Bundesgesetz,
mit dem die Strafprozessordnung 1975 neu gestaltet wird
(Strafprozessreformgesetz)
Der Nationalrat hat beschlossen:
Die
Strafprozessordnung 1975, BGBl. Nr. 631/1975, zuletzt geändert durch
BGBl. I. Nr. XX/XXXX, wird wie folgt geändert:
1. Dem Gesetzestext wird folgendes
Inhaltsverzeichnis vorangestellt:
Inhaltsverzeichnis
1. Teil
Allgemeines und Grundsätze des
Verfahrens
1. Hauptstück
Das Strafverfahren und seine
Grundsätze
§ 1 Das
Strafverfahren
§ 2 Amtswegigkeit
§ 3 Objektivität
und Wahrheitserforschung
§ 4 Anklagegrundsatz
§ 5 Gesetz-
und Verhältnismäßigkeit
§ 6 Rechtliches
Gehör
§ 7 Recht
auf Verteidigung
§ 8 Unschuldsvermutung
§ 9 Beschleunigungsgebot
§ 10 Beteiligung
der Opfer
§ 11 Geschworene
und Schöffen
§ 12 Mündlichkeit
und Öffentlichkeit
§ 13 Unmittelbarkeit
§ 14 Freie
Beweiswürdigung
§ 15 Vorfragen
§ 16 Verbot
der Verschlechterung
§ 17 Verbot
wiederholter Strafverfolgung
2. Hauptstück
Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft
und Gericht
1. Abschnitt
Kriminalpolizei
§ 18 Kriminalpolizei
2. Abschnitt
Staatsanwaltschaften und ihre
Zuständigkeiten
§ 19 Allgemeines
§ 20 Staatsanwaltschaft
§ 21 Oberstaatsanwaltschaft
§ 22 Generalprokuratur
§ 23 Nichtigkeitsbeschwerde
zur Wahrung des Gesetzes
§ 24 Stellungnahmen
von Staatsanwaltschaften
§ 25 Örtliche
Zuständigkeit
§ 26 Zusammenhang
§ 27 Trennung
von Verfahren
§ 28 Bestimmung
der Zuständigkeit
3. Abschnitt
Gerichte
§ 29 Allgemeines
§ 30 Bezirksgericht
§ 31 Landesgericht
§ 32 Landesgericht
als Geschworenen- und Schöffengericht
§ 33 Oberlandesgericht
§ 34 Oberster
Gerichtshof
§ 35 Form
gerichtlicher Entscheidungen
§ 36 Örtliche
Zuständigkeit
§ 37 Zuständigkeit
des Zusammenhangs
§ 38 Kompetenzkonflikt
§ 39 Delegierung
§§ 40 bis 42 Vorsitz
und Abstimmung in den Senaten
4. Abschnitt
Ausschließung und Befangenheit
§ 43 Ausgeschlossenheit
von Richtern
§ 44 Anzeige
der Ausgeschlossenheit und Antrag auf Ablehnung
§ 45 Entscheidung
über Ausschließung
§ 46 Ausschließung
von Geschworenen, Schöffen und Protokollführern
§ 47 Befangenheit
von Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft
3. Hauptstück
Beschuldigter und Verteidiger
1. Abschnitt
Allgemeines
§ 48 Definitionen
2. Abschnitt
Der Beschuldigte
§ 49 Rechte
des Beschuldigten
§ 50 Rechtsbelehrung
§§ 51 und 52 Akteneinsicht
§ 53 Verfahren
bei Akteneinsicht
§ 54 Verbot
der Veröffentlichung
§ 55 Beweisanträge
§ 56 Übersetzungshilfe
3. Abschnitt
Der Verteidiger
§ 57 Rechte
des Verteidigers
§§ 58 und 59 Bevollmächtigung
des Verteidigers
§ 60 Ausschluss
des Verteidigers
§ 61 Beigebung
eines Verteidigers
§ 62 Bestellung
eines Verteidigers
§ 63 Fristenlauf
4. Abschnitt
Haftungsbeteiligte
§ 64 Haftungsbeteiligte
4. Hauptstück
Opfer und ihre Rechte
1. Abschnitt
Allgemeines
§ 65 Definitionen
2. Abschnitt
Opfer und Privatbeteiligte
§ 66 Opferrechte
§ 67 Privatbeteiligung
§ 68 Akteneinsicht
§ 69 Privatrechtliche
Ansprüche
§ 70 Recht
auf Information
3. Abschnitt
Privatankläger und Subsidiarankläger
§ 71 Privatankläger
§ 72 Subsidiarankläger
4. Abschnitt
Vertreter
§ 73 Vertreter
5. Hauptstück
Gemeinsame Bestimmungen
1. Abschnitt
Einsatz der Informationstechnik
§ 74 Verwenden
von Daten
§ 75 Berichtigen,
Löschen und Sperren von Daten
2. Abschnitt
Amts- und Rechtshilfe, Akteneinsicht
§ 76 Amts-
und Rechtshilfe
§ 77 Akteneinsicht
3. Abschnitt
Anzeigepflicht, Anzeige- und
Anhalterecht
§§ 78 und 79 Anzeigepflicht
§ 80 Anzeige-
und Anhalterecht
4. Abschnitt
Bekanntmachung, Zustellung und Fristen
§ 81 Bekanntmachung
§ 82 Zustellung
§ 83 Arten
der Zustellung
§ 84 Fristen
5. Abschnitt
Beschlüsse und Beschwerden
§ 85 Allgemeines
§ 86 Beschlüsse
§ 87 Beschwerden
§ 88 Verfahren
über Beschwerden
§ 89 Verfahren
vor dem Rechtsmittelgericht
6. Abschnitt
Vollstreckung von Geld- und
Freiheitsstrafen
§ 90 Vollstreckung
von Geld- und Freiheitsstrafen
2. TEIL
Das Ermittlungsverfahren
6. Hauptstück
Allgemeines
1. Abschnitt
Zweck des Ermittlungsverfahrens
§ 91 Zweck
des Ermittlungsverfahrens
§ 92 Ermächtigung
zur Strafverfolgung
2. Abschnitt
Zwangsgewalt und Beugemittel,
Ordnungsstrafen
§ 93 Zwangsgewalt
und Beugemittel
§ 94 Ordnungsstrafen
3. Abschnitt
Protokollierung
§ 95 Amtsvermerk
§ 96 Protokoll
§ 97 Ton-
und Bildaufnahme
7. Hauptstück
Aufgaben und Befugnisse der
Kriminalpolizei,
der Staatsanwaltschaft und des
Gerichts
1. Abschnitt
Allgemeines
§ 98 Allgemeines
2. Abschnitt
Kriminalpolizei im
Ermittlungsverfahren
§ 99 Ermittlungen
§ 100 Berichte
3. Abschnitt
Staatsanwaltschaft im
Ermittlungsverfahren
§ 101 Aufgaben
§ 102 Anordnungen
und Genehmigungen
§ 103 Ermittlungen
4. Abschnitt
Gericht im Ermittlungsverfahren
§ 104 Gerichtliche
Beweisaufnahme
§ 105 Bewilligung
von Zwangsmitteln
§§ 106 und 107 Einspruch
wegen Rechtsverletzung
§ 108 Antrag
auf Einstellung
8. Hauptstück
Ermittlungsmaßnahmen und
Beweisaufnahme
1. Abschnitt
Sicherstellung, Beschlagnahme,
Auskunft über Bankkonten und
Bankgeschäfte
§ 109 Definitionen
§§ 110 bis 114 Sicherstellung
§ 115 Beschlagnahme
§ 116 Auskunft
über Bankkonten und Bankgeschäfte
2. Abschnitt
Identitätsfeststellung, Durchsuchung
von Orten und Gegenständen, Durchsuchung von Personen, körperliche Untersuchung
und molekulargenetische Untersuchung
§ 117 Definitionen
§ 118 Identitätsfeststellung
§§ 119 bis 122 Durchsuchung
von Orten und Gegenständen sowie von Personen
§ 123 Körperliche
Untersuchung
§ 124 Molekulargenetische
Untersuchung
3. Abschnitt
Sachverständige und Dolmetscher,
Leichenbeschau und Obduktion
§ 125 Definitionen
§§ 126 und 127 Sachverständige
und Dolmetscher
§ 128 Leichenbeschau
und Obduktion
4. Abschnitt
Observation, verdeckte Ermittlung und
Scheingeschäft
§ 129 Definitionen
§ 130 Observation
§ 131 Verdeckte
Ermittlung
§ 132 Scheingeschäft
§ 133 Gemeinsame
Bestimmungen
5. Abschnitt
Beschlagnahme von Briefen, Auskunft
über Daten einer Nachrichtenübermittlung sowie Überwachung von Nachrichten und
von Personen
§ 134 Definitionen
§ 135 Beschlagnahme
von Briefen, Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung sowie
Überwachung von Nachrichten
§§ 136 bis 140 Optische
und akustische Überwachung von Personen
6. Abschnitt
Automationsunterstützter Datenabgleich
§ 141 Datenabgleich
§ 142 Durchführung
§ 143 Mitwirkungspflicht
7. Abschnitt
Geistliche Amtsverschwiegenheit und
Berufsgeheimnisse
§ 144 Schutz
der geistlichen Amtsverschwiegenheit und von Berufsgeheimnissen
8. Abschnitt
Besondere Durchführungsbestimmungen,
Rechtsschutz und Schadenersatz
§ 145 Besondere
Durchführungsbestimmungen
§§ 146 und 147 Rechtsschutz
§ 148 Schadenersatz
9. Abschnitt
Augenschein und Tatrekonstruktion
§ 149 Augenschein
und Tatrekonstruktion
§ 150 Durchführung
der Tatrekonstruktion
10. Abschnitt
Erkundigungen und Vernehmungen
§ 151 Definitionen
§ 152 Erkundigungen
§ 153 Vernehmungen
§ 154 Zeuge
und Wahrheitspflicht
§ 155 Verbot
der Vernehmung als Zeuge
§ 156 Aussagebefreiung
§§ 157 und 158 Aussageverweigerung
§ 159 Information
und Nichtigkeit
§§ 160 und 161 Durchführung
der Vernehmung
§ 162 Anonyme
Aussage
§ 163 Gegenüberstellung
§ 164 Vernehmung
des Beschuldigten
§ 165 Kontradiktorische
Vernehmung des Beschuldigten oder eines Zeugen
§ 166 Beweisverbot
9. Hauptstück
Fahndung, Festnahme und
Untersuchungshaft
1. Abschnitt
Fahndung
§ 167 Definitionen
§§ 168 und 169 Fahndung
2. Abschnitt
Festnahme
§ 170 Zulässigkeit
§ 171 Anordnung
§ 172 Durchführung
3. Abschnitt
Untersuchungshaft
§ 173 Zulässigkeit
§ 174 Verhängung
der Untersuchungshaft
§ 175 Haftfristen
§ 176 Haftverhandlung
§ 177 Aufhebung
der Untersuchungshaft
§ 178 Höchstdauer
der Untersuchungshaft
§ 179 Vorläufige
Bewährungshilfe
§§ 180 und 181 Kaution
4. Abschnitt
Vollzug der Untersuchungshaft
§ 182 Allgemeines
§ 183 Haftort
§ 184 Ausführungen
§ 185 Getrennte
Anhaltung
§ 186 Kleidung
und Bedarfsgegenstände
§ 187 Arbeit
und Arbeitsvergütung
§ 188 Verkehr
mit der Außenwelt
§ 189 Zuständigkeit
für Entscheidungen
3. TEIL
Beendigung des Ermittlungsverfahrens
10. Hauptstück
Einstellung, Abbrechung und
Fortführung des Ermittlungsverfahrens
§ 190 Einstellung
des Ermittlungsverfahrens
§ 191 Einstellung
wegen Geringfügigkeit
§ 192 Einstellung
bei mehreren Straftaten
§ 193 Fortführung
des Verfahrens
§ 194 Verständigungen
§ 195 Antrag
auf Fortführung
§ 196 Entscheidung
des Oberlandesgerichts
§ 197 Abbrechung
des Ermittlungsverfahrens gegen Abwesende und gegen unbekannte Täter
11. Hauptstück
Rücktritt von Verfolgung (Diversion)
§§ 198 und 199 Allgemeines
§ 200 Zahlung
eines Geldbetrages
§§ 201 und 202 Gemeinnützige
Leistungen
§ 203 Probezeit
§ 204 Tatausgleich
§ 205 Nachträgliche
Fortsetzung des Strafverfahrens
§ 206 Rechte
und Interessen des Geschädigten
§ 207 Information
des Beschuldigten
§§ 208 und 209 Gemeinsame
Bestimmungen
4. TEIL
Haupt- und Rechtsmittelverfahren
12. Hauptstück
Die Anklage
1. Abschnitt
Allgemeines
§ 210 Die
Anklage
2. Abschnitt
Die Anklageschrift
§ 211 Inhalt
der Anklageschrift
§§ 212 und 213 Einspruch
gegen die Anklageschrift
§§ 214 und 215 Verfahren
vor dem Oberlandesgericht
XVII. Hauptstück
Von den Vorbereitungen zur
Hauptverhandlung
§§ 220 bis 227
XVIII. Hauptstück
Von der Hauptverhandlung vor den
Gerichtshöfen erster Instanz und von den Rechtsmitteln gegen deren Urteile
I. Hauptverhandlung und Urteil
1. Öffentlichkeit der Hauptverhandlung
§§ 228 bis 231
2. Amtverrichtungen des Vorsitzenden
und des Gerichtshofes während der Hauptverhandlung
§§ 232 bis 238
3. Beginn der Hauptverhandlung
§§ 239 bis 244
4. Vernehmung des Angeklagten
§ 245
5. Beweisverfahren
§§ 246 bis 254
6. Vorträge der Parteien
§§ 255 und 256
7. Urteil des Gerichtshofes
§§ 257 bis 267
8. Verkündung und Ausfertigung des
Urteiles
§§ 268 bis 270
9. Protokollführung
§§ 271 und 272
10. Vertagung der Hauptverhandlung
§§ 273 bis 276a
11. Zwischenfälle
§§ 277 bis 279
II. Rechtsmittel gegen das Urteil
1. Verfahren bei
Nichtigkeitsbeschwerden
§§ 284 bis 293
2. Verfahren bei Berufungen
§§ 294 bis 296a
5. Teil
Besondere Verfahren
XIX. Hauptstück
Von den Geschworenengerichten
I. Allgemeine Bestimmungen
§§ 297 bis 301
II. Hauptverhandlung vor dem
Geschworenengerichte
1. Allgemeine Bestimmungen
§§ 302 und 303
2. Beginn der Hauptverhandlung
§§ 304 und 305
3. Beweisverfahren
§§ 306 bis 309
4. Fragestellung an die Geschworenen
§§ 310 bis 317
5. Vorträge der Parteien; Schluß der
Verhandlung
§§ 318 und 319
6. Wahl des Obmannes der Geschworenen;
Rechtsbelehrung durch den Vorsitzenden
§§ 320 bis 323
7. Beratung und Abstimmung der
Geschworenen
§§ 324 bis 331
8. Verbesserung des Wahrspruches der
Geschworenen
§§ 332 und 333
9. Weiteres Verfahren bis zur
gemeinsamen Beratung über die Strafe
§§ 334 bis 337
10. Gemeinsame Beratung über die
Strafe
§§ 338 und 339
11. Verkündung des Wahrspruches und
des Urteiles
§§ 340 und 341
12. Ausfertigung des Urteiles,
Protokollführung
§§ 342 und 343
III. Rechtsmittel gegen Urteile der
Geschworenengerichte
§§ 344 bis 351
XX. Hauptstück
Von der Wiederaufnahme und der
Erneuerung des Strafverfahrens sowie der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
I. Wiederaufnahme des Verfahrens
§§ 352 bis 363
