397 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses

über die Regierungsvorlage (389 der Beilagen): Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Demokratischen Volksrepublik Algerien andererseits samt Anhängen, Protokollen und Schlussakte

Das Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Demokratischen Volksrepublik Algerien andererseits ist gesetzändernd und gesetzesergänzend und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter und ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Es enthält keine verfassungsändernden Bestimmungen und bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Am 22. April 2002 haben die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten und die Demokratische Volksrepublik Algerien in Brüssel das Abkommen unterzeichnet. Es ersetzt das Kooperationsabkommen und das Abkommen über EGKS-Erzeugnisse, die 1976 unterzeichnet wurden und noch in Kraft sind.

Da das neue Abkommen neben Materien in Gemeinschaftskompetenz auch Bereiche regelt, für die die Mitgliedstaaten zuständig sind (sog. Gemischtes Abkommen), bedarf es der Genehmigung durch die Mitgliedstaaten.

Dieses Abkommen stellt das siebte in einer Reihe neuer Abkommen dieser Art mit den Mittelmeerdrittländern dar, die die Europäische Gemeinschaft zur Stärkung ihrer Mit­telmeerpolitik abgeschlossen hat, um einen Beitrag zur Schaffung des Friedens, der Sicherheit und der wirtschaftlichen Stabilität im Mittelmeer zu leisten. Durch die detaillierten Abkommensbestimmungen zum freien Warenverkehr wird Algerien darauf vorbereitet, an der von der Europäischen Ge­meinschaft geplanten Freihandelszone zwischen der Europäischen Gemeinschaft, dem mittel- und osteuropäischen Raum und dem Mittelmeerbereich teilzunehmen.

Wie in den Europa-Abkommen mit den mittel- und osteuropäischen Ländern, wurde in die Eu­ropa-Mittelmeer-Abkommen eine vertragliche Bestimmung aufgenommen, die die Wahrung der Grundsätze der Demokratie und die Achtung der Menschenrechte als ein wesentliches Element der Assoziation vorsieht. Dies entspricht einer vom Europäischen Rat im Mai 1992 verabschiedeten Entschließung.

Gegenüber dem bisherigen Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsge­meinschaft und der Demokratischen Volksrepublik Algerien und dem Ab­kommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Demokratischen Volksrepublik Algerien von 1976 enthält das vorliegende Abkommen im wesentlichen folgende neuen Elemente, die teilweise auf Initiativen und Vorschlägen der Bundes­regierung beruhen:

             - Die Institutionalisierung eines regelmäßigen politischen Dialogs auf hoher Ebene,

             - die schrittweise Errichtung einer Freihandelszone zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Algerien während eines Zeitraums von höchstens 12 Jahren im Einklang mit den WTO-Regeln,

             - die erneute Bestätigung der Algerien mit dem Kooperationsabkommen von 1976 gewährten Präferenzregelung für die Ausfuhr gewerblicher Waren in die Gemeinschaft. Im Gegenzug liberalisiert Algerien seine Einfuhrregelung für Gemeinschaftswaren je nach Empfindlichkeit der Waren unterschiedlich schnell,

             - spezifische gegenseitige Zugeständnisse für landwirtschaftliche Erzeugnisse, landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse und Fischereierzeugnisse. Neue gegenseitige Zollzugeständnisse werden von den Vertragsparteien fünf Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens geprüft,

             - Bestimmungen über den freien Warenverkehr, die Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs sowie der gewerblichen Niederlassung, den Kapitalverkehr, die Wettbewerbsregeln, die Rechte an geistigem Eigentum und öffentliche Aufträge,

             - Verstärkung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Ziel, die Anstrengungen Algeriens hinsichtlich einer nachhaltigen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung zu unterstützen. Gegenüber dem Kooperationsabkommen von 1976 sieht das neue Abkommen zusätzliche Bereiche vor: Bildung und Ausbildung, Normung und Konformitätsbewertung, Angleichung der Rechtsvorschriften, Finanzdienstleistungen, Landwirtschaft, Verkehr, Telekommunikation, Informationstechnologie, Tourismus und Zoll,

