406 der Beilagen zu den Stenographischen
Protokollen des Nationalrates XXII. GP
Bericht
des Justizausschusses
über die Regierungsvorlage (25 der
Beilagen): Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 neu gestaltet wird
(Strafprozessreformgesetz),
über den Antrag der Abgeordneten Mag.
Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der
Verfahrenshilfe im Strafprozess (228/A(E)) und
über die Bürgerinitiative betreffend
„Rechtsanspruch auf Verfahrenshilfe für Geschädigte/Verbrechensopfer im
Strafverfahren – Strafprozessreformgesetz/ Regierungsvorlage“ (3/BI)
Durch die Regierungsvorlage 25 der Beilagen
soll eine Neukodifikation des strafprozessualen Vorverfahrens, das ist der vom
Beginn (den ersten Ermittlungen zur Klärung eines gegen eine bestimmte Person
gerichteten Verdachts) bis zur Anklagerhebung reichende Abschnitt des
Strafverfahrens, vorgenommen werden. Die auf das Jahr 1873 zurückgehende
Struktur des Vorverfahrens der geltenden Strafprozessordnung soll heutigen
Auffassungen und Anforderungen sowohl auf dem Gebiet kriminalpolizeilicher Effizienz
als auch im Bereich des grundrechtlichen Schutzes angepasst werden. In diesem
Sinne wird ein einheitliches Vorverfahren vorgeschlagen, das einerseits
eigenständige Ermittlungskompetenz der Kriminalpolizei anerkennt, andererseits
Koordinations- und Leitungsbefugnisse der Staatsanwaltschaft als Garantin der
Justizförmigkeit des Verfahrens sowie verstärkte Kontrolle des Gerichts
vorsieht. Aufgaben und Zuständigkeiten sollen klar verteilt werden, um der
faktischen Ermittlungskompetenz der Kriminalpolizei und der rechtlichen
Zuständigkeit der Justiz im Sinne eines Kooperationsmodells gerecht zu werden.
Ermittlungen zur Aufklärung gerichtlich strafbarer Handlungen sollen somit nach
mehr als 100 Jahren endlich einen zweckmäßigen und ausreichenden rechtlichen
Rahmen erhalten. Das Ermittlungsverfahren soll von Staatsanwaltschaft und
Kriminalpolizei in Zusammenarbeit geführt werden. Die zur Aufgabenerfüllung zur
Verfügung stehenden Ermittlungs- und Zwangsmaßnahmen werden in ihren
inhaltlichen und rechtlichen Voraussetzungen exakt determiniert; auf
kriminalistische Anweisungen wird verzichtet. Die bei der Beweisaufnahme
einzuhaltenden Förmlichkeiten und die Voraussetzungen für die Verwertung ihrer
Ergebnisse als Beweis in der Hauptverhandlung werden geregelt. Das Gericht soll
im Ermittlungsverfahren die Berechtigung von Grundrechtseingriffen
kontrollieren, Rechtsschutz gegen die Verweigerung von Verfahrensrechten bieten
und bestimmte Beweise aufnehmen, insbesondere solche, die in der
Hauptverhandlung voraussichtlich überhaupt nicht oder nicht in derselben
Qualität zur Verfügung stehen werden. Als Rechtsmittelinstanz soll das
Oberlandesgericht fungieren, dem auch die Entscheidung über Anträge auf
Fortsetzung des Verfahrens zukommen soll; die Ratskammer ist nicht mehr
vorgesehen. Die Beteiligten des Verfahrens, nämlich Beschuldigte und
Geschädigte sollen als Subjekt des Verfahrens konkret formulierte Mitwirkungs-
und Antragsrechte erhalten, gegen deren Verweigerung sie das Gericht anrufen
können.
Der Antrag
228/A(E) wurde am 24. September 2003 im Nationalrat eingebracht und dem
Justizausschuss zugewiesen. Der gegenständliche Antrag
betreffend die Reform der Verfahrenshilfe ist auf eine Entschließung des
Nationalrates gerichtet, durch die der Bundesminister für Justiz ersucht werden
soll, im Rahmen der Vorbereitung der Neuregelung des strafprozessualen
Vorverfahrens Maßnahmen zu einer Gesamtreform der Verfahrenshilfe zu prüfen,
die insbesondere umfassen:
- eine
direkte und wirtschaftlich vertretbare, einzelfallbezogene Entlohnung für die
Verfahrenshilfeverteidigung anstelle der derzeitigen Pauschalvergütungsregelung
- freie
VerteidigerInnen während des gesamten Strafverfahrens zur Steigerung der
anwaltlichen Motivation durch Konkurrenzdruck und
- die
Einführung verpflichtender Qualitätsanforderungen in der
Verfahrenshilfeverteidigung sowie verpflichtende Regelungen für
StrafverteidigerInnen
Die Bürgerinitiative Nr. 3 wurde dem
Nationalrat am 6. Mai 2003 unterbreitet. Diese wurde von 1.325 Personen
unterstützt und hat einen Rechtsanspruch auf Verfahrenshilfe für
Verbrechensopfer im Strafverfahren zum Ziel. Die UnterzeichnerInnen machen
geltend, dass sich im Falle von Kindesmissbrauch nicht nur Polizei,
Staatsanwalt und Gericht, sondern auch die Beamten des Strafvollzuges,
Bewährungshelfer sowie Mitarbeiter der Sozialhilfe und der Gefangenenseelsorge
um den Täter kümmern, das Missbrauchsopfer hingegen weitgehend allein da stehe.
Auch gebe es für Missbrauchsopfer - im Gegensatz zu Straftätern - keinerlei
Rechtsanspruch auf Verfahrenshilfe.
Der Justizausschuss hat die gegenständliche
Regierungsvorlage nach Berichterstattung durch Abgeordneten Werner Miedl in seiner Sitzung am 8. April 2003 in Verhandlung
genommen und beschlossen, zu ihrer Vorbehandlung einen Unterausschuss
einzusetzen, um die umfassende Reform des strafprozessualen Vorverfahrens unter
Beiziehung von Expertinnen und Experten ausführlich und gründlich beraten zu
können. Dem Unterausschuss gehörten die Abgeordneten Mag. Heribert Donnerbauer, Mag. Dr. Maria Theresia Fekter
(Obfrau), Dr. Johannes Jarolim
(Obfraustrellvertreter), Günter Kößl, Mag. Johann Maier, Werner Miedl, Rudolf Parnigoni, Dr. Helene Partik-Pablé
(Obfraustrellvertreter), Alfred Schöls Bettina Stadlbauer, Mag. Terezija Stoisits (Schriftführerin), Mag. Dr. Josef Trinkl, und Mag. Gisela Wurm an.
Der Antrag betreffend die Reform der
Verfahrenshilfe und die Bürgerinitiative betreffend „Rechtsanspruch auf
Verfahrenshilfe für Geschädigte/Verbrechensopfer im Strafverfahren“ wurden am
5. November 2003 ebenfalls dem vorstehend angeführten Unterausschuss
zugewiesen.
Dieser Unterausschuss hat in seinen
Sitzungen am 15.5., 5.6., 17.9., 6.11.2003, 22.1. und 17.2. 2004 folgende
Expertinnen bzw. Experten gehört: o. Univ. Prof. Dr. Christian Bertel, o.
Univ. Prof. DDr. Manfred Burgstaller, o. Univ. Prof. Dr. Helmut Fuchs,
o. Univ. Prof. Dr.
Bernd-Christian Funk, o. Univ. Prof. Dr. Frank Höpfel, o. Univ. Prof.
Dr. Reinhard Moos, o. Univ. Prof. Dr. Theo Öhlinger, Univ. Doz. RA Dr. Richard Soyer,
o. Univ. Prof. Dr. Kurt Schmoller, Hon. Prof. Dr.
Herbert Steininger, Präsident des OGH i.R.,
Leitender Oberstaatsanwalt Hon. Prof. Dr. Heimo Lambauer,
Leitender Oberstaatsanwalt Dr. Walter Pilgermair,
Leitender Oberstaatsanwalt Dr. Werner Pleischl,
Leitender Oberstaatsanwalt Dr. Eckard Rainer,
Senatspräsident des OLG Linz Dr. Wolfgang Aistleitner,
Vizepräsident der Vereinigung der österreichischen Richter, Richterin des
Landesgerichtes für Strafsachen Wien Dr. Eva Brachtel,
Vizepräsident des Landesgerichts Eisenstadt Mag. Alfred Ellinger,
Richter des Landesgerichts Innsbruck Dr. Klaus Schröder,
Vorsitzender der Bundessektion 23 (Richter und Staatsanwälte) in der GÖD, Leitende
Staatsanwältin Dr. Brigitte Loderbauer,
Vizepräsidentin der Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte, Erster
Staatsanwalt Dr. Wolfgang Swoboda, Präsident der
Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte, RA Dr. Elisabeth Rech, Österreichischer Rechtsanwaltskammertag, RA Dr.
Rudolf Breuer, Österreichischer
Rechtsanwaltskammertag, Präsident Hon. Prof. Dr. Udo Jesionek,
Präsident des Weißen Rings; Mag. Alexandra Weissenbacher,
DSA, Interventionsstelle gegen Gewalt, RA Dr. Wolfgang Moringer,
Vereinigung Österreichischer StrafverteidigerInnen, Univ. Doz. Dr. Wolfgang Stangl, Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie, Mag.
Georg Mikusch, Verein Neustart, Leiter des
Zentralbereichs Recht, Dr. Ingrid Siess-Scherz und
Dr. Angela Julcher, BKA-VD, Direktor MinR Dr. Herwig
Haidinger, Bundeskriminalamt, Dr. Helmut Epp, Parlamentsklub der ÖVP, Prof. Dr. Otto F. Müller, Generalprokurator aD, Erster Staatsanwalt Dr.
Thomas Mühlbacher, Hofrat Mag. Maximilian Edelbacher, Leitender Staatsanwalt Hofrat Dr. Walter Nemec, Staatsanwalt Mag. Walter Geyer,
Univ. Ass. Dr. Alois Birklbauer, Sektionschef Dr.
Roland Miklau, BMJ, Sektion II, Leitender
Staatsanwalt Mag. Christian Pilnacek, BMJ Abt. II.3,
Dr. Johann Rzeszut, Präsident des Obersten
Gerichtshofs und Dr. Friedrich Hauptmann
Generalprokurator aD.
Über das Ergebnis der Vorbehandlung im
Unterausschuss berichtete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter dem Justizausschuss in seiner Sitzung
am 20. Feber 2004.
An den Debatten beteiligten sich die
Abgeordneten Mag. Heribert Donnerbauer, Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Johannes Jarolim,
Mag. Johann Maier, Mag.
Eduard Mainoni, Dr. Helene Partik-Pablé,
Dr. Christian Puswald, Bettina Stadlbauer,
Mag. Terezija Stoisits, Mag. Walter Tancsits, Dr. Peter Wittmann und Mag. Gisela Wurm sowie der Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer.
Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten
Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Mag. Eduard Mainoni einen umfassenden Abänderungsantrag eingebracht.
Dieser Antrag war wie folgt begründet:
„Vorbemerkung
Die Bedeutung der
vorliegenden Reform des strafprozessualen Vorverfahrens kann nicht hoch genug
eingeschätzt werden. Das Strafverfahren ist nicht nur ein Seismograph für die
Einstellung der Gesellschaft zur täglichen Grundrechtsbewährung, sondern
erfüllt auch eine wesentliche Staatsfunktion, nämlich möglichst effizient,
unabhängig und rasch Straftaten aufzuklären, den wahren Täter unter möglichster
Schonung seiner Individualrechte zu überführen, zu Unrecht Verfolgten
ausreichende Verteidigungsmöglichkeiten zu gewähren und Opfern unter Achtung
ihrer Würde weitgehende Wiedergutmachung zu bieten.
Die
strafrechtliche Normverdeutlichung bedarf nicht nur verhältnismäßiger und
präventiv wirksamer Sanktionen, sondern auch eines Verfahrens zu ihrer
Effektuierung und Sicherung der Gesellschaft vor Tatwiederholung. Das
Strafverfahren insgesamt, aber besonders sein Vorverfahren, in dem es um die
Aufklärung und Verfolgung von Tat und Beschuldigten geht, stellt daher einen
Gratmesser für das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung dar, die sich nicht nur
einer globalisierten Wirtschaft, sondern gleichsam als deren Schatten auch
einem grenzüberschreitenden und sich den technischen Fortschritt zu nutzen
machenden Verbrechen gegenüber sieht. Überlange und ineffiziente Verfahren können
rasch zu einem Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Strafrechtspflege
führen und den Justizgewährungsanspruch des Staates insgesamt in Zweifel
ziehen. Strafrecht stellt die schärfste Form der Repression des Staates gegenüber
sozial schädlichem Verhalten dar, das Vorverfahren berechtigt daher
Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft – abgestuft nach der Schwere der Tat und
dem Grad des Verdachts – zu weitreichenden Eingriffen in die Grund- und
Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger. Die Schnittstellenproblematik
zwischen Strafrechtspflege und Menschenrechten kulminiert in den Bestimmungen
des Vorverfahrens. Der Verpflichtung zur Wahrung der Grund- und Freiheitsrechte
des Beschuldigten – für den in diesem Abschnitt die Vermutung der Unschuld
uneingeschränkt streitet, - ist die menschenrechtliche Schutzpflicht des
Staates, Verletzungen grundrechtlich geschützter Rechtsgüter zwischen Privaten
möglichst zu vermeiden und wirksam entgegen zu treten, gegenüber zu stellen.
Daraus ergibt sich etwa auch die Verpflichtung zur Reintegration des Opfers in
den Strafprozess, um dessen berechtigte Wiedergutmachungsinteressen
anzuerkennen und zu fördern (vgl. Nowak, Strafrechtspflege und
Menschenrechte – Gedanken zu einer lebendigen Schnittstellenproblematik, in:
Strafverfahren – Menschenrechte – Effektivität, Schriftenreihe des BMJ, Bd 106,
1 ff, 56 ff.). So hat o. Univ. Prof. DDr. Manfred Burgstaller in seiner einleitenden
Wortmeldung in den Beratungen des Unterausschusses am 15. Mai 2003 mit
folgenden Worten auf die grundlegend praktische Bedeutung der Reform
hingewiesen: „Sie hat größere Bedeutung als die von mir absolut als wichtig und
umfassend eingeschätzte Diversionsregelung, und ich meine sogar, dass die
vorliegende Änderung der StPO, sollte sie in der vorliegenden Form Gesetz
werden, die Strafrechtspflege noch gewichtiger als die Strafrechtsreform von
1975 beeinflussen würde.“
Es verwundert nun nicht, dass angesichts
dieser Bedeutung des strafprozessualen Vorverfahrens für die Prävention und
Repression von Straftaten, der Anerkennung für den „in
sich stimmigen Gesetzesentwurf“, aber auch der breiten fachlichen Kritik
aus den Reihen der am Strafverfahren beteiligten Berufsgruppen auch im
Ausschuss selbst die unterschiedlichsten Meinungen vorgetragen wurden. Diese
Kritik war nicht zuletzt von der berechtigten Sorge getragen, auf einige
anerkannte Vorzüge des geltenden Strafverfahrens zu Gunsten einer dogmatisch
einwandfreien Lösung und Systematik verzichten zu müssen. Dem Justizausschuss
war daher an einer breiten und ausführlichen Meinungsbildung gelegen. Die
intensiven, auf hohem fachlichen Niveau stehenden Beratungen haben bewiesen,
dass der eingeschlagene Weg, einen Unterausschuss einzusetzen, dem Expertinnen
und Experten aus sämtlichen Bereichen der im Strafverfahren tätigen und an ihm
interessierten Berufsgruppen beigezogen wurden, nicht der Verzögerung eines
Gesetzesvorhabens, sondern der eingehenden Erörterung und schließlich auch
Verbesserung der Vorlage dienen. Dies war aber auch ein Verdienst der Expertinnen
und Experten, die nicht an vorgefassten Ansichten festhielten oder reinem
Standesdenken verpflichtet blieben. Sie alle waren bestrebt, trotz
mannigfaltiger Kritik eine systematische Weiterentwicklung des Entwurfs zu
fördern. Letztlich verdient es besonderer Anerkennung, eigene persönliche und
aus langjähriger Berufserfahrung gewonnene fachliche Überzeugungen im Interesse
eines vernünftigen, die Traditionen des österreichischen Strafverfahrens
berücksichtigenden Kompromisses zurück zu stellen.