II. Erneuerung des Strafverfahrens
§§ 363a bis 363c
III. Wiedereinsetzung gegen den Ablauf
von Fristen
§ 364
XXI. Hauptstück
Von den Erkenntnissen und Verfügungen
des Strafgerichts hinsichtlich der privatrechtlichen Ansprüche
§§ 365 bis 379
XXII. Hauptstück
Von den Kosten des Strafverfahrens
§§ 380 bis 395a
XXIII. Hauptstück
Von der Vollstreckung der Urteile
§§ 396 bis 411
XXIV. Hauptstück
Vom Verfahren gegen Unbekannte,
Abwesende und Flüchtige
I. Verfahren gegen Unbekannte,
Abwesende und Flüchtige während der Voruntersuchung
§§ 412 bis 420
II. Ungehorsamverfahren gegen
Abwesende und Flüchtige
§ 427
XXV. Hauptstück
Vom Verfahren bei vorbeugenden
Maßnahmen und beim Verfall
I. Vom Verfahren zur Unterbringung in
einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 1 StGB
§§ 429 bis 434
II. Vom Verfahren zur Unterbringung in
einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 2 StGB, in einer
Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher nach § 22 StGB oder in einer
Anstalt für gefährliche Rückfallstäter nach § 23 StGB
§§ 435 bis 442
III. Vom Verfahren bei der Abschöpfung
der Bereicherung, beim Verfall und bei der Einziehung
§§ 443 bis 446
XXVI. Hauptstück
Vom Verfahren vor den Bezirksgerichten
I. Anklage
§§ 448 und 449
II. Ordentliches Verfahren vor den
Bezirksgerichten
§§ 450 bis 459
III. Rechtsmittel gegen Urteile der
Bezirksgerichte
§§ 463 bis 481
XXVII. Hauptstück
Vom Verfahren vor dem Einzelrichter
des Gerichtshofes erster Instanz
§§ 483 bis 491
XXVIII. Hauptstück
Vom Verfahren bei bedingter
Strafnachsicht, bedingter Nachsicht von vorbeugenden Maßnahmen, Erteilung von
Weisungen und Anordnung der Bewährungshilfe
I. Bedingte Nachsicht einer Strafe,
der Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher und
einer Rechtsfolge
§§ 492 und 493
II. Erteilung von Weisungen und
Anordnung der Bewährungshilfe
§ 494
III. Widerruf einer bedingten
Nachsicht
§§ 494a bis 496
IV. Endgültige Nachsicht
§ 497
V. Gemeinsame Bestimmungen
§ 498
XXIX. Hauptstück
Von der Ausübung der
Strafgerichtsbarkeit über Soldaten im Frieden
§§ 499 bis 506
XXX. Hauptstück
Vom Gnadenverfahren
§§ 507 bis 513
6. TEIL
Schlussbestimmungen
§ 514 In-Kraft-Treten
§ 515 Verweisungen
§ 516 Übergangsbestimmungen
§ 517 Vollziehung“
2. Die Hauptstücke I. bis XVI. (§§ 1
bis 219) werden aufgehoben. An ihre Stelle treten die folgenden Bestimmungen:
„1. Teil
Allgemeines und Grundsätze des
Verfahrens
1. Hauptstück
Das Strafverfahren und seine
Grundsätze
Das Strafverfahren
§ 1. (1) Die Strafprozessordnung regelt das Verfahren zur Aufklärung von
Straftaten, über die Verfolgung verdächtiger Personen und über damit
zusammenhängende Entscheidungen. Straftat im Sinne dieses Gesetzes ist jede
nach einem Bundes- oder Landesgesetz mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung.
(2) Das Strafverfahren beginnt, sobald
Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft zur Aufklärung des Verdachts einer
Straftat gegen eine bekannte oder unbekannte Person ermitteln oder Zwang gegen
eine verdächtige Person ausüben. Das Strafverfahren endet durch Einstellung
oder Rücktritt von der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft oder durch gerichtliche
Entscheidung.
Amtswegigkeit
§ 2. (1) Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft sind im Rahmen ihrer
Aufgaben verpflichtet, jeden ihnen zur Kenntnis gelangten Verdacht einer
Straftat, die nicht bloß auf Verlangen einer hiezu berechtigten Person zu verfolgen
ist, in einem Ermittlungsverfahren von Amts wegen aufzuklären.
(2) Im Hauptverfahren hat das Gericht die der
Anklage zu Grunde liegende Tat und die Schuld des Angeklagten von Amts wegen
aufzuklären.
Objektivität und Wahrheitserforschung
§ 3. (1) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft
und Gericht haben die Wahrheit zu erforschen und alle Tatsachen aufzuklären,
die für die Beurteilung der Tat und des Beschuldigten von Bedeutung sind.
(2) Alle Richter, Staatsanwälte und
kriminalpolizeilichen Organe haben ihr Amt unparteilich und unvoreingenommen
auszuüben und jeden Anschein der Befangenheit zu vermeiden. Sie haben die zur
Belastung und die zur Verteidigung des Beschuldigten dienenden Umstände mit der
gleichen Sorgfalt zu ermitteln.
Anklagegrundsatz
§ 4. (1) Die Anklage obliegt der Staatsanwaltschaft, sofern das Gesetz
nichts anderes bestimmt. Die Staatsanwaltschaft hat für die zur Entscheidung
über das Einbringen der Anklage notwendigen Ermittlungen zu sorgen, die
erforderlichen Anordnungen zu treffen und Anträge zu stellen. Gegen ihren
Willen darf ein Strafverfahren nicht geführt werden. Die Rechte auf
Privatanklage und auf Subsidiaranklage (§§ 71 und 72) bleiben unberührt.
(2) Einleitung und Durchführung eines
Hauptverfahrens setzen eine rechtswirksame Anklage voraus; in den vom Gesetz
vorgesehenen Fällen ist hiefür eine Ermächtigung (§ 92) erforderlich.
(3) Die Entscheidung des Gerichts hat die
Anklage zu erledigen, darf sie jedoch nicht überschreiten. An eine rechtliche
Beurteilung ist das Gericht nicht gebunden.
Gesetz- und Verhältnismäßigkeit
§ 5. (1) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht dürfen bei der
Ausübung von Befugnissen und bei der Aufnahme von Beweisen nur soweit in Rechte
von Personen eingreifen, als dies gesetzlich ausdrücklich vorgesehen und zur
Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Jede dadurch bewirkte Rechtsgutbeeinträchtigung
muss in einem angemessenen Verhältnis zum Gewicht der Straftat, zum Grad des Verdachts
und zum angestrebten Erfolg stehen.
(2) Unter mehreren zielführenden
Ermittlungshandlungen und Zwangsmaßnahmen haben Kriminalpolizei,
Staatsanwaltschaft und Gericht jene zu ergreifen, welche die Rechte der
Betroffenen am Geringsten beeinträchtigen. Gesetzlich eingeräumte Befugnisse
sind in jeder Lage des Verfahrens in einer Art und Weise auszuüben, die
unnötiges Aufsehen vermeidet, die Würde der betroffenen Personen achtet und
deren Rechte und schutzwürdige Interessen wahrt.
(3) Beschuldigte oder andere Personen zur
Unternehmung, Fortsetzung oder Vollendung einer Straftat zu verleiten oder
durch heimlich bestellte Personen zu einem Geständnis zu verlocken, ist
unzulässig.
Rechtliches Gehör
§ 6. (1) Der Beschuldigte hat das Recht, am gesamten Verfahren
mitzuwirken und die Pflicht, während der Hauptverhandlung anwesend zu sein. Er
ist mit Achtung seiner persönlichen Würde zu behandeln.
(2) Jede am Verfahren beteiligte oder von der
Ausübung von Zwangsmaßnahmen betroffene Person hat das Recht auf angemessenes
rechtliches Gehör und auf Information über Anlass und Zweck der sie betreffenden
Verfahrenshandlung sowie über ihre wesentlichen Rechte im Verfahren. Der
Beschuldigte hat das Recht, alle gegen ihn vorliegende Verdachtsgründe zu
erfahren und vollständige Gelegenheit zu deren Beseitigung und zu seiner
Rechtfertigung zu erhalten.
Recht auf Verteidigung
§ 7. (1) Der Beschuldigte hat das Recht, sich selbst zu verteidigen und
in jeder Lage des Verfahrens den Beistand eines Verteidigers in Anspruch zu
nehmen.
(2) Der Beschuldigte darf nicht gezwungen
werden, sich selbst zu belasten. Es steht ihm jederzeit frei, auszusagen oder
die Aussage zu verweigern. Er darf nicht durch Zwangsmittel, Drohungen, Versprechungen
oder Vorspiegelungen zu Äußerungen genötigt oder bewogen werden.
Unschuldsvermutung
§ 8. Jede Person gilt bis zu ihrer rechtskräftigen
Verurteilung als unschuldig.
Beschleunigungsgebot
§ 9. (1) Jeder Beschuldigte hat Anspruch auf
Beendigung des Verfahrens innerhalb angemessener Frist. Das Verfahren ist stets
zügig und ohne unnötige Verzögerung durchzuführen.
(2) Verfahren, in denen ein Beschuldigter in
Haft gehalten wird, sind mit besonderer Beschleunigung zu führen. Jeder
verhaftete Beschuldigte hat Anspruch auf ehest mögliche Urteilsfällung oder
Enthaftung während des Verfahrens. Alle im Strafverfahren tätigen Behörden,
Einrichtungen und Personen sind verpflichtet, auf eine möglichst kurze Dauer
der Haft hinzuwirken.
Beteiligung der Opfer
§ 10. (1) Opfer von Straftaten sind nach
Maßgabe der Bestimmungen des 4. Hauptstückes berechtigt, sich am Strafverfahren
zu beteiligen.
(2) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und
Gericht sind verpflichtet, auf die Rechte und Interessen der Opfer von
Straftaten angemessen Bedacht zu nehmen und alle Opfer über ihre wesentlichen
Rechte im Verfahren sowie über die Möglichkeit zu informieren, Entschädigungs-
oder Hilfeleistungen zu erhalten.
(3) Alle im Strafverfahren tätigen Behörden,
Einrichtungen und Personen haben Opfer während des Verfahrens mit Achtung ihrer
persönlichen Würde zu behandeln und deren Interesse an der Wahrung ihres
höchstpersönlichen Lebensbereiches zu beachten. Dies gilt insbesondere für die
Weitergabe von Lichtbildern und die Mitteilung von Angaben zur Person, die zu
einem Bekanntwerden der Identität in einem größeren Personenkreis führen kann,
ohne dass dies durch Zwecke der Strafrechtspflege geboten ist.
Staatsanwaltschaft und Gericht haben bei ihren Entscheidungen über die
Beendigung des Verfahrens stets die Wiedergutmachungsinteressen der Opfer zu
prüfen und im größtmöglichen Ausmaß zu fördern.
Geschworene und Schöffen
§ 11. (1) In den in diesem Gesetz
vorgesehenen Fällen wirken Geschworene oder Schöffen an Hauptverhandlung und
Urteilsfindung mit.
(2) Geschworene und Schöffen sind über ihre
Aufgaben und Befugnisse sowie über den Ablauf des Verfahrens zu informieren.
Mündlichkeit und Öffentlichkeit
§ 12. (1) Gerichtliche Verhandlungen im Haupt- und Rechtsmittelverfahren
werden mündlich und öffentlich durchgeführt. Das Ermittlungsverfahren ist nicht
öffentlich.
(2) Das Gericht hat bei der Urteilsfällung nur
auf das Rücksicht zu nehmen, was in der Hauptverhandlung vorgekommen ist.
Unmittelbarkeit
§ 13. (1) Die Hauptverhandlung bildet den Schwerpunkt des Verfahrens. In
ihr sind die Beweise aufzunehmen, auf Grund deren das Urteil zu fällen ist.
(2) Im Ermittlungsverfahren sind die Beweise
aufzunehmen, die für die Entscheidung über die Erhebung der Anklage
unerlässlich sind oder deren Aufnahme in der Hauptverhandlung aus tatsächlichen
oder rechtlichen Gründen voraussichtlich nicht möglich sein wird.
(3) Soweit ein Beweis unmittelbar aufgenommen
werden kann, darf er nicht durch einen mittelbaren ersetzt werden. Der Inhalt
von Akten und anderen Schriftstücken darf nur soweit als Beweis verwertet
werden, als er in einer nach diesem Gesetz zulässigen Weise wiedergegeben wird.
Freie Beweiswürdigung
§ 14. Ob Tatsachen als erwiesen festzustellen
sind, hat das Gericht auf Grund der Beweise nach freier Überzeugung zu
entscheiden; im Zweifel stets zu Gunsten des Angeklagten oder sonst in seinen
Rechten Betroffenen.
Vorfragen
§ 15. Vorfragen sind im Strafverfahren
selbstständig zu beurteilen. Entscheidungen zuständiger Behörden können jedoch
abgewartet werden, wenn mit ihnen in absehbarer Zeit zu rechnen ist. An die
rechtsgestaltenden Wirkungen von Entscheidungen der Zivilgerichte und anderer
Behörden sind die Strafgerichte jedoch gebunden.
