnungsgründe und Bedingungen sind nach Abs. 6 verzichtbar. Der österreichische Staatsbürger kann diesen Verzicht frühestens in der ersten Haftverhandlung wirksam abgeben, wenn er sich in Übergabe- oder Untersuchungshaft befindet.

Zu § 6:

Art. 4 Z 7 lit. a des Rahmenbeschlusses berechtigt zur Ablehnung der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls wegen Taten, die nach den Rechtsvorschriften des Vollstreckungsstaats ganz oder teilweise in dessen Hoheitsgebiet begangen worden sind. Ob eine Tat im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats begangen wurde, richtet sich dabei nach dessen Rechtsvorschriften. Das Territorialitätsprinzip ergibt sich aus § 62 StGB, wobei die österreichischen Strafgesetze auch für Taten gelten, die auf österreichischen Schiffen oder Luftfahrzeugen begangen worden sind. Eine Tat ist nach § 67 Abs. 2 StGB im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder ein dem Tatbild entsprechender Erfolg ganz oder zum Teil im Inland eingetreten ist oder nach den Vorstellungen des Täters im Inland hätte eintreten sollen.

Schon im Hinblick auf den Entfall der Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit nach § 4 Abs. 3 wäre es unvertretbar, Personen zu übergeben, die im Inland Handlungen gesetzt haben, die nach österreichischem Recht nicht gerichtlich strafbar sind. Daher gilt der Ablehnungsgrund auch für im Inland begangene Handlungen, die nach österreichischem Recht nicht gerichtlich strafbar sind.

Zu § 7:

Die Beachtung des Grundsatzes „ne bis in idem“ nach Art. 3 Z 2 des Rahmenbeschlusses ist unverzichtbar und gilt daher nach Art. 4 Z 3 des Rahmenbeschlusses auch im Verhältnis zwischen dem Vollstreckungsstaat und dem Ausstellungsstaat. Anders als in § 8 Z 1 und 2 wird bei österreichischer Gerichtsbarkeit auf die Aufzählung jener Voraussetzungen verzichtet, unter denen eine österreichische Entscheidung die Strafverfolgung im Ausstellungsstaat unzulässig macht. Jede rechtskräftige österreichische Entscheidung, die der weiteren Strafverfolgung im Ausstellungsstaat auf Grund der bestehenden völkerrechtlichen Regelungen (derzeit insbesondere Art. 54 SDÜ) entgegensteht, verpflichtet zur unverzichtbaren Ablehnung der Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls. 

Art. 4 Z 2 des Rahmenbeschlusses berechtigt zur Ablehnung der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls, wenn die gesuchte Person, gegen die der Europäische Haftbefehl ergangen ist, im Vollstreckungsstaat wegen derselben Handlung strafrechtlich verfolgt wird. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Strafverfolgung vor oder nach dem Einlangen des Ersuchens um Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls eingeleitet wurde, weil die Vollstreckungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Vollstreckung vorliegen müssen. Dieser fakultative Ablehnungsgrund wird in Abs. 2 Z 1 übernommen. Die Einleitung eines Strafverfahrens setzt aber voraus, dass österreichische Strafgerichtsbarkeit besteht und die dem Haftbefehl zu Grunde liegenden Taten allem Anschein nach auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar sind. Die Einleitung eines Verfahrens wegen Taten, die nach österreichischem Recht nicht gerichtlich strafbar sind, und die nachfolgende Zurücklegung der Anzeige können schon im Hinblick auf die damit sonst ermöglichte Umgehung der Übergabe etwa durch Selbstanzeige nicht die Voraussetzungen für einen Ablehnungsgrund nach Abs. 2 erfüllen. Abs. 2 gilt daher nur für Taten, die nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar sind und der österreichischen Strafgerichtsbarkeit unterliegen.

Nach Art. 4 Z 3 des Rahmenbeschlusses kann die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls auch dann abgelehnt werden, wenn die Behörden des Vollstreckungsstaats beschlossen haben, wegen derselben Straftat kein Verfahren einzuleiten oder ein bereits eingeleitetes Verfahren einzustellen. Dieser Ablehnungsgrund wurde in Abs. 2 Z 2 übernommen.

Schon nach § 16 Abs. 2 und 3 ARHG ist eine Auslieferung trotz eigener Gerichtsbarkeit zulässig, wenn dem Strafverfahren im ersuchenden Staat unter dem Blickwinkel verschiedener Abwägungsgründe der Vorzug zu geben ist. Diese Regelung wird in Abs. 3 in den Grundzügen übernommen. Sie betrifft jedoch immer nur Fälle, in denen die Entscheidung der österreichischen Gerichte oder Staatsanwaltschaften keine Bindungswirkung für die Behörden des Ausstellungsstaats entfaltet und überdies die betroffene Person nicht österreichischer Staatsbürger ist, weil nach § 5 Abs. 2 die Auslieferung österreichischer Staatsbürger immer unzulässig ist, wenn die Taten nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar sind und dem Geltungsbereich der österreichischen Strafgesetze unterliegen. Über das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Untersuchungsrichter zu entscheiden, gegen dessen Entscheidungen sowohl der betroffenen Person als auch der Staatsanwaltschaft das Rechtmittel der Beschwerde an den Gerichtshof zweiter Instanz offen steht. 

Zu § 8:

Nach Art. 3 Z 2 des Rahmenbeschlusses ist die Übergabe obligatorisch abzulehnen, wenn die gesuchte Person wegen derselben Handlung von einem Mitgliedstaat rechtskräftig verurteilt (abgeurteilt) worden ist, vorausgesetzt, dass im Fall einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsmitgliedstaats nicht mehr vollstreckt werden kann. Dieser obligatorische Ablehnungsgrund wird in Z 1 zur Gänze übernommen.

Der EuGH hat mit Urteil vom 11. Februar 2003 in den verbundenen Rechtssachen Hüseyin GÖZÜTÖK (C-187/01) und Klaus BRÜGGE (C-385/01) das Verbot der Doppelbestrafung nach Art. 54 SDÜ dahingehend ausgelegt, dass unter den Worten „durch eine Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt worden ist“ und „im Falle einer Verurteilung“ auch urteilsähnliche Gerichts- und Staatsanwaltschaftverfügungen zu verstehen sind, wenn diese zu einem Verbrauch des Strafanklagerechts führen. Solche Entscheidungen binden aber nur, wenn nicht die Ausnahmen vom Verbot der Doppelbestrafung nach Art. 55 SDÜ zur Anwendung gelangen. Der Ablehnungsgrund nach Z 2 ist daher auf staatsanwaltschaftliche Verfügungen des Tatortstaats beschränkt.

Nach Art. 4 Z 5 des Rahmenbeschlusses kann die Übergabe abgelehnt werden, wenn die gesuchte Person wegen derselben Handlung von einem Drittstaat rechtskräftig verurteilt worden ist, vorausgesetzt, dass im Fall einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaats nicht mehr vollstreckt werden kann. Dieser fakultative Ablehnungsgrund wird zwar übernommen, jedoch bei Freisprüchen auf Entscheidungen der Gerichte des Tatortstaats beschränkt. Dadurch werden nicht alle Entscheidungen von Drittstaaten in gleicher Weise berücksichtigt, sondern nur gerichtliche Tatortentscheidungen als Übergabehindernis anerkannt.

Die völkerrechtliche Bindungswirkung von Entscheidungen des Internationalen Strafgerichtshofs und der Internationalen Gerichte für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda ergibt sich aus den Statuten dieser Gerichte. Die Statuten der Internationalen Gerichte für das ehemalige Jugoslawien, BGBl. Nr. 37/1995, und Ruanda binden als Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen nach Kapitel VII der Satzung der Vereinten Nationen alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Überdies haben alle Mitgliedstaaten auch das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998, BGBl. III Nr. 180/2002, ratifiziert. Die Bundesgesetze über die Zusammenarbeit mit den Internationalen Gerichten, BGBl. Nr. 263/1996 und mit dem Internationalen Strafgerichtshof, BGBl. I Nr. 135/2002, haben die Verpflichtungen aus diesen völkerrechtlichen Instrumenten innerstaatlich umgesetzt.

Zu § 9:

Die Übergabe von Personen, die nach dem Recht des Vollstreckungsstaats auf Grund ihres Alters strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden können, ist nach Art. 3 Z 3 des Rahmenbeschlusses obligatorisch abzulehnen. Daher ist die Übergabe von Personen, die zur Tatzeit nach österreichischem Recht strafunmündig waren, unzulässig. Damit entspricht diese Bestimmung weitgehend § 21 ARHG.

Ergeben sich aber Hinweise darauf, dass die betroffene Person nach dem Recht des Ausstellungsstaats strafunmündig gewesen ist, so besteht nach der vorgeschlagenen Gesetzesbestimmung die Verpflichtung für österreichische vollstreckende Justizbehörden, die ausstellende Justizbehörde darüber in Kenntnis zu setzen, um ihr die Rückziehung des Europäischen Haftbefehls zu ermöglichen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass durch die Verwendung falscher oder gefälschter Personaldokumente im Ausland dort Strafverfahren gegen die betroffenen Personen eingeleitet werden und erst durch die von den österreichischen Behörden durchgeführten Identitätserhebungen die wahre Identität sowie das wahre Alter der betroffenen Personen festgestellt und damit der Nachweis erbracht werden kann, dass in diesen Fällen im Ausland Haftbefehle gegen Personen erlassen wurden, die nach dem Recht des Ausstellungsstaats strafunmündig gewesen sind.

Zu § 10:

Die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls wegen einer nach österreichischem Recht eingetretenen Verjährung oder einer in Österreich erlassenen Amnestie kann nur abgelehnt werden, wenn die Taten auch unter die österreichische Gerichtsbarkeit gefallen wären. Dieser Ablehnungsgrund ist auf die vom Gesetzgeber durch Gesetz angeordnete Amnestie beschränkt und umfasst daher nicht individuelle Gnadenmaßnahmen. Amnestien betreffen immer nur Taten, die der eigenen Gerichtsbarkeit unterliegen, so dass es der Beschränkung auf solche Fälle gar nicht bedürfte. Nach Art. 3 Z 1 des Rahmenbeschlusses ist in solchen Fällen einer Amnestie die Übergabe obligatorisch abzulehnen, während der Ablehnungsgrund der Verjährung im Rahmenbeschluss gemäß Art. 4 Z 4 fakultativ vorgesehen ist. Die hier verankerten Grundsätze entsprechen Art. 9 des Übereinkommens über die Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 27. September 1996, BGBl. III Nr. 143/2001.