Mit dem vorliegenden umfassenden
Abänderungsantrag glauben die Antragsteller den Weg für eine entscheidende
Modernisierung des österreichischen Strafverfahrensrechts gefunden zu haben,
der das grundsätzliche Ziel der jahrzehntelangen Diskussion über die Reform des
Strafprozesses nicht aus den Augen verliert, nämlich die derzeitige Praxis der
Anwendung des Gesetzes zu determinieren und rechtsstaatlich einzubinden. Neben
der Berücksichtigung ausländischer Erfahrungen, von denen sich eine Delegation
des Unterausschusses etwa anlässlich eines Besuchs bei der Staatsanwaltschaft
Traunstein/Bayern selbst ein Bild machen konnte, gilt es, das eigenständige
Bild der österreichischen Strafjustiz zu bewahren, das sich jedoch dennoch
harmonisch in eine verstärkte justizielle Zusammenarbeit zwischen den
Mitgliedstaaten der Europäischen Union einfügt. Das Hauptaugenmerk wurde dabei
auf den derzeitigen Strukturmangel im Strafverfahren gerichtet, nämlich seine
unterschiedliche und vom Standpunkt einer einheitlichen Leitung und damit auch
Verfolgungsstrategie unübersichtliche Vierteilung (sicherheitsbehördliche,
staatsanwaltschaftliche und gerichtliche Vorerhebungen sowie gerichtliche
Voruntersuchung). Dieser Strukturmangel ist schließlich noch von einem
entscheidenden Mangel begleitet, nämlich dem Fehlen eines rechtlichen
Instrumentariums, das die Eigenständigkeit der Kriminalpolizei und der von ihr
geführten Ermittlungen anerkennt, aber auch zugleich begrenzt. Die
Staatsanwaltschaft hat sich schon bisher – vom Anklagegrundsatz in seinem traditionellen
Verständnis abgeleitet – als Drehscheibe der Ermittlungen bewährt. Nachdem die
Staatsanwaltschaft die ihr mit der Strafprozessnovelle 1999, BGBl. I Nr. 55,
übertragene Bewährungsprobe durch Übernahme neuer, vereinfachter
Erledigungsformen (Diversion) zufriedenstellend bewältigt hat, erscheint es
nicht nur logisch, sondern geradezu zwingend, die nunmehr auch rechtlich
anerkannte Eigenständigkeit der Kriminalpolizei mit verstärkten Einfluss- und
Kontrollmöglichkeiten der Staatsanwaltschaft zu verbinden. Die schon derzeit in
der Ermittlungsrealität – trotz manchen Antagonismus der Behördenapparate – gut
funktionierende Zusammenarbeit soll das neue Verfahrensmodell
(„Kooperationsmodell“) kennzeichnen. Neu ist somit nicht die Zusammenarbeit und
im Konfliktfall die Leitung und damit Weisungsmacht der Staatsanwaltschaft
(„Leitungsbefugnis“), sondern deren – über rudimentäre Bestimmungen (§§ 36 und
87 StPO) hinausgehende – rechtliche Verankerung und Ausgestaltung. Schon in der
Gesetzesvorbereitung hat sich der neue Geist dieser Zusammenarbeit gezeigt,
indem die Vertreter der Sicherheitsexekutive in einem Verhandlungsteam unter
der Leitung des Direktors des Bundeskriminalamtes, MinR Dr. Herwig Haidinger,
sich konstruktiv an der Erarbeitung gemeinsamer Lösungen ohne Rückgriffe auf
Schlagwörter oder Machtfragen beteiligten. Verstärkte Zusammenarbeit zwischen
Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft, sowie die Weiterentwicklung der
letzteren von einer reinen Antragstellerin zu einer (Mit)Gestalterin verlangt freilich
nach mehr Rechtsschutz und gegenseitiger Kontrolle. Die Übernahme dieser
Kontrollfunktion im Strafverfahren können die Gerichte aber nur dann
glaubwürdig und in der erforderlichen Distanz übernehmen, wenn sie gleichzeitig
von eigenen Ermittlungsaufgaben weitestgehend befreit werden. Es trifft damit
das Gegenteil von der schlagwortartig gebrauchten Warnung vor dem
„Hinausdrängen der dritten Gewalt aus dem Strafverfahren“ zu; Gerichte können –
anders als nach geltendem Recht – schon ab dem Beginn des Strafverfahrens
(während kriminalpolizeilicher Ermittlungen) ihre Kontroll- und
Rechtsschutzfunktionen ausüben und übernehmen zudem einen Teil der Aufgaben,
die bisher von den Unabhängigen Verwaltungssenaten wahrgenommen wurden, nämlich
den Rechtsschutz gegen unmittelbare verwaltungsbehördliche Befehls- und Zwangsgewalt.
Wenn dieses Verfahrensmodell im
Zusammenhang mit der Befugnis der Staatsanwaltschaft, auch selbst zu ermitteln,
gelegentlich als „inquisitorisch“ kritisiert wird, so werden damit sowohl der
Anklagegrundsatz mit seiner „materiellen“ Seite verkannt (vgl. Moos, Polizei und Strafprozess, GA für den 14 ÖJT,
72 ff., 78), als auch die Rechtsentwicklung in den meisten vergleichbaren
Rechtstaaten außer Acht gelassen, die in die Richtung sowohl eines
staatsanwaltschaftlich geleiteten Ermittlungsverfahrens als auch verschiedener
Formen der vereinfachten Erledigung von Strafverfahren ohne Befassung des
Gerichts weisen. Anzumerken ist in diesem Kontext, dass der Gesetzgeber dem
Staatsanwalt bereits das Recht eingeräumt hat, „auch selbst Erhebungen führen
sowie den Verletzten, den Verdächtigen und andere Personen hören“ zu können (§
90k Abs. 1 StPO). Die Praxis (und die Rechtsprechung des OGH, etwa zur Frage
der Verwertung einer Aussage des Beschuldigten in seiner von Organen des
öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgenommenen Niederschrift) hat dieser
Entwicklung schließlich auch dadurch kräftig vorgearbeitet, dass sie das
richterliche Vorverfahren (die Voruntersuchung) Schritt für Schritt zurückgedrängt
hat – einerseits durch die immer umfassendere Übernahme von Ermittlungsaufgaben
durch die Sicherheitsbehörden, andererseits durch die Entwicklung der vom
Staatsanwalt veranlassten Vorerhebungen weit über den ursprünglichen Zweck
hinaus. Die Vorerhebungen sind geradezu zum Normalfall des justiziell
gesteuerten Vorverfahrens geworden (vgl. Miklau,
Die Staatsanwälte vor den Toren der Strafprozessreform, in FS Steininger, 321
ff, 322 f.). Diesen beiden Entwicklungen, insbesondere der erstgenannten, die
zu rechtstaatlich höchst bedenklichen Rechtsschutzdefiziten geführt haben,
abzuhelfen, ist vordringliche Aufgabe der vorliegenden Strafprozessreform. Der
eingeschlagene Weg scheint aber auch deshalb konsequent, weil die Abschaffung
der Voruntersuchung und ein weitestgehender Verzicht auf richterliche
Ermittlungen zu einem Ermittlungsmonopol der Kriminalpolizei führen würden,
würde man nicht ein justizielles Ermittlungsorgan damit betrauen, zumindest in
wichtigen Straffällen und bei besonderen Fallkonstellationen
„Justizermittlungen“ durchzuführen. Die Staatsanwaltschaft ist die im Verhältnis
zum Gericht flexiblere Ermittlungsbehörde, deren Ermittlungshandlungen in der
Regel auch ergebnisorientierter sein werden, weil die Staatsanwaltschaft unter
dem Gesichtspunkt ihrer Entscheidung über die Anklage an möglichst präzisen
Ermittlungsergebnissen interessiert sein muss. Der materiellen Seite des
Anklageprinzips entspricht es zudem, dass die Staatsanwaltschaft sich den von
ihr zur Klärung der Sache und allfälligen Vorbereitung der Hauptverhandlung für
erforderlich gehaltenen Prozessstoff im Wege der Kriminalpolizei oder durch
eigene Ermittlungshandlungen selbst verschafft. Nicht übersehen werden darf
dabei, der partizipatorische Effekt der verstärkten Einbindung von
Beschuldigten und Opfern in den Entscheidungsprozess, denen aktive und
durchsetzbare Gestaltungsrechte als Ausgleich zur Ermittlungsmacht von
Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei gewährt werden.
Ein besonderes
Anliegen der Antragsteller stellen die Opferrechte im Strafprozessrecht dar.
Der Befund, dass das Opfer im Strafrecht völlig im Schatten anderer
rechtspolitischer (Macht-)Interessen steht, wird schon lange Zeit beklagt. Als
Rechtssubjekt oder deutlicher als individueller Träger eigener Rechte wurde es,
wenn es um die originäre Aufgabe des Strafrechts, den Rechtsgüterschutz ging,
weder von der Wissenschaft noch von der Praxis sonderlich beachtet und war
faktisch zu einer prozessualen Restgröße degradiert. Im materiellen Strafrecht
wird das Opfer nicht als Individuum, sondern als persönlich austauschbarer
Rechtsgutsträger wahrgenommen. Die Rechtsgutsverletzung erscheint hauptsächlich
als die Verletzung des durch die Rechtsnorm geschützten ideellen Wertes. Die
konkrete Opferschutzperspektive scheint in einem solchen dogmatischen Konzept
lediglich als Reflexfunktion auf. Vor diesem Hintergrund soll ein neues Konzept
der Integrationsprävention gefördert werden, das die verschiedenen Interessen
der Allgemeinheit und des durch die Viktimisierung individualisierten
Betroffenen anerkennt. Opfer und Allgemeinheit müssen die durch die Tat
entstandene soziale Störung als beseitigt ansehen, um die Präventionsaufgabe
des Strafrechts voll wirksam werden zu lassen. Auf Opferseite stellt sich dies
nicht nur als Wertung, sondern zuallererst als persönliche Erfahrung dar. Diese
unmittelbare Betroffenheit unterscheidet Opfer und Allgemeinheit
grundlegend und muss das Opfer innerhalb des Strafrechtssystems privilegieren.
Inhaltlich wären für eine solche auf Reintegration des Opfers
ausgerichtete Prävention folgende Aspekte hervorzuheben:
- Vermeidung der Belastungen, die mit der Strafverfolgung verbunden
sind, und Ausgleich der Tatfolgen (Tatfolgenbeseitigung im weiteren Sinne; Wiedergutmachung);
- Verhinderung
der Reviktimisierung und
- Wiederherstellung
des durch die Opfererfahrung gestörten Normvertrauens.
Im Verfahrensrecht
verlangt dieser Ansatz nach einer Aufwertung der Stellung des Opfers im
Verfahren, der im Übrigen auch den Erwartungen von Opfern in empirischen
Studien entspricht. So halten für das Ermittlungsverfahren nur weniger als 15%
aller Opfer die reine Zeugenrolle für die angemessene Rechtsstellung.
Eine Große Mehrheit bevorzugt demgegenüber solche Rechtspositionen, die dem Opfer
originäre Informations-, Akteneinsichts- und Anhörungsrechte einräumen.
Verbindliche Entscheidungen selbst treffen oder gar zu einer aktiven Mitwirkung
im Strafverfahren verpflichtet sein, möchten die meisten Betroffenen jedoch
nicht. Diese Orientierung an den konkreten Erwartungen von Personen, die durch
eine Straftat Schaden erlitten haben, an der Art und Weise staatlicher
Rechtsdurchsetzung soll auch in einer differenzierenden Regelung der einzelnen
Verfahrensrechte von Opfern nach ihren jeweiligen Zielsetzungen zum Ausdruck
kommen. Das
legitime Interesse von Personen, die zu Schaden gekommen sind, sich am
Strafverfahren zu beteiligen, soll sich in konkreten Verfahrensrechten
niederschlagen. Der durch die strafbare Handlung geschädigten Person kann es
nicht nur bei der Bewältigung der Tatfolgen hilfreich sein, sondern auch ihre
berechtigten Genugtuungsinteressen befriedigen, wenn sie in das Verfahren einbezogen
wird; auch die Befriedigungswirkung des Strafrechts im Bewusstsein der
Allgemeinheit wird dadurch erhöht. Sowohl das Viktimisierungsereignis selbst
als auch die spätere (strafverfolgende) Reaktion sind in diesem Sinn eine
Angelegenheit mit öffentlichem Charakter, wobei die derzeitige Verfahrensgestaltung
subjektiv vielfach dahingehend beurteilt wird, dass Opfer im Rahmen der
Strafverfolgung in ungerechtfertigter Weise an den Rand gedrängt würden. Mit
der Anerkennung der Rechtsstellung des Opfers als Beteiligtem und Subjekt des
Strafverfahrens wollen die Antragsteller den Wiedergutmachungsaspekt im
Rechtsfolgenbereich stärken. Wesentliches Ziel ist dabei, das Opfer jedenfalls
soweit in den Gang des Verfahrens einzubeziehen, dass es seine Sicht darlegen
und so einen eigenen Mitwirkungsbeitrag im Verfahren leisten kann.
Entgegen manchen Äußerungen haben die
Antragsteller aber auch einen bedeutenden Schritt in der Verbesserung der
Rechtsstellung des Beschuldigten unternommen. So wird erstmals der unbedingte Anspruch
des Beschuldigten auf rechtlichen Beistand bereits während seiner ersten
Einvernahme festgeschrieben. Der Übergang vom formellen zum materiellen
Beschuldigtenbegriff führt dazu, dass sich der Betroffene des Verfahrens
frühzeitig in die Ermittlungen einschalten und an ihnen aktiv beteiligen kann.
Wenn kritisiert wird, dass manche Beschuldigtenrechte keine absolute
Rechtsposition gewähren, sondern Einschränkungen unterliegen, so ist dem zu
entgegnen, dass dem Verfahrensrecht eben auch die zentrale Aufgabe der
Aufklärung des wahren Sachverhalts zukommt, sodass Einschränkungen von Rechten
im Sinne der Effizienz der Strafverfolgung hinzunehmen sind.
In verfassungsrechtlicher Sicht schließt
sich der Justizausschuss im Übrigen der von Funk/Öhlinger
vertretenen Rechtsansicht an, wonach die Neugestaltung des Zusammenwirkens von
Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft auf keine Einwände stößt. Die Zuweisung
von Ermittlungsaufgaben an die Staatsanwaltschaft bedeutet zwar eine
wesentliche Veränderung des bestehenden gesetzlichen Modells, dem zufolge die
Funktionen der Anklage (Verfolgung) und des Ermittelns getrennt sind. Ein
verfassungsrechtlicher Funktionsschutz, der eine Übertragung von
Ermittlungsaufgaben an die Staatsanwaltschaft ausschließt oder beschränkt,
besteht jedoch nicht. Die Ausdehnung der staatsanwaltschaftlichen Verantwortung
auf das gesamte Ermittlungsverfahren wird den Zielen des Anklageprinzips besser
gerecht als das bestehende Modell. Die Neugestaltung des Zusammenwirkens von
Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht im Ermittlungsverfahren steht
im Spannungsfeld zweier Grundsätze: der Trennung von Gerichtsbarkeit und
Verwaltung (Art. 94 B-VG) und dem Anklagegrundsatz (Art. 90 Abs. 2 B-VG). Von
einem historisch-teleologisch geprägten Verfassungsverständnis ausgehend ergibt
sich jedoch, orientiert am System der Gewaltentrennung und des
Anklageprozesses, dass das Zusammenwirken von Kriminalpolizei,
Staatsanwaltschaft und Gericht im (reformierten) Ermittlungsverfahren als
historisch und final systemkonforme Fortentwicklung in verfassungsrechtlicher
Hinsicht gut legitimiert ist. Auch der staatsfunktionsüberschreitende
Rechtsschutz kann als vom Anklageprinzip gedeckt angesehen werden (vgl. Funk/Öhlinger, Strafprozessreform und Verfassungsrecht,
Schriftenreihe des BMJ, Bd 112, 85 f.). Die Fragen der verfassungsrechtlichen
Bestands- und Funktionsgarantie der Staatsanwaltschaft sowie der
verfassungsrechtlichen Verankerung gerichtlichen Rechtsschutzes gegenüber
Kriminalpolizei im Dienst der Strafjustiz und Staatsanwaltschaft werden
schließlich in den Beratungen des Österreich-Konvents berücksichtigt.
Zu den einzelnen Bestimmungen:
Zur Z 1 (Inhaltsverzeichnis)
Zur besseren Übersichtlichkeit des
umfassenden Gesetzesvorhabens soll dem Gesetzestext ein Inhaltsverzeichnis
vorangestellt werden. Dabei wird nicht übersehen, dass die Nummerierung der
Hauptstücke der geltenden StPO noch in römische Ziffern gegliedert ist, während
die Hauptstücke und Abschnitte des neuen Ermittlungsverfahrens mit arabischen
Ziffern versehen sind. Allerdings wird ohnehin eine umfassende
Anpassungsnovelle zum Haupt- und Rechtsmittelverfahren während der Legisvakanz
erforderlich sein, sodass diese mangelnde Übereinstimmung bis zum
In-Kraft-Treten hinzunehmen war.
