Minderheitsbericht

gemäß § 42 Abs. 4 GOG

der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Mag. Johann Maier, Dr. Peter Wittman

zum Bericht des Justizausschusses vom 20. Jänner 2004 über den Abänderungsantrag Dr. Fekter, Neudeck zur Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz und das Strafvollzugsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2003) (294 d.B.) und zur Regierungsvorlage Bundesgesetz mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (309 d.B.) und der Bürgerinitiative betreffend „höhere Strafen für Kindesmissbrauch“ (10/BI)

Kern des Strafrechtsänderungsgesetzes 2003 (294 d.B.) ist eine Änderung des Sexualstrafrechts, insbesondere die Ausweitung der Tatbestände gegen Kinderpornographie. Wegen der Nähe zur Problematik der sexuellen Ausbeutung werden auch ergänzende Bestimmungen zur verstärkten Bekämpfung des Menschenhandels festgelegt. Mit dem Gesetz sollen mehrere Rechtsakte der Europäischen Union (Rahmenbeschluss des Rates vom 19. Juli 2002 zur Bekämpfung des Menschenhandels, Entwurf für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie) des Europarates und der Vereinten Nationen umgesetzt werden.

Bei den Materien der Regierungsvorlage 309 d.B. geht es um Änderungen des StGB, durch welche die Verpflichtungen aus dem EU-Rahmenbeschluss vom 28. Mai 2001 zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln umgesetzt werden sollen.

Der ganz überwiegende Anteil der Bestimmungen wurde im Justizausschuss von der SPÖ-Fraktion mitgetragen – schon weil es sich um eine sinnvolle Umsetzung von EU-Rechtsakten handelt.

Einige wenige Bestimmungen wurden mit guten Gründen von der SPÖ-Fraktion in getrennter Abstimmung abgelehnt (§§ 207 a, 212, 218 des Abänderungsantrages Dr. Fekter, Neudeck) bzw. wurde von Dr. Jarolim gemeinsam mit Abg. Mag. Stoisits von den Grünen ein Abänderungsantrag betreffend §§ 207 a und 219 StGB eingebracht. Bevor dazu Näheres ausgeführt wird, sei zur Vorgangsweise der Regierungsparteien beim Sexualstrafrecht bzw. zur Stellung der SPÖ-Fraktion dazu festgestellt:

Die SPÖ-Fraktion war und ist konsequent gegen jede sexuelle Ausbeutung von Menschen ganz besonders von Kindern und Jugendlichen und spricht sich für geeignete und effiziente Bestimmungen gegen die Kinderpornographie aus. Von der SPÖ geführte Bundesregierungen haben in den 90-er Jahren wesentliche Fortschritte bei den genannten Materien erzielt und wichtige gesetzliche Grundlagen zur Bekämpfung der Kinderpornographie und der sexuellen Ausbeutung gelegt. Es ist auch richtig, im europäischen Gleichklang diese Bestimmungen permanent zu evaluieren und weiter zu entwickeln. Diesem Grundgedanken dienen auch die obgenannten Beschlüsse des Rates.

Die SPÖ hat deshalb auch im Vorjahr den Entwurf des Bundesministeriums für Justiz zur Reform des Sexualstrafrechts, soweit es sich um EU-Umsetzungen etc. bzw. um alte Forderungen der SPÖ (z.B. strafrechtliche Gleichbehandlung von Vergewaltigungen in und außerhalb der Ehe) handelte, grundsätzlich begrüßt.