Durch Art. 4 Z 4 des Rahmenschlusses wird auch klargestellt, dass ausschließlich die Verjährung nach dem Recht des Vollstreckungsstaats zur Ablehnung berechtigt, wenn hinsichtlich der Taten eigene Gerichtsbarkeit bestanden hat. Eine allfällige Verjährung nach dem Recht des Ausstellungsstaats hindert daher ebenso wenig die Übergabe wie die Verjährung nach österreichischem Recht hinsichtlich Taten, die nicht der österreichischen Gerichtsbarkeit unterliegen. Damit folgt der Rahmenbeschluss schon den bisherigen Bestimmungen nach Art. 8 des Übereinkommens über die Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. 

Zu § 11:

Art. 5 Z 1 des Rahmenbeschlusses berechtigt dazu, die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls, der zur Vollstreckung einer Strafe oder freiheitsentziehenden vorbeugenden Maßnahme erlassen wurde, an die Bedingung zu knüpfen, dass im Fall eines Abwesenheitsurteils die ausstellende Justizbehörde eine von der vollstreckenden Justizbehörde als ausreichend angesehene Zusicherung abgibt, wonach die betroffene Person die Möglichkeit haben wird, eine Wiederaufnahme des Verfahren erfolgreich zu beantragen und bei der Gerichtsverhandlung anwesend zu sein.

Zusätzlich zu Art. 5 Z 1 des Rahmenbeschlusses fordert der Gesetzesentwurf, dass die betroffene Person, die nicht persönlich geladen wurde, auf eine andere Weise, die den Erfordernissen des Art. 6 EMRK entspricht, vom Ort und der Zeit der Verhandlung Kenntnis erlangt hat.

Zu § 12:

Nach Art. 4 Z 1 des Rahmenbeschlusses darf in den Fällen, in denen die beiderseitige Strafbarkeit als Übergabevoraussetzung bestehen bleibt, die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass das Recht des Vollstreckungsstaats keine gleichartigen Steuern vorschreibt oder keine gleichartigen Steuer-, Zoll- und Währungsbestimmungen enthält wie das Recht des Ausstellungsstaats. 

Ein allgemeiner Ablehnungsgrund für die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls wegen fiskalischer strafbarer Handlungen besteht nicht. Die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls wegen solcher strafbarer Handlungen richtet sich daher ausschließlich nach § 4 Abs. 1, weil fiskalische strafbare Handlungen nicht unter die Liste des § 4 Abs. 3 fallen. Daher sind Europäische Haftbefehle wegen fiskalischer strafbarer Handlungen gegen ausländische Staatsangehörige immer zu vollstrecken, wenn die Handlungen nach dem Recht des Ausstellungsstaats mit mindestens 12 Monaten Freiheitsstrafe bedroht sind. Ein Mindeststrafmaß nach österreichischem Recht ist nicht erforderlich.

Die beiderseitige Strafbarkeit ist nach den bereits in Art. 2 Abs. 2 des Zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 17. März 1978, BGBl. Nr. 297/1983, und in Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens über die Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 27. September 1996, BGBl. III Nr. 143/2001, festgelegten Grundsätzen zu beurteilen. Ziel ist die Klarstellung, welcher Maßstab bei der Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit anzulegen ist. Demnach wird eine Identität der dem Strafverfahren wegen fiskalischer strafbarer Handlungen zu Grunde liegenden Steuern, Zölle und Währungsbestimmungen nicht gefordert. Vorschriften des Außenhandels fallen dabei nicht unter diese Sonderbestimmung, so dass hinsichtlich solcher strafbarer Handlungen die Identität der Außenhandelsvorschriften zu prüfen ist, soweit diese nicht ohnedies bereits durch Gemeinschaftsrecht harmonisiert sind oder unter eine Kategorie eines illegalen Handels nach § 4 Abs. 3 und Anhang I fallen.

Zu § 13:

Ziel des Gesetzesentwurfs ist es, die bisher für Auslieferungen geltenden Zuständigkeitsvorschriften weitgehend auch für die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls beizubehalten. Daher wird trotz der subsidiären Geltung des ARHG nach § 1 Abs. 2 ausdrücklich angeordnet, dass sich die Zuständigkeit nach § 26 ARHG richtet. 

Zu § 14:

Form und Inhalt des Europäischen Haftbefehls werden durch Art. 8 des Rahmenbeschlusses vorgegeben. Sie entsprechen dem als Anhang zum Rahmenbeschluss und als Anhang II zu diesem Gesetzesentwurf angeschlossenem Formblatt. Nach dem Entwurf soll daher zwingend das in Anhang II beigefügte Formblatt für die Ausfertigung eines Europäischen Haftbefehls Verwendung finden und seinen Inhalt determinieren.

Art. 8 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses geht davon aus, dass der Europäische Haftbefehl unmittelbar von der ausstellenden Justizbehörde der vollstreckenden Justizbehörde übermittelt wird, wenn bereits der Aufenthaltsort der gesuchten Person bekannt ist. Soweit jedoch ein Mitgliedstaat allgemein oder im Europäischen Haftbefehl eine zentrale Übermittlungsstelle benannt hat, findet der Geschäftsverkehr unmittelbar zwischen dem inländischen Gericht und dieser zentralen Übermittlungsstelle statt.

Eine Übermittlung von Unterlagen findet nur dann im Weg des Bundesministeriums für Justiz statt, wenn Schwierigkeiten aufgetreten sind, die vom inländischen Gericht im unmittelbaren Behördenverkehr nicht behoben werden können. Art. 10 Abs. 5 des Rahmenbeschlusses sieht für solche Fälle eine Einschaltung der Zentralstellen der Mitgliedstaaten vor.

Der Europäische Haftbefehl kann durch jedes sichere technische Mittel übermittelt werden, das die Erstellung einer schriftlichen Fassung ermöglicht, die dem Empfänger eine Prüfung der Echtheit ermöglicht. Alle Übermittlungsarten, die diese Voraussetzungen erfüllen, sind als gleichwertig anzusehen. Nach der derzeitigen Übung wird der Europäische Haftbefehl in erster Linie mittels Telefax übermittelt werden. Eine urschriftliche Übermittlung im Postweg kann nur gefordert werden, wenn Bedenken gegen die Echtheit bestehen.

Zu § 15:

Die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls soll dadurch sichergestellt werden, dass die betroffene Person während eines anhängigen Verfahrens oder wenn Anlass für die Einleitung eines solchen Verfahrens besteht, nicht außer Landes gebracht, insbesondere aber nicht abgeschoben werden darf. Diese Vorschrift entspricht weitgehend § 13 ARHG.

Zu § 16:

Ein Übergabeverfahren soll stets dann einzuleiten sein, wenn gegen die gesuchte Person ein (aufrechter) Europäischer Haftbefehl eines anderen Mitgliedstaats besteht und anzunehmen ist, dass sich die gesuchte Person im Inland aufhält. In diesen Fällen ist ein besonderes Ersuchen der ausstellenden Justizbehörde nicht erforderlich, weil die Erlassung eines Europäischen Haftbefehls bereits das Ersuchen um dessen Vollstreckung darstellt. Dabei ist es unerheblich, auf welche Weise die Justizbehörden vom Vorliegen dieser Voraussetzungen Kenntnis erlangt haben.

Dem Europäischen Haftbefehl sind Ausschreibungen im Schengener Informationssystem gleichgestellt. In diesen Fällen ist daher ebenfalls von Amts wegen ein Übergabeverfahren einzuleiten und die ausschreibende Justizbehörde um die Vorlage eines Europäischen Haftbefehls zu ersuchen. 

Alle anderen Fälle von Personenfahndungen auf Grund von Ausschreibungen anderer Mitgliedstaaten sind vom Bundesministerium für Inneres zu behandeln. Die näheren Vorschriften sind in der Gemeinsamen Fahndungsvorschrift der Bundesministerien für Inneres, Justiz und Finanzen enthalten.

Zu § 17:

§ 28 ARHG sieht ein System des Anbots der Auslieferung vor, das sich insbesondere in Fällen bewährt hat, in denen erst die Erhebungen der österreichischen Behörden dazu führen, dass eine ausländische Behörde einen Haftbefehl wegen Taten erlassen kann, die Anlass für eine Auslieferung geben können.

Dieses Verfahren wird auch für den Europäischen Haftbefehl übernommen. Ein Übergabeverfahren kann daher bereits eingeleitet werden, wenn ein Europäischer Haftbefehl eines anderen Mitgliedstaats nicht vorliegt, aber auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass eine im Inland betretene Person Taten begangen habe, die Anlass für die Erlassung eines Europäischen Haftbefehls bieten. Der Untersuchungsrichter hat daher die in Betracht kommende Justizbehörde des anderen Mitgliedstaats zu befragen, ob gegen die betroffene Person ein Europäischer Haftbefehl erlassen werden wird. Für die Erlassung eines solchen Haftbefehls ist eine Frist zu bestimmen, die in keinem Fall 40 Tage überschreiten darf.

Wurde zwar bereits ein Europäischer Haftbefehl durch die ausstellende Justizbehörde des anderen Mitgliedstaats erlassen, aber dem österreichischen Gericht nicht vorgelegt, so hat der Untersuchungsrichter nach § 19 Abs. 2 vorzugehen und um die Übermittlung einer Ausfertigung dieses Haftbefehls zu ersuchen, wenn die Angaben über den Inhalt des Europäischen Haftbefehls nicht ausreichen. Auch in diesem Fall wird die zu setzende Frist in keinem Fall 40 Tage überschreiten dürfen.

Zu § 18:

Grundsätzlich ist die Erlassung eines Europäischen Haftbefehls bereits ein Ersuchen um Verhängung der Übergabehaft und Durchführung eines Übergabeverfahrens. Es bedarf daher keines gesonderten Ersuchens der ausstellenden Justizbehörde.

