Abweichende Stellungnahme
gemäß § 42 Abs. 1 GOG
der Bevollmächtigten des Volksbegehrens
zum Bericht des Umweltausschusses über das
Volksbegehren „Atomfreies Europa“
Abweichende Stellungnahme der
VolksbegehreninitiatorInnen für ein „atomfreies Europa“ von Greenpeace.
Im Folgenden sollen die von uns als
wesentlich erachteten, aber im Unterausschuss kaum diskutierten Argumente für
die Umsetzung des Volksbegehrens und die Antworten auf die Gegenargumente
angeführt werden.
1.
Wurde das Volksbegehren umgesetzt?
Ziel dieses Volksbegehrens für ein
atomfreies Europa ist es a) das Bekenntnis Österreichs zu einem atomfreien Europa
im Verfassungsrang zu verankern und b) die Bundesregierung im Rahmen einer
generellen Ministerbindung zu verpflichten sich in den EU-Gremien, v.a. dem
Europäischen Rat, für ein atomfreies Europa einzusetzen und pro-atomare
Entscheidungen abzulehnen und allenfalls mit einem Veto im Falle der
notwendigen Einstimmigkeit zu blockieren.
Diese verfassungsrechtliche Verankerung der
Ministerbindung wurde bisher in keinem Antrag berücksichtigt. Eine Aufforderung
an die Bundesregierung zu einer bestimmten Anti-Atompolitik per
Entschließungsantrag entspricht nicht dem Anliegen des Volksbegehrens. Die
Bindung der Bundesregierung ist dann nur politisch, nicht juristisch gegeben.
2.
Flexibilität, Spielraum für notwendige
Kompromisse
Das Hauptargument der Regierungsparteien
gegen das Anliegen des Volksbegehrens war es, dass eine generelle
Ministerbindung mit strengen inhaltlichen Vorgaben die notwendige Flexibilität
der Bundesregierung in den europäischen Gremien, so auch im Rat, beeinträchtigt
und so entgegen der Intention des Volksbegehrens weniger anti-atompolitisch zu
erreichen ist, als mit den gegebenen verfassungsrechtlichen Möglichkeiten.
Dieses Argument träfe aber unserer Ansicht
nach genauso auf bestehendes Verfassungsrecht zu. In Art 23e der BVG kann
der Hauptausschuss des Parlaments Minister im Einzelfall binden.
Entweder die Ministerbindung erfolgt nach
den politischen Verhandlungen, nach den Gegengeschäften mit anderen EU-Staaten
und nach der Festlegung des Ministers in seinem Abstimmungsverhalten: dann hat
die Ministerbindung nur symbolischen Charakter und dokumentiert einmal mehr den
bloßen Vollzugscharakter des Parlaments gegenüber der tatsächlichen
gesetzgeberischen Kraft der Regierung. Oder aber die Ministerbindung im
Einzelfall erfolgt vor den politischen Verhandlungen, somit zum Zeitpunkt eines
ungewissen Ausgangs, dann trifft obiges Argument im gleichen Ausmaß auf die
generelle Ministerbindung zu wie auf die Bindung im Einzelfall. Es gibt aber
bisher uns keine bekannten Vorstöße diese Ministerbindung im Einzelfall aus der
Verfassung zu streichen. Das lässt nur den Schluss zu, dass es nach Ansicht der
Kritiker der generellen Ministerbindung im Verfassungsrang keine echte
Ministerbindung durch das Parlament geben soll. Die bestehende Möglichkeit stellt
diesbezüglich keine „Gefahr“ für die Bundesregierung dar, weil sie „ihre“
Regierungsmehrheit im Parlament im Einzelfall davon abhalten kann, eine Bindung
auszusprechen oder aber, wenn sie es politisch für opportun hält, eine solche
Bindung zuzulassen bzw. einzufordern. Die Bindung des Umweltministers im Falle
des Gentechnikmoratoriums ist dafür ein konkretes Beispiel.
Wenn das Parlament seine ihm von der
Verfassung zugedachte Rolle der Legislative ernst nimmt, müsste solch eine von
uns vorgeschlagene generelle Ministerbindung ein willkommener Anlass sein,
Souveränität zurück zu gewinnen.