Im Begutachtungsverfahren sind aber auch zahlreiche Kritikpunkte an der Vorlage (z.B. von der österreichischen Gesellschaft  für Sexualforschung) vorgebracht worden. Der Innsbrucker Univ.Prof. aus Strafrecht Dr. Christian Bertel zog aus seiner Stellungnahme zum Entwurf folgende Schlussfolgerung:

„Der Entwurf hebt die Strafsätze für Sexualdelikte mit zum Teil lächerlichen Gründen, zum Teil ohne Gründe an. In der Masse der Strafdrohungen verliert der Entwurf den Überblick. Der Entwurf spricht (Seite 13) von einem gesteigerten Bewusstsein der Bevölkerung für die Verwerflichkeit von schweren Sexualdelikten. Dabei ist zu bedenken, dass dieses Bewusstsein durch Fehlinformationen der Medien („Sexualtätern passiert fast nichts“) erzeugt und von populistischen Politikern ausgenützt wird. Das Bewusstsein der Bevölkerung für die Strafwürdigkeit von Wirtschaftsverbrechen hat auch zugenommen: Wir werden sehen, ob die Politiker, die jetzt für eine Anhebung der Strafsätze für Sittlichkeitsdelikte eintreten, auch für ein scharfes Unternehmensstrafrecht eintreten werden.“

Es hat auch Befürchtungen gegeben, dass manche Formulierungen der Vorlage über das Ziel hinausschießen bzw. das künftig eine Judikatur möglich sein wird, nach welcher Lebenssachverhalte unter gerichtliche Strafe gestellt werden, ohne dass ein gesellschaftliches Bedürfnis danach besteht.

Trotz dieser von verschiedenen Seiten vorgebrachten Einwände ist die SPÖ im wesentlichen auch zu den Inhalten der Regierungsvorlage (294 d.B.) gestanden, wobei allerdings von Seiten der SPÖ die Forderung erhoben wurde, dass im Justizausschuss von qualifizierten ExpertInnen dargelegt werden möge, in wie weit das Reformvorhaben sinnvoll sei und wo allenfalls Änderungspunkte – bei Beibehaltung der Zielsetzung – gerechtfertigt erscheinen.

Beim Justizausschuss am 11. Dezember 2003 wurde ein Abänderungsantrag von den Justizsprecherinnen von ÖVP und FPÖ Dr. Fekter und Dr. Partik-Pablè vorgelegt, welcher ohne Mitwirkung des Justizministeriums entstanden ist und welcher zahlreiche zum Teil drastische Verschärfungen der Strafbestimmungen gegenüber jenen der Regierungsvorlage enthielt. Die beiden Justizsprecherinnen hielten demnach jenen Gesetzesvorschlag, der immerhin von allen ÖVP- und FPÖ-Ministern im Ministerrat inhaltlich voll mitgetragen und unterstützt wurde, und welcher sich voll auf dem Boden der EU-Rechtsakte befand, nicht für geeignet und haben mehr oder weniger willkürlich zahlreiche drastische Strafverschärfungen vorgenommen, ohne dafür auch nur irgend eine plausible Begründung zu liefern. Man legte es offensichtlich darauf an, ohne sachliche Notwendigkeit die Strafbestimmungen derart hinauf zu lizitieren, dass eine verantwortungsvolle Opposition – die bisher weitgehend Zustimmung zum Regierungsvorhaben signalisiert hatte – nicht mehr mitgehen könne. Der Abänderungsantrag Dr. Fekter, Dr. Partik-Pablè hatte demnach den einzigen Zweck, einen greifbar nahen Konsens mit der parlamentarischen Opposition in provokatorischer Absicht zu verhindern, um dann dieselbe mit dem Argument diffamieren zu können, sie (die parlamentarische Opposition) sei nicht ausreichend für den Schutz der Kinder gegen die Kinderpornographie etc.. Übersehen wurde bei dieser „schlauen Strategie“, die jede politische Kultur außer Acht lässt, dass der gleiche Vorwurf genauso auch alle Regierungsmitglieder der ÖVP-FPÖ Regierung treffen muss. Es ist schon ein starkes Stück, ein so wichtiges Thema wie den Kampf gegen sexuelle Ausbeutung und Kinderpornographie dahingehend zu missbrauchen, mit einer - allerdings sehr leicht durchschaubaren – Strategie politisches Kleingeld einzuheimsen.