Verbot der Verschlechterung
§ 16. Wenn ein Rechtsmittel oder ein
Rechtsbehelf nur zu Gunsten des Beschuldigten erhoben wurde, darf der
Beschuldigte durch den Inhalt einer darüber ergehenden gerichtlichen
Entscheidung im Ermittlungsverfahren und in der Straffrage nicht schlechter
gestellt werden, als wenn die Entscheidung nicht angefochten worden wäre.
Verbot wiederholter Strafverfolgung
§ 17. (1) Nach rechtswirksamer Beendigung eines Strafverfahrens ist die
neuerliche Verfolgung desselben Verdächtigen wegen derselben Tat unzulässig.
(2) Die Bestimmungen über die Fortsetzung, die
Fortführung, die Wiederaufnahme und die Erneuerung des Strafverfahrens
sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes bleiben hievon
unberührt.
2. Hauptstück
Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft
und Gericht
1. Abschnitt
Kriminalpolizei
Kriminalpolizei
§ 18. (1) Kriminalpolizei besteht in der Wahrnehmung von Aufgaben im
Dienste der Strafrechtspflege (Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG),
insbesondere in der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten nach den
Bestimmungen dieses Gesetzes.
(2) Kriminalpolizei obliegt den
Sicherheitsbehörden, deren Organisation und örtliche Zuständigkeit sich nach
den Vorschriften des Sicherheitspolizeigesetzes über die Organisation der
Sicherheitsverwaltung richten. Aufgaben und Befugnisse, die den
Sicherheitsbehörden in diesem Gesetz übertragen werden, stehen auch den ihnen
beigegebenen, zugeteilten oder unterstellten Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes
zu.
(3) Soweit in diesem Gesetz der Begriff
Kriminalpolizei verwendet wird,
werden damit die Sicherheitsbehörden und -dienststellen sowie ihre Organe
(Abs. 2) in Ausübung der Kriminalpolizei bezeichnet.
2. Abschnitt
Staatsanwaltschaften und ihre
Zuständigkeiten
Allgemeines
§ 19. (1) Als Staatsanwaltschaften sind im Strafverfahren tätig:
1. die Staatsanwaltschaften am Sitz der
Landesgerichte,
2. die Oberstaatsanwaltschaften am Sitz der
Oberlandesgerichte
(2) Die Staatsanwaltschaften üben ihre
Tätigkeit als Organe der Rechtspflege durch Staatsanwälte aus.
(3) Soweit dieses Gesetz im Einzelnen nichts
anderes bestimmt, richten sich Organisation und Aufgaben der
Staatsanwaltschaften nach den Vorschriften des Staatsanwaltschaftsgesetzes
(StAG), BGBl. Nr. 164/1986.
Staatsanwaltschaft
§ 20. (1) Die Staatsanwaltschaft leitet das Ermittlungsverfahren; ihr
allein steht die Erhebung der öffentlichen Anklage zu. Sie entscheidet, ob
gegen eine bestimmte Person Anklage einzubringen, von der Verfolgung
zurückzutreten oder das Verfahren einzustellen ist.
(2) Die Vertretung der Anklage vor den
Bezirksgerichten kann nach Maßgabe des Staatsanwaltschaftsgesetzes
Bezirksanwälten übertragen werden, die unter Aufsicht und Leitung von
Staatsanwälten stehen.
(3) Die Staatsanwaltschaft ist auch für die
Erledigung von Rechtshilfeersuchen in- und ausländischer Justizbehörden
zuständig, soweit im Einzelnen nichts anderes bestimmt wird.
Oberstaatsanwaltschaft
§ 21. (1) Die Oberstaatsanwaltschaft wirkt an allen Strafverfahren vor
dem Oberlandesgericht mit und beteiligt sich an allen Verhandlungen vor diesem.
(2) Die Oberstaatsanwaltschaft führt die
Aufsicht über die ihr unterstellten Staatsanwaltschaften und ist berechtigt,
sich an jedem Verfahren in ihrem Zuständigkeitsbereich unmittelbar zu
beteiligen. Im Einzelfall kann sie die Aufgaben und Befugnisse einer
Staatsanwaltschaft übernehmen.
Generalprokuratur
§ 22. Die Generalprokuratur wirkt an allen Strafverfahren des Obersten
Gerichtshofs mit. Dabei schreitet sie nicht als Anklagebehörde ein; sie
vertritt die Interessen des Staates in der Rechtspflege.
Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung
des Gesetzes
§ 23. (1) Die Generalprokuratur kann von Amts
wegen oder im Auftrag des Bundesministers für Justiz gegen Urteile der
Strafgerichte, die auf einer Verletzung oder unrichtigen Anwendung des
Gesetzes beruhen, sowie gegen
jeden gesetzwidrigen Beschluss oder Vorgang eines Strafgerichts Nichtigkeitsbeschwerde
zur Wahrung des Gesetzes erheben, und zwar auch nach Rechtskraft der
Entscheidung sowie dann, wenn die berechtigten Personen in der gesetzlichen
Frist von einem Rechtsmittel oder Rechtsbehelf keinen Gebrauch gemacht haben.
(2) Die Staatsanwaltschaften haben Fälle, in
denen sie eine Beschwerde für erforderlich halten, von Amts wegen den
Oberstaatsanwaltschaften vorzulegen; diese entscheiden, ob die Fälle an die Generalprokuratur
weiter zu leiten sind. Im Übrigen ist jedermann berechtigt, die Erhebung einer
Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes anzuregen.
Stellungnahmen von
Staatsanwaltschaften
§ 24. Nimmt eine Staatsanwaltschaft bei einem Rechtsmittelgericht zu
einem Rechtsmittel oder Rechtsbehelf Stellung, so hat das Gericht diese
Stellungnahme dem gegnerischen Beteiligten zur Äußerung binnen einer angemessen
festzusetzenden Frist zuzustellen. Diese Zustellung kann unterbleiben, wenn die
Staatsanwaltschaft lediglich zu Gunsten dieses Beteiligten Stellung nimmt.
Örtliche Zuständigkeit
§ 25. (1) Für das Ermittlungsverfahren ist die Staatsanwaltschaft
zuständig, in deren Sprengel die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt
werden sollte. Liegt dieser Ort im Ausland oder kann er nicht festgestellt
werden, so ist der Ort maßgebend, an dem der Erfolg eingetreten ist oder
eintreten hätte sollen.
(2) Wenn und solange eine Zuständigkeit nach
Abs. 1 nicht festgestellt werden kann, hat die Staatsanwaltschaft das
Ermittlungsverfahren zu führen, in deren Sprengel der Beschuldigte seinen
Wohnsitz oder Aufenthalt hat oder zuletzt hatte, fehlt es an einem solchen Ort,
die Staatsanwaltschaft, in deren Sprengel der Beschuldigte betreten wurde.
(3) Die Staatsanwaltschaft, die zuerst von
einer Straftat, die der inländischen Gerichtsbarkeit unterliegt, Kenntnis
erlangt, hat das Ermittlungsverfahren so lange zu führen, bis die Zuständigkeit
einer anderen Staatsanwaltschaft nach Abs. 1 oder 2 festgestellt werden
kann. Danach hat sie das Ermittlungsverfahren abzutreten und das im Verfahren
tätige Gericht, die Kriminalpolizei, das Opfer und den Beschuldigten zu
verständigen.
(4) Ergibt sich keine Zuständigkeit nach den
Abs. 1 bis 3, so hat die Generalprokuratur zu bestimmen, welche
Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren zu führen hat.
(5) Die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft
für das Hauptverfahren richtet sich nach der des Gerichts (§ 36).
(6) Eine örtlich unzuständige
Staatsanwaltschaft hat bei ihr einlangende Anzeigen, Berichte und
Rechtshilfeersuchen an die zuständige weiterzuleiten.
Zusammenhang
§ 26. (1) Das Ermittlungsverfahren ist von derselben Staatsanwaltschaft
gemeinsam zu führen, wenn ein Beschuldigter der Begehung mehrerer strafbarer
Handlungen verdächtig ist oder mehrere Personen an derselben strafbaren
Handlung beteiligt sind (§ 12 StGB). Gleiches gilt, wenn mehrere Personen
der Begehung strafbarer Handlungen verdächtig sind, die sonst in einem engen
sachlichen Zusammenhang stehen.
(2) Bei der Bestimmung der Zuständigkeit nach
Abs. 1 sind besondere Vorschriften anderer Gesetze zu beachten. Des
Weiteren zieht die Staatsanwaltschaft, die für einen unmittelbaren Täter
zuständig ist, das Verfahren gegen Beteiligte (§ 12 StGB) an sich, im
Übrigen entscheidet das Zuvorkommen.
Trennung von Verfahren
§ 27. Die Staatsanwaltschaft kann auf Antrag des Beschuldigten oder von
Amts wegen anordnen, dass das Ermittlungsverfahren wegen einzelner Straftaten
oder gegen einzelne Beschuldigte getrennt zu führen ist, um Verzögerungen zu
vermeiden oder die Haft eines Beschuldigten zu verkürzen.
Bestimmung der Zuständigkeit
§ 28. Die Oberstaatsanwaltschaft kann von Amts wegen oder auf Antrag aus
Gründen der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen wichtigen Gründen eine
Strafsache der zuständigen Staatsanwaltschaft abnehmen und innerhalb ihres
Sprengels einer anderen Staatsanwaltschaft übertragen. Ein solcher wichtiger
Grund liegt auch dann vor, wenn das Verfahren erster Instanz gegen ein Organ
derselben Staatsanwaltschaft oder gegen einen Richter eines Gerichts, in dessen
Sprengel die Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat, oder gegen ein Organ der Sicherheitsbehörde
oder Sicherheitsdienststelle im örtlichen Zuständigkeitsbereich der
Staatsanwaltschaft zu führen ist. Unterstehen die Staatsanwaltschaften
verschiedenen Oberstaatsanwaltschaften, so kommt diese Befugnis der
Generalprokuratur zu. Gleiches gilt für den Fall eines Zuständigkeitskonflikts.
§ 39 Abs. 2 gilt sinngemäß
3. Abschnitt
Gerichte
Allgemeines
§ 29. (1) Als Gerichte sind im Strafverfahren tätig:
1. Bezirksgerichte im Hauptverfahren,
2. Landesgerichte im Ermittlungsverfahren, im
Hauptverfahren und im Rechtsmittelverfahren,
3. Oberlandesgerichte und der Oberste Gerichtshof
im Rechtsmittelverfahren sowie auf Grund besonderer Bestimmungen.
(2) Soweit sich die Zuständigkeit der Gerichte
nach der Höhe der angedrohten Freiheitsstrafe richtet, sind die Beschränkung
der Strafbemessung durch § 287 Abs. 1 letzter Satz StGB und die
Möglichkeit einer Überschreitung des Höchstmaßes der Strafe nach den §§ 39
oder 313 StGB bei der Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit zu
berücksichtigen.
Bezirksgericht
§ 30. (1) Dem Bezirksgericht obliegt das Hauptverfahren wegen Straftaten,
die nur mit einer Geldstrafe oder mit einer Geldstrafe und einer ein Jahr nicht
übersteigenden Freiheitsstrafe oder nur mit einer solchen Freiheitsstrafe
bedroht sind, mit Ausnahme
1. des Vergehens der Nötigung (§ 105 StGB),
2. des Vergehens der gefährlichen Drohung
(§ 107 StGB),
3. des Vergehens der grob fahrlässigen
Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§ 159 StGB),
4. des Vergehens der fahrlässigen Beeinträchtigung
der Umwelt (§ 181 StGB),
5. des Vergehens des fahrlässigen
umweltgefährdenden Behandelns von Abfällen (§ 181c StGB),
6. des Vergehens der pornographischen Darstellung
Minderjähriger (§ 207a Abs. 3 StGB) und
7. der Vergehen, für die auf
Grund besonderer Bestimmungen das Landesgericht zuständig ist.
(2) Das Bezirksgericht entscheidet durch
Einzelrichter.
Landesgericht
§ 31. (1) Dem Einzelrichter des Landesgerichts obliegt im
Ermittlungsverfahren
1. die Aufnahme von Beweisen gemäß § 104,
2. das Verfahren zur Entscheidung über Anträge auf
Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft sowie über Anträge auf
Bewilligung anderer Zwangsmittel (§ 105),
3. die Entscheidung über Einsprüche wegen
behaupteter Verletzung eines subjektiven Rechts durch die Staatsanwaltschaft
oder die Kriminalpolizei (§§ 106 und 107),
4. die Entscheidung über Anträge auf Einstellung
des Ermittlungsverfahrens (§ 108).
(2) Dem Landesgericht als Geschworenengericht
obliegt das Hauptverfahren wegen
1. Straftaten, die mit lebenslanger oder einer
Freiheitsstrafe bedroht sind, deren Untergrenze mindestens fünf Jahre und deren
Obergrenze mehr als zehn Jahre beträgt,
2. des Verbrechens der Überlieferung an eine
ausländische Macht (§ 103 StGB),
3. der Verbrechen des Hochverrats (§ 242
StGB) und der Vorbereitung des Hochverrats (§ 244 StGB),
4. des Verbrechens oder Vergehens
staatsfeindlicher Verbindungen (§ 246 StGB),
5. des Vergehens der Herabwürdigung des Staates
und seiner Symbole (§ 248 StGB),
6. der Verbrechen des Angriffs auf oberste
Staatsorgane (§§ 249 bis 251 StGB),
7. der Verbrechen und Vergehen des Landesverrats
(§§ 252 bis 258 StGB),
8. des Vergehens bewaffneter Verbindungen
(§ 279 StGB),
9. des Vergehens des Ansammelns von Kampfmitteln (§ 280
StGB),
10. der Verbrechen und Vergehen der Störung der
Beziehungen zum Ausland (§§ 316 bis 320 StGB),
11. des Vergehens der Aufforderung zu mit Strafe
bedrohten Handlungen und der Gutheißung mit Strafe bedrohter Handlungen
(§ 282 StGB) sowie des Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer
mit Strafe bedrohten Handlung (§ 286 StGB), wenn die Tat mit Beziehung auf
eine der unter Z 2 bis 10 angeführten strafbaren Handlungen begangen
worden ist, und
12. strafbarer Handlungen, für die es auf Grund
besonderer Bestimmungen zuständig ist.