Zur Z 2:
Zu § 1 (Das Strafverfahren):
Die in den Bestimmungen der §§ 1 bis 17
geregelten Grundsätze des Verfahrens beinhalten die Programmatik des neuen
Verfahrens. Als Grundsätze ist ihnen immanent, dass sie in einzelnen
Bestimmungen des Gesetzes eingeschränkt werden können, soweit nicht ihr
Wesensgehalt betroffen ist. Sie gelten somit auch dann, wenn in einzelnen
Bestimmungen des Gesetzes etwas Abweichendes angeordnet wird (lex specialis),
sodass Abs. 3 dieser Bestimmung in der Fassung der RV entfallen kann.
Zu § 3 (Objektivität und
Wahrheitserforschung):
Das österreichische Strafverfahren ist von
der Überzeugung getragen, dass ein streitiges Verhandeln von Parteien
(Verhandlungsmaxime), deren Recht, über den Klagsgegenstand zu verfügen
(Dispositionsmaxime) und durch Bestreiten oder Zugestehen beweisbedürftiger
Tatsachen das Gericht in der Wahrheitserforschung zu binden (sog. formelle
Wahrheit), für das Strafverfahren wegen der Allgemeinbedeutung gerichtlich
strafbarer Handlungen ungeeignet sind. Wegen dieser Überzeugung ist das
Strafverfahren vom Untersuchungsgrundsatz (Inquisitionsmaxime) beherrscht, nach
dem das Gericht die Wahrheit zu ermitteln hat. Das Ziel der
Untersuchungstätigkeit ist die Erforschung der materiellen Wahrheit (vgl. Fabrizy, StPO9 § 2 Rz 2). Dieser Grundsatz soll in seinem traditionellen
Verständnis auf Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft im neuen Ermittlungsverfahren
überbunden und damit auch Befürchtungen entkräftet werden, wonach mit den
Gestaltungsrechten von Beschuldigten und Opfern Anleihe beim angloamerikanischen
Rechtssystem genommen würde. Die Zusammenführung des Grundsatzes der
materiellen Wahrheitserforschung mit jenem der Objektivität soll die
Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung auch der den Beschuldigten
entlastenden Tatsachen besonders unterstreichen.
Zu § 5 Abs. 1 (Gesetz- und
Verhältnismäßigkeit):
Die Wahrung der Verhältnismäßigkeit ist ein
grundlegendes Element der Verfassungskonformität von Zwangsmaßnahmen. Eingriffe
in Grund- und Freiheitsrechte müssen sich auf eine ausdrückliche gesetzliche
Grundlage zurückführen und dürfen sich nicht bloß durch Analogie ableiten
lassen. Die Strafverfolgungsbehörden sind daher ausschließlich auf Grund einer
ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung befugt, in subjektive Rechte
Betroffener einzugreifen. Der auf einer solchen Grundlage gesetzte konkrete
Eingriff und seine mit ihm verbundene Rechtsgutbeeinträchtigung müssen in einem
angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Straftat, der bestehenden
Verdachtslage und zu dem erwarteten Ermittlungsergebnis stehen.
Zu §§ 6 und 7 (Rechtliches Gehör und
Recht auf Verteidigung), 48 bis 64 (3. Hauptstück: Beschuldigter und
Verteidiger) sowie 164 (Vernehmung des Beschuldigten:
1. Rechtliches
Gehör und Recht auf Verteidigung sind Ausfluss eines fairen Verfahrens nach
Art. 6 EMRK. Rechtliches Gehör ist nicht nur ein „prozessuales Urrecht“ des
Menschen, sondern auch ein objektivrechtliches Verfahrensprinzip, das für ein
rechtsstaatliches Verfahren im Sinne des Rechtsstaatsprinzips schlechthin
konstitutiv ist. Der Beschuldigte soll nicht nur Objekt der gerichtlichen
Entscheidung sein, sondern vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft,
zu Wort kommen, um als Subjekt Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis
nehmen zu können. Rechtliches Gehör sichert dem Beschuldigten ein Recht auf
Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass er sein Verhalten
im Prozess eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten kann. Insbesondere
sichert es, dass er mit Ausführungen und Anträgen gehört wird (§ 6 Abs. 2).
2. Den
Beschuldigten trifft aber auch eine gewisse Prozesseinlassungspflicht. Während
die Pflicht, eine Ladung zu befolgen, bislang bloß für Zeugen fest verankert
war, soll nunmehr auch dem Beschuldigten ausdrücklich die Pflicht auferlegt
werden, während der Hauptverhandlung anwesend zu sein. Eine Verletzung dieser
Pflicht wäre mit den herkömmlichen Zwangsfolgen (Vorführung; Festnahme) zu
sanktionieren (§ 6 Abs. 1).
3. Der
Verfassungsgerichtshof leitet aus dem Anklagegrundsatz gemäß Art. 90 Abs. 2
B-VG in ständiger Rechtsprechung das Grundrecht des Beschuldigten ab, nicht
gezwungen werden zu dürfen, sich selbst zu belasten. Dieses Grundrecht soll
auch in einer einfachgesetzlichen Regelung über das Recht, sich zu verteidigen (§ 7 Abs. 2), seinen Niederschlag finden, bezeichnet doch
auch der EGMR das Recht zu schweigen sowie den Schutz vor Selbstbeschuldigung
als Herzstück des Begriffs eines fairen Verfahrens nach Art. 6 EMRK (vgl. ÖJZ
2001, 19 M 610 und ÖJZ 2004, 4 M 67.).
4. Nicht
jeder auch noch so vage Verdacht gegen eine bestimmte Person soll dazu führen,
ihr bereits die Stellung als Beschuldigte mit den daran anknüpfenden Folgen
einzuräumen. Es muss sich um eine konkretisierte Verdachtslage handeln, die zur
Aufklärung gerade dieses Verdachts zielgerichtete Ermittlungen auslöst. Dies
soll im § 48 Abs. 1 Z 1 in
der Definition des Begriffs „Beschuldigter“ sprachlich besser als in der RV zum
Ausdruck gebracht werden.
5. Der
Justizausschuss bekennt sich zur Abschaffung der Verteidigerliste. Wie in
anderen Verfahren auch, soll grundsätzlich allein die Berechtigung zur Ausübung
der Rechtsanwaltschaft die Befugnis zur Verteidigung im Strafverfahren nach
sich ziehen. Allerdings trifft dies auch auf Notare, insbesondere in
entlegeneren Gebieten zu, die in bestimmten Ausnahmefällen gleich wie im
Zivilverfahren zur Übernahme der Tätigkeit eines Verteidigers berechtigt sein
sollen. Der Justizausschuss verschließt sich aber auch nicht dem Argument, dass
die Durchlässigkeit zwischen Strafrechtswissenschaft und Strafrechtspraxis
nicht nur erleichtert, sondern aktiv gefördert werden sollte (vgl. Burgstaller,
Was erwartet man von einem Strafrechtslehrer, FS Steininger, 247 ff., 257). Als
einen wesentlichen Beitrag zu Bereicherung der Strafrechtspraxis will daher der
Justizausschuss jenen Personen, die sich im Straf- oder Strafprozessrecht
habilitiert haben, die Möglichkeit zur Übernahme von Verteidigungen im
Strafverfahren bieten (§ 48 Abs. 1 Z 4).
6.1. Das
Recht auf Verteidigung wäre nicht effektiv, wenn der Beschuldigte erst nach
seiner Vernehmung professionellen Beistand erhielte. Auf das Recht auf
Kontaktaufnahme, Beratung und Beistand durch einen Verteidiger bauen auch aus Sicht der Europäischen Kommission alle anderen Rechte
auf, die als Verfahrensgarantien des Beschuldigten umschrieben werden können
(vgl. Grünbuch der Kommission „Verfahrensgarantien
innerhalb der Europäischen Union“, KOM(2003) 75 endgültig). Nach der
Rechtsprechung des EGMR kann Art. 6 EMRK auch in einem Verfahrensstadium von Bedeutung
sein, bevor Anklage erhoben wird, wenn und soweit die Wahrscheinlichkeit
besteht, dass die Fairness des Verfahrens dadurch ernstlich beeinträchtigt
wird, dass zu Beginn des Verfahrens versäumt wurde, diesen Erfordernissen zu
entsprechen. Auch wenn die Art und Weise, wie Art. 6 Abs. 1 und 3 lit. c EMRK
während des Ermittlungsverfahrens angewendet wird, von den Besonderheiten des
betoffenen Verfahrens und den Umständen des Einzelfalles abhängen, wird Art. 6
EMRK normalerweise verlangen, dass dem Angeklagten zugestanden wird, den
Beistand eines Anwalts bereits in den Anfangsphasen der polizeilichen
Vernehmung zu erhalten. Dieses Recht kann jedoch aus guten Gründen
Einschränkungen unterworfen werden. Die Frage, die sich in jedem Fall stellt,
ist, ob die Einschränkung im Licht der Gesamtheit des Verfahrens den
Betroffenen eines fairen Verfahrens beraubt hat (EGMR im Fall Öcalan gegen die Türkei, EuGRZ 2003, 472 ff; 478 mit
Verweisen auf die Vorjudikatur).
6.2. Im
Licht dieser Rechtsprechung sieht der Justizausschuss eine Bestätigung für
seine flexible Haltung zu den möglichen Einschränkungen des Kontakts des
festgenommenen Beschuldigten mit seinem Verteidiger (§§ 49
Z 4 und 59 Abs. 1) und der Anwesenheit sowie Beteiligung des
Verteidigers an der Vernehmung des Beschuldigten (§§ 49 Z 5
und 164 Abs. 2). Grundsätzlich ist das Recht des Beschuldigten,
möglichst frühzeitig den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, anzuerkennen,
weil bereits seine erste Vernehmung durch Verlesung in die Hauptverhandlung
eingeführt (§ 245 Abs. 1 letzter Satz StPO) und demnach im Urteil verwertet
werden kann (§ 258 Abs. 1 StPO). Allerdings kann es – in den Worten des EGMR –
gute Gründe geben, die eine Einschränkung dieser Rechte rechtfertigen können.
Eine abschließende Regelung dieser – vom EGMR stets ex-post, am Maßstab des
gesamten Verfahrens beurteilten - „guten Gründe“ lässt sich kaum finden. Die
vom Justizausschuss sowohl in § 59 Abs. 1 als auch in § 164 Abs. 2 gewählte
Formulierung „soweit dies erforderlich erscheint, um eine Beeinträchtigung der
Ermittlungen oder von Beweismitteln abzuwenden“ erlaubt es jedenfalls, stets –
wie vom EGMR verlangt – die Besonderheiten des konkreten Einzelfalls zu
berücksichtigen. Solch gewichtige Rechtfertigungsgründe hat der EGMR etwa im
Fall Kempers gegen Österreich angenommen, in dem
der Beschuldigte verdächtigt wurde, Mitglied einer Bande zu sein, und höchste Vertraulichkeit
notwendig war, um die anderen Mitglieder festnehmen zu können (Nr. 21.842/93,
Kempers gg Österreich, E 27. 2. 1997, unveröffentlicht; zitiert im Fall Lanz gegen Österreich, ÖJZ 2002/16).
6.3. Auch
im Bereich der Überwachung des Kontakts des Verteidigers mit dem festgenommenen
Beschuldigten (§ 59 Abs. 2) stellt der EGMR zwar
darauf ab, dass das Recht eines Angeklagten, mit seinem Rechtsbeistand zu
kommunizieren, zu den Grundvoraussetzungen eines fairen Verfahrens in einer
demokratischen Gesellschaft gehört und dass dieses Recht aus Art. 6 Abs. 3 lit.
c EMRK folgt. Gleichwohl können dem Zugang eines Angeklagten zu seinem Anwalt
Beschränkungen auferlegt werden, wenn es hierfür gute Gründe gibt. Die
entscheidende Frage ist auch hier, ob die Beschränkung, im Lichte des
Verfahrens insgesamt, den Angeklagten eines fairen Verfahrens beraubt hat (vgl.
EGMR, EuGRZ 2003, 478). An den nach eingehender Überlegung formulierten
Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 StPO soll daher festgehalten werden (siehe RV
StRÄG 2002, 1166 d. Beilagen XXI.GP, 45 f. und Achhammer,
WKStPO § 45 Rz 17). Im Übrigen verweist der Justizausschuss auf die Bestimmung
des § 106 Abs. 1, wonach eine Verletzung eines subjektiven Rechts nicht
vorliegt, wenn von dem Ermessen im Sinne dieser Gesetzesbestimmungen Gebrauch
gemacht wurde; dabei wird besonders ins Kalkül zu ziehen sein, dass der Prüfung
der vom EGMR verlangten „guten Gründe“ während der ersten 48 Stunden einer
Anhaltung des Beschuldigten durch die Kriminalpolizei Grenzen gesetzt sind. In
diesem frühen Stadium der Ermittlungen, die gerade im Fall der Festnahme unter
höchstem Zeitdruck durchzuführen sind, kann der Kriminalpolizei keine diffizile
und alle Aspekte einbeziehende Abwägung zugemutet werden. Ab Einlieferung bei
Gericht und nach Vernehmung und Entscheidung über die Verhängung der
Untersuchungshaft ändert sich diese Beurteilung und muss eine eingehendere
Begründung und Rechtfertigung von Einschränkungen der Verteidigungsrechte des
Beschuldigten gefordert werden.
6.4. Im
Sinne der Judikatur soll eine Beschränkung des Kontakts des festgenommenen
Beschuldigten nicht absolut sein und längstens für die Dauer von 48 Stunden
zulässig sein. Dem Beschuldigten ist jedenfalls zu ermöglichen, seinen Beistand
zu bevollmächtigen und von ihm eine allgemeine Rechtsauskunft zu erhalten (§ 59 Abs. 1). In diesem Sinn soll auch eine Beschränkung
der Akteneinsicht in Aktenstücke, die für die Beurteilung von Tatverdacht und
Haftgrund von Bedeutung sind, ab Verhängung der Untersuchungshaft nicht mehr zulässig
sein (§ 51 Abs. 2 letzter Satz), weil ansonsten das
Beschwerderecht nicht wirksam ausgeübt werden könnte.
6.5. § 164 Abs. 1 ermöglicht es dem Beschuldigten, sich – im
Sinne des § 179 Abs. 1 der geltenden StPO - grundsätzlich vor seiner Vernehmung
mit einem Verteidiger zu beraten, soweit nicht ein Grund für die Beschränkung
dieses Kontakts vorliegt. Die Kriminalpolizei soll jedoch nicht absolut dazu verhalten
werden, mit der Vernehmung zuzuwarten, bis ein Verteidiger des Beschuldigten
eintrifft. An der Vernehmung des Beschuldigten selbst darf sich der Verteidiger
auf keine Wese beteiligen. Dieses Verbot der Beteiligung – das in Anbetracht
der rechtlichen Situation in der Hauptverhandlung nichts Ungewöhnliches ist (§
245 Abs. 3 StPO) – schließt jede verbale und nonverbale Kontaktaufnahme ein,
durch die Beschuldigte vor bestimmten Antworten auf einzelne Fragen gewarnt
bzw. in seiner Aussage sonst beeinflusst werden soll. Widersetzt sich der
Verteidiger den diesbezüglichen Anordnungen des Vernehmenden, so kann er nach
Abmahnung von der weiteren Anwesenheit ausgeschlossen werden (§ 164 Abs. 2 iVm
§ 94). Erst nachdem die Vernehmung abgeschlossen und aus Sicht des Vernehmenden
beendet ist, soll der Verteidiger ergänzende Fragen an den Beschuldigten
richten dürfen.
6.6. Ein
Verteidiger soll durch gerichtlichen Beschluss von der weiteren Vertretung
ausgeschlossen werden können, wenn er selbst verdächtig ist, an der
verfahrensgegenständlichen strafbaren Handlung beteiligt gewesen zu sein oder
Handlungen gesetzt zu haben, die als Begünstigung des Beschuldigten (§ 299
StGB) strafbar wären. Ein weiterer Ausschlussgrund würde dadurch verwirklicht,
dass der Verteidiger den Verkehr mit dem Beschuldigten missbraucht, um –
unerlaubt und ohne Deckung durch seine legitimen Befugnisse als Verteidiger -
Gegenstände in die oder aus der Justizanstalt zu schmuggeln (Mobiltelefone,
Kassiber; Suchtmittel), wodurch nicht nur deren Sicherheit und Ordnung, sondern
auch der Ablauf des Verfahrens gefährdet wäre.