Die Anhörung der ExpertInnen beim Justizausschuss am 11. Dezember 2003 verlief dann allerdings in keiner Weiser so, wie es sich Dr. Fekter und Dr. Partik-Pablè wohl gedacht hatten. Jede Fraktion hatte einen Experten/ eine Expertin für das Hearing nominieren können. Geladen waren Robert Altenburger vom ORF, der den Bericht über die Kinderprostitution an der tschechischen Grenze zu Österreich und Deutschland gestaltet hat, weiters Univ.Prof. Dr. Ernst Berger vom neurologischen Zentrum Rosenhügel, Rechtsanwalt Dr. Helmut Graupner, Experte des Sexualstrafrechts und Universitätslektorin Dr. Rotraud Perner, Sexualtherapeutin und Juristin.

„Allgemein wurde die Zielsetzung des vorliegenden Entwurfes zur Änderung des Sexualstrafrechts als richtig beurteilt und nach Ansicht der Experten sei vieles auch gelungen. In einigen Fällen, meinten diese jedoch, lasse die Zielgenauigkeit zu wünschen übrig. Insbesondere besteht die Befürchtung, dass normale sexuelle Handlungen von Jugendlichen (14 bis 18 Jährige) kriminalisiert werden. Auch gäbe es terminologische Ungenauigkeiten, die für Gutachter in gerichtlichen Verfahren zu Problemen führen könnten......“ (siehe Parlamentskorrespondenz vom 11.12.2003 Nr. 970).

Die Einwände der ExpertInnen waren derart schwerwiegend und plausibel, sodass – was wohl als sensationelles Ergebnis gewertet werden kann –der Ausschuss sich entschloss, die Materie auf den Justizausschuss des 20. Jänner 2004 zu vertagen, damit dem Bundesministerium für Justiz Gelegenheit gegeben werde, Änderungsvorschläge im Sinne der ExpertInnendarlegungen auszuarbeiten bzw. vorzuschlagen.

Wie schon oft, bewies die schwarz/blaue Koalition aber auch in diesem Fall, dass ihr die Auffassungen von ExpertInnen und Fachleuten vollkommen egal sind: Besonders durch den Einfluss von ÖVP-Justizsprecherin Dr. Fekter blieb die Vorlage, über die zu beschließen war – wenn man von einer aus zwei Wörtern bestehenden Abänderung absieht – unverändert. Es wurden - abgesehen von dieser einen Änderung - alle Vorschläge und Abänderungswünsche der ExpertInnen, welche im Justizausschuss am 11. Dezember 2003 vorgebracht worden sind, ohne jede plausible Begründung einfach ignoriert.

SPÖ und Grüne brachten deshalb einen Antrag (Abänderungsantrag Mag. Stoisits, Dr. Jarolim) ein, welcher die §§ 207a (Pornographische Darstellungen Unmündiger) und 219 (Missbrauch pornographischer Darstellungen) StGB im Sinn der Darlegungen im Expertenhearing vom 11. Dezember 2003 gestalten sollte.

Zur Intention dieses Abänderungsantrages wurde in der Begründung festgehalten:

„In ihrem kürzlich im Auftrag des BMSG erstellten Entwurf eines Nationalen Aktionsplan Kinder- und Jugendrechte (YAP) haben die KinderschutzexpertInnen Österreichs folgende Forderung erhoben:

‚Schaffung eines Tatbestandes der zielgenau die wichtigen Punkte im Bereich Kinder-/Jugendpornografie betrifft (kommerzielle Herstellung und Vertrieb, Weitergabe von pornografischen Darstellungen ohne Zustimmung von über 14-jährigen) anstelle der Generalisierung dieses Bereiches, wie im StRÄG 2003 beinhaltet.’

In diesem Sinne soll § 207a StGB (weiterhin) Darstellungen mit Unmündigen erfassen. Für mündige Minderjährige („Jugendliche“) soll ein eigener Tatbestand (§ 219 StGB) geschaffen werden, der im Sinne des Grundrechts auf einverständliche sexuelle Kontakte und in Berücksichtigung des Umstands, dass – im Gegensatz zur Situation bei Unmündigen – grundsätzlich legale Kontakte abgebildet werden (auf die die Beteiligten sogar einen grundrechtlichen Anspruch haben), nicht Abbildungen sexueller Vorgänge generell pönalisiert und dann Ausnahmen schafft, sondern umgekehrt jene Umstände festlegt, in denen auch bei mündigen Personen der Umgang mit pornografischen Darstellungen den Einsatz des Strafrechts erfordert, insb. dort wo der Bereich der privaten Sexualität verlassen wird.