Das Vorliegen eines aufrechten Europäischen Haftbefehls stellt die Grundlage für die Durchführung des Übergabeverfahrens dar. Eine Ausschreibung der gesuchten Person im Schengener Informationssystem nach Art. 95 SDÜ, die in Zukunft nur mehr auf Grundlage eines Europäischen Haftbefehls erfolgen wird, gilt ebenso als Ersuchen um Verhängung der Übergabehaft und Durchführung eines Übergabeverfahrens. 

Zur Klarstellung dient die ausdrückliche Anordnung, dass sich die Haft zur Sicherung der betroffenen Person nach § 29 ARHG richtet.

Zu § 19:

Der Europäische Haftbefehl ist in gleicher Weise wie ein Auslieferungsersuchen zu prüfen. Es gilt der Grundsatz der formellen Prüfung. Eine Verdachtsprüfung findet daher nur nach Maßgabe des § 33 Abs. 2 ARHG statt.

Die Einordnung der Taten in die Liste nach Anhang I ist grundsätzlich nur über Einwand der betroffenen Person oder von Amts wegen bei offenkundiger Unrichtigkeit zu prüfen. Der ausstellenden Justizbehörde soll jedoch die Möglichkeit zu einer Stellungnahme eingeräumt werden, wenn die Übergabe sonst unzulässig wäre. Dabei wäre in gleicher Weise wie bei einem Ersuchen um Vorlage von ergänzenden Unterlagen vorzugehen. Der ausstellenden Justizbehörde ist eine Frist für ihre Stellungnahme oder für ergänzende Unterlagen zu setzen.

Sonderbestimmungen bestehen für den Einwand der drohenden Verletzung des Art. 6 des EU-Vertrags. Solche Einwände sollen dann zu prüfen sein, wenn die betroffene Person bislang gehindert gewesen ist, die Einwände vor der ausstellenden Justizbehörde oder vor Europäischen Gerichten vorzubringen

Der Entwurf lässt ebenso wie das ARHG die Frage offen, ob ein anhängiges Asylverfahren der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls entgegensteht. Ein Asylantrag wegen drohender Verfolgung in einem Mitgliedstaat wird der Übergabe an diesen Mitgliedstaat regelmäßig nicht entgegenstehen. Das Protokoll zum Vertrag von Amsterdam über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten, BGBl. III Nr. 83/1999, bestimmt im Übrigen, dass die Mitgliedstaaten untereinander als sichere Herkunftsländer gelten. Ein Asylantrag wegen Verfolgung in einem Drittstaat steht der Übergabe an einen Mitgliedstaat dann nicht entgegen, wenn der Mitgliedstaat die Zusage abgibt, die betroffene Person nicht während des in Österreich anhängigen Asylverfahrens in den behaupteten Verfolgerstaat abzuschieben.

Zu § 20:

Nach § 34 Abs. 3 ARHG hat der Bundesminister für Justiz die Übergabe der betroffenen Person bei einer Einwilligung zur vereinfachten Auslieferung nach § 32 Abs. 1 ARHG anzuordnen. Dabei hat der Bundesminister für Justiz nach § 32 Abs. 3 zweiter Satz ARHG auch die sonstigen Voraussetzungen für die Auslieferung zu prüfen und bei Bedenken die Durchführung des „ordentlichen“ Auslieferungsverfahren zu veranlassen. Auf diesen Rechtsschutz soll auch beim Europäischen Haftbefehl nicht verzichtet werden. Daher wird eine eingeschränkte Beschwerdemöglichkeit gegen die Anordnung der Übergabe durch den Untersuchungsrichter eingeführt. 

Art. 13 des Rahmenbeschlusses orientiert sich weitgehend an Art. 7 des Übereinkommens zwischen den Mitgliedstaaten über das vereinfachte Auslieferungsverfahren vom 10. März 1995, BGBl. III Nr. 169/2000. Daher hält auch der Gesetzentwurf an der bisherigen Rechtslage nach dem ARHG fest. Mit der Zustimmung zur vereinfachten Übergabe soll daher weiterhin ein Verzicht auf die Beachtung des Grundsatzes der Spezialität verbunden sein.

Über die vereinfachte Übergabe entscheidet ausschließlich der Untersuchungsrichter, der bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls mit Beschluss die Übergabe anzuordnen hat. Der rechtskräftige Beschluss ist die Bewilligung der Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls. Der Beschluss, dem Übersetzungen in die Sprache des Ausstellungsstaats nicht angeschlossen werden müssen, ist der ausstellenden Justizbehörde im unmittelbaren Geschäftsverkehr nach § 14 zu übermitteln. Liegen hingegen die Voraussetzungen für eine Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls nicht vor, so ist trotz Zustimmung der betroffenen Person eine Entscheidung über die Übergabe nach § 21 zu treffen.

Nach Art. 17 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses wird der Europäische Haftbefehl als Eilsache erledigt, weshalb auch nach Art. 17 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses eine endgültige Entscheidung über die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls innerhalb von 10 Tagen ab der Erteilung der Zustimmung der betroffenen Person erfolgen soll. Diesem Gedanken der Verfahrenbeschleunigung soll durch kurze Beschwerdefristen in der Dauer von 3 Tagen gegen die Anordnung der Übergabe durch den Untersuchungsrichter Rechnung getragen werden. Ähnliche kurze Beschwerdefristen finden sich in vergleichbaren Fällen bereits in § 16 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Zusammenarbeit mit den internationalen Gerichten, BGBl. Nr. 263/1996, und in § 26 Abs. 8 des Bundesgesetzes über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof, BGBl. I Nr. 135/2002.

Wenngleich die betroffene Person auf Grund ihrer Einwilligung zur vereinfachten Übergabe durch den Beschluss des Untersuchungsrichters zumeist nicht beschwert sein wird, sind doch Fälle zu berücksichtigen, in denen keine Einwilligung vorliegt, die den Erfordernissen des § 32 ARHG entspricht . Daher erscheint es unvertretbar, die Übergabeanordnung des Untersuchungsrichters unanfechtbar zu machen.

Zu § 21:

Auf das Verfahren zur Bewilligung oder Ablehnung der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls soll § 31 ARHG sinngemäß Anwendung finden. Der Untersuchungsrichter hat über den Europäischen Haftbefehl mit Beschluss zu entscheiden, gegen den der betroffenen Person und der Staatsanwaltschaft die Beschwerde an den Gerichtshof zweiter Instanz zusteht. Der rechtkräftige Beschluss ist die Bewilligung oder die Ablehnung der Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls und der ausstellenden Justizbehörde unmittelbar zu übermitteln.

Ziel des Rahmenbeschlusses ist unter anderem die Beschleunigung der Übergabeverfahren durch ein System von verschiedenen Fristen. Nach Art. 17 Abs. 3 sollte die endgültige Entscheidung über die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls innerhalb von 60 Tagen nach der Festnahme der gesuchten Person erfolgen. Um diese Vorgabe sicherzustellen, hat der Untersuchungsrichter binnen 30 Tagen ab Festnahme der gesuchten Person zu entscheiden, damit auch ein allfälliges Beschwerdeverfahren innerhalb der Frist von 60 Tagen abgeschlossen werden kann. Kann die Frist von 60 Tagen in Ausnahmefällen nicht eingehalten werden, so hat der Untersuchungsrichter vor Ablauf dieser Frist die ausstellende Justizbehörde darüber zu verständigen, wodurch sich die Frist um weitere 30 Tage auf insgesamt 90 Tage verlängert.

Der Gesetzesentwurf knüpft an einen Verstoß gegen das Fristensystem keine unmittelbaren Rechtsfolgen (die Fristen sind daher nicht als Fallfristen zu verstehen, bei deren Überschreitung die betroffene Person zu enthaften wäre). Daher bleiben die Bestimmungen über die Übergabehaft unberührt und ist auch bei Fristüberschreitung das Übergabeverfahren weiterzuführen und so rasch wie möglich abzuschließen. 

Zu § 22:

Art. 16 des Rahmenbeschlusses gibt jenen Maßstab vor, nach dem zu entscheiden ist, wenn mehrerer Europäischer Haftbefehle vorliegen. Inhaltlich entspricht diese Bestimmung weitgehend § 24 ARHG. Die Abwägungsgründe für die Entscheidung, welchem Europäischen Haftbefehl der Vorrang einzuräumen ist, sollen jedoch an die besonderen Verhältnisse zwischen den Mitgliedstaaten angepasst werden. So sollen die Staatsangehörigkeit der betroffenen Person oder die Möglichkeiten der weiteren Übergabe nicht mehr besonders zu berücksichtigen sein.

Der Gesetzesentwurf nimmt die in bilateralen Auslieferungsverträgen bewährte Regelung auf, wonach bereits mit der Entscheidung über den Vorrang auch über eine allfällige weitere Übergabe zu entscheiden ist.

Zu § 23:

Die Entscheidung bei einem Zusammentreffen eines Europäischen Haftbefehls mit einem Auslieferungsersuchen eines Drittstaats soll dem Bundesminister für Justiz zukommen, der nach § 34 Abs. 1 ARHG die Auslieferung zu bewilligen oder abzulehnen und nach § 34 Abs. 2 ARHG bei konkurrierenden Auslieferungsersuchen darüber zu entscheiden hat, welchem Auslieferungsersuchen der Vorrang einzuräumen ist.

Das Gericht soll aus diesem Grund seine Entscheidungen über den Europäischen Haftbefehl und über das Auslieferungsersuchen dem Bundesminister für Justiz vorzulegen haben.

Zu § 24:

Art. 23 des Rahmenbeschlusses geht grundsätzlich davon aus, dass zwischen der Vollstreckungs- und der Ausstellungsbehörde ein Übergabetermin sowie ein Übergabeort einvernehmlich festgelegt werden und die betroffene Person binnen 10 Tagen ab Rechtkraft der Bewilligung der Vollstreckung auch übernommen wird, widrigenfalls die Person freizulassen ist. Damit wird von Art. 18 Abs. 3 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens abgegangen, wonach Ort und Zeit der Übergabe vom ersuchten Staat festzusetzen und mitzuteilen sind. 