(3) Dem Landesgericht als Schöffengericht
obliegt, soweit es nicht als Geschworenengericht zuständig ist, das
Hauptverfahren wegen
1. Straftaten, die mit einer fünf Jahre
übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind,
2. der Verbrechen der Tötung auf Verlangen
(§ 77 StGB), der Mitwirkung am Selbstmord (§ 78 StGB) und der Tötung
eines Kindes bei der Geburt (§ 79 StGB),
3. der Verbrechen des räuberischen Diebstahls
(§ 131 StGB), der Gewaltanwendung eines Wilderers (§ 140 StGB) und
des minderschweren Raubes (§ 142 Abs. 2 StGB),
4. der Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung
(§ 202 StGB), des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen Person (§ 205
StGB) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen (§ 207 StGB),
5. des Vergehens des Landfriedensbruchs und des
Verbrechens oder Vergehens des Landzwangs (§§ 274 und 275 StGB),
6. des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt
(§ 302 StGB) und
7. des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 und
3 des Suchtmittelgesetzes,
8. strafbarer Handlungen, für die es auf Grund
besonderer Bestimmungen zuständig ist.
(4) Dem Einzelrichter des Landesgerichts
obliegt, soweit nicht das Landesgericht als Geschworenen- oder Schöffengericht
zuständig ist, das Hauptverfahren wegen
1. Straftaten, die mit einer ein Jahr
übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind,
2. der im § 30 Abs. 1 Z 1 bis 5
angeführten Vergehen,
3. Straftaten, für die der Einzelrichter des
Landesgerichts auf Grund besonderer Bestimmungen zuständig ist.
(5) Dem Landesgericht als Senat von drei
Richtern obliegen
1. die Entscheidung über Rechtsmittel und
Rechtsbehelfe gegen Urteile und Beschlüsse des Bezirksgerichts und
2. die Entscheidungen nach § 32 Abs. 3
zweiter Satz.
Landesgericht als Geschworenen- und
Schöffengericht
§ 32. (1) Das Landesgericht als Geschworenengericht setzt sich aus dem
Schwurgerichtshof und der Geschworenenbank zusammen. Der Schwurgerichtshof
besteht aus drei Richtern, die Geschworenenbank ist mit acht Geschworenen
besetzt. Das Landesgericht als Schöffengericht besteht aus zwei Richtern und
zwei Schöffen.
(2) Liegt dem Angeklagten die Begehung einer
strafbaren Handlung nach den §§ 201 bis 207 StGB zur Last, so müssen dem
Geschworenengericht mindestens zwei Geschworene, dem Schöffengericht mindestens
ein Richter oder Schöffe des Geschlechtes des Angeklagten sowie dem
Geschworenengericht mindestens zwei Geschworene, dem Schöffengericht mindestens
ein Richter oder Schöffe des Geschlechtes jener Person angehören, die durch die
Straftat in ihrer Geschlechtssphäre verletzt worden sein könnte.
(3) Außerhalb der Hauptverhandlung entscheidet
der Vorsitzende allein. Beschlüsse nach den §§ 260 Abs. 3, 352, 357,
410 Abs. 1 und § 495 haben hingegen anstelle des Geschworenengerichts
der Schwurgerichtshof und anstelle des Schöffengerichts ein Senat von drei
Richtern zu fassen.
(4) Die Geschworenen werden in dem vom Gesetz
(XIX. Hauptstück) vorgesehenen Umfang tätig; die Schöffen üben in der
Hauptverhandlung das Richteramt im vollen Umfang aus. Soweit im Einzelnen
nichts anderes bestimmt wird, sind die für Richter geltenden Vorschriften auch
auf Geschworene und Schöffen anzuwenden. Die Voraussetzungen und das Verfahren
zur Berufung von Geschworenen und Schöffen sind im Geschworenen- und
Schöffengesetz 1990, BGBl. Nr. 256, geregelt.
Oberlandesgericht
§ 33. (1) Dem Oberlandesgericht obliegt die
Entscheidung
1. über Rechtsmittel und Rechtsbehelfe gegen
Entscheidungen des Landesgerichts als Einzelrichter (§ 31 Abs. 1 und
4),
2. über Berufungen gegen Urteile des
Landesgerichts als Geschworenen- oder Schöffengericht,
3. über Anträge auf Fortführung des Verfahrens
(§ 195),
4. über den Einspruch gegen die Anklageschrift
(§ 212),
5. über Kompetenzkonflikte und Delegierungen
(§§ 38 und 39) und
6. in Fällen, in denen es auf Grund besonderer
Vorschriften zuständig ist.
(2) Das Oberlandesgericht entscheidet durch
einen Senat von drei Richtern.
Oberster Gerichtshof
§ 34. (1) Dem Obersten Gerichtshof obliegt
die Entscheidung
1. über Nichtigkeitsbeschwerden und nach Maßgabe
der §§ 296, 344, 427 Abs. 3 letzter Satz mit ihnen verbundene
Berufungen und über Einsprüche gegen Urteile des Landesgerichts als Geschworenen-
oder Schöffengericht,
2. über Nichtigkeitsbeschwerden zur Wahrung des
Gesetzes (§§ 23, 292), außerordentliche Wiederaufnahmen (§ 362) und
Anträge auf Erneuerung des Verfahrens (§ 363a),
3. über Beschwerden nach § 285b Abs. 2
und über Beschwerden wegen Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit
nach dem Grundrechtsbeschwerde-Gesetz, BGBl. Nr. 864/1992,
4. über Verweisungen (§ 334 Abs. 2),
5. über Kompetenzkonflikte und Delegierungen
(§§ 38 und 39) und
6. in Fällen, in denen er auf Grund besonderer
Vorschriften zuständig ist.
(2) Im Übrigen bleiben die Bestimmungen des
Bundesgesetzes über den Obersten Gerichtshof, BGBl. Nr. 328/1968,
unberührt.
Form gerichtlicher Entscheidungen
§ 35. (1) Mit Urteil entscheiden die Gerichte im Haupt- und
Rechtsmittelverfahren über Schuld, Strafe und privatrechtliche Ansprüche, über
ein Verfahrenshindernis oder eine fehlende Prozessvoraussetzung, über die
Anordnung freiheitsentziehender Maßnahmen, über selbstständige Anträge nach
§ 441, über die im § 445 genannten vermögensrechtlichen Anordnungen
und über ihre Unzuständigkeit nach den §§ 261 und 488 Z 6. Soweit im
Einzelnen nichts anderes bestimmt wird, sind Urteile nach öffentlicher
mündlicher Verhandlung zu verkünden und auszufertigen.
(2) Im Übrigen entscheiden die Gerichte mit
Beschluss (§ 86), soweit sie nicht bloß eine auf den Fortgang des
Verfahrens oder die Bekanntmachung einer gerichtlichen Entscheidung gerichtete
Verfügung erlassen.
Örtliche Zuständigkeit
§ 36. (1) Im Ermittlungsverfahren obliegen
gerichtliche Entscheidungen und Beweisaufnahmen dem Landesgericht, an dessen
Sitz sich die Staatsanwaltschaft befindet, die das Verfahren führt.
(2) Im Falle der Abtretung eines Verfahrens hat
über offene Anträge, Einsprüche und Beschwerden das vor der Abtretung
zuständige Gericht, über einen Antrag auf Fortführung (§ 195) das
Oberlandesgericht zu entscheiden, in dessen Sprengel sich die
Staatsanwaltschaft befindet, die das Verfahren eingestellt hat.
(3) Für das Hauptverfahren ist das Gericht
zuständig, in dessen Sprengel die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt
werden sollte. Liegt dieser Ort im Ausland oder kann er nicht festgestellt
werden, so ist der Ort maßgebend, an dem der Erfolg eingetreten ist oder
eintreten hätte sollen, fehlt es an einem solchen, der Ort, an dem der
Beschuldigte seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat oder zuletzt hatte, in
Ermangelung eines solchen der Ort, an dem er betreten wurde. Kann auch dadurch
eine örtliche Zuständigkeit nicht bestimmt werden, so ist das Gericht
zuständig, an dessen Sitz sich die Staatsanwaltschaft befindet, die Anklage
einbringt. Sonderzuständigkeiten bleiben unberührt.
(4) Ein Gericht bleibt auch dann für das
Hauptverfahren örtlich zuständig, wenn es ein Verfahren gegen einen Angeklagten
oder wegen einer Straftat ausscheidet, es sei denn, dass ein Gericht mit Sonderzuständigkeit ein Verfahren wegen einer allgemeinen strafbaren Handlung
oder ein Landesgericht eine Strafsache ausscheidet, für deren Verhandlung und
Entscheidung das Bezirksgericht zuständig ist.
(5) Wenn sich zum Zeitpunkt der Einbringung der
Anklage ein Angeklagter in Untersuchungshaft befindet und die Verhandlung und
Entscheidung der Strafsache dem Bezirksgericht zusteht, ist das Bezirksgericht
örtlich zuständig, an dessen Sitz sich die Staatsanwaltschaft befindet, die
nach den §§ 25 bis 28 für das Ermittlungsverfahren zuständig war. Wird der
Angeklagte nach diesem Zeitpunkt freigelassen, so ändert dies die Zuständigkeit
nicht.
Zuständigkeit des Zusammenhangs
§ 37. (1) Im Falle gleichzeitiger Anklage
mehrerer beteiligter Personen (§ 12 StGB) oder einer Person wegen mehrerer
Straftaten ist das Hauptverfahren vom selben Gericht gemeinsam zu führen.
Gleiches gilt, wenn mehrere Personen der Begehung strafbarer Handlungen
verdächtig sind, die sonst in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen.
(2) Dabei ist unter Gerichten verschiedener
Ordnung das höhere, unter Gerichten gleicher Ordnung jenes mit
Sonderzuständigkeit für alle Verfahren zuständig, wobei das Gericht, das für
einen unmittelbaren Täter zuständig ist, das Verfahren gegen Beteiligte
(§ 12 StGB) an sich zieht. Im Übrigen kommt das Verfahren im Falle
mehrerer Straftaten dem Gericht zu, in dessen Zuständigkeit die frühere
Straftat fällt. Wenn jedoch für das Ermittlungsverfahren eine
Staatsanwaltschaft bei einem Gericht zuständig war, in dessen Sprengel auch nur
eine der angeklagten strafbaren Handlungen begangen worden sein soll, so ist
dieses Gericht zuständig.
(3) Sofern zu dem Zeitpunkt, zu dem die Anklage
rechtswirksam wird, ein Hauptverfahren gegen den Angeklagten anhängig ist, sind
die Verfahren zu verbinden; die Zuständigkeit des Gerichts bestimmt sich auch
in diesem Fall nach den vorstehenden Absätzen.
Kompetenzkonflikt
§ 38. Ein Gericht, das sich für unzuständig hält, hat bei ihm
eingebrachte Anträge, Einsprüche und Beschwerden dem zuständigen zu überweisen;
§ 213 Abs. 6 bleibt unberührt. Bei Gefahr im Verzug hat jedes Gericht
innerhalb seiner sachlichen Zuständigkeit vor der Überweisung unaufschiebbare
Entscheidungen zu treffen und unaufschiebbare Beweisaufnahmen durchzuführen.
Sofern auch das Gericht, dem überwiesen wird, seine Zuständigkeit bezweifelt,
hat es die Entscheidung des gemeinsam übergeordneten Gerichts zu erwirken.
Delegierung
§ 39. (1) Im Haupt- und Rechtsmittelverfahren kann das Oberlandesgericht
von Amts wegen oder auf Antrag aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder aus
anderen wichtigen Gründen eine Strafsache dem zuständigen Gericht abnehmen und
innerhalb seines Sprengels einem anderen Gericht gleicher Ordnung delegieren.
Ein solcher wichtiger Grund liegt auch dann vor, wenn das Verfahren erster
Instanz gegen einen Richter desselben oder eines unterstellten Gerichts oder
gegen einen Staatsanwalt einer Staatsanwaltschaft oder gegen ein Organ der
Sicherheitsbehörde oder Sicherheitsdienststelle, in deren Sprengel oder
örtlichem Zuständigkeitsbereich sich das zuständige Gericht befindet, zu führen
ist. Über Delegierung an ein anderes Oberlandesgericht oder an ein Gericht im
Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts entscheidet der Oberste Gerichtshof.
(2) Ein Antrag auf Delegierung steht der
Staatsanwaltschaft und dem Beschuldigten zu; das Gericht kann sie anregen. Der
Antrag ist bei dem Gericht einzubringen, das für das Verfahren zuständig ist,
und hat eine Begründung zu enthalten.
Vorsitz und Abstimmung in den Senaten
§ 40. (1) Im Geschworenengericht, im Schöffengericht und in allen anderen
Senaten führt ein Richter den Vorsitz. Der Vorsitzende hat Verhandlungen und
Sitzungen sowie Beratungen und Abstimmungen zu leiten. Die Zahl der
Senatsmitglieder darf weder größer noch kleiner sein als sie in den §§ 31
bis 34 festgesetzt ist.
(2) Jeder Abstimmung hat eine Beratung
vorauszugehen. Sieht das Gesetz einen Berichterstatter vor, so stimmt dieser
zuerst. Der Vorsitzende stimmt zuletzt. Die anderen Richter stimmen nach der
Dienstzeit bei dem Gericht, das die Entscheidung trifft, bei gleicher
Dienstzeit nach der für die Vorrückung in höhere Bezüge maßgebenden Dienstzeit,
und zwar die älteren vor den jüngeren. Die Geschworenen und Schöffen geben ihre
Stimme in alphabetischer Reihenfolge vor den Richtern ab.
(3) Eine Stimmenthaltung ist außer im Fall des
§ 42 Abs. 3 nicht zulässig.
§ 41. (1) Soweit im Einzelnen nichts anderes
bestimmt wird, entscheidet das Gericht mit der Mehrheit der Stimmen. Bei
Stimmengleichheit gilt die für den Beschuldigten günstigere Meinung.
(2) Ergibt sich keine Mehrheit, weil mehr als
zwei Meinungen vertreten werden, so hat der Vorsitzende durch Teilung der
Fragen und neuerliche Umfrage zu versuchen, eine Mehrheit zu erzielen. Wenn
dies nicht gelingt, sind die für den Beschuldigten nachteiligeren Stimmen den
jeweils günstigeren solange zuzuzählen, bis sich eine Mehrheit ergibt.
(3) Entstehen unterschiedliche Ansichten
darüber, welche von zwei Meinungen für den Beschuldigten die günstigere ist, so
ist zunächst darüber abzustimmen. Ergibt sich auch dabei keine Mehrheit, so
gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.
§ 42. (1) Über die Zuständigkeit des
Gerichts, über eine Ergänzung des Verfahrens und andere Vorfragen ist vor der
Hauptsache abzustimmen.