6.7. Die
Rechte des Beschuldigten auf Information über den Verfahrensgegenstand und
Belehrung über seine wesentlichen Rechte (§ 50), auf
Akteneinsicht (§§ 51 bis 53) sowie auf
Übersetzungshilfe berücksichtigen den Umstand, dass der Beschuldigte verstehen
muss, wessen er beschuldigt wird und wie weiter verfahren wird. Nach Erstattung
des Abschlussberichts soll Akteneinsicht nur mehr bei der Staatsanwaltschaft
zustehen (§ 53 Abs. 1). Nach Verhängung der
Untersuchungshaft soll jede Beschränkung der Akteneinsicht wegfallen, soweit
sie der Beschuldigte benötigt, um Tatverdacht und Haftgründe im Wege einer
Beschwerde an das Oberlandesgericht bekämpfen zu können (§
51 Abs. 2 letzter Satz; siehe auch Pkt. 6.4.). Für Personen, die der
Verfahrenssprache nicht mächtig sind, ist eine Übersetzung der wesentlichen
Schriftstücke und die Sprachvermittlung durch einen Dolmetscher soweit
unerlässlich, als ihnen nicht zugemutet werden kann, ihnen ausgefolgte Kopien
des Akteninhalts selbst übersetzen zu lassen (siehe § 56
Abs. 1), weil andernfalls die Arbeit der Kriminalpolizei mit
Übersetzungsdiensten überfrachtet wäre. Information über das Verfahren und über
die Rechte des Beschuldigten kann unter bestimmten Umständen aufgeschoben
werden, sie ist jedenfalls spätestens vor der ersten Vernehmung des
Beschuldigten zu erteilen (§§ 50, 153 Abs. 2 und 164 Abs. 1). Die Gründe für
den Aufschub werden gegenüber der RV konkretisiert (§ 50
letzter Satz), wobei im Wesentlichen darauf abgestellt wird, dass der
Erfolg bestimmter Zwangsmaßnahmen (z.B. Überwachung der Kommunikation) bereits
ihrer Natur nach voraussetzt, dass der Betroffene keine Kenntnis von dem
anhängigen Verfahren hat. Festzuhalten bleibt jedoch, dass einer Verständigung
nach § 50 für den materiellen Beschuldigtenbegriff keine konstitutive Wirkung zukommt;
der Betroffene erlangt die Stellung eines Beschuldigten auch dann, wenn er
nicht im Sinne des § 50 belehrt wird. Spätestens ist diese Belehrung im
Zeitpunkt der Vernehmung nachzuholen, andernfalls die Befragung des
Beschuldigten bloß als Erkundigung (§ 152) zu bewerten und nichtig wäre, wenn
sie ausschließlich zur Umgehung der Bestimmungen des § 164 über die Vernehmung
des Beschuldigten durchgeführt würde.
6.8. Die
Verpflichtung zur objektiven Erforschung der materiellen Wahrheit verlangt,
dass auch entlastende Umstände von Amts wegen erhoben werden. Beweisanträge
können die Einhaltung dieser Verpflichtung daher nur flankierend absichern. Zur
Betonung dieses Gedankens soll im § 55 Abs. 3
hervorgehoben werden, dass dem Beweisantrag jedenfalls dann zu entsprechen ist,
wenn die zu beweisenden Tatsachen geeignet sind, den Tatverdacht unmittelbar im
Sinne eines Alibibeweises zu beseitigen oder die Gefahr des Verlusts einer
erheblichen Tatsache droht. Auch wenn im Vorverfahren Erkundungsbeweise nicht
grundsätzlich unzulässig sind, soll für die Verpflichtung, einem Antrag der
Beteiligten des Verfahrens nachzukommen, ein höherer Maßstab angelegt werden.
Mit dem Begriff der erheblichen Tatsache soll im Sinne einer einheitlichen
Terminologie auf jenen Begriff abgestellt werden, wie er in der geltenden StPO
durchgehend, vor allem auch in dem nicht vom Strafprozessreformgesetz
betroffenen Bereich der Hauptverhandlung und des Rechtsmittelverfahrens verwendet
wird (vgl. § 254 Abs. 1, 281 Abs. 1 Z 5 [siehe Ratz WK-StPO
§ 281 Rz 466], 309 Abs. 1, § 327 Abs. 1, § 328 StPO). Zu §
55 Abs. 4 wäre aus Sicht des Justizausschusses festzuhalten, dass die Kriminalpolizei stets von sich aus zu beurteilen
haben soll, ob ein zulässiger Beweisantrag vorliegt. Will sie den Beweis nicht
aufnehmen und hält sie die Voraussetzungen des Abs. 3 für gegeben, so soll die
Kriminalpolizei den Beweisantrag mit Anlassbericht der Staatsanwaltschaft
vorzulegen haben, die über dessen Durchführung abschließend – vorbehaltlich
eines Einspruchs des Betroffenen - entscheiden soll.
Zu § 8 (Unschuldsvermutung):
Gegenüber der RV soll dieser insbesondere
für das Vorverfahren bedeutsame Grundsatz (siehe z.B. Art. 1 Abs. 4 BVG über
den Schutz der persönlichen Freiheit und oben Pkt. 6.), sprachlich einfacher
formuliert werden. Wesentlich erscheint, dass bloß eine gerichtliche
Verurteilung, gegen die ein Rechtsmittel nicht mehr zusteht, die Wirkung dieser
Vermutung beseitigen kann.
Zu § 9 Abs. 2 (Beschleunigungsgebot):
Aus Sicht des Justizausschusses ist ein
absoluter Vorrang von Haftverfahren nicht zielführend, wesentlich ist, dass
solche Verfahren im Hinblick auf Art. 5 Abs. 3 zweiter Satz EMRK und Art. 5
Abs. 1 BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit beschleunigt geführt
werden.
Zu §§ 10 (Beteiligung der Opfer) und
65 bis 73 (4. Hauptstück: Opfer und ihre Rechte):
Wie bereits in den Vorbemerkungen
ausgeführt, richtet der Justizausschuss ein Hauptaugenmerk auf die Verbesserung
der doch in manchen Bereichen bloß zaghaften Versuchen der RV, die
Rechtsstellung der Opfer auszubauen. Dabei wurde eine weitestgehende Annäherung
an die Bestimmungen des Rahmenbeschlusses des Rates vom 15. Mai 2001 über die
Stellung des Opfers im Strafverfahren, ABl Nr. L 82/1 vom 22.3.2001,
angestrebt. Diese zeichnet sich bereits durch den Übergang vom Begriff des
„Verletzten“ oder des „Geschädigten“ zu jenem des „Opfers“ aus. So hat auch die
Europäische Kommission in ihrem Bericht gemäß Art. 18 des erwähnten
Rahmenbeschlusses, KOM(2004) 54 endgültig, darauf hingewiesen, dass alle
Mitgliedstaaten die gleiche Terminologie verwenden sollten, weil anderenfalls
die Effizienz des Rahmenbeschlusses beeinträchtigt werden könnte. Der Begriff
ist zudem längst international etabliert. In folgenden Bestimmungen hat daher
der Justizausschuss nicht nur diesen Begriff eingeführt, sondern darüber hinaus
die nachstehenden inhaltlichen Änderungen vorgenommen:
1. Bisher
fehlte es der RV an einer grundsätzlichen Betonung dessen, was Art. 2 des
erwähnten RB unter „Achtung und „Anerkennung“ versteht. In einem neuen § 10 Abs. 3 soll daher die allgemeine Verpflichtung der
Strafverfolgungsbehörden betont werden, das Opfer unter Beachtung seiner persönlichen
Würde zu behandeln und sein Interesse an der Wahrung der Intimsphäre zu
respektieren. Der bisher von § 47a StPO behandelte Identitätsschutz soll an
dieser Stelle übernommen und durch einen Hinweis auf den
Wiedergutmachungsaspekt ergänzt werden.
2. In
den Bestimmungen des 4. Hauptstückes („Opfer und
ihre Rechte“) soll grundsätzlich zwischen jenen Opfern unterschieden werden,
die durch die Straftat besonderen emotionalen Belastungen ausgesetzt sind und
schon auf Grund dieser Beeinträchtigung am Verfahren zu beteiligen sind, und jenen
Opfern, die ihr Wiedergutmachungsinteresse zum Verfahrensziel machen, indem sie
erklären, sich als Privatbeteiligte aktiv beteiligen zu wollen. Dabei war die
allzu enge Definition der emotional besonders belasteten Opfer nach der RV auf
jenen Bereich auszudehnen, in dem schon heute Prozessbegleitung gewährt wird.
Im Wesentlichen sollen alle Opfer, die durch eine Straftat Gewalt, gefährlicher
Drohung oder Eingriffen in ihre sexuelle Integrität ausgesetzt worden sein
könnten, eine besondere rechtliche Stellung im Verfahren erlangen, die Strafverfolgungsbehörden
verpflichtet, sie von Amts wegen zu berücksichtigen. Gleiches soll für nahe
Angehörige einer Person gelten, deren Tod durch eine (vorsätzlich oder
fahrlässig begangene) Straftat herbeigeführt worden sein könnte (§ 65 Z 1 lit. a und b).
3. Opfern
sollen besondere – von einer Erklärung, sich am Verfahren beteiligen zu wollen,
unabhängige - Rechte zustehen, insbesondere das Recht auf Information und auf
Beteiligung an parteiöffentlichen Beweisaufnahmen und an der Hauptverhandlung.
Dort soll ihnen auch rechtliches Gehör gewährt werden, wobei sie berechtigt
sein sollen, Angeklagte, Zeugen und Sachverständige zu befragen und auf diese
Weise ihre Sicht und ihre Verletzungen in das Verfahren einzubringen, ohne unbedingt
einen Schadenersatzanspruch geltend machen zu müssen (§ 66
Abs. 1). Es wird damit auch deutlich im Gesetz zum Ausdruck gebracht,
dass Opfer ausdrücklich darauf hinzuweisen sind, dass ihre Subjektstellung sie
nicht zur Teilnahme am Verfahren verpflichtet, sondern es ihnen überlassen bleibt,
von dieser Rechtsstellung Gebrauch zu machen.
4. Emotional
besonders betroffene Opfer sollen darüber hinaus einen Anspruch auf
Prozessbegleitung erhalten, die auf Verlangen zu gewähren ist, wenn und soweit
eine psychosoziale und juristische Begleitung während des Verfahrens
erforderlich ist, um die mit ihm verbundenen Belastungen für das Opfer
erträglich zu machen und ihm dennoch die Wahrnehmung seiner prozessualen Rechte
zu ermöglichen. Im Hinblick auf die weite Definition des Kreises der Anspruchsberechtigten
(grundsätzlich löst z.B. schon eine Straftat nach §§ 83 oder 107 StGB den
Anspruch auf Prozessbegleitung aus) scheint es dem Justizausschuss doch
erforderlich zu sein, auf die konkrete Bedürfnislage des Opfers und den Grad
seiner Beeinträchtigung abzustellen. Es soll auch der Einrichtung, die mit der
Prozessbegleitung beauftragt wurde, auf einfachem Weg möglich sein, bei Fehlen
der Voraussetzungen die Übernahme von Leistungen zu verweigern, um ihre
Kapazität für tatsächlich bedürftige Opfer zu bewahren. Glaubt ein Opfer, zu
Unrecht zurückgewiesen worden zu sein, kann es sich mit seinem Verlangen an
Staatsanwaltschaft oder (im Hauptverfahren) an das Gericht wenden. Im Sinn der
bisherigen Förderungsrichtlinien des BMJ soll juristische Prozessbegleitung
ausschließlich Rechtsanwälten obliegen, wodurch sich in diesem Umfang die
Bestellung eines Verfahrenshilfeanwalts erübrigt. Mit der Prozessbegleitung
soll der Bundesminister für Justiz bewährte und geeignete Einrichtungen
vertraglich beauftragen können, wodurch dem Beispiel des § 25 Abs. 3 SPG
gefolgt wird (§ 66 Abs. 2). Über ihre wesentlichen
Rechte und über die Voraussetzungen der Prozessbegleitung sollen Opfer
spätestens vor ihrer ersten Befragung belehrt werden (§ 70
Abs. 1).
5. Opfer,
die sich autonom – wenn auch auf Grund professioneller Beratung – dazu
entscheiden, sich aktiv am Verfahren beteiligen zu wollen, und einen Anspruch
auf Entschädigung geltend machen, sollen die Stellung als Privatbeteiligte
erlangen, die ihnen besondere Gestaltungs- und Mitwirkungsrechte, wie z.B. das
Recht, die Aufnahme von Beweisen zu verlangen, gewährleistet (§ 66 Abs. 1, 6 und 7). Diesem besonderen Kreis von Opfern
soll auch ein kostenloser Rechtsbeistand bestellt werden können, wenn sie
selbst nicht in der Lage sind, auch nur vorläufig dessen Kosten ohne Beeinträchtigung
des notwendigen Unterhalts zu tragen, soweit dies erforderlich ist, um ihre
Rechte zu wahren und einen nachfolgenden Zivilprozess zu vermeiden. Es muss zum
Zeitpunkt der Antragstellung naheliegen, dass über die Ansprüche des Opfers
bereits im Strafverfahren endgültig abgesprochen werden wird (§ 67 Abs. 7). Liegen jedoch die Voraussetzungen der
Prozessbegleitung vor, so ist nach § 66 Abs. 2 vorzugehen und dem betroffenen
Opfer juristische Prozessbegleitung durch Beigebung eines Anwalts zu gewähren.
6. Liegen
weder die Voraussetzungen der Gewährung von Prozessbegleitung noch jene der
Verfahrenshilfe vor, so soll sich das Opfer durch einen frei gewählten
Rechtsbeistand vertreten lassen können, wobei hier auch nach § 25 Abs. 3 SPG
anerkannte Einrichtungen (z.B. Interventionsstellen gegen Gewalt in der
Familie) zu berücksichtigen sind, denen der OGH erst jüngst (4 Ob 296/02m) zubilligte,
dass sie nicht gegen das Vertretungsmonopol der Rechtsanwälte verstoßen. Es
soll aber – ebenso wie im geltenden Recht (§ 50 Abs. 1 StPO) - auch die
Vertretung durch eine andere geeignete Person – den Fall der gewerbsmäßigen
Übernahme solcher Beistandsleistungen ausgenommen - legitimiert werden, weil
nicht einzusehen ist, warum etwa für ein Individualopfer nicht kostensparend
ein rechtskundiger Angehöriger oder für ein geschädigtes Unternehmen nicht ein
rechtskundiger Angestellter einschreiten können sollte (§
73).
Zu § 12 Abs. 2 (Mündlichkeit und
Öffentlichkeit):
In einem neuen Abs. 2 soll das Wesentliche
am Mündlichkeitsgrundsatz hervorgehoben werden, nämlich dass im Urteil nur
Tatsachen verwertet werden dürfen, die in der Hauptverhandlung vorgekommen
sind.
Zu §§ 16 und 89 Abs. 2 (Verbot der
Verschlechterung):
Der Justizausschuss folgt hier Anregungen
aus der Expertenanhörung, wonach grundsätzlich auch Entscheidungen im
Ermittlungsverfahren nicht zum Nachteil des Beschuldigten abgeändert werden
dürfen, gegen die nicht Beschwerde geführt wurde. Zur Begründung ist auf die
gemäß § 114 Abs. 4 StPO geltende Rechtslage hinzuweisen.
Zu §§ 19, 20 Abs. 3, 24 und 25 Abs. 6
(Staatsanwaltschaften und ihre Zuständigkeiten)
1. Die
Bestimmungen des 2. Abschnittes des 2. Hauptstückes
der RV verwenden den Begriff der „staatsanwaltschaftlichen Behörden“. Aus Sicht
des Justizausschusses ist diese Begriffsbildung zu vermeiden, weil
Staatsanwaltschaften grundsätzlich als Organe der Rechtspflege im
Strafverfahren tätig werden. Damit kann auch besser hervorgehoben werden, dass
die Generalprokuratur nicht als Anklagebehörde einschreitet, sondern als
objektive Rechtsgutachterin, die im besonderen Maß der richtigen Anwendung des
materiellen und formellen Rechts verpflichtet ist, selbst jedoch keinen
Verfolgungswillen ausübt.
2. Die
Bestimmung des § 24 (Stellungnahmen von
Staatsanwaltschaften) stellt sich als Nachfolgebestimmung des § 35 Abs. 2 StPO
dar; diese war jedoch ausschließlich auf den Beschuldigten konzentriert. Nimmt
nunmehr die Staatsanwaltschaft zu Gunsten z.B. einer Beschwerde des Privatbeteiligten
Stellung, so erscheint es auch im Fall der Stattgebung der Beschwerde nicht
berechtigt, diese Stellungnahme dem Beschuldigten nicht zur Kenntnis zu
bringen.
3. Die
Regierungsvorlage hat in § 20 Abs. 3 die für die
Erledigung eines Rechtshilfeersuchens unzuständige Staatsanwaltschaft
ermächtigt, dieses Ersuchen an die zuständige Staatsanwaltschaft abzutreten.