Die Übergabe von Personen auf dem Landweg an die Behörden eines Nachbarstaats soll binnen 10 Tagen ab der Bewilligung der Übergabe durch den Untersuchungsrichter erfolgen, weil im Ausstellungsstaat für die Übernahme der betroffenen Person keine besonderen Vorbereitungen erforderlich sind. In allen übrigen Fällen soll der Untersuchungsrichter mit der Ausstellungsbehörde einen Übergabetermin zu vereinbaren haben. Zu diesem Zweck wird die ausstellende Justizbehörde um einen Vorschlag für die Übergabe binnen 10 Tagen ab der Bewilligung zu ersuchen sein. Diese Aufforderung ist auch dem Bundesministerium für Inneres (Bundeskriminalamt) zu übermitteln.

Der Gesetzesentwurf geht davon aus, dass regelmäßig ein inländischer Übergabeort, nämlich ein österreichischer Flughafen oder Grenzübergang, und nicht ein im Ausland gelegener Übergabeort vereinbart wird.

Wird die betroffene Person binnen 10 Tagen ab Rechtskraft der Bewilligung der Übergabe nicht übernommen, so soll sie freigelassen werden, wenn nicht Gründe vorliegen, die sich dem Einfluss der beteiligten Mitgliedstaaten entziehen. Dazu zählen insbesondere mangelnde Transportmöglichkeiten, Störungen im Flugverkehr, überbuchte Flüge oder Streiks. Wurde aber binnen 10 Tagen ab der Bewilligung der Übergabe bereits ein Übergabetermin vereinbart, so geht der Entwurf davon aus, dass dies zum frühestmöglichen Zeitpunkt geschehen soll und daher Umstände, die sich dem Einfluss der Behörden des Ausstellungsstaats entziehen, einer früheren Übernahme entgegen gestanden sind.

Schlägt die ausstellende Justizbehörde binnen 10 Tagen ab Rechtskraft der Bewilligung der Übergabe einen Übergabetermin nach Ablauf dieser Zehntagesfrist vor, so soll der Untersuchungsrichter selbständig zu prüfen haben, ob dieser Vorschlag für einen späteren Termin von Gründen bestimmt wurde, die sich dem Einfluss des Ausstellungsstaats entzogen haben.

War die Übergabe binnen 10 Tagen ab der Bewilligung aus Gründen nicht möglich, die sich dem Einfluss der beteiligten Mitgliedstaaten entziehen, so soll die Übergabe binnen 10 Tagen nach Wegfall der Hindernisse zu erfolgen haben. Auch bei einem fruchtlosen Ablauf dieser Frist soll die betroffene Person freigelassen werden. Diese Hindernisse können sowohl im Ausstellungsstaat als auch in Österreich bestehen.

Die Regelung hinsichtlich der Übergabe von Gegenständen im Zusammenhang mit der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls nach Art. 29 des Rahmenbeschlusses entspricht weitgehend der schon bisher geltenden Regelung nach § 25 ARHG. Sind aber vermögensrechtliche Anordnungen im Inland zu treffen, so soll eine Übergabe der Gegenstände nur unter dem Vorbehalt der Rückgabe nach Abschluss des Verfahrens im Ausstellungsstaat stattfinden können.

Zu § 25:

Art. 23 Abs. 4 und Art. 24 des Rahmenbeschlusses sehen Gründe für den Aufschub der tatsächlichen Übergabe vor. Die humanitären Aufschubsgründe des Art. 23 Abs. 4 des Rahmenbeschlusses sollen um den bereits aus § 37 Z 1 ARHG bekannten Grund der Transportunfähigkeit erweitert werden.

Zu § 26:

Art. 24 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses sieht die Möglichkeit vor, die betroffene Person der Ausstellungsbehörde vorübergehend zu übergeben. Die Übergabe soll unter Bedingungen stattfinden, die von der Ausstellungs- und der Vollstreckungsbehörde schriftlich zu vereinbaren sind. Die vereinbarten Bedingungen sollen für alle Behörden des Ausstellungsstaats verbindlich sein.

Die vorgeschlagene Bestimmung legt die allgemeinen Bedingungen für eine bedingte Übergabe fest und soll daher anzuwenden sein, wenn Österreich Vollstreckungsstaat oder Ausstellungsstaat ist. 

Zu § 27:

§ 39 ARHG sieht die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Auslieferungsverfahrens vor, die auch in den vorliegenden Gesetzesentwurf übernommen wird. Der Untersuchungsrichter kann dabei den Beschluss bei Vorliegen von Wiederaufnahmegründen nach der StPO aufheben. Erfahrungsgemäß wird die überwiegende Zahl von Wiederaufnahmeanträgen zwischen der Bewilligung und der Durchführung der Übergabe gestellt. Nach § 25 Abs. 1 Z 2 berechtigt aber nur eine bereits bewilligte Wiederaufnahme zum Aufschub der Übergabe. Zur Vermeidung von Verfahrenverzögerungen hat daher der nach § 68 Abs. 3 StPO zuständige Untersuchungsrichter das Übergabeverfahren fortzuführen.

Zu § 28:

Art. 30 des Rahmenbeschlusses bestimmt, dass die durch die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsmitgliedstaats entstandenen Kosten zu dessen Lasten gehen.

Zu § 29:

Mit der Inkraftsetzung des SDÜ für Österreich am 1. Dezember 1997, BGBl. III Nr. 204/1997, und dem Wegfall der Kontrollen an den Binnengrenzen ist die Ausschreibung im Schengener Informationssystem nach Art. 95 SDÜ zum Regelfall für die Einleitung einer Auslandsfahndung geworden. Über die Erlassung eines Europäischen Haftbefehls, der nach § 18 Abs. 1 ein Ersuchen um Durchführung des Übergabeverfahrens und Verhängung der Übergabehaft darstellt, soll das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft entscheiden. Die inhaltlichen Voraussetzungen ergeben sich aus § 4 dieses Gesetzesentwurfs.

Ist der Aufenthaltsort der gesuchten Person bekannt oder bestehen bestimmte Anhaltspunkte dafür, dass sich die gesuchte Person an einem bestimmten Ort aufhält, soll das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft den Europäischen Haftbefehl, dem nach § 30 Abs. 2 Übersetzungen in die Sprache des Vollstreckungsstaats anzuschließen sind, unmittelbar nach § 14 der zuständigen vollstreckenden Justizbehörde übermitteln. Um die rasche Verbreitung und Verfügbarmachung von Haftbefehlsdaten durch das Schengener Informationssystem zu nützen, wird auch bei einen festgestellten oder wahrscheinlichen Aufenthaltsort der gesuchten Person zusätzlich eine Ausschreibung nach Art. 95 SDÜ zu veranlassen sein.

Ist ein Aufenthaltsort nicht bekannt, soll das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Ausschreibung der gesuchten Person im Schengener Informationssystem nach Art. 95 SDÜ veranlassen. Überdies soll zusätzlich eine Fahndung im Wege der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation – INTERPOL veranlasst werden, wenn durch die Ausschreibung im Schengener Informationssystem nicht alle Mitgliedstaaten erreicht werden können. Dies wird bis zur Inkraftsetzung des SDÜ im Vereinigten Königreich und Irland sowie in den zehn neuen Beitrittsländern stets zu erfolgen haben. 

Zu § 30:

Ein Europäischer Haftbefehl kann nur unter Verwendung des im Anhang zum Rahmenbeschluss beigefügten Formblattes ausgestellt werden. Dieses Formblatt wurde als Anhang II zu diesem Gesetzesentwurf aufgenommen. Hinsichtlich des notwendigen Inhalts verweist der Entwurf ebenfalls auf das Formblatt. Der Umfang der Angaben, insbesondere zu Punkt e) (Beschreibung der Tatumstände und deren rechtliche Würdigung), ist durch das Formblatt nicht beschränkt. Wie bisher werden alle zur Last liegenden Taten zu beschreiben und rechtlich zu würdigen sein. Das Formblatt geht davon aus, dass der gesuchten Person mit einem Europäischen Haftbefehl mehrere Taten zur Last gelegt werden können. Daher wird auch die Anzahl der Straftaten in Abschnitt e) des Formblatts anzugeben sein.

Art. 8 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses fordert, dass der Europäische Haftbefehl in die Amtssprache oder eine der Amtssprachen des Vollstreckungsstaats zu übersetzen ist. Bei Übermittlung des Europäischen Haftbefehls an die vollstreckende Justizbehörde ist daher eine Übersetzung anzuschließen. 

Der Bundesminister für Justiz hat nach Abs. 3 eine Liste jener Staaten zu verlautbaren, die gegenüber dem Generalsekretariat des Rates eine Erklärung abgegeben haben, dass sie eine andere als ihre eigene Amtssprache akzeptieren. Österreich wird gegenüber dem Ratssekretariat einen gegenseitigen Übersetzungsverzicht erklären, der der bisherigen Rechtslage nach Art. 23 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens entspricht. 

Zu § 31:

Eine Übergabe auf Grund des Europäischen Haftbefehls findet nach Art. 27 und 28 des Rahmenbeschlusses grundsätzlich unter dem Vorbehalt der Spezialität statt. Die Wirkungen der Spezialität sollen jedoch gegenüber § 70 ARHG eingeschränkt werden. Überdies soll auch klargestellt werden, welche Fälle nicht unter den Spezialitätsschutz fallen. 

Die formellen Voraussetzungen für ein Ersuchen um Zustimmung zur weiteren Strafverfolgung sollen die zu § 70 ARHG und Art. 12 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens ergangene Rechtsprechung (OGH 3. 9. 2002, 11 Os 87/02) umsetzen. Nach Übergabe der betroffenen Person soll eine „Ergänzung“ des bereits erlassenen Europäischen Haftbefehls nicht in Betracht kommen, sondern wäre ein Beschluss zu fassen, der die Sachverhaltsdarstellung des früheren Europäischen Haftbefehls durch Anführung weiterer Handlungen und die dadurch begründeten Straftaten ergänzt.