(2) In der Hauptsache ist zunächst die Frage
der Schuld und deren rechtliche Beurteilung zu entscheiden. Liegen dem
Beschuldigten mehrere Straftaten zur Last, so muss über jede Tat einzeln abgestimmt
werden.
(3) Wer den Beschuldigten auch nur in einem
Fall für nicht schuldig hält, kann sich bei der Beratung über die Strafe der
Stimme enthalten. Diese ist der für den Beschuldigten jeweils günstigsten
Meinung zuzuzählen.
4. Abschnitt
Ausschließung und Befangenheit
Ausgeschlossenheit von Richtern
§ 43. (1) Ein Richter ist vom gesamten Verfahren ausgeschlossen, wenn
1. er selbst oder einer seiner Angehörigen
(§ 72 StGB) im Verfahren Staatsanwalt, Privatankläger, Privatbeteiligter,
Beschuldigter, Verteidiger oder Vertreter ist oder war oder durch die Straftat
geschädigt worden sein könnte, wobei die durch Ehe begründete Eigenschaft einer
Person als Angehörige auch dann aufrecht bleibt, wenn die Ehe nicht mehr
besteht,
2. er außerhalb seiner Dienstverrichtungen Zeuge
der in Frage stehenden Handlung gewesen oder in der Sache als Zeuge oder
Sachverständiger vernommen worden ist oder vernommen werden soll oder
3. andere Gründe vorliegen, die geeignet sind,
seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen.
(2) Ein Richter ist außerdem vom Hauptverfahren
ausgeschlossen, wenn er entweder im Ermittlungsverfahren tätig gewesen oder an
einem Urteil mitgewirkt hat, das infolge eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs
aufgehoben wurde.
(3) Ein Richter eines Rechtsmittelgerichts ist
überdies ausgeschlossen, wenn er selbst oder einer seiner Angehörigen im
Verfahren als Richter der ersten Instanz, ein Richter der ersten Instanz, wenn
er selbst oder sein Angehöriger als Richter eines übergeordneten Gerichts tätig
gewesen ist.
(4) Ein Richter ist ebenso von der Entscheidung
über einen Antrag auf Wiederaufnahme oder einen Antrag auf Erneuerung des
Strafverfahrens (§ 363a) und von der Mitwirkung und Entscheidung im erneuerten
Verfahren ausgeschlossen, wenn er im Verfahren bereits als Richter tätig gewesen
ist.
Anzeige der Ausgeschlossenheit und
Antrag auf Ablehnung
§ 44. (1) Bei Vorliegen eines Ausschließungsgrundes hat sich ein Richter
im Verfahren bei sonstiger Nichtigkeit aller Handlungen zu enthalten.
Unaufschiebbare Handlungen hat er jedoch vorzunehmen, es sei denn, dass er
gegen einen Angehörigen einzuschreiten hätte; in diesem Fall hat er das Verfahren
unverzüglich abzutreten.
(2) Ein Richter, dem ein Ausschließungsgrund
bekannt wird, hat diesen sogleich dem Vorsteher oder Präsidenten des Gerichts,
dem er angehört, der Vorsteher eines Bezirksgerichts und der Präsident eines
Landesgerichts oder Oberlandesgerichts dem Präsidenten des jeweils
übergeordneten Gerichts, der Präsident des Obersten Gerichtshofs dem
Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs (§ 3 Abs. 5 des Bundesgesetzes
vom 19. Juni 1968 über den Obersten Gerichtshof) anzuzeigen.
(3) Allen Beteiligten des Verfahrens steht der
Antrag auf Ablehnung eines Richters wegen Ausschließung zu. Er ist bei dem
Richter einzubringen, dem die Ausschließung gemäß Abs. 2 anzuzeigen wäre.
Entscheidung über Ausschließung
§ 45. (1) Über die Ausschließung hat der Richter zu entscheiden, dem sie
nach § 44 Abs. 2 anzuzeigen ist. Über einen während einer Verhandlung
im Haupt- oder Rechtsmittelverfahren gestellten Antrag auf Ablehnung eines
Richters hat das erkennende Gericht zu entscheiden. Gleiches gilt, wenn der
Antrag unmittelbar vor der Verhandlung gestellt wurde und eine rechtzeitige
Entscheidung durch den Vorsteher oder Präsidenten nicht ohne ungebührliche
Verzögerung der Verhandlung möglich ist. Eine Entscheidung in der Verhandlung
kann längstens bis vor Beginn der Schlussvorträge aufgeschoben werden.
(2) Der Antrag ist als unzulässig
zurückzuweisen, wenn er von einer Person eingebracht wurde, der er nicht
zusteht. Im Übrigen ist in der Sache zu entscheiden. Wird auf Ausschließung
erkannt, so ist der Richter oder das Gericht zu bezeichnen, dem die Sache
übertragen wird; der ausgeschlossene Richter hat sich von diesem Zeitpunkt an
bei sonstiger Nichtigkeit der Ausübung seines Amtes zu enthalten.
(3) Gegen einen Beschluss nach Abs. 2
steht ein selbstständiges Rechtsmittel nicht zu.
Ausschließung von Geschworenen,
Schöffen und Protokollführern
§ 46. Für die Ausschließung und Ablehnung von
Geschworenen und Schöffen sind die Bestimmungen über Richter sinngemäß mit der
Maßgabe anzuwenden, dass über die Ablehnung der Vorsitzende des Geschworenen-
oder Schöffengerichts zu entscheiden hat. Für Protokollführer gelten die
Ausschließungsgründe des § 43 Abs. 1; über ihre Ablehnung entscheidet
der Richter oder der Vorsitzende des jeweiligen Senates.
Befangenheit von Kriminalpolizei und
Staatsanwaltschaft
§ 47. (1) Jedes Organ der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft hat
sich der Ausübung seines Amtes zu enthalten und seine Vertretung zu
veranlassen,
1. in Verfahren, in denen es selbst oder einer
seiner Angehörigen (§ 72 StGB) als Beschuldigter, als Privatankläger, als
Privatbeteiligter oder als deren Vertreter am Verfahren beteiligt ist oder war
oder durch die Straftat geschädigt worden sein könnte, wobei die durch Ehe
begründete Eigenschaft einer Person als Angehörige auch dann aufrecht bleibt,
wenn die Ehe nicht mehr besteht,
2. in Verfahren, in denen es als Organ der
Kriminalpolizei zuvor Richter oder Staatsanwalt, als Staatsanwalt zuvor Richter
oder Organ der Kriminalpolizei gewesen ist,
3. wenn andere Gründe vorliegen, die geeignet
sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu
ziehen.
(2) Bei Gefahr im Verzug hat, wenn die
Vertretung durch ein anderes Organ nicht sogleich bewirkt werden kann, auch das
befangene Organ unaufschiebbare Amtshandlungen vorzunehmen, soweit es nicht
gegen sich selbst oder gegen einen Angehörigen einzuschreiten hätte.
(3) Über die Befangenheit hat der Leiter der
Behörde, der das Organ angehört, im Fall der Befangenheit des Leiters dieser
Behörde der Leiter der übergeordneten Behörde im Dienstaufsichtsweg das
Erforderliche zu veranlassen.
3. Hauptstück
Beschuldigter und Verteidiger
1. Abschnitt
Allgemeines
Definitionen
§ 48. (1) Im Sinne dieses Gesetzes ist
1. „Beschuldigter“ jede Person, die auf Grund
bestimmter Tatsachen konkret verdächtig ist, eine strafbare Handlung begangen
zu haben, sobald gegen sie wegen dieses Verdachts ermittelt oder Zwang ausgeübt
wird,
2. „Angeklagter“ jeder Beschuldigte, gegen den
Anklage eingebracht worden ist,
3. „Betroffener“ jede Person, die durch Anordnung
oder Durchführung von Zwang in ihren Rechten unmittelbar beeinträchtigt wird,
4. „Verteidiger“ eine zur Ausübung der
Rechtsanwaltschaft, eine sonst gesetzlich zur Vertretung im Strafverfahren
berechtigte oder eine Person, die an einer inländischen Universität die
Lehrbefugnis für Strafrecht und Strafprozessrecht erworben hat, sobald sie der
Beschuldigte als Rechtsbeistand bevollmächtigt hat, und eine Person, die dem
Beschuldigten nach den Bestimmungen dieses Gesetzes als Rechtsbeistand bestellt
wurde.
(2) Soweit die Bestimmungen dieses Gesetzes auf
den Beschuldigten verweisen und im Einzelnen nichts anderes bestimmt wird, sind
sie auch auf Angeklagte und auf Personen anzuwenden, gegen die ein Verfahren
zur Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach
§ 21 Abs. 1 StGB geführt wird.
2. Abschnitt
Der Beschuldigte
Rechte des Beschuldigten
§ 49. Der Beschuldigte hat insbesondere das Recht,
1. vom Gegenstand des gegen ihn bestehenden
Verdachts sowie über seine wesentlichen Rechte im Verfahren informiert zu
werden (§ 50),
2. einen Verteidiger zu wählen (§ 58) und
einen Verfahrenshilfeverteidiger zu erhalten (§§ 61 und 62),
3. Akteneinsicht zu nehmen (§§ 51 bis 53),
4. sich zum Vorwurf zu äußern oder nicht
auszusagen sowie nach Maßgabe der §§ 58, 59 Abs. 1 und 164 Abs. 1 mit einem
Verteidiger Kontakt aufzunehmen und sich mit ihm zu besprechen,
5. gemäß § 164 Abs. 2 einen Verteidiger seiner
Vernehmung beizuziehen,
6. die Aufnahme von Beweisen zu beantragen
(§ 55),
7. Einspruch wegen der Verletzung eines
subjektiven Rechts zu erheben (§ 106),
8. Beschwerde gegen die gerichtliche Bewilligung
von Zwangsmitteln zu erheben (§ 87),
9. die Einstellung des Ermittlungsverfahrens zu
beantragen (§ 108),
10. an der Hauptverhandlung, an einer
kontradiktorischen Vernehmung von Zeugen und Mitbeschuldigten (§ 165
Abs. 2), an einer Befundaufnahme (§ 127 Abs. 2) und an einer
Tatrekonstruktion (§ 150) teilzunehmen,
11. Rechtsmittel und Rechtsbehelfe zu erheben,
12. Übersetzungshilfe zu erhalten (§ 56).
Rechtsbelehrung
§ 50. Jeder
Beschuldigte ist durch die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft sobald
wie möglich über das gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren und den gegen ihn
bestehenden Tatverdacht sowie über seine wesentlichen Rechte im Verfahren
(§§ 49, 164 Abs. 1) zu informieren. Dies darf nur so lange
unterbleiben als besondere Umstände befürchten lassen, dass ansonsten der Zweck
der Ermittlungen gefährdet wäre, insbesondere weil Ermittlungen oder Beweisaufnahmen
durchzuführen sind, deren Erfolg voraussetzt, dass der Beschuldigte keine
Kenntnis von den gegen ihn geführten Ermittlungen hat.
Akteneinsicht
§ 51. (1) Der Beschuldigte ist berechtigt, in die der Kriminalpolizei,
der Staatsanwaltschaft und dem Gericht vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungs-
und des Hauptverfahrens Einsicht zu nehmen. Das Recht auf Akteneinsicht
berechtigt auch dazu, Beweisgegenstände in Augenschein zu nehmen, soweit dies
ohne Nachteil für die Ermittlungen möglich ist.
(2) Soweit die im § 162 angeführte Gefahr
besteht, ist es zulässig, personenbezogene Daten und andere Umstände, die
Rückschlüsse auf die Identität oder die höchstpersönlichen Lebensumstände der gefährdeten
Person zulassen, von der Akteneinsicht auszunehmen und Kopien auszufolgen, in
denen diese Umstände unkenntlich gemacht wurden. Im Übrigen darf Akteneinsicht
nur vor Beendigung des Ermittlungsverfahrens und nur insoweit beschränkt
werden, als besondere Umstände befürchten lassen, dass durch eine sofortige
Kenntnisnahme von bestimmten Aktenstücken der Zweck der Ermittlungen gefährdet
wäre. Befindet sich der Beschuldigte jedoch in Haft, so ist eine Beschränkung
der Akteneinsicht hinsichtlich solcher Aktenstücke, die für die Beurteilung des
Tatverdachts oder der Haftgründe von Bedeutung sein können, ab Verhängung der
Untersuchungshaft unzulässig.
(3) Einfache Auskünfte können auch mündlich
erteilt werden. Hiefür gelten die Bestimmungen über Akteneinsicht sinngemäß.
§ 52. (1) Soweit dem Beschuldigten Akteneinsicht zusteht, sind ihm auf
Antrag und gegen Gebühr Kopien (Ablichtungen oder andere Wiedergaben des
Akteninhalts auszufolgen oder herstellen zu lassen; dieses Recht bezieht sich
jedoch nicht auf Ton- oder Bildaufnahmen.
(2) In folgenden Fällen hat der Beschuldigte keine
Gebühren nach Abs. 1 zu entrichten:
1. wenn und so lange ihm Verfahrenshilfe bewilligt
wurde,
2. wenn er sich in Haft befindet, bis zur ersten
Haftverhandlung oder zur früher stattfindenden Hauptverhandlung hinsichtlich
aller Aktenstücke, die für die Beurteilung des Tatverdachts oder der Haftgründe
von Bedeutung sein können,
3. für Befunde und Gutachten von Sachverständigen,
Behörden, Dienststellen und Anstalten.
(3) Dem Verfahrenshilfeverteidiger sind
unverzüglich Kopien des Aktes von Amts wegen zuzustellen. Gleiches gilt für die
Fälle des Abs. 2 Z 2 und 3. Der Verteidiger des in Haft befindlichen
Beschuldigten kann beantragen, dass ihm Kopien der in Abs. 2 Z 2 und
3 angeführten Aktenstücke auch in weiterer Folge von Amts wegen übermittelt
werden.
Verfahren bei Akteneinsicht
§ 53. (1) Einsicht in den jeweiligen Akt kann im Ermittlungsverfahren bei
der Staatsanwaltschaft und bis zur Erstattung des Abschlussberichts (§ 100
Abs. 2 Z 4) auch bei der Kriminalpolizei begehrt werden, im Hauptverfahren
bei Gericht.
(2) Soweit Akteneinsicht zusteht, ist sie
grundsätzlich während der Amtsstunden in den jeweiligen Amtsräumen zu
ermöglichen. Im Rahmen der technischen Möglichkeiten kann sie auch über
Bildschirm oder im Wege elektronischer Datenübertragung gewährt werden.