Aus Sicht des Justizausschusses soll diese Form der vereinfachten Wahrnehmung
für die örtliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft insgesamt gelten (§ 25 Abs. 6).
Zu §§ 28 (Bestimmung der
Zuständigkeit) und § 39 (Delegierung):
In Verfahren gegen Organe der
Sicherheitsbehörden oder Richter hat es sich – zumindest dem äußeren Anschein
nach - als nachteilig erwiesen, dass Richter desselben Gerichts bzw. des
Gerichts, in deren Sprengel das beschuldigte Organ seinen Dienst versieht, über
den Anklagevorwurf urteilen müssen, weil die bloße Tatsache der Zugehörigkeit
zu demselben Gericht oder der berufsbedingten Zusammenarbeit für die Annahme
der Befangenheit nicht ausreicht. Wie im Disziplinarverfahren gegen Richter
oder im Amtshaftungsverfahren soll daher die Möglichkeit der Bestimmung der
Zuständigkeit auf Ebene der Staatsanwaltschaften (d.h. im Ermittlungsverfahren
- § 28) bzw. der Delegierung (§ 39) auf Ebene der Gerichte geschaffen werden.
Damit wird es z.B. in Verfahren wegen des Vorwurfs der Misshandlung von
angehaltenen Personen gegen Organe der Kriminalpolizei möglich, das Verfahren
von einer Staatsanwaltschaft bzw. einem Gericht führen zu lassen, das keinen
dienstlichen Kontakt mit dem Beschuldigten pflegt. Gleiches gilt für Verfahren
gegen Richter oder Staatsanwälte, auch hier soll jeder Anschein der
Befangenheit vermieden werden, aber auch der Betroffene nicht einer Situation
ausgesetzt sein, in der er sich als Beschuldigter Kollegen gegenüber sieht, mit
denen er zumindest flüchtigen Kontakt pflegt. Weder für den Beschuldigten noch
für seine unmittelbaren Kollegen oder Vorgesetzten ist eine solche Situation
leicht zu bewältigen, sodass der Beschuldigte selbst die Bestimmung der
Zuständigkeit bzw. der Delegierung beantragen können soll.
Zu den §§
29 bis 31 und 34 Abs. 2 (Allgemeines, Bezirksgericht, Landesgericht und
Oberster Gerichtshof):
Neben rein
sprachlichen Verbesserungen (§§ 29 Abs. 2, 30 Abs. 1 und 31 Abs. 2, 3 und 4)
waren Anpassungen an das erst kürzlich vom NR verabschiedete
Strafrechtsänderungsgesetz 2004 vorzunehmen (§§ 30 Abs. 1 Z 6 und 31 Abs. 3 Z
4). Schließlich musste im § 31 Abs.
1 Z 1 und 2 die
Ausweitung der Fälle einer gerichtlichen Beweisaufnahme und eigener
Ermittlungen (§§ 104 und 105, siehe die Bemerkungen dort) berücksichtigt
werden.
In § 34 Abs. 2 soll in Bezug auf die Senatsbesetzung bloß auf
die Bestimmungen des BG über den Obersten Gerichtshof verwiesen werden, um die
Trennung zwischen Verfahrens- und Organisationsrecht strikt beizubehalten.
Zu § 35
(Form gerichtlicher Entscheidungen):
Nach § 35 RV
betreffen Urteile Schuld und Strafe. Als Prozessurteil wird nur die
Unzuständigkeit erwähnt. Prozessurteile entscheiden definitionsgemäß nicht über
die Schuld, sondern beenden das Verfahren auf Grund formeller Mängel, die es
gar nicht erst zur Befassung mit der Schuldfrage kommen lassen. Es ist nach
gegenwärtigem Recht aber leider üblich, sie mit Ausnahme der
Unzuständigkeitsurteile als „Freisprüche“ zu bezeichnen (§ 259 StPO). Gerade
die Sonderregelung der Unzuständigkeitsurteile lässt erkennen, dass die übrigen
Prozessurteile unter die meritorischen Freisprüche gezählt werden, die sie aber
nicht sind, weil gerade nicht über die Schuld entschieden wird. Lediglich weil
es zu keiner Schuldentscheidung kommt, gilt die Unschuldsvermutung im Ergebnis
in gleicher Weise wie bei einem Freispruch in der Sache. Diese Unterscheidung
soll in der Formulierung des § 35 zum Ausdruck gebracht werden, die gegenüber
der Fassung der RV durch die Wendung „... über ein Verfahrenshindernis oder
eine fehlende Prozessvoraussetzung...“ zu ergänzen war.
Zu den §§
36 und 37 (Örtliche Zuständigkeit und Zuständigkeit des Zusammenhangs):
Die Überschrift
der §§ 36 und 37 RV mit „örtlicher Zuständigkeit“ ist nicht völlig zutreffend,
weil dort die Zuständigkeit des Zusammenhanges entsprechend §§ 56 und 57 StPO
geregelt wird. Das Pendant zu diesen Bestimmungen wird in der RV bei der
gerichtlichen Zuständigkeit - anders als im Bereich der Staatsanwaltschaften
(§§ 25 und 26) – in den Regelungen des § 37 Abs. 2 bis 4 RV versteckt und unsystematisch
erfasst. Durch die Änderung wird aus diesen Bestimmungen (§ 37 Abs. 2 bis 4 RV)
ein neuer, eigener § 37 gebildet, der folgerichtig die
Überschrift „Zuständigkeit des Zusammenhangs“ erhält, während § 36 auf die Regelung der örtlichen Zuständigkeit
fokussiert wird. Er wird um den § 37 Abs. 1 (nunmehr § 36 Abs. 3) und um die
Abs. 5 und 6 des § 37 RV erweitert.
Zu § 47
Abs. 3 (Befangenheit von Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft):
Die Änderung
gegenüber der RV resultiert daraus, dass es im Bereich der Staatsanwaltschaften
keine „im Instanzenzug übergeordnete Behörde“ gibt.
Zu den §§
48 bis 64 (3. Hauptstück: Beschuldigter und Verteidiger):
Siehe die
Erläuterungen zu den §§ 6 f. (Rechtliches Gehör, Recht auf Verteidigung) u.a.
Zu den §§
65 bis 73 (4. Hauptstück: Opfer und ihre Rechte):
Siehe die
Erläuterungen zu den §§ 10 u.a. (Beteiligung des Opfers).
Zu § 75
Abs. 2 und 3 (Berichtigen, Löschen und Sperren von Daten);
Staatsanwaltschaftliche
und gerichtliche Register (Geschäftsbehelfe) werde ausschließlich automationsunterstützt
geführt; die in der RV vorgeschlagene Frist von fünf Jahren für die
Unterbindung eines Zugriffs auf das Namensverzeichnis erscheint gegenüber den
allgemeinen Aktenskartierungsfristen entschieden zu kurz bemessen, um die
Evidenthaltung und Auffindbarkeit der Akten eines Strafverfahrens zu
gewährleisten. Die in Abs. 2 Z 1 und 2 geregelten Fristen waren daher auf zehn
Jahre zu verlängern.
Die Änderung in
Abs. 3 ist rein sprachlicher Natur.
Zu § 76
Abs. 3 (Amts- und Rechtshilfe):
In diese
Bestimmung war ein Verweis auf das Bundesgesetz über die justizielle
Zusammenarbeit in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen
Union (siehe RV 370 d. Beilagen XXII.GP) aufzunehmen, um der seit Einbringung
der RV erfolgten Rechtsentwicklung (Rahmenbeschluss über den Europäischen
Haftbefehl) auf europäischer Ebene Rechnung zu tragen.
Zu den §§
85, 86 Abs. 3, 87 Abs. 2, 88 Abs. 1 und 89 Abs. 2 (Allgemeines, Beschlüsse,
Beschwerden, Verfahren über Beschwerden und Verfahren vor dem
Rechtsmittelgericht).
Die vom
Justizausschuss vorgenommen Erweiterung der Fälle gerichtlicher Beweisaufnahmen
verlangt nach einer Regelung des Rechtsschutzes gegen gerichtliche
Beweisaufnahmen, wie sie der geltenden StPO nach § 113 immanent ist. Durch eine
Ergänzung der §§ 85 und 87 Abs. 2
soll einerseits klargestellt werden, dass die Staatsanwaltschaft dadurch
beschwert ist, dass das Gericht ihren vom Gesetz verpflichtend aufgetragenen
Anträgen (§ 101 Abs. 2 zweiter Fall) nicht oder nicht vollständig entspricht.
Betroffene sollen sich andererseits – im Fall der Verletzung eines subjektiven
Rechts gemäß § 106 Abs. 1 im Zuge einer gerichtlichen Beweisaufnahme - an das
Oberlandesgericht wenden können, für dessen Entscheidung die selben Maßstäbe
wie für Entscheidungen des Gerichts über Einsprüche gelten sollen (§ 107). Im §
88 Abs. 1 wird die Frist zur Beschwerdeerhebung in solchen Fällen
geregelt, wobei anders als beim Einspruch auch im Fall der sogenannten
Maßnahmenbeschwerde im Sinn der Rechtssicherheit eine 14- tägige
Beschwerdefrist eingehalten werden soll.
Die Formulierung
des § 86 Abs. 3 RV konnte dahingehend missverstanden werden, dass der in
manchen Urteilen als Unsitte vorkommende Satz „Die Entscheidungsgründe werden
der Urteilsausfertigung vorbehalten.“ nunmehr ausdrücklich gebilligt werden
soll. Allerdings trägt die in § 238 Abs. 2 StPO angeordnete Protokollierung
zwei wesentlichen Anliegen Rechnung, die nicht verloren gehen sollen:
einerseits wird bei sofort erforderlicher Begründung deren Sinn, nämlich die
Entscheidungsfindung zu reflektieren und nicht erst im nachhinein eine
anfechtungsfeste Begründung zu entwerfen, erst wirksam, andererseits trägt die
sofortige Darlegung der Entscheidungsgründe dazu bei, dass Antragsteller auf
Mängel ihrer Anträge aufmerksam gemacht werden und ein ergänzendes Vorbringen
nach Maßgabe der in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck gebrachten Meinung
erstatten können. Zur Vermeidung ganz und gar floskelhafter Begründungen in der
Hauptverhandlung soll daher § 86
Abs. 3 besser mit §
238 Abs. 2 StPO harmonisiert werden.
Zu § 89 Abs. 2 siehe die Erläuterungen zu § 16 (Verbot der
Verschlechterung).
Zu § 91
Abs. 1 (Zweck des Ermittlungsverfahrens):
Die Ermittlungen und Beweisaufnahmen haben
nicht nur den Zweck, Entscheidungsgrundlage für die Entscheidung der
Staatsanwaltschaft über die Beendigung des Ermittlungsverfahrens zu liefern; im
Fall der Anklage kommt ihnen auch die Aufgabe zu, als Grundlage für die
Beweisführung in der Hauptverhandlung verwendet zu werden und dem Gericht auf
diese Weise die Durchführung der Hauptverhandlung – möglichst – in einem Zug zu
ermöglichen. Dieser Zweck soll auch in der Formulierung des Gesetzes zum
Ausdruck kommen.
Zu § 92 (Ermächtigung zur
Strafverfolgung):
Die Änderungen dieser Bestimmung stellen
sich als Folgeänderung zu der Neuordnung der Opferrechte dar; der Begriff des
Opfers kann in dieser Bestimmung nicht verwendet werden, weil es in manchen Fällen
nicht bloß auf dessen Ermächtigung ankommt (siehe § 117 Abs. 3 StGB).
Zu § 93 (Zwangsgewalt und
Beugemittel):
Gegenüber der RV soll in dieser Bestimmung
klargestellt werden, dass ausschließlich die Kriminalpolizei befugt ist,
unmittelbaren Zwang auszuüben. Dabei ist sie freilich an den Grundsatz der
Gesetz- und Verhältnismäßigkeit gebunden. Befugnisse darf sie nur dann mit
unmittelbarer Zwangsgewalt durchsetzen, wenn sie dazu ausdrücklich gesetzlich
ermächtigt ist und im konkreten Fall das angemessene und gelindeste noch zum
Ziel führende Mittel anwendet.
Schließlich soll die ungeklärte Frage
geregelt werden, ob eine Anordnung zur Festnahme auch eine Anordnung zur
Durchsuchung von Wohnungen umfasst. Nach der hier vorgeschlagenen Lösung soll
das nur für den örtlichen Bereich gelten, in dem die Festnahme nach dem Inhalt
der Anordnung vollzogen werden soll (d.h. die in der Anordnung angeführte
Adresse). Dies dient im Wesentlichen bloß der Klarstellung, weil nach dem
Inhalt des § 93 Abs. 1 die Anordnung zur Festnahme grundsätzlich mit
Zwangsgewalt durchgesetzt werden kann; weiß die Kriminalpolizei daher, dass
sich die gesuchte Person in der fraglichen Wohnung aufhält und wird ihr bloß
deren Öffnung verweigert, so soll der Zutritt gewaltsam erzwungen werden
können. Im Übrigen ist für eine Durchsuchung die Gefahr-im-Verzug- Regelung des
§ 120 Abs. 1 anwendbar.
Im Abs. 3 soll klargestellt werden, dass
die Kriminalpolizei zur Absperrung bestimmter (Tat-)Orte und Räumlichkeiten
bzw. zur Wegweisung von Personen befugt ist, wenn sie eine Zwangsmaßnahme oder
Beweisaufnahme durchzuführen hat. Dies betrifft insbesondere die
kriminaltechnische Durchsuchung von Tatorten und die Hinderung des Zutritts zu
Wohnungen, solange dies erforderlich ist, um eine unverfälschte und sichere
Spurenaufnahme und – auswertung zu ermöglichen.
Zu § 94 (Ordnungsstrafen):
Grundsätzlich soll der Leiter der
jeweiligen Amtshandlung in Wahrnehmung seiner sitzungspolizeilichen Aufgaben
auch berechtigt sein, Personen und Parteienvertreter von der weiteren Teilnahme
an der Beweisaufnahme auszuschließen, wenn sich diese seinen Anordnungen
widersetzen. Auf diese Weise kann etwa auch das in § 164 Abs. 2 ausgesprochene
Verbot, des Eingreifens in eine Vernehmung effektiv durchgesetzt werden.
Zu § 98 (Allgemeines):
In dieser Bestimmung soll die
staatsanwaltschaftliche Leitungsbefugnis verdeutlicht werden. Auch wenn das
Verfahrensmodell auf ein kooperatives Zusammenwirken von Kriminalpolizei und
Staatsanwaltschaft ausgerichtet ist, bedarf es für den Konfliktfall einer
eindeutigen Regelung, wem die Letztentscheidung zukommt (Abs. 1).
Im Abs. 2 findet sich nunmehr ein
Vorausverweis auf die Fälle einer Befugnis des Gerichts, auch von Amts wegen
Beweise aufzunehmen bzw. Ermittlungen der Kriminalpolizei zu beauftragen.
Zu § 99 (Ermittlungen):
Im Abs. 1 soll klargestellt werden, dass
die Kriminalpolizei auch im Ermittlungsverfahren verpflichtet ist, Anordnungen
des Gerichts zu befolgen; dies wird insbesondere im Rahmen der Bewilligung von
Anordnungen der Staatsanwaltschaft relevant, weil das Gericht in diesen Fällen
ermächtigt werden soll, sich die Entscheidungsgrundlage für die Bewilligung des
Grundrechtseingriffs selbst zu beschaffen.
Der Hinweis in Abs. 5 auf die
Voraussetzungen einer sogenannten kontrollierten Lieferung soll einen
Gleichklang mit den entsprechenden Bestimmungen des EU-JZG herstellen. Danach
betrifft eine kontrollierte Lieferung ausschließlich verkehrsbeschränkte oder
verbotene Gegenstände, nicht auch Personen. Da eine kontrollierte Lieferung in
erster Linie einen Verzicht der Staatsanwaltschaft auf ein Einschreiten
hinsichtlich der Ein,- Aus- und Durchfuhr von Verbotswaren, deren Innehabung im
Bundesgebiet unter gerichtlicher Strafe steht, bedeutet, soll sie auch über die
kontrollierte Lieferung zu entscheiden haben.
Zu § 100 Abs. 2 Z 1 (Berichte):
Die Kriminalpolizei soll jedenfalls in
jenen Fällen, in denen die Staatsanwaltschaft nach § 101 Abs. 2 zweiter Satz
zur Antragstellung an das Gericht verpflichtet ist, einen Anfallsbereicht zu
erstatten haben, damit die Staatsanwaltschaft rechtzeitig informiert ist und
unmittelbar das Erforderliche veranlassen kann.