Die weitere Übergabe an einen anderen Mitgliedstaat sowie die Weiterlieferung an einen Drittstaat werden als Fragen der Spezialität behandelt und in einer einzigen Bestimmung zusammengefasst.

Österreich hat zu Art. 11 des Übereinkommens über die Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 27. September 1996, BGBl. III Nr. 142/2001, einen generellen Verzicht auf die Beachtung des Grundsatzes der Spezialität abgegeben und wird daher auch von den gleichartigen Erklärungsmöglichkeiten nach Art. 27 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses zu einem generellen Verzicht auf die Beachtung der Spezialität bei weiterer Strafverfolgung oder Strafvollstreckung sowie bei weiterer Übergabe oder Weiterlieferung Gebrauch machen. Da die Anwendung des generellen Spezialitätsverzichts auf Gegenseitigkeit beruht, soll der Bundesminister für Justiz nach Abs. 7 eine Liste jener Staaten verlautbaren, die ebenfalls von dieser Erklärungsmöglichkeit Gebrauch gemacht haben. 

Die Zuständigkeit zur Entscheidung über Auslieferungsersuchen von Drittstaaten wurde durch den Rahmenbeschluss nicht geändert. Daher entscheiden bei einem Zusammentreffen eines Europäischen Haftbefehls mit einem Auslieferungsersuchen eines Drittstaats weiterhin die Justizzentralstellen oder die jeweiligen Außenministerien. Soll daher eine Weiterlieferung aus Österreich an einen Drittstaat stattfinden, wäre das Ersuchen um Zustimmung zur Weiterlieferung immer im Weg des Bundesministeriums für Justiz zu stellen. . Abs. 6 soll dabei auch klarstellen, dass ein solches Ersuchen bereits vor der Entscheidung des Untersuchungsrichters über die Zulässigkeit der Auslieferung zu stellen ist.

Zu § 32:

Art. 25 des Rahmenbeschlusses sieht eine generelle Pflicht zur Bewilligung der Durchlieferung einer gesuchten Person an einen anderen Mitgliedstaat vor. Wird lediglich das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats überflogen und ist eine Zwischenlandung dort nicht geplant, ist der Rahmenbeschluss nicht anwendbar. Ein solcher Überflug bedarf daher keiner Bewilligung.

Grundsätzlich soll auch ein inländischer Strafanspruch der Durchlieferung der betroffenen Person durch das Gebiet der Republik Österreich nicht entgegen stehen. In solchen Fällen soll aber die Staatsanwaltschaft prüfen, ob Anlass für eine Übertragung der Strafverfolgung oder für die Erwirkung der Übergabe oder der Auslieferung besteht. 

Zu § 33:

Nach der Verfassungsbestimmung des § 44 ARHG war bislang die Durchlieferung österreichischer Staatsbürger immer unzulässig. Nach Art. 25 des Rahmenbeschlusses kann die Durchlieferung eigener Staatsangehöriger zur Vollsteckung einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßnahme abgelehnt und die Durchlieferung eigener Staatsangehöriger zur Strafverfolgung von der Bedingung der Rücküberstellung zum Strafvollzug im Durchlieferungsstaat abhängig gemacht werden. Nach dem Gesetzesentwurf soll Österreich von diesen Möglichkeiten des Rahmenbeschlusses Gebrauch machen. 

Zu § 34:

Die Bewilligung der Durchlieferung nach Art. 25 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses soll ausschließlich auf Grundlage der übermittelten Angaben erfolgen. Diese inhaltlichen Anforderungen für ein formgerechtes Durchlieferungsersuchen werden in Abs. 1 zur Gänze übernommen.

Schon nach den Vorschriften des ARHG ist eine innerstaatliche Haftanordnung für die Zeit der Durchlieferung durch Österreich nicht vorgesehen, weil in diesen Fällen der ausländische Haftbefehl, hinsichtlich dessen ein dritter Staat bereits die Auslieferung bewilligt hat, unmittelbar vollzogen wird. Hinsichtlich der Durchführung der Durchlieferung sollen die Vorschriften des ARHG zur Anwendung kommen. 

Zu § 35:

Schon bisher hat über eine Durchlieferung durch Österreich nach § 47 Abs. 1 ARHG der Bundesminister für Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres entschieden. Mit der Durchlieferung wird eine bereits bewilligte Auslieferung oder Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls in Österreich unmittelbar vollzogen. Daher erscheint eine besondere gerichtliche Bewilligung für diese Durchführung nicht mehr erforderlich. Jene Staaten, die für die Durchlieferung eine gerichtliche Bewilligung und die Erlassung eines Durchlieferungshaftbefehls fordern, können eine Durchlieferung kaum kurzfristig bewilligen, sondern bedürfen hiefür einer erheblichen Vorlaufzeit. Daher soll auch im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten an der auch grundrechtlich unbedenklichen Bewilligung durch den Bundesminister für Justiz festgehalten werden. Da die tatsächliche Durchführung der Durchlieferung dem Bundesministerium für Inneres obliegt, ist eine Beteiligung des Bundesministeriums für Inneres am Entscheidungsprozess erforderlich.

Zu § 36:

Ersuchen um Durchlieferung von Personen durch einen Mitgliedstaat nach Österreich werden im unmittelbaren Behördenverkehr gestellt und übermittelt. Daher soll der Bundesminister für Justiz den österreichischen Gerichten durch Verordnung jene Stellen der Mitgliedstaaten bekannt geben, die zur Entgegennahme von Durchlieferungsersuchen zuständig sind.

Besteht Anlass zur Durchlieferung durch einen Mitgliedstaat auf Grund eines an einen Drittstaat gestellten österreichischen Auslieferungsersuchens, soll der für die Erwirkung der Auslieferung zuständige Bundesminister für Justiz auch die Durchlieferung durch den Mitgliedstaat erwirken. Das Gericht wird daher die in § 34 bezeichneten Durchlieferungsunterlagen dem Bundesminister für Justiz vorzulegen haben.

Zu § 37:

Nach Art. 30 des Rahmenbeschlusses gehen die Kosten, die durch die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsmitgliedstaats entstehen, zu dessen Lasten. Ob unter dem Begriff „Vollstreckungsmitgliedstaat“ auch der die Durchlieferung bewilligende Mitgliedstaat zu verstehen ist, erscheint auslegungsbedürftig. Ersatz für die Kosten der Durchlieferung soll daher nur dann zu verlangen sein, wenn auch der Ausstellungsstaat Kosten für eine Durchlieferung durch sein Hoheitsgebiet den österreichischen Behörden in Rechnung stellt. 

Zu § 38:

Die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Republik Österreich gegenüber Drittstaaten bleiben durch Art. 21 des Rahmenbeschlusses unberührt. Wurde eine Person aus einem Drittstaat unter Vorbehalt der Spezialität nach Österreich ausgeliefert, so besteht bei Vorliegen eines Europäischen Haftbefehls die Verpflichtung, den Drittstaat um die Zustimmung zur Weiterlieferung dieser Person zu ersuchen. Auch die österreichischen Gesetze über die Zusammenarbeit mit den Internationalen Gerichten und dem Internationalen Strafgerichtshof gelten unverändert weiter.

Zu § 39:

Österreich hat sich ebenso wie die überwältigende Mehrheit der Mitgliedstaaten das Recht vorbehalten, eigene Staatsbürger nicht zur Vollstreckung auf Grund eines Europäischen Haftbefehls zu übergeben, sondern die in den Mitgliedstaaten verhängte Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugenden Maßnahmen im Inland zu vollstrecken. 

Der Gesetzesentwurf geht davon aus, dass ein Europäischer Haftbefehl zur Strafvollstreckung künftig Ersuchen um Übernahme der Strafvollstreckung weitgehend ersetzen wird, weil die Mitgliedstaaten bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen für die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls verpflichtet sind, eigene Staatsangehörige entweder dem anderen Mitgliedstaat zur Strafvollstreckung zu übergeben oder die verhängte Strafe selbst zu vollziehen. Diese Verpflichtung besteht auch, wenn die dem Europäischen Haftbefehl zu Grunde liegenden Taten nach österreichischem Recht nicht gerichtlich strafbar sind. In diesen Fällen bedarf es nach Abs. 1 nicht der Zustimmung der verurteilten Person zur Vollstreckung in Österreich.

Die übrigen Bestimmungen über die Übernahme der Strafvollstreckung orientieren sich an den §§ 64 bis 67 ARHG. Weiterhin sollen nur österreichische Staatsbürger, die einen Aufenthalt im Inland hatten, zum Vollzug ausländischer Strafen übernommen werden. Die notwendigen Anpassungen ergeben sich darüber hinaus aus dem SDÜ sowie aus dem Protokoll zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen vom 18. Dezember 1997, BGBl. III Nr. 26/2001.

Zu § 40:

Die Vollstreckung einer von einem Gericht eines Mitgliedstaats verhängten Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme kann grundsätzlich nur übernommen werden, wenn die verurteilte Person der Vollstreckung im Inland zustimmt.

Außer in den Fällen des § 39 Abs. 1 soll das Erfordernis der Zustimmung der verurteilten Person entfallen, wenn sie sich durch Flucht nach Österreich der Vollstreckung im Urteilsstaat entzogen hat oder gegen sie im Urteilsstaat eine fremdenpolizeiliche Maßnahme ergangen ist, die ihr das Verbleiben im Urteilsstaat nach Strafverbüßung verbietet.

Zu § 41:

In besonderen Fällen, insbesondere bei Flucht österreichischer Staatsbürger aus der Vollstreckung im Ausland nach Österreich, ergibt sich die Notwendigkeit, solche Personen zur Sicherung der weiteren Vollstreckung in Haft zu nehmen. Bislang wurde gegen den im Ausland rechtkräftig verurteilten österreichischen Staatsbürger zumeist ein eigenes Inlandsverfahren eingeleitet. Die österreichische Gerichtsbarkeit hat sich dabei auf § 64 und § 65 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 StGB gestützt.