Verbot der Veröffentlichung
§ 54. Der Beschuldigte und sein Verteidiger sind berechtigt,
Informationen, die sie im Verfahren in nicht öffentlicher Verhandlung oder im
Zuge einer nicht öffentlichen Beweisaufnahme oder durch Akteneinsicht erlangt
haben, im Interesse der Verteidigung und anderer überwiegender Interessen zu
verwerten. Es ist ihnen jedoch untersagt, solche Informationen, soweit sie
personenbezogene Daten anderer Beteiligter des Verfahrens oder Dritter
enthalten und nicht in öffentlicher Verhandlung vorgekommen sind oder sonst
öffentlich bekannt wurden, in einem Medienwerk oder sonst auf eine Weise zu
veröffentlichen, dass die Mitteilung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich
wird, wenn dadurch schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen (§§ 1
Abs. 1, 8 und 9 DSG 2000) anderer Beteiligter des Verfahrens oder
Dritter, die gegenüber dem öffentlichen Informationsinteresse überwiegen,
verletzt würden.
Beweisanträge
§ 55. (1) Der Beschuldigte ist berechtigt,
die Aufnahme von Beweisen zu beantragen. Im Antrag sind Beweisthema,
Beweismittel und jene Informationen, die für die Durchführung der
Beweisaufnahme erforderlich sind, zu bezeichnen. Soweit dies nicht
offensichtlich ist, ist zu begründen, weswegen das Beweismittel geeignet sein
könnte, das Beweisthema zu klären.
(2) Unzulässige, unverwertbare und unmögliche
Beweise sind nicht aufzunehmen. Im Übrigen darf eine Beweisaufnahme auf Antrag
des Beschuldigten nur unterbleiben, wenn
1. das Beweisthema offenkundig oder für die
Beurteilung des Tatverdachts ohne Bedeutung ist,
2. das beantragte Beweismittel nicht geeignet ist,
eine erhebliche Tatsache zu beweisen, oder
3. das Beweisthema als erwiesen gelten kann.
(3) Im Ermittlungsverfahren kann die Aufnahme
eines Beweises der Hauptverhandlung vorbehalten werden. Dies ist unzulässig,
wenn das Ergebnis der Beweisaufnahme geeignet sein kann, den Tatverdacht
unmittelbar zu beseitigen, oder die Gefahr des Verlustes des Beweises einer
erheblichen Tatsache besteht.
(4) Die Kriminalpolizei hat im Ermittlungsverfahren
den beantragten Beweis aufzunehmen oder den Antrag mit Anlassbericht
(§ 100 Abs. 2 Z 2) der Staatsanwaltschaft vorzulegen. Die
Staatsanwaltschaft hat ihrerseits die Beweisaufnahme zu veranlassen oder den
Beschuldigten zu verständigen, aus welchen Gründen sie unterbleibt.
Übersetzungshilfe
§ 56. (1) Ein Beschuldigter, der sich in der Verfahrenssprache nicht
hinreichend verständigen kann, hat das Recht auf Übersetzungshilfe. Soweit dies
im Interesse der Rechtspflege, vor allem zur Wahrung der Verteidigungsrechte
des Beschuldigten erforderlich ist, ist Übersetzungshilfe durch Beistellung
eines Dolmetschers zu leisten. Dies gilt insbesondere für die Rechtsbelehrung
(§ 50), für Beweisaufnahmen, an denen der Beschuldigte teilnimmt, und für
Verhandlungen. Auf Verlangen ist dem Beschuldigten Übersetzungshilfe auch für
den Kontakt mit einem ihm beigegebenen Verteidiger oder anlässlich der Bekanntgabe
eines Antrags oder einer Anordnung der Staatsanwaltschaft oder eines
gerichtlichen Beschlusses zu leisten. Für die Akteneinsicht ist dem
Beschuldigten nur dann Übersetzungshilfe zu leisten, wenn er keinen Verteidiger
hat und ihm aus besonderen Gründen nicht zugemutet werden kann, selbst für die
Übersetzung der relevanten Aktenteile zu sorgen, die ihm in Kopie ausgefolgt
wurden.
(2) Ist der Beschuldigte gehörlos oder stumm,
so ist ein Dolmetscher für die Gebärdensprache beizuziehen, sofern sich der
Beschuldigte in dieser verständigen kann. Andernfalls ist zu versuchen, mit dem
Beschuldigten schriftlich oder auf andere geeignete Art, in der sich der
Beschuldigte verständlich machen kann, zu verkehren.
3. Abschnitt
Der Verteidiger
Rechte des Verteidigers
§ 57. (1) Der Verteidiger steht dem Beschuldigten beratend und
unterstützend zur Seite. Er ist berechtigt und verpflichtet, jedes
Verteidigungsmittel zu gebrauchen und alles, was der Verteidigung des
Beschuldigten dient, unumwunden vorzubringen, soweit dies dem Gesetz, seinem
Auftrag und seinem Gewissen nicht widerspricht.
(2) Der Verteidiger übt, soweit in diesem
Gesetz nichts anderes bestimmt ist, die Verfahrensrechte aus, die dem
Beschuldigten zustehen. Der Beschuldigte kann aber immer selbst Erklärungen
abgeben; im Fall einander widersprechender Erklärungen gilt seine. Ein Verzicht
auf Rechtsmittel gegen das Urteil, den der
Beschuldigte nicht im Beisein seines Verteidigers und nach Beratung mit diesem
abgibt, ist jedoch ohne Wirkung.
Bevollmächtigung des Verteidigers
§ 58. (1) Der Beschuldigte hat das Recht, mit einem Verteidiger Kontakt
aufzunehmen, ihn zu bevollmächtigen und sich mit ihm zu besprechen.
(2) Die Vollmacht des Verteidigers ist
schriftlich oder, wenn der Beschuldigte anwesend ist, durch dessen mündliche
Erklärung nachzuweisen. In Abwesenheit des Beschuldigten kann sich der
Verteidiger auch auf eine ihm erteilte Vollmacht berufen. Zur Vornahme
einzelner Prozesshandlungen bedarf der Verteidiger keiner besonderen Vollmacht.
(3) Der Beschuldigte kann die Verteidigung vom
gewählten Verteidiger jederzeit auf einen anderen übertragen, doch darf das
Verfahren durch diesen Wechsel nicht unangemessen verzögert werden. Wenn der
Beschuldigte mehrere Verteidiger bevollmächtigt, wird das Fragerecht und das
Recht vorzutragen dadurch nicht erweitert. In diesem Fall gelten Zustellungen
an ihn als bewirkt, sobald auch nur einem der Verteidiger zugestellt
wurde.
(4) Für einen Minderjährigen und eine Person,
der ein Sachwalter bestellt wurde, kann der gesetzliche Vertreter selbst gegen
ihren Willen einen Verteidiger bevollmächtigen.
§ 59. (1) Dem festgenommenen Beschuldigten ist zu ermöglichen, Kontakt
mit einem Verteidiger aufzunehmen und ihn zu bevollmächtigen. Dieser Kontakt
darf vor Einlieferung des Beschuldigten in die Justizanstalt überwacht werden
und auf das für die Erteilung der Vollmacht und eine allgemeine Rechtsauskunft
notwendige Ausmaß beschränkt werden, soweit dies erforderlich erscheint, um
eine Beeinträchtigung der Ermittlungen oder von Beweismitteln abzuwenden.
(2) Der Beschuldigte kann sich mit seinem
Verteidiger verständigen, ohne dabei überwacht zu werden. Wird jedoch der
Beschuldigte auch wegen Verabredungs- oder Verdunkelungsgefahr angehalten und
ist auf Grund besonderer, schwer wiegender Umstände zu befürchten, dass der
Kontakt mit dem Verteidiger zu einer Beeinträchtigung von Beweismitteln führen
könnte, so kann die Staatsanwaltschaft, vor Einlieferung des Beschuldigten in
die Justizanstalt auch die Kriminalpolizei, die Überwachung des Kontakts mit
dem Verteidiger anordnen. Die Überwachung darf in jedem Fall nur mit Kenntnis
des Beschuldigten und des Verteidigers sowie längstens für eine Dauer von zwei
Monaten ab Festnahme erfolgen; nach Einbringen der Anklage gegen den
Beschuldigten ist sie jedenfalls zu beenden.
Ausschluss des Verteidigers
§ 60. (1)
Von der Verteidigung ist auszuschließen, gegen wen ein Verfahren wegen
Beteiligung an derselben Straftat oder wegen Begünstigung hinsichtlich dieser
Straftat anhängig ist, oder wer den Verkehr mit dem angehaltenen Beschuldigten
dazu missbraucht, Straftaten zu begehen oder die Sicherheit und Ordnung einer
Vollzugsanstalt erheblich zu gefährden, insbesondere dadurch, dass er in
gesetzwidriger Weise Gegenstände oder Nachrichten überbringt oder
entgegennimmt.
(2) Der Ausschluss von der Verteidigung ist vom
Gericht mit Beschluss auszusprechen; zuvor hat es dem Verteidiger Gelegenheit
zu geben, sich zu äußern. Im Ermittlungsverfahren ist auch die Kriminalpolizei
vom Ausschluss zu verständigen. Im Übrigen ist § 236a anzuwenden; in den
Fällen notwendiger Verteidigung ist nach § 61 Abs. 3 vorzugehen.
(3) Der Ausschluss ist aufzuheben, sobald seine
Voraussetzungen weggefallen sind.
Beigebung eines Verteidigers
§ 61. (1) In folgenden Fällen muss der
Beschuldigte durch einen Verteidiger vertreten sein (notwendige Verteidigung):
1. im gesamten Verfahren, wenn und solange er in
Untersuchungshaft oder gemäß § 173 Abs. 4 in Strafhaft angehalten
wird,
2. im gesamten Verfahren zur Unterbringung in
einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 StGB
(§§ 429 Abs. 2, 430 Abs. 3, 436, 439 Abs. 1),
3. in der Hauptverhandlung zur Unterbringung in
einer der in den §§ 22 und 23 StGB genannten Anstalten (§ 439
Abs. 1),
4. in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht
als Geschworenen- oder Schöffengericht,
5. in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht
als Einzelrichter, wenn für die Straftat, außer in den Fällen der §§ 129
Z 1 bis 3 und 164 Abs. 4 StGB, eine drei Jahre übersteigende
Freiheitsstrafe angedroht ist,
6. im Rechtsmittelverfahren auf Grund einer
Anmeldung einer Nichtigkeitsbeschwerde oder einer Berufung gegen ein Urteil des
Schöffen- oder des Geschworenengerichts,
7. bei der Ausführung eines Antrags auf Erneuerung
des Strafverfahrens und beim Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über
einen solchen (§§ 363a Abs. 2 und 363c).
(2) Ist der Beschuldigte außerstande, ohne
Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie, für deren Unterhalt er zu
sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhaltes die
gesamten Kosten der Verteidigung zu tragen, so hat das Gericht auf Antrag des Beschuldigten
zu beschließen, dass diesem ein Verteidiger beigegeben wird, dessen Kosten er
nicht oder nur zum Teil (§ 393 Abs. 1a) zu tragen hat, wenn und
soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden
Verteidigung, erforderlich ist (Verfahrenshilfeverteidiger). Die Beigebung
eines Verteidigers ist in diesem Sinn jedenfalls erforderlich:
1. in den Fällen des Abs. 1,
2. wenn der Beschuldigte blind, gehörlos, stumm,
auf andere Weise behindert oder der Gerichtssprache nicht hinreichend kundig
und deshalb nicht in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen,
3. für das Rechtsmittelverfahren auf Grund einer
Anmeldung einer Berufung,
4. bei schwieriger Sach- oder Rechtslage.
(3) In den Fällen des Abs. 1 sind der
Beschuldigte und sein gesetzlicher Vertreter aufzufordern, einen Verteidiger zu
bevollmächtigen oder die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers nach
Abs. 2 zu beantragen. Bevollmächtigt weder der Beschuldigte noch sein
gesetzlicher Vertreter für ihn einen Verteidiger, so hat ihm das Gericht von
Amts wegen einen Verteidiger beizugeben, dessen Kosten er zu tragen hat
(Amtsverteidiger), soweit nicht die Voraussetzungen des Abs. 2 erster Satz
vorliegen.
(4) Die Beigebung eines
Verfahrenshilfeverteidigers gilt, wenn das Gericht nicht im Einzelnen etwas
anderes anordnet, für das gesamte weitere Verfahren bis zu dessen
rechtskräftigem Abschluss sowie für ein allfälliges Verfahren auf Grund einer
zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde oder eines Antrages
auf Erneuerung des Strafverfahrens.
Bestellung eines Verteidigers
§ 62. (1) Hat das Gericht die Beigebung eines Verteidigers beschlossen,
so hat es den Ausschuss der nach seinem Sitz zuständigen Rechtsanwaltskammer zu
benachrichtigen, damit dieser einen Rechtsanwalt zum Verteidiger bestelle.
Dabei hat der Ausschuss Wünschen des Beschuldigten zur Auswahl der Person
dieses Verteidigers im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach
Möglichkeit zu entsprechen.
(2) In dringenden Fällen kann der Vorsteher des
Gerichts auch bei Gericht tätige, zum Richteramt befähigte Personen mit ihrer
Zustimmung zu Verteidigern bestellen.
(3) Mehreren Beschuldigten kann ein gemeinsamer
Verteidiger beigegeben und bestellt werden, es sei denn, dass ein Interessenskonflikt
besteht oder einer der Beschuldigten oder der Verteidiger gesonderte Vertretung
verlangt.
(4) Beigebung und Bestellung eines Verteidigers
erlöschen jedenfalls mit dem Einschreiten eines bevollmächtigten Verteidigers
(§ 58 Abs. 2).
Fristenlauf
§ 63. (1) Wird dem Beschuldigten innerhalb der für die Ausführung eines
Rechtsmittels oder für eine sonstige Prozesshandlung offen stehenden Frist ein
Verteidiger nach § 61 Abs. 2 oder 3 beigegeben oder hat der
Beschuldigte vor Ablauf dieser Frist die Beigebung eines
Verfahrenshilfeverteidigers beantragt, so beginnt die Frist ab dem Zeitpunkt
neu zu laufen, ab welchem dem Verteidiger der Bescheid über seine Bestellung
und das Aktenstück, das die Frist sonst in Lauf setzt, oder dem Beschuldigten
der den Antrag abweisende Beschluss zugestellt wird.
