396 der Beilagen zu den Stenographischen
Protokollen des Nationalrates XXII. GP
Bericht
des Außenpolitischen Ausschusses
über die Regierungsvorlage (388 der
Beilagen): Europa-Mittelmeer-Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen
Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Libanesischen
Republik andererseits samt Anhängen, Protokollen und Schlussakte
Das Europa-Mittelmeer-Assoziationsabkommen
zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten einerseits und
der Libanesischen Republik andererseits ist gesetzändernd und gesetzesergänzend
und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50
Abs. 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter und ist der unmittelbaren
Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass eine Erlassung
von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Es
enthält keine verfassungsändernden Bestimmungen und bedarf nicht der Zustimmung
des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG, da keine
Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen,
geregelt werden.
Am 17. Juni 2002 haben die Europäische
Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten und die Libanesische Republik in
Luxemburg das Abkommen unterzeichnet. Es ersetzt das am 3. Mai 1977
unterzeichnete und am 1. November 1978 in Kraft getretene Kooperationsabkommen.
Da das neue Abkommen neben Materien in
Gemeinschaftskompetenz auch Materien regelt, für die die Mitgliedstaaten
zuständig sind (sog. gemischtes Abkommen), bedarf es der Genehmigung durch die
Mitgliedstaaten.
Dieses Abkommen stellt das achte in einer
Reihe neuer Abkommen dieser Art mit den Mittelmeerdrittländern dar, die die
Europäische Gemeinschaft zur Stärkung ihrer Mittelmeerpolitik abgeschlossen
hat, um einen Beitrag zur Stabilität, Sicherheit und Wohlstand in der Region
Europa-Mittelmeer zu leisten. Das Abkommen zwischen der Gemeinschaft und
Libanon ähnelt in Inhalt und Aufbau den anderen Assoziationsabkommen mit
Ländern der Region. Durch die detaillierten Abkommensbestimmungen wird Libanon
darauf vorbereitet, an der von der Europäischen Gemeinschaft geplanten
Freihandelszone zwischen der Europäischen Gemeinschaft, dem mittel- und
osteuropäischen Raum sowie dem Mittelmeerbereich teilzunehmen.
Wie in den Europa-Abkommen mit den mittel-
und osteuropäischen Ländern, wurde in die Europa-Mittelmeer-Abkommen eine
vertragliche Bestimmung aufgenommen, die die Wahrung der Grundsätze der
Demokratie und die Achtung der Menschenrechte als ein wesentliches Element der
Assoziation vorsieht. Dies entspricht einer vom Europäischen Rat im Mai 1992
verabschiedeten Entschließung.
Gegenüber dem bisherigen
Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der
Libanesischen Republik enthält das vorliegende Abkommen im wesentlichen
folgende neue Elemente, die teilweise auf Initiativen und Vorschläge der Bundesregierung
beruhen:
- Die Institutionalisierung eines regelmäßigen
politischen Dialogs auf hoher Ebene,
- die schrittweise Errichtung einer
Freihandelszone zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Libanon während
eines Zeitraums von höchstens 12 Jahren im Einklang mit den WTO-Regeln,
- die erneute Bestätigung der Libanon mit dem
Kooperationsabkommen von 1977 gewährten Präferenzregelung für die Ausfuhr
gewerblicher Waren in die Gemeinschaft. Im Gegenzug liberalisiert Libanon seine
Einfuhrregelung für Gemeinschaftswaren so, dass die Zölle am Ende der
zwölfjährigen Übergangszeit des Abkommens auf Null gesenkt sind,
- spezifische gegenseitige Zugeständnisse für
landwirtschaftliche Erzeugnisse,
- die Liberalisierung landwirtschaftlicher
Erzeugnisse aus Libanon in die Gemeinschaft mit Ausnahme einer Liste
empfindlicher Erzeugnisse, für die zollfreie Kontingente gelten. Erzeugnisse
aus der Gemeinschaft können zu Vorzugsbedingungen nach Libanon eingeführt
werden. Neue gegenseitige Zollzugeständnisse werden von den Vertragsparteien
fünf Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens geprüft,
- Bestimmungen über eine engere regionale
Zusammenarbeit, einschließlich der Errichtung einer regionalen Freihandelszone
Europa-Mittelmeer,
- Bestimmungen über die Freizügigkeit, das
Niederlassungsrecht und die Erbringung von Dienstleistungen sowie über
Zahlungen, Wettbewerb, den Kapitalverkehr, den Schutz des geistigen Eigentums
und öffentliche Aufträge,
- Bestimmungen über die wirtschaftliche und
finanzielle Zusammenarbeit in einer ganzen Reihe von Bereichen, u.a. Bildung
und Ausbildung, Zusammenarbeit in Wissenschaft, Technik und Technologie,
Umwelt, Investitionsförderung und Investitionsschutz, Normung und
Konformitätsbewertung, Verkehr, Informationsgesellschaft und Telekommunikation,