In Fällen, in denen der in einem Mitgliedsstaat rechtskräftig verurteilte österreichische Staatsbürger im Bundesgebiet angehalten wird, und in denen entweder bereits ein Ersuchen um Übernahme der Strafvollstreckung oder ein Europäischer Haftbefehl zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder vorbeugenden Maßnahme vorliegt und überdies die Zustimmung des Verurteilten zur Vollstreckung nicht erforderlich ist, soll das zur Erlassung der inländischen Vollstreckungsentscheidung zuständige Gericht die Haft verhängen können. Diese Haft soll überdies nur bei Fluchtgefahr unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit und auch nur dann zulässig sein, wenn die Vollstreckung nicht von vornherein unzulässig erscheint.

Schon Art. 2 Abs. 2 des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen vom 18. Dezember 1997, BGBl. III Nr. 26/2001, hat den Vollstreckungsstaat ermächtigt, in Fällen, in denen die verurteilte Person aus der Haft geflohen ist, die Person festzunehmen oder auf andere Weise sicherzustellen, dass sie bis zur Entscheidung über das Vollstreckungsersuchen im Hoheitsgebiet des Heimatstaats bleibt.

Auf diese Haft zur Sicherung der Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Fällen, in denen es der Zustimmung der verurteilten Person nicht bedarf, sollen die Vorschriften über die Untersuchungshaft sinngemäß Anwendung finden. Der Untersuchungsrichter soll daher über die Haft entscheiden und auch die Haftverhandlungen durchführen. Er wird den Akt umgehend dem zuständigen Senat von drei Richtern zur Entscheidung nach § 44 Abs. 1 vorzulegen haben.

Zu § 42:

Ebenso wie nach § 65 Abs. 1 ARHG ist auch im Vollstreckungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten ein Anpassungsverfahren durchzuführen und die in Österreich zu vollstreckende Strafe unter weitestgehender Bedachtnahme auf die im Mitgliedstaat verhängte Sanktion festzusetzen. Dadurch soll klargestellt werden, dass eine autonome Strafbemessung nach österreichischem Recht nicht stattzufinden hat.

Muss nach § 39 Abs. 1 im Inland eine Strafe wegen Taten vollstreckt werden, die nach österreichischem Recht nicht gerichtlich strafbar sind, so findet ebenfalls ein Anpassungsverfahren statt. Bei der Bestimmung der Strafhöhe soll nicht nur auf die im Mitgliedstaat verhängte Sanktion Bedacht genommen werden, sondern sollen auch die österreichischen Strafbemessungsgrundsätze nach §§ 32 bis 34 StGB sinngemäß berücksichtigt und nach österreichischem Recht neu bewertet werden. Reichen die Angaben im Europäischen Haftbefehl nicht aus, kann die ausstellende Justizbehörde nach § 19 Abs. 2 um eine Ergänzung und die Vorlage einer Urteilsausfertigung ersucht werden.

Zu § 43:

Die Behandlung einlangender Vollstreckungsersuchen nach § 39 Abs. 2 entspricht weitgehend § 66 ARHG. Der Bundesminister für Justiz soll alle einlangenden Ersuchen unmittelbar oder im Wege der Staatsanwaltschaft dem zuständigen Gericht zur Entscheidung zuleiten.

Zu § 44:

Ein Europäischer Haftbefehl zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme gegen einen österreichischen Staatsbürger wird regelmäßig bei dem nach § 13 zuständigen Gerichtshof erster Instanz einlangen oder diesem zuständigkeitshalber weitergeleitet werden. Der Untersuchungsrichter soll zunächst ein Übergabeverfahren einleiten und über eine Haft nach § 41 entscheiden. Hat der betroffene österreichische Staatsbürger auf das Übergabehindernis nach § 5 Abs. 4 nicht verzichtet und ergibt sich, dass sonst alle Voraussetzungen für die Vollstreckung eines solchen Europäischen Haftbefehls vorliegen, so soll der Akt ohne weitere Entscheidung des Untersuchungsrichters dem zuständigen Senat von drei Richtern dieses Gerichtshofs zur Entscheidung vorgelegt werden. Der rechtskräftige Beschluss, mit dem die Strafvollstreckung auf Grund eines Europäischen Haftbefehls übernommen wurde, ist der ausstellenden Justizbehörde im unmittelbaren Behördenverkehr zu übermitteln. Dieser Beschluss stellt die Bewilligung der Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls dar, wobei aber die im Ausstellungsstaat verhängte Freiheitsstrafe oder vorbeugende Maßnahme im Inland vollzogen wird.

Zu § 45:

Der Rahmenbeschluss vom 22. Juli 2003 über die Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln in der Europäischen Union, ABl. L 196 vom 2. 8. 2003, S. 45, verpflichtet zur Schaffung von Vorschriften über die Sicherung von Beweismitteln und von Vermögensgegenständen, die einer späteren Einziehung (vermögensrechtlichen Anordnung) unterliegen. 

Zu § 46:

Zur Entscheidung über die Vollstreckung von Sicherstellungsentscheidungen ist der Gerichtshof erster Instanz berufen, in dessen Sprengel sich der Vermögensgegenstand oder das Beweismittel befindet. Das Verfahren richtet sich grundsätzlich nach den Vorschriften der StPO. Der Staatsanwaltschaft kommt daher die dort vorgesehene Antragslegitimation zu.

Zu § 47:

Die Gründe für die Ablehnung der Vollstreckung einer Sicherstellungsentscheidung werden taxativ aufgezählt.

Die Sicherstellung ist nach Abs. 1 Z 3 abzulehnen, wenn sich aus den Angaben in der Bescheinigung ergibt, dass die Sicherstellung in Bezug auf eine Tat begehrt wird, hinsichtlich derer bereits eine endgültige Entscheidung ergangen ist, die nur unter den Voraussetzungen der ordentlichen Wiederaufnahme aufgehoben werden kann und der weiteren Strafverfolgung im Ausstellungsstaat entgegensteht.

Zu § 48:

Durch die Verwendung des Begriffs „Verfahren“ in Abs. 1 soll klargestellt werden, dass jedes inländische Verfahren, in dem eine Beschlagnahme oder Sicherstellung rechtmäßig angeordnet werden kann, der Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung vorgeht.

Im Fall der Aufhebung der im inländischen Verfahren angeordneten Beschlagnahme oder Sicherstellung soll über die Vollstreckung der ausländischen Sicherstellungsentscheidung so zu entscheiden sein, dass sie unmittelbar nach Aufhebung der inländischen Entscheidung wirksam werden kann.

Zu § 49:

Grundsätzlich ist die Beschlagnahme oder Sicherstellung bis zum Einlangen eines Rechtshilfeersuchens des Ausstellungsstaats aufrecht zu erhalten, soweit die Voraussetzungen für die Maßnahme fortbestehen. Dem Ausstellungsstaat soll dadurch die Möglichkeit geboten werden, eine endgültige Entscheidung über die von der Beschlagnahme oder Sicherstellung betroffenen Gegenstände erlassen zu können. Die im Inland angeordneten Maßnahmen sind nach § 58 dritter Satz ARHG zu befristen. 

Zu § 50:

In dieser Bestimmung werden jene Umstände angeführt, von denen die ausstellende Justizbehörde zu verständigen ist. 

Zu § 51:

Zur Vollstreckung von Sicherstellungsentscheidungen findet der unmittelbare Geschäftsverkehr statt. Es können daher der Postweg, aber auch Telefax oder E-Mail benützt werden. Eine entsprechende Regelung ist bereits in § 14 des Gesetzesentwurfs enthalten, weshalb ein Verweis auf diese Bestimmung genügt.

Ersuchen um Vollstreckung einer Sicherstellungsentscheidung sollen ausschließlich unter Verwendung des im Anhang III zu diesem Gesetzesentwurf angeschlossenen Formblatts erfolgen. Übersetzungen in die Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Vollstreckungsstaats sind vom Gericht anzuschließen. 

Zu § 52:

Die Verhandlungen zu einem Rahmenbeschluss über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Einziehungsentscheidungen sind noch nicht abgeschlossen. Die Umsetzung der Verpflichtungen aus diesem Rahmenbeschluss soll künftig unter diesem Abschnitt erfolgen. Bis zu diesem Zeitpunkt sind im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten die bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen und die Bestimmungen des ARHG anzuwenden.

Zu § 53:

Die Vollstreckung von Geldstrafen und anderer finanzieller Sanktionen wird sich künftig nach dem Rahmenbeschluss über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen richten. Inhaltlich wurde im Rat der Europäischen Union im Jahre 2003 bereits eine politische Einigung erzielt, so dass eine Beschlussfassung für das Jahr 2004 zu erwarten ist.

Auch die Umsetzung dieser Verpflichtungen soll künftig unter diesem Abschnitt stattfinden. Bis zu diesem Zeitpunkt sind im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten die bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen und die Bestimmungen des ARHG anzuwenden.

Zu § 54:

Der Gesetzesentwurf strebt an, dass Unionsbürger ihre von österreichischen Gerichten verhängten Freiheitsstrafen grundsätzlich in ihren Heimatstaaten verbüßen sollen. Das Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen vom 21. März 1983, BGBl. Nr. 524/1983, das von allen Mitgliedstaaten ratifiziert wurde, erfordert die Zustimmung der verurteilten Person zur Vollstreckung im Heimatstaat. Hingegen sieht das Zusatzprotokoll vom 18. Dezember 1997 zu diesem Übereinkommen, BGBl. III Nr. 26/2001, die Möglichkeit vor, in bestimmten Fällen auch ohne Ersuchen und Zustimmung des Strafgefangenen ein Ersuchen um Übernahme der Strafvollstreckung zu stellen. Wenngleich das Protokoll erst von den Mitgliedsstaaten Dänemark, Luxemburg, den Niederlanden und Schweden ratifiziert wurde, soll innerhalb der Gemeinschaft nach Möglichkeit bei Strafresten von mehr als einem Jahr immer von Amts wegen geprüft werden, ob ein Ersuchen um Übernahme der Strafvollstreckung zu stellen ist, weil über den Betroffenen ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot erlassen wurde. Dafür soll aber die Überstellung in diesem Fall stets unter dem Schutz der Spezialität stattfinden.

Zu § 55:

Die Rechtshilfe zwischen den Mitgliedstaaten findet derzeit weitgehend auf Grundlage völkerrechtlicher Übereinkommen des Europarats und der Europäischen Union statt. Zu Einzelfragen sind aber auch schon Beschlüsse und Rahmenbeschlüsse des Rates ergangen.