Die juristischen Möglichkeiten zur Ministerbindung auf europäischer Ebene
durch die Mitgliedstaaten der EU sind durch ein Gutachten von Dr. Leidenmühler
hinreichend abgeklärt worden und im Ausschuss sind diese auch
fraktionsübergreifend und nach Anhörung von Rechtsexperten nicht in Frage
gestellt worden.
3.
Schwache Unterstützung des
Volksbegehrens, Direkte Demokratie
Mehrfach wurde von den Regierungsparteien
angedeutet und zu verstehen gegeben, dass dieses Volksbegehren nur eine sehr
geringe Unterstützung durch die Bevölkerung erfahren habe. Gleichzeitig wurde
mehrfach betont, dass man jede Stimme ernst nehme und einige Vertreter der
Regierungsparteien meinten sogar, dass sie sich eine stärkere Unterstützung des
Volksbegehrens gewünscht hätten.
Hier muss man sich entscheiden. Entweder
Volksbegehren sind, wenn 100 000 Stimmen überschritten wurden darüberhinaus
abhängig von ihrer Unterstützung durch die wahlberechtigten Österreicher
umzusetzen oder nicht. Im ersten Fall wäre eine exakte Stimmenanzahl zu nennen,
ab der ein Volksbegehren umzusetzen ist. Oder aber alle Volksbegehren über 100
000 Unterschriften sind gleich zu behandeln, dann ist der Verweis auf die
Anzahl der Unterschriften überflüssig.
Das Problem generell bei Volksbegehren, so
auch bei diesen, ist es, dass man von der Zahl der Unterschriften, die ein
Begehren unterstützen, somit ein Ja zu einem konkreten Vorschlag ausdrücken
nicht auf die Relationen von Ja und Nein- Stimmen in der Grundgesamtheit aller
Wahlberechtigten schließen kann. Umfragen haben zwar belegt, dass die
überwiegende Mehrheit der Österreicher die verfassungsmäßige Verankerung der
generellen Ministerbindung befürwortet, aber Umfragen sind maximal ein Indiz,
sicher kein Beweis dafür, wie viele Ja- bzw. Nein- Stimmen es zu einem
bestimmten Anliegen gibt. Nur durch eine Volksabstimmung oder eine
Volksbefragung kann dieses Verhältnis tatsächlich und amtlich bestätigt
ermittelt werden. Die Möglichkeit für die Bevölkerung so eine Feststellung
selbst herbeizuführen, gibt es derzeit in Österreich nicht.
Deswegen fordert Greenpeace ein zwingendes
Initiativrecht bei dem ab einer gewissen Stimmenanzahl zwingend eine
Volksabstimmung durchzuführen ist. Über die dafür notwendige Stimmenanzahl muss
noch diskutiert werden. Sie sollte sowohl bei Gesetzes- als auch bei
Verfassungsinitiativen eher niedrig, ähnlich wie in der Schweiz, angesetzt
werden.
Sonst bleibt es weiterhin möglich, dass
auch Volksbegehren die von der Mehrheit der Österreicher und Österreicherinnen
begrüßt werden (wenn auch deswegen nicht alle unterschreiben gehen),
parlamentarisch abgelehnt werden. Diese Möglichkeit sollte ausgeschlossen
werden.
Einen diesbezüglichen Vorschlag hat
Greenpeace auch im österreichischen Verfassungskonvent eingebracht.
Abschließend müssen wir festhalten, dass
eine Chance vertan wurde, ein deutliches Zeichen für ein „atomfreies Europa“
Richtung Brüssel zu schicken. So bleibt zu befürchten, dass es zwar weiterhin
zahlreiche Bekenntnisse für ein atomfreies Europa geben wird, dass aber
offensichtlich der politische Wille fehlt, diesem Wunsch auch konkrete Gestalt
zu geben und es dort zu verankern, wo Österreich seine höchsten Werte
festschreibt: in der österreichischen Verfassung. Die Erweiterung des
bestehenden Artikels zu einem „atomfreien Österreich“ auf ein „atomfreies
Europa“ ist angesichts der bevorstehenden Expansion der Atomwirtschaft in
Europa ein Gebot der Stunde und von der österreichischen Bevölkerung gewünscht.
Mag. Erwin Mayer, Greenpeace
Im Namen der InitiatorInnen