Zu § 101 (Aufgaben):
Die Staatsanwaltschaft soll gerichtliche
Beweisaufnahmen zu beantragen haben, wenn an diesen wegen der Bedeutung der
Straftat und der Person des Tatverdächtigen ein besonderes öffentliches
Interesse besteht. Damit will der Justizausschuss auf die immer wieder betonte
„Anscheinsproblematik“ eingehen, wonach eigenen Ermittlungen der
Staatsanwaltschaft wegen deren organisationsrechtlichen Stellung nicht dasselbe
Maß an Vertrauen entgegengebracht werde wie dem unabhängigen Gericht.
Tatsächlich scheinen bei Vorliegen der kumulativen Voraussetzungen (Bedeutung
der Tat und Person des Tatverdächtigen) unmittelbare richterliche
Beweisaufnahmen bessere Gewähr dafür zu bieten, dass die Entscheidung der
Staatsanwaltschaft über den Fortgang des Verfahrens nicht von vornherein mit
dem Makel der Voreingenommenheit behaftet wird. Dabei erscheint es klar, dass
die Staatsanwaltschaft keinen besonderen Antrag auf gerichtliche Beweisaufnahme
zu stellen hat, wenn das Ermittlungsergebnis ohnedies ausreicht, um Anklage zu
erheben. Gleiches gilt für den Fall, dass bereits mit Einstellung des
Verfahrens mangels Tatverdachts oder anderer Verfolgungshindernisse vorzugehen
wäre, weil in diesen Fällen die unmittelbare Verpflichtung zur Einstellung, die
ja auch im Wege eines Antrages gemäß § 108 Abs. 1 Z 1 durchgesetzt werden
könnte, der Verpflichtung, gerichtliche Beweisaufnahmen zu beantragen, vorgeht.
Auf Grund eines Berichts der Kriminalpolizei gemäß § 100 Abs. 2 Z 1 kann daher
die Staatsanwaltschaft zunächst Ermittlungen zur Konkretisierung oder
Entkräftung des Verdachts beauftragen, bevor das Gericht zu befassen wäre, weil
gerichtliche Beweisaufnahmen nur im Fall eines hinreichenden
Ermittlungssubstrats zur weiteren Aufklärung von Sachverhalt und Tatverdacht
sinnvoll erscheinen.
Berücksichtigt man, dass das Gericht die
beantragten Beweise selbst aufzunehmen haben und nicht an die Kriminalpolizei
delegieren können soll, so kann auch das Recht auf den gesetzlichen Richter und
damit die gerichtliche Zuständigkeit parallelen Ermittlungsaufträgen der
Staatsanwaltschaft an die Kriminalpolizei nicht entgegenstehen (etwa
Sicherstellung von Unterlagen udglm.) Schließlich darf auch nicht übersehen
werden, dass dem Gericht keine Befugnis zustehen soll, Zwangsmaßnahmen ohne
darauf gerichteten Antrag der Staatsanwaltschaft zu ergreifen.
Die Leitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft
bleibt daher durch die Verpflichtung nach § 101 Abs. 2 zweiter Satz unberührt;
sinnfällig wird dies auch dadurch, dass ihr nach § 87 Abs. 2 Beschwerde
zustehen soll, wenn das Gericht ihre Anträge nicht oder nicht vollständig
erledigt.
Im Abs. 3 soll für staatsanwaltschaftliche
Anträge an das Gericht betont und hervorgehoben werden, dass die
Staatsanwaltschaft von einer gerichtlichen Bewilligung auf Durchführung
bestimmter Zwangsmaßnahmen nicht unbeschränkt Gebrauch machen können soll.
Haben sich die Verhältnisse derart geändert, dass der Grundrechtseingriff (z.B.
eine Festnahme) unverhältnismäßig wäre, so soll die Staatsanwaltschaft
verpflichtet sein, von ihm Abstand zu nehmen.
Zu § 102 Abs. 1 (Anordnungen und
Genehmigungen):
Anstelle der in der RV noch vorgesehenen
allgemeinen (wenngleich eingeschränkten) Begründungspflicht der
Staatsanwaltschaft gegenüber der Kriminalpolizei soll eine Begründung nur mehr
in den Fällen erforderlich sein, in denen die Staatsanwaltschaft der
Kriminalpolizei aufträgt, unmittelbaren Zwang auszuüben. In diesen Fällen hat
nämlich der Betroffene das Recht, über Anlass und Zweck der Maßnahme informiert
zu werden, um von seinem Einspruchsrecht Gebrauch machen zu können.
Zu § 103 (Ermittlungen):
Das eigene Ermittlungsrecht der
Staatsanwaltschaft rechtfertigt aus Sicht des Justizausschusses wegen seiner
grundsätzlichen Bedeutung für die Funktionen der Staatsanwaltschaft und des
derzeit unter Nichtigkeitssanktion stehenden Verbots solcher Erhebungen (§ 97
Abs. 2 erster Satz StPO) einen eigenen Absatz. Dennoch vertritt auch der
Justizausschuss die Auffassung, dass die Staatsanwaltschaft von diesem
Ermittlungsrecht nur in bedeutenderen Fällen oder in einer Beweissituation
Gebrauch machen wird, in der es auf den unmittelbaren Eindruck ankommt, um die
richtige Entscheidung über die Fortführung oder Beendigung des Verfahrens
treffen zu können.
Zu den §§ 104 und 105 (Gerichtliche
Beweisaufnahme und Bewilligung von Zwangsmitteln) sowie zu den §§ 174 Abs. 1
(Verhängung der Untersuchungshaft) und 176 Abs. 1 (Haftverhandlung):
Nach Auffassung des Justizausschusses
erscheint die von der RV intendierte – mit Ausnahme der Beweissicherung –
gänzliche Eliminierung gerichtlicher Beweisaufnahmen überschießend und mit den
Traditionen des österreichischen Strafverfahrensrechts nur schwer vereinbar.
Auf die besondere und anerkannte Qualität unmittelbarer gerichtlicher
Beweisaufnahme soll daher in folgenden Fällen nicht verzichtet werden:
1. In
den Fällen des § 101 Abs. 2 zweiter Satz, d.h. wenn die Staatsanwaltschaft
wegen des besonderen öffentlichen Interesses gerichtliche Beweisaufnahmen zu
beantragen hat, soll das Gericht Vernehmungen von Beschuldigten und Zeugen,
Augenscheine sowie Befundaufnahme und Bestellung von Sachverständigen selbst
unmittelbar vornehmen können (§ 104 Abs. 1). Andere
Ermittlungen, zu deren Vornahme das Gericht die Kriminalpolizei heranziehen
müsste, soll es von Amts wegen nicht anordnen können. Auf ihre Notwendigkeit
kann das Gericht die Staatsanwaltschaft aber gemäß § 104 Abs. 2 letzter Satz
aufmerksam machen.
2. Ergeben
sich im Zuge einer gerichtlichen Beweisaufnahme Umstände, die für die
Beurteilung des Tatverdachts – sowohl entlastend als auch belastend – von
Bedeutung sein können, soll das Gericht diese Umstände durch unmittelbare
Aufnahme von Beweisen selbst erheben können. Dabei kann es auch auf Antrag der
Beteiligten des Verfahrens tätig werden, etwa wenn sich im Zuge einer Tatrekonstruktion
oder einer kontradiktorischen Beweisaufnahme solche Anhaltspunkte ergeben,
deren unmittelbare Aufklärung Beschuldigter oder Opfer verlangen (§ 104 Abs. 2). Anträge der Staatsanwaltschaft soll das
Gericht im Sinne der Ermittlungseffizienz auch dann nicht abwarten müssen, wenn
der Verlust des Beweises einer erheblichen Tatsache droht (§
104 Abs. 2 zweiter Satz). In sämtlichen Fällen einer unmittelbaren
Beweisaufnahme soll das Gericht die darüber aufgenommenen Protokolle
unverzüglich der Staatsanwaltschaft zu übermitteln haben. Eine Übernahme der
Verfahrensleitung ist damit nicht verbunden; auf weitere Ermittlungen, die aus
Sicht des Gerichts erforderlich wären, um Sachverhalt und Tatverdacht
abschließend beurteilen zu können, soll das Gericht die Staatsanwaltschaft
aufmerksam machen können.
3. Beantragt
die Staatsanwaltschaft beim Gericht die Bewilligung einer angeordneten
Zwangsmaßnahme (etwa auf Durchsuchung oder Festnahme), so soll sich das Gericht
die Grundlagen für seine Entscheidung über den Antrag, d.h. die für die
Beurteilung von Tatverdacht und Verhältnismäßigkeit erforderlichen „bestimmten
Tatsachen“ auch selbst beschaffen können; in diesem Fall sind auch Anordnungen
des Gerichts an die Kriminalpolizei zulässig (§ 105 Abs. 2).
4. Dieses
Recht des Gerichts, eigene Ermittlungen durchzuführen, wird für die Verhängung
der Untersuchungshaft besonders hervorgehoben (§ 174 Abs. 1);
damit wird im Zusammenhang mit der weiteren Möglichkeit, eine Haftverhandlung
von Amts wegen anzuberaumen (§ 176 Abs. 1) und der
diese Möglichkeit effektuierenden Verpflichtung der Staatsanwaltschaft, dem
Gericht auf dessen Verlangen, laufend neue Erhebungsergebnisse zur Kenntnis zu
bringen (§ 105 Abs. 2 letzter Satz), eine
weitgehende Annäherung an das geltende Haftrecht erreicht (siehe § 179 Abs. 2
StPO)
5. Für
die Durchführung einer von ihm bewilligten Zwangsmaßnahme soll das Gericht der
Staatsanwaltschaft eine Frist setzen, nach deren ungenütztem Ablauf die
Bewilligung ex lege und unabhängig von einer allfälligen Änderung der Umstände
– und unbeschadet der Möglichkeit einer neuerlichen Antragstellung - außer
Kraft treten soll (§ 105 Abs. 1).
Zu den §§ 106 bis 108 (Einspruch
wegen Rechtsverletzung und Antrag auf Einstellung):
Im Bereich von Einsprüchen und Anträgen auf
Einstellung des Ermittlungsverfahrens (§§ 106 bis 108) will sich der
Justizausschuss Einwänden gegen einen allenfalls verfahrensverzögernden Effekt
von massierten Rechtsbehelfen nicht verschließen. Dies soll durch folgende
Änderungen gewährleistet werden:
1. Im
§ 106 Abs. 1 soll in Analogie zu Art. 130 Abs. 2
B-VG klargestellt werden, dass eine Verletzung eines subjektiven Rechts nicht
vorliegt, wenn Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft bei Wahrnehmung ihrer
Befugnisse nicht willkürlich, also im Rahmen des gesetzlich eingeräumten
Ermessens vorgegangen sind. Damit wird berücksichtigt, dass mitunter rasch und
bei noch zu konkretisierender Verdachtslage Entscheidungen über Zwangsmaßnahmen
oder Einschränkung gewisser Rechte zu treffen sind, die nachträglich jeweils
vom Standpunkt ex-ante und nicht ex-post zu prüfen sein sollen.
2. Hat
die Staatsanwaltschaft dem Einspruchsbegehren des Betroffenen entsprochen, so
soll dieser nur dann eine gerichtliche Entscheidung begehren können, wenn er
behauptet, dass seinem Begehren tatsächlich nicht oder nicht vollständig
entsprochen wurde. Trifft dies nicht zu, so soll das Gericht den Einspruch ohne
weitere meritorische Prüfung als unzulässig zurückzuweisen haben (§§ 106 Abs. 4 letzter Halbsatz und 107 Abs. 1 dritter Satz).
3. Im
§ 107 Abs. 1 soll klargestellt werden, dass
Einsprüche wegen der Verweigerung von Verfahrensrechten (Akteneinsicht oder
Beweisanträge) nicht mehr zu behandeln sind, wenn bereits das Hauptverfahren
eröffnet wurde, in dem der Betroffene ohnehin seine Rechte neuerlich geltend
machen kann. Einsprüche gegen die Anwendung unmittelbaren Zwangs sollen zur
Vermeidung einer Vorbefasstheit und damit Befangenheit des Gerichts des
Hauptverfahrens noch von dem Gericht entschieden werden, das im
Ermittlungsverfahren zuständig wäre.
4. Schließlich
soll das Oberlandesgericht eine Beschwerde nach § 107 Abs.
3 in Analogie zu Art. 131 Abs. 3 B-VG zurückweisen können, wenn keine
ungeklärten Rechtsfragen oder keine Abweichung von einer einheitlichen
Judikatur der Höchstgerichte festzustellen ist.
5. Im
§ 108 Abs. 2 soll für den Antrag auf Einstellung
wegen überlanger Verfahrensdauer eine Frist eingeführt werden, um verfrühte,
wiederholte und aussichtslose Anträge zu vermeiden. Diese Fristen entsprechen
im Wesentlichen den Fristen, in denen die Kriminalpolizei zur Berichterstattung
an die Staatsanwaltschaft verpflichtet ist; erst nach deren Ablauf scheint eine
überlange Verfahrensdauer überhaupt erst möglich zu sein (vgl. Lambauer, Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen
den Willen des Staatsanwaltes, FS Steininger, 343 ff., 352 ff., 355). Anträge,
die vor Ablauf dieser Frist eingebracht werden, soll das Gericht formlos zurückweisen
können (§ 108 Abs. 3). Die Änderungen in § 108 Abs. 1 sind hingegen bloß sprachlicher Natur und
sollen eine bessere Übereinstimmung mit der Formulierung der Gründe für einen
Anklageinspruch nach § 212 Z 1 bewirken.
Zu §§ 110 Abs. 1 Z 3 und Abs. 3 Z 5
sowie 115 Abs. 1 Z 3 (Sicherstellung und Beschlagnahme):
Durch den Verweis auf eine andere
gesetzlich geregelte vermögensrechtliche Anordnung in den §§
110 Abs. 1 Z 3 und 115 Abs. 1 Z 3 sollen nebengesetzliche Bestimmungen
über die Vernichtung und Unbrauchbarmachung bestimmter Eingriffsgegenstände in
Immaterialgüterrechte erfasst werden.
Im Übrigen lässt die RV offen, ob die
Kriminalpolizei auch bei Verletzung von Immaterialgüterrechten berechtigt ist,
Sicherungsmaßnahmen von Amts wegen zu treffen und den Rechtsinhaber zu
verständigen. Da die Kriminalpolizei im Zuge ihrer Tätigkeit mitunter auf
offensichtliche Raubkopien (Fälschungen) stößt, es aber wegen des Charakters
der Privatanklagedelikte zweifelhaft erscheint, ob Sicherungsmaßnahmen vor
Verständigung des Rechtsinhabers erfolgen dürften, soll nach dem Vorbild des
Artikel 4 EG-Produktpiraterieverordnung 1994/99 eine entsprechende Regelung in § 110 Abs. 3 Z 5 vorgesehen werden.
Zu §§ 112 Abs. 1 und 116 Abs. 4 und 6
(Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte):
In Anbetracht der Bedeutung des
Bankgeheimnisses und des dadurch bestehenden besonderen Vertrauensverhältnisses
zwischen Kredit- oder Finanzinstituten und ihren Kunden sieht sich der
Justizausschuss zu folgenden Klarstellungen und Verbesserungen gegenüber der RV
veranlasst:
1. §
116 stellt gegenüber allen anderen Ermittlungs- und Zwangsbefugnissen eine „lex
specialis“ dar, d.h., dass stets und ausschließlich nach ihr vorzugehen ist,
wenn Auskünfte einzuholen sind, die von § 38 BWG erfasst sind.
2. Auskünfte
können auch von Mitarbeitern des Kredit- oder Finanzinstituts oder von
Bankprüfern und Organen der Prüfungsverbände (siehe § 61 Abs. 1 BWG) nur unter
der Voraussetzung des § 116 eingeholt werden. Der Vernehmung eines „informierten
Vertreters“ dieser Institute und Prüfungsverbände hat daher eine Anordnung der
Staatsanwaltschaft voranzugehen, die der gerichtlichen Bewilligung bedarf.
3. Der
Verweis auf § 112 in § 116 Abs. 6 vorletzter Satz
bezieht sich bloß auf den Fall, dass unmittelbar beim Vollzug der gerichtlich
bewilligten Anordnung hervorkommt, dass in weitere Unterlagen Einsicht zu
nehmen wäre. In diesem Fall soll das betroffene Institut deren „Versiegelung“
und eine neuerliche Befassung des Gerichts vor Einsichtnahme verlangen können.
Dass jede Einsichtnahme vor gerichtlicher Entscheidung ausgeschlossen ist, soll
durch den Hinweis auf eine gesetzlich anerkannte Pflicht zu Verschwiegenheit in
§ 112 Abs. 1 sichergestellt werden.