Um diesen unterschiedlichen völkerrechtlichen Anforderungen Rechnung zu tragen, sollen die Bestimmungen des V. Hauptstück nur subsidiär zu den unmittelbar anwendbaren zwischenstaatlichen Vereinbarungen zur Anwendung gelangen. Die zu diesem Gesetz subsidiäre Anwendung des ARHG ergibt sich bereits aus § 1 Abs. 2. 

Zu § 56:

Die Formulierung „auch in Strafsachen zuständiges Gericht“ in Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 entspricht Art. 3 Abs. 1 des Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Durch diese Formulierung soll sichergestellt werden, dass auch das österreichische Verwaltungsstrafverfahren, das wegen des Trennungsgrundsatzes (Art. 94 B-VG) derzeit nicht dem deutschen Ordnungswidrigkeitenrecht entspricht, auf Grund der bestehenden Beschwerdemöglichkeiten an die Unabhängigen Verwaltungssenate als Tribunale im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fällt. Damit entspricht die Regelung inhaltlich den Bestimmungen des Art 49 lit. a SDÜ.

Abs. 1 Z 2 betrifft die Voraussetzungen für die allgemeine Rechtshilfeleistung. Für Durchsuchungen und Beschlagnahmen kommen jedoch weiterhin die Sonderbestimmungen des Art. 5 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959, BGBl. Nr. 41/1969, und Art. 51 SDÜ zur Anwendung. 

Zu § 57:

Für den Rechtshilfeverkehr mit den Mitgliedstaaten behält der Gesetzesentwurf die Zuständigkeitsregelungen nach § 55 ARHG bei. In den Fällen des § 56 Abs. 1 Z 2 wird Rechtshilfe auch dann durch die österreichischen Justizbehörden geleistet, wenn das Ersuchen von einer Verwaltungsbehörde eines Mitgliedstaats ausgeht. 

Zu § 58:

Der Entwurf übernimmt die Grundsätze des § 59 Abs. 1 ARHG, wonach selbstständige Ermittlungshandlungen durch Beamte der Mitgliedstaaten grundsätzlich im Inland unzulässig sind. Sehen jedoch zwischenstaatliche Vereinbarungen Einsatzformen wie gemeinsame Ermittlungsgruppen vor, sollen einzelne Handlungen von Beamten der Mitgliedstaaten in Inland vorgenommen werden können, wenn die entsprechende Leitung durch österreichische Beamte sichergestellt ist. Im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten soll die Dienstverrichtung ausländischer Beamter in Österreich nur mehr der Bewilligung des zuständigen Gerichts, nicht jedoch auch jener des Bundesministers für Justiz bedürfen. 

Zu § 59:

Die Gleichstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Straftaten von und gegen Beamte eines Mitgliedstaats ist schon durch Art. 42 SDÜ hinsichtlich der grenzüberschreitenden Maßnahmen nach diesem Übereinkommen anerkannt und soll durch Abs. 1 nunmehr auf alle bewilligten Einsätze ausländischer Beamter im Inland ausgedehnt werden.

Auch hinsichtlich der Deckung zivilrechtlicher Ansprüche, die sich aus dem Einsatz von Beamten eines Mitgliedstaats im Inland ergeben können, bestehen bereits in Art. 43 SDÜ entsprechende Regelungen.

Als Grundregel soll gelten, dass ein Mitgliedstaat für alle Schäden, die von seinen Beamten während eines solchen Einsatzes verursacht werden, haftet. Der Geschädigte soll in erster Linie den Schaden im Inland und in jenem Umfang geltend machen können, in dem er auch für Schäden durch österreichische Beamte entschädigt werden könnte. Der geleistete Schadenersatz ist von jenem Mitgliedstaat, dem der Beamte angehört hat, zurückzufordern. Vorbehaltlich dieser Rückforderung und unbeschadet etwaiger Ansprüche gegenüber Dritten, beispielsweise den Beamten, die die betreffenden Maßnahmen durchgeführt haben, darf der Mitgliedstaat, in dem der Schaden entstanden ist, keine weiteren Ersatzansprüche geltend machen. Damit entspricht die vorgeschlagene Regelung den Art. 15 und 16 des Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 29. Mai 2000, ABl. C 197 vom 12. 7. 2000, und den Art. 2 und 3 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über gemeinsame Ermittlungsgruppen, ABl. L 162 vom 20. 6. 2002.

Zu § 60:

Auf Grund der schleppenden Ratifikation des Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 29. Mai 2000, ABl. C 197 vom 12. 7. 2000, hat sich die Notwendigkeit ergeben, die Bestimmungen über gemeinsame Ermittlungsgruppen, die bereits in Art. 13 dieses Übereinkommens geregelt worden sind, nahezu wortgleich in den Rahmenbeschluss vom 13. Juni 2002 über gemeinsame Ermittlungsgruppen, ABl. L 162 vom 20. 6. 2002, S. 1, zu übernehmen. Dieser Rahmenbeschluss war bis 1. Jänner 2003 innerstaatlich umzusetzen.

Die Bestimmungen dieses Abschnitts sollen die rechtliche Grundlage für die Bildung gemeinsamer Ermittlungsgruppen durch österreichische Justizbehörden schaffen. Eine gemeinsame Ermittlungsgruppe soll im Inland nur tätig werden können, soweit ihr ein österreichisches Mitglied angehört, dem auch die Leitung der Ermittlungstätigkeiten im Inland obliegen muss.

Der Rat der Europäischen Union hat mit Empfehlung vom 8. Mai 2003, ABl. C 121 vom 23. 5. 2003, S. 1, ein Modell für eine Vereinbarung über die Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe vorgeschlagen das die notwendigen und fakultativen Angaben der zur Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe abzuschließenden Vereinbarung enthält. Der Gesetzesentwurf verweist auf die als Anhang IV angeschlossene Mustervereinbarung. 

Die Befugnis zum Abschluss einer besonderen Vereinbarung zur Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe ergibt sich aus dem Gemeinschaftsrecht und beruht auf dem Rahmenbeschluss vom 13. Juni 2002.

Zu § 61:

Voraussetzung für die Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe in einem anhängigen inländischen Strafverfahren soll ein besonderer Zusammenhang mit einem ausländischen Ermittlungsverfahren sein. Überdies soll die Beteiligung ausländischer Beamter an den im Inland durchzuführenden Erhebungen zur Aufklärung zweckmäßig sein und dem abgestimmten Vorgehen aller beteiligten Behörden dienen. 

Die Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe soll im Hinblick auf § 97 Abs. 2 StPO grundsätzlich dem Untersuchungsrichter auf Antrag der Staatsanwaltschaft obliegen.

Zu § 62:

Der Austausch von Informationen, die von einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe im Inland gewonnen werden, ist in jenem Umfang zulässig, in dem solche Informationen auch durch die Leistung von Rechtshilfe erlangt hätten werden können. Soweit Informationen von österreichischen Teilnehmer an einer im Ausland tätig gewesenen gemeinsamen Ermittlungsgruppe erlangt worden sind, richtet sich die Verwendung nach den Grundsätzen des Rahmenbeschlusses, die in Abs. 2 und 3 übernommen werden. Soweit die Rechtsordnung des Einsatzstaats nichts anderes bestimmt, ist für eine weitergehende Verwendung der Informationen die vorherige Zustimmung des Einsatzstaats einzuholen. 

Zu § 63:

Mit Beschluss des Rates vom 28. Februar 2002, ABl. L 63 vom 6. 3. 2002, S. 1, wurde Eurojust zur Verstärkung der Bekämpfung der schweren Kriminalität eingerichtet. Damit wurde die mit Beschluss des Rates vom 14. Dezember 2000, ABl. L 324 vom 21. 12. 2000, S. 2, eingerichtete vorläufige Stelle zur justiziellen Zusammenarbeit in ihre endgültige Rechtsform übergeführt. Nach Art. 42 des Beschlusses vom 6. 3. 2002 hatten die Mitgliedstaaten ihr innerstaatliches Recht bis zum 6. September 2003 den Erfordernissen für eine Zusammenarbeit mit Eurojust anzupassen.

Zu § 64:

Für die Tätigkeiten des von Österreich entsandten nationalen Mitglieds bedarf es schon deshalb keiner besonderen gesetzlichen Regelung, weil das nationale Mitglied weiterhin im Weisungszusammenhang des Bundesministeriums für Justiz stehen soll. Das nationale Mitglied unterliegt daher den fachlichen Weisungen des Bundesministers für Justiz, wozu auch dienstliche Anordnungen zu verstehen sind. Ebenso sind die Oberstaatsanwaltschaften berechtigt, in ihren Zuständigkeitsbereichen dem nationalen Mitglied Weisungen zu erteilen. Diese Stellung soll nunmehr ebenso ausdrücklich im Gesetz umschrieben werden wie die Entsendungsvoraussetzungen und das Entsendungsverfahren. Das nationale Mitglied soll auch organisatorisch dem Bundesministerium für Justiz als Zentralstelle zugeordnet und nach § 39a Abs. 1 Z 1 BDG 1979 zu Eurojust entsandt werden.

Zu § 65:

Die Aufgaben des Mitglieds der gemeinsamen Kontrollinstanz ergeben sich aus Art. 23 des Beschlusses vom 28. Februar 2002. Der gemeinsamen Kontrollinstanz obliegt die Überwachung der Tätigkeiten von Eurojust bei der Verarbeitung personenbezogener Daten. Die Mitglieder der gemeinsamen Kontrollinstanz sind in der Ausübung ihres Amtes unabhängig.

Die gemeinsame Kontrollinstanz besteht aus drei ständigen Mitgliedern. Jeder Mitgliedstaat hat einen Richter als Mitglied namhaft zu machen. Der von einem Mitgliedstaat namhaft gemachte Richter wird ein Jahr, bevor dieser Staat den Vorsitz im Rat übernimmt, für die Dauer von einem Jahr und sechs Monaten ständiges Mitglied. Der von Österreich namhaft gemachte Richter wird daher ab 1. Jänner 2005 ständiges Mitglied in der gemeinsamen Kontrollinstanz werden. Für die Dauer des Vorsitzes Österreichs im Rat im ersten Halbjahr 2006 wird der von Österreich namhaft gemachte Richter auch den Vorsitz in der gemeinsamen Kontrollinstanz führen. 