(2) Wurde durch eine Zustellung an den
Verteidiger eine Frist ausgelöst, so wird deren Lauf nicht dadurch unterbrochen
oder gehemmt, dass die Vollmacht des Verteidigers zurückgelegt oder gekündigt
wird. In diesem Fall hat der Verteidiger weiterhin die Interessen des
Beschuldigten zu wahren und innerhalb der Frist erforderliche Prozesshandlungen
nötigenfalls vorzunehmen, es sei denn, der Beschuldigte hätte ihm dies
ausdrücklich untersagt.
4. Abschnitt
Haftungsbeteiligte
Haftungsbeteiligte
§ 64. (1) Haftungsbeteiligte sind
Personen, die für Geldstrafen, Geldbußen oder für die Kosten des Verfahrens
haften, oder die, ohne selbst angeklagt zu sein, von der Abschöpfung der
Bereicherung, vom Verfall oder von der Einziehung einer Sache bedroht sind. Sie
haben in der Hauptverhandlung und im Rechtsmittelverfahren, soweit es sich um
die Entscheidung über diese vermögensrechtlichen Anordnungen handelt, die
Rechte des Angeklagten.
(2) Haftungsbeteiligte können ihre Sache selbst
führen oder sich vertreten lassen (§ 73).
4. Hauptstück
Opfer und ihre Rechte
1. Abschnitt
Allgemeines
Definitionen
§ 65. Im Sinne dieses Gesetzes ist
1. „Opfer“
a. jede Person, die durch eine vorsätzlich
begangene Straftat Gewalt oder gefährlicher Drohung ausgesetzt oder in ihrer
sexuellen Integrität beeinträchtigt worden sein könnte,
b. der Ehegatte, der Lebensgefährte, die
Verwandten in gerader Linie, der Bruder oder die Schwester einer Person, deren
Tod durch eine Straftat herbeigeführt worden sein könnte, oder andere
Angehörige, die Zeugen der Tat waren,
c. jede andere Person, die durch eine Straftat
einen Schaden erlitten haben oder sonst in ihren strafrechtlich geschützten
Rechtsgütern beeinträchtigt worden sein könnte,
2. „Privatbeteiligter“ jedes Opfer, das erklärt,
sich am Verfahren zu beteiligen, um Ersatz für den erlittenen Schaden oder die
erlittene Beeinträchtigung zu begehren,
3. „Privatankläger“ jede Person, die eine Anklage
oder einen anderen Antrag auf Einleitung des Hauptverfahrens wegen einer nicht
von Amts wegen zu verfolgenden Straftat bei Gericht einbringt (§ 71),
4. „Subsidiarankläger“ jeder Privatbeteiligte, der
eine von der Staatsanwaltschaft zurückgezogene Anklage aufrecht hält.
2. Abschnitt
Opfer und Privatbeteiligte
Opferrechte
§ 66. (1) Opfer haben – unabhängig von ihrer Stellung als
Privatbeteiligte - das Recht,
1. sich vertreten zu lassen (§ 73),
2. Akteneinsicht zu nehmen (§ 68),
3. vor ihrer Vernehmung vom
Gegenstand des Verfahrens und über ihre wesentlichen Rechte informiert zu
werden (§ 70 Abs. 1),
4. vom Fortgang des Verfahrens verständigt zu
werden (§§ 25 Abs. 3, 177 Abs. 5, 194, 197 Abs. 3, 206 und
208 Abs. 4),
5. Übersetzungshilfe zu erhalten, für die
§ 56 sinngemäß gilt,
6. an einer kontradiktorischen Vernehmung von
Zeugen und Beschuldigten (§ 165), an einer Befundaufnahme (§ 127
Abs. 2) und an einer Tatrekonstruktion (§ 150 Abs. 1)
teilzunehmen,
7. während der Hauptverhandlung anwesend zu sein
und Angeklagte, Zeugen und Sachverständige zu befragen sowie zu ihren
Ansprüchen gehört zu werden,
8. die Fortführung eines durch die
Staatsanwaltschaft eingestellten Verfahrens zu verlangen (§ 195
Abs. 1).
(2) Opfern im Sinne des § 65 Z 1
lit. a oder b ist auf ihr Verlangen psychosoziale und juristische
Prozessbegleitung zu gewähren, soweit dies zur Wahrung der prozessualen Rechte
der Opfer unter größtmöglicher Bedachtnahme auf ihre persönliche Betroffenheit
erforderlich ist. Psychosoziale Prozessbegleitung umfasst die Vorbereitung der
Betroffenen auf das Verfahren und die mit ihm verbundenen emotionalen
Belastungen sowie die Begleitung zu Vernehmungen im Ermittlungs- und
Hauptverfahren, juristische Prozessbegleitung die rechtliche Beratung und
Vertretung durch einen Rechtsanwalt. Der Bundesminister für Justiz ist
ermächtigt, bewährte geeignete Einrichtungen vertraglich mit der Prozessbegleitung
von Opfern im Sinne des § 65 Z 1 lit. a oder b zu beauftragen.
Privatbeteiligung
§ 67. (1) Opfer haben das Recht, den Ersatz des durch die Straftat
erlittenen Schadens oder eine Entschädigung für die Beeinträchtigung ihrer
strafrechtlich geschützten Rechtsgüter zu begehren. Das Ausmaß des Schadens
oder der Beeinträchtigung ist von Amts wegen festzustellen, soweit dies
auf Grund der Ergebnisse des Strafverfahrens oder weiterer einfacher Erhebungen
möglich ist. Wird für die Beurteilung einer Körperverletzung oder
Gesundheitsschädigung ein Sachverständiger bestellt, so ist ihm auch die
Feststellung der Schmerzperioden aufzutragen.
(2) Opfer werden durch Erklärung zu
Privatbeteiligten. In der Erklärung haben sie, soweit dies nicht offensichtlich
ist, ihre Berechtigung, am Verfahren mitzuwirken, und ihre Ansprüche auf
Schadenersatz oder Entschädigung zu begründen.
(3) Eine Erklärung nach Abs. 2 ist bei der
Kriminalpolizei oder bei der Staatsanwaltschaft, nach Einbringen der Anklage
beim Gericht einzubringen. Sie muss längstens bis zum Schluss des Beweisverfahrens
abgegeben werden; bis dahin ist auch die Höhe des Schadenersatzes oder der
Entschädigung zu beziffern. Die Erklärung kann jederzeit zurückgezogen werden.
(4) Eine Erklärung ist zurückzuweisen, wenn
1. sie offensichtlich unberechtigt ist,
2. sie verspätet abgegeben wurde (Abs. 3) oder
3. die Höhe des Schadenersatzes oder der
Entschädigung nicht rechtzeitig beziffert wurde.
(5) Die Zurückweisung einer Erklärung nach
Abs. 4 obliegt der Staatsanwaltschaft, nach Einbringen der Anklage dem
Gericht.
(6) Privatbeteiligte haben über die Rechte der
Opfer (§ 66) hinaus das Recht,
1. die Aufnahme von Beweisen nach § 55 zu
beantragen,
2. die Anklage nach § 72 aufrechtzuerhalten,
wenn die Staatsanwaltschaft von ihr zurücktritt,
3. Beschwerde gegen die gerichtliche Einstellung
des Verfahrens nach § 87 zu erheben,
4. zur Hauptverhandlung geladen zu werden und
Gelegenheit zu erhalten, nach dem Schlussantrag der Staatsanwaltschaft ihre
Ansprüche auszuführen und zu begründen.
5. Berufung wegen ihrer privatrechtlichen
Ansprüche nach § 366 zu erheben.
(7) Privatbeteiligten ist - soweit ihnen nicht
juristische Prozessbegleitung zu gewähren ist (§ 66 Abs. 2) -
Verfahrenshilfe durch unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwalts zu
bewilligen, soweit die Vertretung durch einen Rechtsanwalt im Interesse der
Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Durchsetzung
ihrer Ansprüche zur Vermeidung eines nachfolgenden Zivilverfahrens erforderlich
ist, und sie außerstande sind, die Kosten ihrer anwaltlichen Vertretung ohne
Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten. Als notwendiger
Unterhalt ist derjenige anzusehen, den die Person für sich und ihre Familie,
für deren Unterhalt sie zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung
benötigt. Für die Beigebung und Bestellung eines solchen Vertreters gelten die
Bestimmungen der §§ 61 Abs. 4, 62 Abs. 1, 2 und 4 sinngemäß.
Akteneinsicht
§ 68. (1) Privatbeteiligte und Privatankläger
sind zur Akteneinsicht berechtigt, soweit ihre Interessen betroffen sind;
hiefür gelten die §§ 51, 52 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 und 3 sowie
53 sinngemäß. Im Übrigen darf die Akteneinsicht nur verweigert oder beschränkt
werden, soweit durch sie der Zweck der Ermittlungen oder eine unbeeinflusste
Aussage als Zeuge gefährdet wäre.
(2) Dieses Recht auf Akteneinsicht steht auch
Opfern zu, die nicht als Privatbeteiligte am Verfahren mitwirken.
(3) Das Verbot der Veröffentlichung nach
§ 54 gilt für Opfer, Privatbeteiligte und Privatankläger sinngemäß.
Privatrechtliche Ansprüche
§ 69. (1) Der Privatbeteiligte kann einen aus der Straftat abgeleiteten,
auf Leistung, Feststellung oder Rechtsgestaltung gerichteten Anspruch gegen den
Beschuldigten geltend machen. Die Gültigkeit einer Ehe kann im Strafverfahren
jedoch immer nur als Vorfrage (§ 15) beurteilt werden.
(2) Das Gericht hat im Hauptverfahren jederzeit
einen Vergleich über privatrechtliche Ansprüche zu Protokoll zu nehmen. Es kann
den Privatbeteiligten und den Beschuldigten auch auf Antrag oder von Amts wegen
zu einem Vergleichsversuch laden und einen Vorschlag für einen Vergleich
unterbreiten. Kommt ein Vergleich zustande, so sind dem Privatbeteiligten, der
Staatsanwaltschaft und dem Beschuldigten Vergleichsausfertigungen auszufolgen.
(3) Im Fall einer Sicherstellung nach
§ 110 Abs. 1 Z 2 hat die Staatsanwaltschaft die Rückgabe des
Gegenstandes an das Opfer anzuordnen, wenn eine Beschlagnahme aus
Beweisgründen nicht erforderlich ist und in die Rechte Dritter dadurch nicht
eingegriffen wird.
Recht auf Information
§ 70. (1) Sobald ein Ermittlungsverfahren gegen einen bestimmten
Beschuldigten geführt wird, hat die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft
Opfer über ihre wesentlichen Rechte (§§ 66 und 67) zu informieren. Dies
darf nur solange unterbleiben, als dadurch der Zweck der Ermittlungen gefährdet
wäre. Opfer im Sinn des § 65 Z 1 lit. a oder b sind spätestens vor ihrer ersten
Befragung über die Voraussetzungen der Prozessbegleitung zu informieren.
(2) Opfer, die in ihrer sexuellen Integrität
verletzt worden sein könnten, sind spätestens vor ihrer ersten Befragung
überdies über die folgenden, ihnen zustehenden Rechte zu informieren:
1. zu verlangen, im Ermittlungsverfahren nach
Möglichkeit von einer Person des gleichen Geschlechts vernommen zu werden,
2. die Beantwortung von Fragen nach Umständen aus
ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich oder nach Einzelheiten der Straftat,
deren Schilderung sie für unzumutbar halten, zu verweigern (§ 158
Abs. 1 Z 2),
3. zu verlangen, im Ermittlungsverfahren und in
der Hauptverhandlung auf schonende Weise vernommen zu werden (§§ 165, 250
Abs. 3),
4. zu verlangen, die Öffentlichkeit der
Hauptverhandlung auszuschließen (§ 229 Abs. 2).
3. Abschnitt
Privatankläger und Subsidiarankläger
Privatankläger
§ 71. (1) Strafbare Handlungen, deren
Begehung nur auf Verlangen des Opfers zu verfolgen sind, bezeichnet das Gesetz.
Das Hauptverfahren wird in diesen Fällen auf Grund einer Anklage des Privatanklägers
oder seines selbstständigen Antrags auf Erlassung vermögensrechtlicher
Anordnungen nach § 445 durchgeführt; ein Ermittlungsverfahren findet nicht
statt.
(2) In den Fällen des § 117 Abs. 2
und 3 StGB ist das Opfer dann zur Privatanklage berechtigt, wenn es oder seine
vorgesetzte Stelle die Ermächtigung zur Strafverfolgung nicht erteilt oder
zurückzieht (§ 92). Zur Anklage nicht berechtigt ist, wer ausdrücklich
darauf verzichtet oder die Begehung der strafbaren Handlung verziehen hat. Die
§§ 57 und 58 StGB bleiben unberührt.
(3) Die Privatanklage ist beim zuständigen
Gericht einzubringen. Sie hat den Erfordernissen einer Anklageschrift
(§ 211) zu entsprechen. Die Berechtigung zur Privatanklage und allfällige
privatrechtliche Ansprüche sind, soweit sie nicht offensichtlich sind, in der
Begründung darzulegen. Für einen selbstständigen Antrag gilt Gleiches.
(4) Das Gericht hat den Antrag dem Angeklagten
und den Haftungsbeteiligten mit der Information zuzustellen, dass sie
berechtigt seien, sich dazu binnen 14 Tagen zu äußern. Danach hat das Gericht,
soweit es nicht nach § 485 oder § 451 vorgeht, die Hauptverhandlung
anzuberaumen.
(5) Der Privatankläger hat grundsätzlich die
gleichen Rechte wie die Staatsanwaltschaft. Zwangsmaßnahmen zu beantragen ist
er jedoch nur insofern berechtigt, als dies zur Sicherung von Beweisen oder
vermögensrechtlichen Anordnungen erforderlich ist. Die Festnahme des Beschuldigten
oder die Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft zu beantragen ist er
nicht berechtigt.
(6) Kommt der Privatankläger nicht zur
Hauptverhandlung oder stellt er nicht die erforderlichen Anträge, so wird
angenommen, dass er auf die Verfolgung verzichtet habe. In diesen Fällen ist
das Verfahren durch Beschluss einzustellen.
Subsidiarankläger
§ 72. (1) Privatbeteiligte sind berechtigt, die Anklage als
Subsidiarankläger aufrecht zu erhalten, wenn die Staatsanwaltschaft von der
Anklage zurücktritt. Zum Subsidiarankläger wird der Privatbeteiligte durch die
Erklärung, die Anklage aufrecht zu erhalten; das Opfer hat zuvor
überdies zu erklären, am Verfahren als Privatbeteiligter mitzuwirken.