4. Schließlich
soll in § 116 Abs. 6 eine Nachfolgeregelung für §
145a Abs. 5 StPO geschaffen (Entscheidung des Oberlandesgerichts anstelle der
Ratskammer, wenn zugleich Beschwerde gegen die gerichtliche Bewilligung erhoben
wird) und klargestellt werden, dass eine Durchsuchung in jedem Fall einer gerichtlichen
Anordnung bedarf, d.h. ein Vorgehen der Kriminalpolizei bei Gefahr im Verzug
ausgeschlossen ist. In der Anordnung und Bewilligung müssen auch jene Tatsachen
angeführt werden (§ 116 Abs. 4 Z 4), aus denen sich
die Erforderlichkeit der Maßnahme und des Eingriffs in den Geheimnisbereich
ergibt (siehe § 145a Abs. 3 Z 4 StPO).
Zu § 117 Z 5 (molekulargenetische
Untersuchung):
Im Sinne der Bestimmung des § 67 Abs. 3 SPG
und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes soll klargestellt werden, dass sich die
Untersuchung nur auf jene Bereiche der DNA erstrecken, die für die
Identifizierung und Wiedererkennung erforderlich sind, jedoch keine
Erbinformationen enthalten.
Zu § 120 Abs. 1:
Zum Schutz der Intimsphäre des Opfers einer
Straftat soll klargestellt werden, dass dieses niemals gezwungen werden darf,
eine Durchsuchung der Person, die auch die Besichtigung des unbekleideten Körpers
umfasst, zu dulden. Die Verpflichtung zur Achtung der Würde der zu
durchsuchenden Person soll im Abs. 3 besonders deutlich gemacht werden.
Zu § 123
Abs. 4 bis 7 (Körperliche Untersuchung):
Aus Sicht des
Justizausschusses führt die Regelung des § 123 Abs. 4 RV dazu, dass die
Bestimmung insgesamt weitgehend bedeutungslos wäre, weil danach jede
körperliche Untersuchung, die „mit einer Gefährdung der körperlichen Sicherheit
verbunden ist“ (darunter sollen grundsätzlich alle körperlichen Eingriffe und
daher auch die Abnahme einer Blutprobe fallen), „nur auf Grund ausdrücklicher
Einwilligung über die Folgen und das Ausmaß des Eingriffs oder der Gefährdung
zulässig“ sein. Somit wäre auch weiterhin die Abnahme einer Blutprobe bei einem
Bewusstlosen und einer Person, die keine Einwilligung erteilt, generell
unzulässig.
Diese Regelung
erscheint aus Sicht des Justizausschusses allzu zurückhaltend. In
Übereinstimmung mit den Vorschlägen des Diskussionsentwurfs 1998 und der
deutschen Rechtslage (§§ 81a ff dStPO) soll dagegen unter der Bedingung einer
richterlichen Bewilligung vorgesehen werden, dass Blutabnahmen oder ein
vergleichbar geringfügiger Eingriff – zu denken ist dabei insbesondere an eine
röntgenologische Untersuchung – ohne Einwilligung des Betroffenen durchgeführt
werden kann, wenn Verdacht besteht, der Beschuldigte habe unter dem Einfluss
eines berauschenden Mittels eine gegen Leib und Leben gerichtete Straftat
begangen oder dieser Eingriff erforderlich ist, um eine schwerwiegende
Straftat, insbesondere ein Sexualverbrechen aufzuklären. Andere körperliche
Eingriffe sollen hingegen weiterhin nur mit Einwilligung des Betroffenen und
auch nur insoweit zulässig sein, als mit ihnen nicht die Gefahr einer Gesundheitsschädigung
von mehr als dreitägiger Dauer verbunden ist (§ 123 Abs. 4).
Dem möglichen
Einwand, eine solche Regelung würde gegen das Verbot verstoßen, nicht gezwungen
werden zu dürfen, sich selbst zu belasten, ist mit der Rechtsprechung des EGMR
zu begegnen: Danach setzt das Recht, sich nicht selbst beschuldigen zu müssen,
insbesondere voraus, dass die Anklage in einem Strafverfahren versucht, ihre
Beweise gegenüber dem Beschuldigten zu führen, ohne zu Beweisen Zuflucht zu
nehmen, welche durch Methoden des Zwangs oder des Drucks unter Missachtung des
Willens des Beschuldigten erlangt wurden. In diesem Sinn ist das Recht eng mit
der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK verbunden. Dieses Recht erstreckt
sich jedoch nicht auf die Verwertung von Material, das vom Beschuldigten durch
den Einsatz von Zwangsbefugnissen erlangt werden kann, welches jedoch
unabhängig vom Willen des Beschuldigten eigenständig existiert, wie u.a.
Schriftstücke, welche gemäß einer gerichtlichen Entscheidung sichergestellt
wurde, Atemluft-, Blut- und Harnproben und Gewebeproben zum Zwecke einer DNA-
Untersuchung (siehe Fall Saunders gegen das Vereinigte Königreich, ÖJZ
1998, 1 MRK 32). Daraus kann ganz allgemein der Schluss gezogen werden, dass
die Erstreckung der für den Anwendungsbereich des Verbots der erzwungenen
Selbstbezichtigung entwickelten Grundsätze auf Maßnahmen und
Mitwirkungspflichten, denen im Ergebnis eine belastende Wirkung zukommt, die
aber nicht auf einem Zwang zur Bildung eines Willens zu einer selbstbelastenden
Handlung beruhen, nicht geboten ist. Als Duldungspflichten werden das Verbot
der Beeinträchtigung von Beweismitteln nach Unfällen oder die Duldung von
Untersuchungen zur Sicherung von Beweismitteln angesehen. Der EGMR hat ganz
klar in erster Linie die Respektierung des Willens des Beschuldigten im Auge,
spricht im Gegensatz dazu von Material, welches unabhängig vom Willen des
Beschuldigten existiert, und zählt dazu auch Blut-, Harn- und Gewebeproben.
Wenn also etwas dem Verdächtigen durch Gerichtsbeschluss abgenommen werden kann
(sei es durch Hausdurchsuchung, Personendurchsuchung, medizinische Maßnahmen),
mit der Wirkung, dass es dann unabhängig von ihm existiert, liegt kein Verstoß
gegen das nemo tenetur Prinzip vor (vgl. R. Müller, Neue
Ermittlungsmethoden im Spannungsfeld zum Verbot der Selbstbelastung, in
Strafverfahren – Menschenrechte – Effektivität, Schriftenreihe des BMJ, Bd 106,
385 ff., 402, 414).
Es stellt sich
allerdings eine andere Grundrechtsproblematik, nämlich jene des Art. 8 EMRK.
Zwangsweise Blutabnahmen, Impfungen, medizinische Eingriffe oder Sterilisation
greifen nach herrschender Auffassung in das Grundrecht auf Achtung des
Privatlebens, im besonderen in dessen Aspekt der körperlichen Integrität ein.
Sie sind daher nicht schlechthin unzulässig, müssen aber den strengen Kriterien
des Art. 8 Abs. 2 EMRK genügen. Das hat für solche Eingriffe die Konsequenz,
dass sie – abgesehen vom Erfordernis einer gesetzlichen Regelung – der
Voraussetzung des „urgent need“ im Sinne der Verhältnismäßigkeitsprüfung
unterliegen. In die danach vorzunehmende Abwägung ist die Natur der Straftat (danach
bemisst sich in der Regel auch das Gewicht des öffentlichen Interesses, alle
erdenklichen Erkenntnismethoden einzusetzen) einzustellen, sowie ferner, welche
Beweismittel sonst zur Verfügung stehen. Es ist daher zu untersuchen, ob die
zwangsweise Vorgangsweise gegenüber dem Verdächtigen verhältnismäßig ist. Durch
die Beschränkung auf bestimmte schwere Straftaten und auf Eingriffe gegenüber Beschuldigten,
meint der Justizausschuss diesen besonderen Anforderungen zu entsprechen.
Darüber hinaus
wurde es zu Recht als Mangel der RV empfunden, dass – im Unterschied zu vielen
anderen Bereichen – für den Bereich der körperlichen Untersuchung Regelungen
über die Verwertbarkeit von Untersuchungsergebnissen fehlen. Eine moderne StPO
soll hingegen hier vor allem auf zwei Fragen Antworten geben: Erstens muss
geregelt werden, inwieweit eine im Einzelfall unzulässig abgenommene Blutprobe
(z.B. ohne hinreichenden Anlass, ohne erforderliche Einwilligung, unter Einsatz
unverhältnismäßigen Zwangs) als Beweismittel herangezogen werden darf.
Diesbezüglich stehen sich seit längerem die Judikatur der ordentlichen Gerichte
(ZVR 1980/5; OLG Linz, 9 Bs 91/1988) und die Judikatur des
Verwaltungsgerichtshofs, der eine Verwertbarkeit verneint (VwSlg. 9975 A),
gegenüber. Ebenso war zu klären, inwieweit Blutproben als Beweismittel
herangezogen werden können, die zu anderen als strafprozessualen Zwecken, etwa
im Rahmen einer medizinischen Versorgung, abgenommen wurden. Solche Regelungen
finden sich nunmehr in den Abs. 6 und 7 des § 123. Als Vorbild wurden die
Bestimmungen über die Verwertung von Ergebnissen einer optischen und akustischen
Überwachung herangezogen; im Wesentlichen soll für die Verwertbarkeit verlangt
werden, dass hypothetisch die Voraussetzungen für eine Blutabnahme vorgelegen
wären.
Zu § 126
Abs. 3 (Sachverständige und Dolmetscher):
In Konsequenz der
erweiterten gerichtlichen Zuständigkeit für Beweisaufnahmen war zunächst in
dieser Bestimmung klarzustellen, dass das Gericht für seine Beweisaufnahmen
selbstverständlich auch ohne einen darauf gerichteten Antrag Sachverständige
bestellen kann. In sämtlichen Fällen einer Bestellung soll jedoch den
Beteiligten des Verfahrens die Möglichkeit eingeräumt werden, gegen die Person
des in Aussicht genommenen Sachverständigen Bedenken vorzubringen. Liegt in
diesen Bedenken einer der Gründe einer Befangenheit des Sachverständigen begründet,
so wäre von seiner Bestellung Abstand zu nehmen (Abs. 4), andernfalls die
Beteiligten berechtigt wären, Einspruch oder Beschwerde gegen die konkrete
Bestellung zu erheben. Aus Sicht des Justizausschusses sollte diese Bestimmung
besonders ernst genommen werden, weil ihre Beachtung hilft, eine spätere
Bezweiflung der Kompetenz des Sachverständigen und seiner Unbefangenheit zu
vermeiden. Grundsätzlich soll auch die Kriminalpolizei von der Person des
Sachverständigen in Kenntnis gesetzt werden, um eine reibungslose
Zusammenarbeit mit diesem zu gewährleisten.
Zu § 128
Abs. 2 (Leichenbeschau und Obduktion):
Mit der
Durchführung einer Obduktion soll grundsätzlich der Leiter eines Instituts für
gerichtliche Medizin einer Universität bestellt werden, um diesem Leitung
Überwachung und Sorge für eine gleichmäßige Auslastung der ihm unterstellten
Ärzte, denen er in Wahrnehmung seiner Leitungsfunktion die Erstattung von
Befund und Gutachten delegieren können soll, effektuieren zu können.
Zu §§ 130
Abs. 2 und 133 Abs. 1 und 2(Observation):
Gegenüber der RV
soll klargestellt werden, dass im Zuge einer Observation auch solche technische
Mittel eingesetzt werden können, welche die Lokalisierung der überwachten
Person ermöglichen, ohne dass damit eine Aufnahme ihres nicht-öffentlichen
Verhaltens oder solcher Äußerungen verbunden wäre. Wäre die Observation sonst
nicht durchführbar, sollen solche Peilsender oder GPRS- Systeme auch durch
Öffnen von Fahrzeugen und Behältnisse installiert werden dürfen.
In § 133 Abs. 1
und 2 war für diesen Fall der Unterstützung einer Observation durch besondere
technische Mittel die Anordnung der Staatsanwaltschaft vorzusehen.
Zu § 131
Abs. 5 (Verdeckte Ermittlung):
Nach herrschender
Ansicht, der sich der Justizausschuss anschließt, würde eine Verlesung der
Berichte verdeckter Ermittler ohnedies – weil darin Aussagen von Zeugen und
Beschuldigten festgehalten werden - gegen § 252 Abs. 1 und 4 verstoßen und
daher auch nach § 252 Abs. 2 unzulässig sein, weshalb § 131 Abs. 5 RV - als mit
dieser Ansicht im Widerspruch und die Nichtigkeitssanktion des § 252 Abs. 4
beeinträchtigend - entfallen kann (siehe dazu Ratz, Häufige Kritikpunkte an Urteilen und staatsanwaltlichen
Rechtsmitteln aus der Sicht eines OGH-Richters, RZ 2003, 194 ff.).
Zu §§ 134 bis
139 (Beschlagnahme von Briefen, Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung
sowie Überwachung von Nachrichten):
Die Änderungen in
diesen Bestimmungen gegenüber der RV sind terminologischer Natur und erklären
sich durch das mittlerweile in Kraft getretene TKG 2003, BGBl. I Nr. 70/2003.
Zu § 147:
Nach Auffassung
des Justizausschusses sollen verdeckte Ermittlung und Scheingeschäft der
Kontrolle des unabhängigen Rechtschutzbeauftragten unterstellt werden, wobei
zur Begründung vor allem auf die Befugnisse des Rechtschutzbeauftragten nach §§
62 und 62a SPG zu verweisen ist, dem ebenfalls die Kontrolle von verdeckten
Ermittlungen nach § 54 Abs. 3 SPG überantwortet ist. Dabei wird auch an die Überlegungen
zur Schaffung des Rechtsschutzbeauftragten im Zusammenhang mit der Einführung
der optischen und akustischen Überwachung von Personen unter Verwendung
technischer Mittel angeknüpft, weil der Betroffene seine Rechte wegen der
Heimlichkeit dieser Ermittlungsmaßnahmen nicht bzw. erst nach deren Beendigung
wahrnehmen kann. Zugleich wird damit auf Forderungen eingegangen, dass diese
beiden Ermittlungsmaßnahmen einer besonderen Kontrolle bedürfen.
Zu § 149
Abs. 2 (Augenschein und Tatrekonstruktion):
Der Augenschein
stellt eine Beweisaufnahme dar. Zur Vermeidung von Missverständnissen war hier
gegenüber der RV klarzustellen, dass über die Durchführung eines solchen kein
Protokoll nach § 96 zu erstellen ist, sondern seine Ergebnisse in einem
Amtsvermerk (§ 95) festzuhalten sind.
Zu den §§
150 und 153 (Durchführung der Tatrekonstruktion und Vernehmungen):
In diesen
Bestimmungen wären bloß terminologische Folgeanpassungen an die neue
Begriffsbildung im Bereich der Opferrechte und an die Ermittlungsbefugnisse des
Gerichts vorzunehmen.
Zu § 155
Abs. 1 (Verbot der Vernehmung als Zeuge):
Das Klammerzitat im Eingang dieses Absatzes
(§ 281 Abs. 1 Z 3) soll entfallen, weil sowohl
Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z 2 StPO als auch nach der Z 3 dieser Bestimmung
(je nachdem, in welchem Verfahrensstadium der Fehler begangen wird) in Betracht
kommt.
Zu §§ 157,
158 und 159 Abs. 3 (Aussageverweigerung sowie Information und Nichtigkeit):
Die Änderung im § 157 Abs. 1 Z 3 erklärt sich aus dem mittlerweiligen
In-Kraft-Treten des Zivilrechts-Mediations-Gesetzes, BGBl. I Nr. 29/2003.
Die Formulierung
des § 157 Abs. 2 soll der bisherigen Regelung des
Umgehungsverbots nach § 152 Abs. 3 StPO angeglichen, jedoch zugleich auf die
neue Begriffsbildung im Bereich von Sicherstellung und Beschlagnahme angepasst
werden. Inhaltlich soll, einer Anregung von Univ. Prof. Dr. Kurt Schmoller
folgend, das Umgehungsverbot auf den Schutz des im § 157 Abs. 1 Z 5 geregelte
Wahlgeheimnis erstreckt werden.
Ebenfalls einer
Anregung von Univ. Prof. Dr. Kurt Schmoller folgend, soll im § 158 Abs. 1 Z 3 ein begrenzter Schutz des höchstpersönlichen
Lebensbereichs jeder Person berücksichtigt werden, wobei die Grenze bei der
Unerlässlichkeit der Beweisführung zu ziehen ist (§ 158 Abs. 2).
Opfer eines
Sexualdelikts sowie unmündige Opfer sind gemäß § 156 Abs. 1 Z 2 RV dann von der
Aussage befreit, wenn sei bereits einmal kontradiktorisch vernommen wurden.