Energie und Tourismus,
- Zusammenarbeit auf sozialem Gebiet und im
kulturellen Bereich, insbesondere zur weiteren gesellschaftlichen Integration
der Staatsangehörigen beider Vertragsparteien sowie zur Intensivierung des
gegenseitigen Kulturverständnisses,
- Einrichtung einer Zusammenarbeit im sozialen
Bereich, insbesondere durch einen regelmäßigen Dialog über soziale Fragen,
- eine finanzielle Zusammenarbeit zugunsten
Libanons als Beitrag zur Verwirklichung der Ziele des Abkommens. Sie dient
insbesondere dazu, seine Wirtschaft sowie Wirtschaftsinfrastruktur zu
modernisieren, ferner der Förderung von Privatinvestitionen und beschäftigungswirksamen
Tätigkeiten, der Berücksichtigung der Auswirkungen der schrittweisen Errichtung
einer Freihandelszone auf die libanesische Wirtschaft und der Durchführung
flankierender sozialpolitischer Maßnahmen,
- Bestimmungen über die Zusammenarbeit im Bereich
Justiz und Inneres. Kernstück dieser Zusammenarbeit ist der Ausbau der
Institutionen und des Rechtsstaates. Vorgesehen ist u.a., dass die
Vertragspartien bei der Verhütung und Kontrolle der illegalen Einwanderung
zusammenarbeiten und zu diesem Zweck Rückübernahmeabkommen aushandeln. Weitere
Felder der Kooperation sind die Bekämpfung des organisierten Verbrechens,
Geldwäsche sowie illegaler Drogen. Die Zusammenarbeit bei der
Terrorismusbekämpfung wurde durch einen separaten, aber im Zusammenhang mit dem
Assoziationsabkommen stehenden Briefwechsel zwischen der Europäischen Union und
Libanon vereinbart,
- Einsetzung eines Assoziationsrats, der die
Durchführung des Abkommens überwacht, und eines Assoziationsausschusses zur
Umsetzung des Abkommens.
Das Abkommen ist auf unbegrenzte Zeit
abgeschlossen. Es verstärkt die bestehenden guten Beziehungen zwischen der
Europäischen Gemeinschaft und Libanon und festigt die 1995 mit der Erklärung
von Barcelona begründete Partnerschaft Europa-Mittelmeer. Hierbei wird als
Grundlage der Beziehungen die Gegenseitigkeit, die Solidarität, die
Partnerschaft und die Entwicklungszusammenarbeit festgeschrieben. Auch wird
eine verstärkte politische Koordinierung in bilateralen und internationalen
Fragen angestrebt. Die enge und umfassende Partnerschaft mit den Mittelmeerdrittstaaten
ist das Gegenstück zur Integrationspolitik gegenüber den Nachbarn in Mittel-
und Osteuropa und verleiht den Außenbeziehungen der Europäischen Union ihre
geopolitische Geschlossenheit. Mit dem Abkommen wird eine dauerhafte Basis für
die Beziehungen zu den Mittelmeerdrittländern im Zeichen der Partnerschaft und
Solidarität sowie Gemeinsamkeit der Interessen festgelegt.
Der Außenpolitischer Ausschuss hat den
gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 12.
Februar 2004 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die
Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Walter Murauer,
Herbert Scheibner und Ing. Hermann Schultes sowie die Bundesministerin für auswärtige
Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner.
Bei der Abstimmung wurde einstimmig
beschlossen, dem Hohen Haus die Genehmigung des Abschlusses dieses
Staatsvertrages zu empfehlen.
Der Außenpolitischer Ausschuss vertritt
weiters einstimmig die Auffassung, dass die Bestimmungen des Staatsvertrages
zur unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich ausreichend
determiniert sind, sodass sich eine Beschlussfassung des Nationalrates gemäß
Art. 50 Abs. 2 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages erübrigt.
Ebenso wurde einstimmig beschlossen, dass
die deutsche, dänische, englische, finnische, französische, griechische,
italienische, niederländische, portugiesische, schwedische, spanische und
arabische Sprachfassung dadurch kundgemacht werden soll, dass sie zur
öffentlichen Einsichtnahme beim Bundesministerium für auswärtige
Angelegenheiten aufliegt.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt
der Außenpolitischer Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle
beschließen:
1. Der
Abschluss des Staatsvertrages: Europa-Mittelmeer-Assoziationsabkommen
zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und
der Libanesischen Republik andererseits samt Anhängen, Protokollen und
Schlussakte (388 der
Beilagen) wird genehmigt.
2. Gemäß
Art. 49 Abs. 2 B-VG hat die Kundmachung der deutschen, dänischen,
englischen, finnischen, französischen, griechischen, italienischen,
niederländischen, portugiesischen, schwedischen, spanischen und arabischen
Sprachfassung dieses Staatsvertrages
durch Auflage im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten
zu erfolgen.
Wien, 2004 02 12
Johann
Ledolter Peter
Schieder
Berichterstatter Obmann