Wird eine pornographische Darstellung einer Person ohne deren Zustimmung an andere verbreitet, so erscheinen auch erwachsene Personen schutzbedürftig. Die Minderjährigkeit sollte hier kein Kriterium sein.

Ebenso erscheint die Herstellung von Gewaltpornografie nicht nur bei Minderjährigen strafbedürftig. Abs. 4 soll idealkonkurrierend mit den §§ 201, 202, 205, 212 und 106 (letzterer, dann wenn keine geschlechtliche Handlungen sondern nur die Genitalien abgebildet werden) zur Anwendung kommen (so wie etwa auch § 214).

Bei Minderjährigen sollte allerdings die Verbreitung an einen größeren Personenkreis generell untersagt werden, ohne Rücksicht auf ihre Zustimmung.

Ebenso sollen bei Minderjährigen kommerzielle Motive anderer Personen ausgeschaltet werden.

Auch bei nichtpornografischen (bloß erotischen oder bloßen Nackt)Darstellungen kann es zu unerträglichen Verletzungen der Privat- und Intimsphäre kommen (so etwa bei heimlichem MMS-Versand per Handy oder Veröffentlichung auf einer Internetseite). Solche Verletzungen werden durch § 7 MedienG und § 78 UrhG zivilrechtlich geahndet. Die Einführung auch strafrechtlicher Sanktionen erscheint (auch im nicht-pornografischen Bereich und bei nicht wirklichkeitsnahen Darstellungen) überlegenswert, soll aber einer generellen Regelung vorbehalten bleiben, die nicht nur sexuelle Vorgänge erfasst, sondern umfassend unerträgliche Verletzungen der Privat- und Intimsphäre auch strafrechtlich ahndet.

§ 207b wurde in Abs. 4 nicht einbezogen, weil jene Fälle, die nicht von den Abs. 1 bis 3 erfaßt sind und keine Begehungsweisen nach den §§ 201, 202, 205 oder 212 als Teil legaler privater Sexualkontakte Jugendlicher erscheinen. Gerade in diesem Bereich erscheint aber § 207b problematisch und wird deshalb im Nationalen Aktionsplan Kinder- und Jugendrechte (YAP) die Forderung nach einer Evaluierung dieser Bestimmung im Hinblick auf die befürchtete Einschränkung jugendlicher Selbstbestimmung erhoben. Vor Vorliegen des Ergebnisses dieser Evaluierung sollte der Anwendungsbereich des § 207b nicht erweitert werden.“

Dem § 212 StGB neu (Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses) hat die SPÖ nur deshalb nicht zugestimmt, weil die Regierungsmehrheit ohne vernünftige Begründung nicht der Anregung aus dem Expertenhearing gefolgt ist, bei den in Abs. 2 Ziffer 1 dieser Bestimmungen genannten Berufsgruppen (Arzt, klinischer Psychologe, Gesundheitspsychologe, etc.) welche für einen Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses in Frage kommen, auch „den Seelsorger“ aufzunehmen.

Den neuen Bestimmungen des § 218 StGB (Sexuelle Belästigung) konnte ebenfalls von der SPÖ nicht zugestimmt werden: Obwohl die ursprüngliche Intention durchaus begrüßt wurde, war die Regierungsmehrheit nicht bereit, die konkrete Formulierung so zu ändern, dass nicht auch Lebenssachverhalte unter gerichtlicher Strafe gestellt werden, wo keinerlei gesellschaftliches Bedürfnis danach besteht.

 

Dr. Johannes Jarolim Mag. Johann Maier                 Dr. Peter Wittmann