Die gemeinsame Kontrollinstanz wird mindestens einmal im Halbjahr tagen. Werden Beschwerden behandelt, die Daten aus einem Mitgliedstaat betreffen, so ist das von diesem Mitgliedstaat entsandte Mitglied als Ad-hoc-Richter beizuziehen. Die Sekretariatskosten werden vom Eurojust-Haushalt getragen.

Zu § 66:

Die Gerichte und Staatsanwaltschaften können sich im Rahmen der Zuständigkeit von Eurojust nach § 63 im unmittelbaren Geschäftsverkehr an das von Österreich entsandte nationale Mitglied von Eurojust wenden und um allgemeine Unterstützung ersuchen. Die Sicherheitsbehörden sollen solche Ersuchen im Wege der zuständigen Justizbehörden stellen. Das nationale Mitglied ist im Rahmen der allgemeinen Unterstützungsleistung nicht an allfällige Weisungen der Gerichte und Staatsanwaltschaften gebunden. 

Zu § 67:

Das österreichische Mitglied bei Eurojust soll durch diese Bestimmung ermächtigt werden, an Eurojust oder an andere nationale Mitglieder Informationen in jenem Umfang weiterzugeben, wie sie durch die Leistung von Rechtshilfe erlangt werden hätten können.

Zu § 68:

Ersuchen des Kollegiums von Eurojust an einen Mitgliedstaat zur Durchführung oder zur Unterlassung bestimmter Maßnahmen soll besondere Bedeutung zukommen, weil eine Mehrheit der bei Eurojust vertretenen nationalen Mitglieder ein solches Vorgehen unterstützt. Daher bestehen besondere Anforderungen, wenn österreichische Behörden einem solchen Ersuchen des Kollegiums von Eurojust nicht zu entsprechen gedenken.

Art. 7 lit. a und Art. 8 des Beschlusses sehen keine Verpflichtung vor, einem Ersuchen von Eurojust zu entsprechen. Vielmehr soll eine Ablehnung bestimmter Ersuchen des Kollegiums gegenüber Eurojust begründet werden müssen. Eine beabsichtigte Ablehnung eines Ersuchens von Eurojust hinsichtlich Strafverfolgung oder Koordinierungsmaßnahmen durch die Staatsanwaltschaft soll daher der Oberstaatsanwaltschaft nach § 8 Abs. 1 StAG zu berichten sein. Eine Ablehnung gegenüber Eurojust soll immer eine Begründung beinhalten. 

Zu § 69:

Das Europäische Justizielle Netz wurde mit der vom Rat am 29. Juni 1998 angenommenen gemeinsamen Maßnahme, ABl. L 191 vom 7. 7. 1998, S. 4, eingerichtet. Die Mitgliedstaaten haben sich damit verpflichtet, im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung Kontaktstellen einzurichten, die das gesamte Hoheitsgebiet und alle Formen schwerer Kriminalität abdecken.

Zu § 70:

Das Bundesministerium für Justiz hat im Einvernehmen mit den Oberlandesgerichten bereits Kontaktstellen bei den Landesgerichten am Sitz der Oberlandesgerichte eingerichtet. Diese bereits bewährte Praxis soll nunmehr auch gesetzlich festgeschrieben werden. Es soll den Präsidenten der Oberlandesgerichte obliegen, für diese Kontaktstellen geeignete Richter dem Bundesministerium für Justiz vorzuschlagen. Die Gerichte und Staatsanwaltschaften sollen zur weitgehend formfreien Zusammenarbeit mit den Kontaktstellen verpflichtet werden.

Zu § 71:

Die besondere Ermittlungsmaßnahme der kontrollierten Lieferung wird unter anderem in Art. 12 des Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vom 29. Mai 2000, ABl. C 197 vom 12. 7. 2000, unter weitgehendem Verweis auf die Vorschriften der innerstaatlichen Rechtsordnung geregelt. 

Eine kontrollierte Lieferung betrifft ausschließlich verkehrsbeschränkte oder verbotene Gegenstände, nicht auch Personen. Die Durchbeförderung von Personen im Rahmen von Schlepperei durch Österreich fällt daher nicht unter die Definition einer kontrollierten Lieferung. Überdies verbieten auch humanitäre Gründe eine solche Vorgangsweise. 

Die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Hehlerei- und Diebsware durch das Bundesgebiet wird nur dann eine kontrollierte Lieferung darstellen, wenn durch die Beförderung oder Verheimlichung der Gegenstände auch im Inland eine strafbare Handlung verwirklicht wird. 

Eine kontrollierte Lieferung ist in erster Linie der Verzicht der Staatsanwaltschaft auf ein Einschreiten hinsichtlich der Ein-, Aus- und Durchfuhr von Verbotswaren, deren Innehabung im Bundesgebiet unter gerichtlicher Strafe steht. Regelmäßig findet die kontrollierte Lieferung auch unter Observation statt. Diese dient dazu, den Weg der Lieferung zu verfolgen, den jederzeitigen Zugriff auf die Verdächtigen und die Waren im Inland sicherzustellen und die Übernahme der kontrollierten Lieferung durch die Behörden des anderen Staats zu ermöglichen.

Eine zugelassene Einfuhr von verkehrsbeschränkten oder verbotenen Gegenstände in das Bundesgebiet stellt deshalb keine kontrollierten Lieferungen dar, weil die Staatsanwaltschaft in solchen Fällen zu einem Einschreiten verpflichtet ist. 

Zu § 72:

§ 23 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) regelt jene Fälle, in denen die Sicherheitsbehörden von einem Einschreiten Abstand nehmen können. Auch diese Bestimmung lässt § 25 StPO unberührt. Die kontrollierte Lieferung wird daher nur in Ausnahmefällen etwa durch einen verdeckten Ermittler persönlich begleitet werden können. Eine Durchführung der kontrollierten Lieferung der Verbotswaren ausschließlich durch inländische oder ausländische Beamte ist nach § 25 StPO regelmäßig unzulässig. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, die kontrollierte Lieferung durch das Bundesgebiet zuzulassen, kommt einem Vorgehen nach § 34 Abs. 2 Z 2 StPO gleich. Durch Abs. 3 Z 3 wird die weitere Überwachung und der Zugriff im anderen Staat sichergestellt, so dass dort ein Strafverfahren eingeleitet und durchgeführt werden kann. Die Staatsanwaltschaft kann daher diesen Staat um die Übernahme der Strafverfolgung wegen des Transits der Verbotswaren durch Österreich ersuchen.

Zu § 73:

Art. 14 des Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 29. Mai 2000, ABl. C 197 vom 12. 7. 2000, sieht vor, dass sich die Mitgliedstaaten bei strafrechtlichen Ermittlungen durch verdeckt oder unter falscher Identität handelnde Beamte unterstützen. Die verdeckte Ermittlung wird dabei nach Maßgabe der innerstaatlichen Rechtsvorschriften des Einsatzstaats durchgeführt. Ähnliche Bestimmungen finden sich in dem von Österreich ebenfalls noch nicht ratifizierten Übereinkommen der Europäischen Union über die Zusammenarbeit der Zollverwaltungen vom 18. Dezember 1997, ABl. C 24 vom 23. 1. 1998.

Der Gesetzesentwurf regelt nur den Einsatz ausländischer verdeckter Ermittler in einem im Ausland bereits eingeleiteten Strafverfahren. Unberührt bleiben die Möglichkeiten des Tätigwerdens ausländischer Beamter im Bundesgebiet nach § 15 des Polizeikooperationsgesetz (PolKG).

Die verdeckte Ermittlung für ein Strafverfahren oder Ermittlungsverfahren eines Mitgliedstaats soll grundsätzlich nur zulässig sein, wenn die Taten die Erlassung eines Europäischen Haftbefehls rechtfertigen würden. Überdies müsste ohne die verdeckte Ermittlung im Inland die Aufklärung erheblich erschwert oder sonst aussichtslos sein.

Zu § 74:

Der verdeckte Ermittler soll ausschließlich durch das Bundesministerium für Inneres (Bundeskriminalamt) geführt werden. Er soll zur Befolgung der Weisungen der österreichischen Behörden verpflichtet sein. Die ersuchende Behörde soll ihre Verfügungen dem verdeckten Ermittler im Wege der den Einsatz leitenden österreichischen Behörde mitteilen. Durch dieses Führungsschema sollen einander widersprechende Weisungen vermieden werden.

Der ausländische verdeckte Ermittler ist nicht nur berechtigt, Informationen zu sammeln, sondern auch Scheingeschäfte vorzunehmen und Urkunden zu gebrauchen, die über seine Identität als Beamter täuschen. Die Voraussetzungen für den Gebrauch solcher Urkunden und die Vornahme von Scheingeschäften werden im Abs. 4 und 5 genau geregelt.

Zu § 75:

Nach Art. 52 SDÜ ist die Zustellung gerichtlicher Urkunden im Postweg vorgesehen. Die Zustellung im Postweg ist der Regelfall. Werden in den vorgesehenen Fällen Übersetzungen nicht angeschlossen, liegen die Voraussetzungen für eine Zustellung im Postweg nicht vor, so dass das Schriftstück als nicht zugekommen gilt.

Zu § 77:

Österreich hat mit einer Erklärung zu Art. 32 des Rahmenbeschlusses die rückwirkende Anwendung des Europäischen Haftbefehls ausgeschlossen. Auf Taten, die ganz oder teilweise vor dem Inkrafttreten des Rahmenbeschlusses am 7. August 2002 begangen worden sind, soll dieses Bundesgesetz daher nicht anzuwenden sein. Es sollen die Bestimmungen des ARHG in Zeitpunkt der Entscheidung über den Europäischen Haftbefehl gelten, der wie ein Auslieferungsersuchen behandelt werden soll. Die materiellen Auslieferungsvoraussetzungen sollen sich ebenfalls nach den zum 7. August 2002 geltenden zwischenstaatlichen Vereinbarungen richten.