Diese Aussagebefreiung, die eine mehrfache Belastung durch wiederholte
Vernehmung vermeiden soll, erscheint sachgerecht. Wurde aber ein solcher Zeuge
im Einzelfall doch ein zweites Mal (ohne Belehrung über sein Aussageverweigerungsrecht)
vernommen, etwa direkt in der Hauptverhandlung, so ist die Belastung durch die
wiederholte Vernehmung (bedauerlicherweise) eingetreten und nicht mehr
rückgängig zu machen. Aus welchem Grund in dieser Situation aber die zweite, in
der Hauptverhandlung unmittelbar abgelegte Aussage, die unter dem Gesichtspunkt
des Unmittelbarkeitsprinzips Vorrang verdient, gemäß § 159 Abs. 3 RV unverwertbar
sein soll, erscheint nicht ersichtlich. Eine solche Lösung führt zu doppelten
Nachteilen: Es wurde dann zwar dem Zeugen die Belastung durch die doppelte
Vernehmung aufgebürdet, der sich daraus ergebende Vorteil einer unmittelbaren
Zeugenaussage wird aber ebenfalls preisgegeben.
Ähnlich verhält
es sich mit dem Aussageverweigerungsrecht bei Selbstbelastungsgefahr nach § 157
Abs. 1 Z 1 RV. Hat ein Zeuge ohne entsprechende Belehrung eine selbstbelastende
Aussage abgelegt, so kann man zwar schlüssig die Auffassung vertreten, dass
diese Aussage in einem späteren Strafverfahren gegen den Zeugen selbst nicht
verwertet werden soll. Aus welchem Grund die selbstbelastende Aussage aber, wie
dies in der RV vorgesehen war, in jenem Strafverfahren, in dem sie abgelegt
wurde, gegen den dort Beschuldigten nicht verwertet werden darf, ist nicht
recht ersichtlich, weil die Aussage in diesem Verfahren ja gar nicht in
selbstbelastender Weise verwertet würde. In beiden Fällen soll daher die in § 159 Abs. 3 vorgesehene Nichtigkeitssanktion zurück genommen
werden (vgl. Schmoller, Beweise, die hypothetisch nicht
existieren – Beweisverwertungsverbote im geltenden und künftigen Strafprozess,
JRP 2002, 251 ff.).
Zu § 164
(Vernehmung des Beschuldigten):
Siehe die
Erläuterungen zu §§ 6 ff.
Zu § 166
(Beweisverbot):
Die geltende StPO
enthält keine Regelung, inwieweit Fehler bei der Vernehmung des Beschuldigten
oder eines Zeugen die Aussage unverwertbar machen. Für diese lange umstrittene
Frage sieht nunmehr § 166 RV eine ausdrückliche Regelung vor. Danach soll eine
Aussage dann unverwertbar sein, wenn sie entweder „unter Folter“ oder „sonst
unerlaubt durch Zwang, Drohung, Täuschung, andere Einwirkung auf die Freiheit
der Willensentschließung oder Willensbetätigung oder durch unzulässige
Vernehmungsmethoden, soweit sei fundamentale Verfahrensgrundsätze verletzen“
zustande gekommen sind.
Aus Sicht des
Justizausschusses lässt sich allerdings die Regelung noch sachgerechter fassen
und soll auf die inhaltlichen Gründe für die Unverwertbarkeit fokussiert
werden, die insbesondere in zwei Aspekten liegen kann: Erstens kann der
Vernehmungsfehler eine so schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte
darstellen, dass allein die Sanktionierung des betreffenden
Strafverfolgungsorgans noch nicht als hinreichende Distanzierung des Staates
von der begangenen Menschenrechtsverletzung erscheint. Für diese Beurteilung
ist das Interesse an einer zusätzlichen staatlichen Distanzierung (das von der
Schwere des Vernehmungsfehlers abhängt) gegen das Interesse an einem inhaltlich
richtigen Urteil (das von der Schwere des angeklagten Delikts abhängt)
abzuwägen. Bei schwersten Verstößen, wie etwa Folter, fällt diese Abwägung
stets zu Gunsten eines Verwertungsverbots aus. Bei weniger schweren Vernehmungsfehlern
ist diese Abwägung jeweils im Einzelfall vorzunehmen. Der zweite Grund für die
Unverwertbarkeit kann darin liegen, dass infolge des Vernehmungsfehlers der
Beweiswert der Aussage beeinträchtigt ist, etwa wenn der Beschuldigte ein
bestimmtes Verhalten nur deshalb zugibt, weil ihm anderenfalls unmittelbare
gravierende Nachteile angedroht wurden (vgl. Schmoller,
Hypothetische Beweise, aaO, 266 f.).
In diesem Sinn
wurde die Z 2 neu gefasst.
Im Eingang dieser
Bestimmung wurde gegenüber der RV wiederum das Klammerzitat „(§ 281 Abs. 1 Z 3)“ gestrichen, weil eine Geltendmachung nach §
281 Abs. 1 Z 4 StPO (Ratz, WKStPO, Rz 88 zu § 281) nicht
ausgeschlossen sein soll.
Zu den §§
170 Abs. 2 und 173 Abs. 6 (Festnahme und Zulässigkeit der Untersuchungshaft):
Entgegen der RV
soll die sogenannte bedingt-obligatorische Haft im Fall von schwersten Straftaten
beibehalten werden (siehe §§ 175 Abs. 2 und 180 Abs. 7 StPO).
Zu den §§
172 Abs. 2, 173 Abs. 5 Z 3 und 177 Abs. 5 (Durchführung, Zulässigkeit und
Aufhebung der Untersuchungshaft):
In Fällen von
Gewalt in Wohnungen (§ 38a SPG) wurde es vielfach als Nachteil empfunden, dass
die sicherheitsbehördlichen Maßnahmen (Betretungs- und Rückkehrverbot) keine
strafprozessuale Wirkung in dem Sinn auslösen, dass eine Übertretung dieser
Verbote einen Haftgrund darstellt. Dies soll dadurch sichergestellt werden, dass
analoge Verbote auch als gelindere Mittel aufgetragen werden können sollen, bei
deren Übertretung wiederum die Untersuchungshaft verhängt werden kann (§§ 172 Abs. 2 und 173 Abs. 5 Z 3).
Opfer von Gewalt
in Wohnungen und besonders belastete Opfer im Sinne des § 65 Z 1 lit. a sollen
jedenfalls und unbedingt von der Freilassung des Beschuldigten zu verständigen
sein.
Zu § 174
Abs. 1 (Verhängung der Untersuchungshaft):
Siehe die
Erläuterungen zu den §§ 104 f.
Zu §§ 194,
208 Abs. 4 und 213 Abs. 1 (Verständigungen):
Im Sinne der
Vereinfachung der Verfahrensabläufe sollen Verständigungen von der Einstellung
des Verfahrens im weiteren Sinn (§§
194 und 208 Abs. 4)
verkürzt ausgefertigt werden können; in Analogie zu § 458 Abs. 3 Z 5 StPO soll
ein Hinweis darauf, dass die Tat nicht als erwiesen angenommen worden ist, oder
– schlagwortartig - auf andere Gründe, welche für die Einstellung maßgeblich
waren, genügen.
Eine Zustellung
der Anklageschrift an sämtliche Opfer hätte – insbesondere in Großverfahren
oder in Verfahren mit einer Vielzahl von Opfern – hohe Kosten und
Arbeitsaufwand zu Folge, der den daraus zu gewinnenden Informationswert nicht
rechtfertigt. Das Opfer ist jedenfalls zur Hauptverhandlung zu laden und kann
sich vom Anklagevorwurf durch Akteneinsicht Kenntnis verschaffen (§ 213 Abs. 1).
Zu §§ 195
und 196 (Antrag auf Fortführung und Entscheidung des Oberlandesgerichts):
Die Änderung des § 195 Abs. 1 erklärt sich aus der Einführung des
Opferbegriffs, es sollen auch Personen die Fortführung des Verfahrens
beantragen können, die an der Strafverfolgung bloß in einer Art Reflexwirkung
ein rechtliches Interessen haben könnten (sogenannte mittelbare Geschädigte).
Im Übrigen will der Justizausschuss keine Minderung der Opferrechte gegenüber
dem geltenden § 48 StPO bewirken; weil also der Subsidiarantrag auch wegen
neuer Tatsachen und Beweismittel zulässig ist, soll dies auch für den Antrag
auf Fortführung unter bestimmten zeitlichen Schranken gelten. Danach kommt nur
mehr ein Antrag auf Wiederaufnahme in Betracht, wobei jedoch noch im Rahmen der
Beleitgesetzgebung zu erörtern sein wird, ob ein solcher auch dem Opfer
zustehen soll.
Im § 196 Abs. 1 war klarzustellen, dass das Oberlandesgericht
auch Anträge auf Fortführung ohne inhaltliche Prüfung als unzulässig zurückweisen
kann, über die es bereits rechtskräftig erkannt hat. Im Abs. 2 war hinzuweisen,
dass das Oberlandesgericht gegebenenfalls eine mündliche Verhandlung
durchzuführen hat, wenn eine unmittelbare Beweisaufnahme zur Klärung der
Fortführungsvoraussetzungen unerlässlich erscheint.
Zur Fortführung
des Verfahrens sieht sich der Justizausschuss im Übrigen zu der Klarstellung
veranlasst, dass damit keine „Klageerzwingung“ verbunden ist; die Entscheidung
des Gerichts kann immer nur darin bestehen, der Staatsanwaltschaft die
Fortführung des Verfahrens aufzutragen (d.h. bestimmte weitere Ermittlungen zur
Klärung von Sachverhalt und Tatverdacht durchzuführen). Eine Anklage darf
hingegen der Staatsanwaltschaft nicht aufgezwungen werden, sie kann sich nur
als Konsequenz der Entscheidung des Oberlandesgerichts mittelbar ergeben.
Zu den §§
198 Abs. 1 Z 3, 200 Abs. 3, 201 Abs. 3, 203 Abs. 2, 204 Abs. 1, 206 Abs. 1 und
208 Abs. 1 bis 3 (Diversion):
Im Einklang mit
einem – bisher nicht ausreichend umgesetzten – politischen Versprechen bei
Einführung der Diversion will der Justizausschuss die Chancen des Opfers auf
Erhalt von Schadenersatz erhöhen. Dies soll durch Neuformulierung der §§ 200 Abs. 3, 201 Abs. 3 und 203 Abs. 2 zum Ausdruck gebracht werden, wobei es
stets darum geht, möglichen Schadenersatz auch tatsächlich zu effektuieren,
nicht aber die Diversion in Fällen zu inhibieren, in denen
Schadenersatzleistungen nicht in Betracht kommen, nicht (in vollem Umfang)
geleistet werden können oder unverhältnismäßig wären. Insbesondere die reine Probezeit
soll zu Gunsten einer verbesserten Schadensgutmachung eingeschränkt werden.
Die Anwendung des
außergerichtlichen Tatausgleichs soll auf jene Fälle fokussiert werden, in
denen Rechtsgüter einer Person unmittelbar beeinträchtigt worden sein könnten;
dies kann gegebenenfalls auch im Zuge eines Widerstands gegen die Staatsgewalt
vorliegen, in deren Verlauf das einschreitende Organ eine Verletzung erlitten
hat.
Im § 206 Abs. 1 soll das rechtliche Gehör eines Opfers
sichergestellt werden; es soll vermieden werden, dass das Opfer erst vom
erfolgten Rücktritt nach einer freiwilligen Leistung des Beschuldigten verständigt
wird.
Im § 208 Abs. 1 soll die Möglichkeit, sich an eine
Clearingstelle zu wenden, beibehalten werden. Abs. 2 dieser Bestimmung soll
klarstellen, dass das Anbot der Staatsanwaltschaft in begründeten Fällen verändert
werden kann (niedrigerer Geldbetrag; andere Diversionsform). Die
Nichteinrechnung in die Verjährungszeit gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung soll
auch für die Zeit von einem Ersuchen der Staatsanwaltschaft an einen
Konfliktregler bis zur Mitteilung desselben über die Erfüllung einer
Ausgleichsvereinbarung gelten.
Zu Z 4 (§
514 StPO):
Wegen der
umfangreichen Begleitgesetzgebung - strafprozessuale Bestimmungen in zahlreichen
Nebengesetzen werden ebenso anzupassen sein wie Bestimmungen der StPO im Haupt-
und Rechtsmittelverfahren, - sowie der Sicherstellung des Personalmehrbedarfs
ist eine Legisvakanz bis zum 1. Jänner 2008 erforderlich.
Eine vom
Bundesministerium für Justiz bei einem renommierten eidgenössischen
Beratungsunternehmen in Auftrag gegebene Studie hat unter Heranziehung
modernster Analysemethoden und Durchführung internationaler Vergleiche
folgendes Ergebnis erbracht:
1. Für die
Staatsanwälte einen Mehrbedarf von 93 Vollzeitkräften (VZK) gegenüber dem
Istzustand von 183 VZK;
2. Für das Gericht
im Ermittlungsverfahren einen Minderbedarf an Untersuchungsrichtern von 33 VZK
gegenüber dem Iststand von 79 VZK;
3. Für die
Kanzleidienste einen Gesamtnettomehrbedarf zwischen 10 und 21 VZK (für
Staatsanwälte: +72; für Ur: -25, für U: -49; für STA/BA: +27; Ratskammer: -4).
Zur Objektivität
der Studie ist hervorzuheben, dass zweiwöchige Tätigkeitsaufschreibungen bei
ca. 27 % der Untersuchungsrichter bzw. Staatsanwälte sowie eine Auswertung von
etwa 2.200 erledigten Strafsachen vorgenommen wurden. An den Datenerhebungen
waren insgesamt rund 170 Justizbedienstete beteiligt, wobei die
Projektmitarbeit der eingebundenen Richter und Staatsanwälten äußerst engagiert
und produktiv war. In die Untersuchung waren vier Landesgerichte bzw.
Staatsanwaltschaften und acht Bezirksgerichte unterschiedlicher Größe aus allen
Regionen einbezogen. Die Ergebnisse der Personalbedarfsstudie sind somit unter
Einbeziehung der Betroffenen zustande gekommen, wissenschaftlich abgesichert,
seriös und repräsentativ. Allerdings versteht sich von selbst, dass die
Ergebnisse der Studie noch an die tatsächliche Lastenverteilung anzupassen sein
werden, weil der Justizausschuss doch Änderungen in der Aufgabenverteilung
zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht vorgenommen hat. Im Sinne der Ausführungen
in der RV zur Kostenmehrbelastung geht jedoch der Justizausschuss davon aus,
dass dieser Personalmehrbedarf in den Planstellenberechnungen zwischen dem
Bundeskanzler, dem Bundesminister für Finanzen und dem Bundesminister für
Justiz sicherzustellen sein wird.“
Bei der Abstimmung wurde die
Regierungsvorlage in der Fassung des umfassenden Abänderungsantrags der
Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Mag.
Eduard Mainoni mit Stimmenmehrheit angenommen.
Ein von den Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Johannes Jarolim,
Mag. Eduard Mainoni und Mag.
Terezija Stoisits eingebrachter Entschließungsantrag
betreffend Verbesserungen des Opferschutzes wurde einstimmig angenommen. Diesem
Antrag war folgende Begründung beigegeben:
„Durch das Strafprozessreformgesetz wird
eine Reihe von Maßnahmen gesetzt, durch die die Situation der Opfer wesentlich
verbessert wird. Zu erwähnen wäre, neben Verbesserungen in ihrer verfahrensrechtlichen
Stellung vor allem die Verfahrenshilfe sowie die Prozessbegleitung für Opfer.
Im Zuge der Diskussion des
Strafprozessreformgesetzes wurde wiederholt angeregt, diese Verbesserungen
nicht erst mit In Kraft Treten des Gesetzes, also mit 1. Jänner 2008, sondern
schon früher in Kraft zu setzen.
Ein vorzeitige In Kraft Setzung der
Opferschutzbestimmungen des Strafprozessreformgesetzes ist in dieser Form
jedoch nicht möglich, weil sich die Bestimmungen nicht in die geltende
Strafprozessordnung einbauen lassen. Dem berechtigten Anliegen Rechnung tragend
wäre jedoch zu prüfen, ob und inwieweit die neuen verbesserten Opferrechte
nicht schon früher in die geltende StPO eingebaut werden könnten.“
Ein Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier und
Mag. Gisela Wurm, der in der Sitzung am 8. April 2003 eingebracht wurde, fand nicht
die Zustimmung der Ausschussmehrheit.
Der Antrag 228/A(E) und die
Bürgerinitiative 3/BI gelten durch diese Beschlussfassung als miterledigt.
Als Berichterstatter für das Plenum wurde
Abgeordneter August Wöginger gewählt.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt
der Justizausschuss somit den Antrag, der
Nationalrat wolle
1. dem
angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige
Zustimmung erteilen;
2. die
beigedruckte Entschließung annehmen.
Wien, 20. Feber 2004
August
Wöginger Mag. Dr. Maria
Theresia Fekter
Berichterstatter Obfrau