             - Zusammenarbeit auf sozialem Gebiet und im kulturellen Bereich, insbesondere zur weiteren gesellschaftlichen Integration der Staatsangehörigen beider Vertragsparteien sowie zur Inten­sivierung des gegenseitigen Kulturverständnisses,

             - Einrichtung eine Zusammenarbeit im sozialen Bereich, insbesondere durch einen regelmäßigen Dialog über soziale Fragen,

             - eine finanzielle Zusammenarbeit zugunsten Algeriens als Beitrag zur Verwirklichung der Ziele des Abkommens. Sie dient insbesondere dazu, seine Wirt­schaft zu modernisieren sowie die Wirtschaftsinfrastruktur zu verbessern, ferner der Förderung von Privatinvestitionen und beschäftigungswirksamen Tätigkeiten, der Berücksichtigung der Auswirkungen der schrittweisen Errichtung einer Freihandelszone auf die algerische Wirtschaft und der Durchführung flankierender sozialpolitischer Maßnahmen,

             - Förderung regionaler Zusammenarbeit, um die friedliche Koexistenz und die wirtschaftliche und politische Stabilität zu festigen,

             - Umfassende Bestimmungen über die Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres. Kernstück dieser Zusammenarbeit ist der Ausbau der Institutionen und des Rechtsstaates. Vorgesehen ist u.a., dass die Vertragsparteien bei der Verhütung und Kontrolle der illegalen Einwanderung zusammenarbeiten und zu diesem Zweck Rückübernahmeabkommen aushandeln. Weitere Felder der Kooperation sind die Bekämpfung des organisierten Verbrechens, Geldwäsche, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sowie Drogen. Die Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung findet unter Einhaltung der internationalen Übereinkünfte und im Rahmen der einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats statt,

             - Einsetzung eines Assoziationsrats, der die Durchführung des Abkommens überwacht, und eines Assoziationsausschusses zur Umsetzung des Abkommens.

Das Abkommen ist auf unbegrenzte Zeit abgeschlossen. Es verstärkt die be­stehenden guten Beziehungen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Algerien und festigt die 1995 mit der Erklärung von Barcelona begründete Partnerschaft Europa-Mittelmeer. Hierbei wird als Grundsatz der Beziehungen die Gegenseitigkeit, die Solidarität und Partnerschaft sowie die Förderung der Integration der Mittelmeerpartner untereinander festgeschrieben. Auch wird eine verstärkte politische Koordinierung in bilateralen und internationalen Fragen angestrebt. Die enge und umfassende Partnerschaft mit den Mittel­meerdrittstaaten ist das Gegenstück zur Integrationspolitik gegenüber den Nach­barn in Mittel- und Osteuropa und verleiht den Außenbeziehungen der Europäischen Union ihre geopolitische Geschlossenheit. Mit dem Abkommen wird eine dauerhafte Basis für die Beziehungen zu den Mittel­meerdrittländern im Zeichen der Partnerschaft und Solidarität festgelegt.

 

Der Außenpolitischer Ausschuss hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 12. Februar 2004 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Walter Murauer, Herbert Scheibner und Ing. Hermann Schultes sowie die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner.

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Hohen Haus die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

Der Außenpolitischer Ausschuss vertritt weiters einstimmig die Auffassung, dass die Bestimmungen des Staatsvertrages zur unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich ausreichend determiniert sind, sodass sich eine Beschlussfassung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages erübrigt.

Ebenso wurde einstimmig beschlossen, dass die deutsche, dänische, englische, finnische, französische, griechische, italienische, niederländische, portugiesische, schwedische, spanische und arabische Sprachfassung dadurch kundgemacht werden soll, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme beim Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegt.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitischer Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

1.      Der Abschluss des Staatsvertrages: Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Demokratischen Volksrepublik Algerien andererseits samt Anhängen, Protokollen und Schlussakte (389 der Beilagen) wird genehmigt.

2.      Gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG hat die Kundmachung der deutschen, dänischen, englischen, finnischen, französischen, griechischen, italienischen, niederländischen, portugiesischen, schwedischen, spanischen und arabischen Sprachfassung dieses Staatsvertrages durch Auflage im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten zu erfolgen.

Wien, 2004 02 12

Johann Ledolter     Peter Schieder

       Berichterstatter                  Obmann