(2) Tritt die Staatsanwaltschaft in der
Hauptverhandlung von der Anklage zurück, so ist eine Erklärung nach Abs. 1
sogleich abzugeben. Erfolgt dies nicht, ist der Privatbeteiligte zur
Hauptverhandlung nicht erschienen oder unterlässt er es, in der
Hauptverhandlung zur Aufrechterhaltung der Anklage erforderliche Anträge zu
stellen, so ist der Angeklagte freizusprechen (§ 259 Z 2).
(3) Tritt die Staatsanwaltschaft außerhalb der
Hauptverhandlung von der Anklage zurück, so hat das Gericht den
Privatbeteiligten zu verständigen, der seine Erklärung binnen 14 Tagen abgeben
kann. Sofern er dies nicht tut, wird angenommen, dass er die Verfolgung nicht
aufrecht halte. In diesem Fall ist das Verfahren mit Beschluss
einzustellen.
(4) Der Subsidiarankläger hat im Hauptverfahren
die gleichen Rechte wie der Privatankläger. Rechtsmittel gegen Urteile stehen
ihm jedoch nur soweit zu, als der Privatbeteiligte sie zu erheben berechtigt
ist. Die Staatsanwaltschaft kann sich jederzeit über den Gang des Verfahrens
informieren und die Anklage wieder an sich ziehen; in diesem Fall stehen dem
Subsidiarankläger wieder die Rechte des Privatbeteiligten zu.
4. Abschnitt
Vertreter
Vertreter
§ 73. Vertreter stehen Haftungsbeteiligten, Opfern, Privatbeteiligten,
Privatanklägern und Subsidiaranklägern beratend und unterstützend zur Seite.
Sie üben, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt wird, die
Verfahrensrechte aus, die den Vertretenen zustehen. Als Vertreter kann eine zur
Ausübung der Rechtsanwaltschaft berechtigte, eine nach § 25 Abs. 3 SPG
anerkannte Opferschutzeinrichtung oder eine sonst geeignete Person bevollmächtigt werden.
5. Hauptstück
Gemeinsame Bestimmungen
1. Abschnitt
Einsatz der Informationstechnik
Verwenden von Daten
§ 74. (1) Soweit zum Verwenden von Daten im Einzelnen nichts anderes
bestimmt wird, finden die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes 2000,
BGBl. I Nr. 165/1999, Anwendung.
(2) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und
Gericht haben beim Verwenden (Verarbeiten und Übermitteln) personenbezogener
Daten den Grundsatz der Gesetz- und Verhältnismäßigkeit (§ 5) zu beachten.
Jedenfalls haben sie schutzwürdige Interessen der Betroffenen an der
Geheimhaltung zu wahren und vertraulicher Behandlung der Daten Vorrang
einzuräumen. Beim Verwenden sensibler und strafrechtlich relevanter Daten haben
sie angemessene Vorkehrungen zur Wahrung der Geheimhaltungsinteressen der
Betroffenen zu treffen.
Berichtigen, Löschen und Sperren von
Daten
§ 75. (1) Unrichtige oder entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes
ermittelte Daten sind unverzüglich richtig zu stellen oder zu löschen.
Automationsunterstützt verarbeitete personenbezogene Daten, die fünf Jahre
unverändert geblieben sind, sind daraufhin zu überprüfen, ob sie richtig zu
stellen oder zu löschen sind.
(2) Im Übrigen ist ein Zugriff auf
Namensverzeichnisse zu unterbinden, und zwar
1. im Fall einer Verurteilung längstens nach
Ablauf von zehn Jahren ab dem Zeitpunkt, ab dem die Strafe vollzogen wurde,
wenn jedoch eine Strafe nicht ausgesprochen oder bedingt nachgesehen wurde, ab
der Verurteilung,
2. im Fall eines Freispruchs, einer Einstellung
des Verfahrens oder eines (endgültigen) Rücktritts von Verfolgung längstens
nach Ablauf von zehn Jahren ab der Entscheidung.
(3) Nach sechzig Jahren ab den in Abs. 2
angeführten Zeitpunkten sind alle Daten im direkten Zugriff zu löschen.
(4) Personenbezogene Daten, die ausschließlich
auf Grund einer Identitätsfeststellung (§ 118), einer körperlichen
Untersuchung (§ 123) oder einer molekulargenetische Analyse (§ 124)
gewonnen wurden, dürfen nur solange verwendet werden, als wegen der Art der
Ausführung der Tat, der Persönlichkeit der betroffenen Person oder auf Grund
anderer Umstände zu befürchten ist, dass diese Person eine strafbare Handlung
mit nicht bloß leichten Folgen begehen werde. Wird der Angeklagte rechtskräftig
freigesprochen oder das Ermittlungsverfahren ohne Vorbehalt späterer Verfolgung
eingestellt, so sind diese Daten zu löschen. Die §§ 73 und 74 SPG bleiben
hievon unberührt.
(5) Soweit Daten, die durch eine Überwachung
von Nachrichten, eine optische oder akustische Überwachung oder einen
automationsunterstützten Datenabgleich ermittelt worden sind, in einem Strafverfahren
als Beweis verwendet werden dürfen, ist ihre Verwendung auch in einem damit in
Zusammenhang stehenden Zivil- oder Verwaltungsverfahren und zur Abwehr mit beträchtlicher
Strafe bedrohter Handlungen (§ 17 SPG) sowie zur Abwehr erheblicher
Gefahren für Leben, Leib oder Freiheit einer Person oder für erhebliche Sach-
und Vermögenswerte zulässig.
2. Abschnitt
Amts- und Rechtshilfe, Akteneinsicht
Amts- und Rechtshilfe
§ 76. (1) Kriminalpolizei,
Staatsanwaltschaften und Gerichte sind zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach
diesem Gesetz berechtigt, die Unterstützung aller Behörden und öffentlichen
Dienststellen des Bundes, der Länder und der Gemeinden sowie anderer durch
Gesetz eingerichteter Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts
unmittelbar in Anspruch zu nehmen. Solchen Ersuchen ist ehest möglich zu
entsprechen oder es sind entgegen stehende Hindernisse unverzüglich bekannt zu
geben. Erforderlichenfalls ist Akteneinsicht zu gewähren.
(2) Ersuchen von kriminalpolizeilichen
Behörden, Staatsanwaltschaften und Gerichten, die sich auf Straftaten einer
bestimmten Person beziehen, dürfen mit dem Hinweis auf bestehende gesetzliche
Verpflichtungen zur Verschwiegenheit oder darauf, dass es sich um
automationsunterstützt verarbeitete personenbezogene Daten handelt, nur dann
abgelehnt werden, wenn entweder diese Verpflichtungen ausdrücklich auch
gegenüber Strafgerichten auferlegt sind oder wenn der Beantwortung überwiegende
öffentliche Interessen entgegenstehen, die im Einzelnen anzuführen und zu
begründen sind.
(3) Auf den Verkehr mit ausländischen Behörden
sind völkerrechtliche Verträge, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz, das
Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den
Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie das Polizeikooperationsgesetz
anzuwenden.
(4) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaften und
Gerichte sind berechtigt, über nach diesem Gesetz ermittelte personenbezogene
Daten Auskunft für Zwecke der Sicherheitsverwaltung, der Strafrechtspflege
sowie der Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Handelns der genannten Organe zu
erteilen. Übermittlungen von Daten an andere Behörden als Finanzstrafbehörden
für deren Tätigkeit im Dienste der Strafrechtspflege, Sicherheitsbehörden,
Staatsanwaltschaften und Gerichte sind im Übrigen nur zulässig, wenn hierfür
eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung besteht.
(5) Vom Beginn und von der Beendigung eines
Strafverfahrens gegen Beamte ist die Dienstbehörde zu verständigen.
Akteneinsicht
§ 77. (1) Im Falle begründeten rechtlichen Interesses haben
Staatsanwaltschaften und Gerichte auch außer den in diesem Gesetz besonders
bezeichneten Fällen Einsicht in die ihnen vorliegenden Ergebnisse eines Ermittlungs-
oder Hauptverfahrens zu gewähren, soweit dem nicht überwiegende öffentliche
oder private Interessen entgegenstehen.
(2) Zum Zweck einer nicht personenbezogenen
Auswertung für wissenschaftliche Arbeiten oder vergleichbare, im öffentlichen
Interesse liegende Untersuchungen können die Staatsanwaltschaften, die Gerichte
und das Bundesministerium für Justiz auf Ersuchen der Leiter anerkannter
wissenschaftlicher Einrichtungen die Einsicht in Akten eines Verfahrens, die
Herstellung von Abschriften (Ablichtungen) und die Übermittlung von Daten aus
solchen bewilligen.
(3) § 54 ist sinngemäß anzuwenden.
3. Abschnitt
Anzeigepflicht, Anzeige- und
Anhalterecht
Anzeigepflicht
§ 78. (1) Wird einer Behörde oder öffentlichen Dienststelle der Verdacht
einer Straftat bekannt, die ihren gesetzmäßigen Wirkungsbereich betrifft, so
ist sie zur Anzeige an Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft verpflichtet.
(2) Eine Pflicht zur Anzeige nach Abs. 1
besteht nicht,
1. wenn die Anzeige eine amtliche Tätigkeit
beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen
Vertrauensverhältnisses bedarf, oder
2. wenn und solange hinreichende Gründe für die
Annahme vorliegen, die Strafbarkeit der Tat werde binnen kurzem durch
schadensbereinigende Maßnahmen entfallen.
(3) Die
Behörde oder öffentliche Dienststelle hat jedenfalls alles zu
unternehmen, was zum Schutz des Opfers oder anderer Personen vor Gefährdung
notwendig ist; erforderlichenfalls ist auch in den Fällen des Abs. 2
Anzeige zu erstatten.
§ 79. Soweit eine gesetzliche Anzeigepflicht besteht, sind der
Kriminalpolizei, den Staatsanwaltschaften und den Gerichten zur Aufklärung
einer Straftat einer bestimmten Person von Amts wegen oder auf Grund von
Ersuchen Ablichtungen der Akten und sonstigen schriftlichen Aufzeichnungen zu
übermitteln oder Akteneinsicht zu gewähren. Eine Berufung auf bestehende
gesetzliche Verschwiegenheitspflichten ist insoweit unzulässig.
Anzeige- und Anhalterecht
§ 80. (1) Wer von der Begehung einer strafbaren Handlung Kenntnis
erlangt, ist zur Anzeige an Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft berechtigt.
(2) Wer auf Grund bestimmter Tatsachen annehmen
kann, dass eine Person eine strafbare Handlung ausführe, unmittelbar zuvor
ausgeführt habe oder dass wegen der Begehung einer strafbaren Handlung nach ihr
gefahndet werde, ist berechtigt, diese Person auf verhältnismäßige Weise
anzuhalten, jedoch zur unverzüglichen Anzeige an das nächst erreichbare Organ
des öffentlichen Sicherheitsdienstes verpflichtet.
4. Abschnitt
Bekanntmachung, Zustellung und Fristen
Bekanntmachung
§ 81. (1) Die Bekanntmachung von Erledigungen
des Gerichts und der Staatsanwaltschaft hat durch mündliche Verkündung, durch
Zustellung einer Ausfertigung (§ 79 GOG), durch Telefax oder im elektronischen
Rechtsverkehr nach Maßgabe des § 89a GOG zu erfolgen.
(2) Mündliche Verkündungen sind zu
protokollieren. Jeder Person, der mündlich verkündet wurde, ist der Inhalt der
Erledigung auf Verlangen schriftlich oder elektronisch zu übermitteln.
(3) Der Staatsanwaltschaft und dem Gericht
können die Akten zur Einsicht in die Erledigung übermittelt werden. In diesem
Fall hat die Staatsanwaltschaft oder das Gericht den Tag des Einlangens der
Akten und den Tag der Einsichtnahme nachvollziehbar in den Akten zu beurkunden.
Zustellung
§ 82. (1) Soweit in diesem Gesetz nichts
anderes bestimmt wird, gelten für Zustellungen das Zustellgesetz, BGBl.
Nr. 200/1982, und die §§ 87, 89, 91 und 100 der Zivilprozessordnung
sinngemäß.
(2) Die §§ 8, 9 Abs. 2 erster Satz
und Abs. 3 sowie 10 des Zustellgesetzes sind außer im Fall des § 180
Abs. 4 nur auf Subsidiarankläger, Privatankläger, Privatbeteiligte,
Haftungsbeteiligte und auf Bevollmächtigte dieser Personen anzuwenden.
(3) Zustellungen haben durch unmittelbare
Übergabe oder durch Organe der Post (§ 2a Abs. 1 Z 2 des Zustellgesetzes)
zu erfolgen. Die Kriminalpolizei ist nur dann um eine Zustellung zu ersuchen,
wenn dies im Interesse der Strafrechtspflege unbedingt erforderlich ist.
Arten der Zustellung
§ 83. (1) Soweit im Einzelnen nichts anderes bestimmt wird, kann ohne
Zustellnachweis zugestellt werden.
(2) Eine Übermittlung durch Telefax oder im
elektronischen Rechtsverkehr nach Maßgabe des § 89a GOG ist einer
Zustellung mit Zustellnachweis gleichzuhalten.
(3) Ladungen und Aufforderungen, deren
Befolgung durch Beugemittel oder auf andere Weise durchgesetzt werden kann,
Erledigungen, deren Zustellung die Frist zur Einbringung eines Rechtsmittels
oder eines Rechtsbehelfs an das Gericht auslöst, sowie Ladungen von
Privatbeteiligten, Privatanklägern und Subsidiaranklägern zur Hauptverhandlung
sind zu eigenen Handen (§ 21 des Zustellgesetzes) zuzustellen.
Verteidigern und Rechtsanwälten kann anstatt zu eigenen Handen immer auch mit
Zustellnachweis (§§ 13 bis 20 des Zustellgesetzes) zugestellt werden.
(4) Soweit der Beschuldigte oder ein anderer
Beteiligter des Verfahrens durch einen Verteidiger oder eine andere Person
vertreten wird, ist diesem Verteidiger oder Vertreter zuzustellen. Die Ladung
zur Hauptverhandlung in erster Instanz, das Abwesenheitsurteil sowie Verständigungen
und Mitteilungen nach den §§ 200 Abs. 4, 201 Abs. 1 und 4 sowie
203 Abs. 1 und 3 sind dem Angeklagten oder Beschuldigten jedoch immer
selbst und zu eigenen Handen zuzustellen.
Fristen
§ 84. (1) Soweit im Einzelnen nichts anderes bestimmt wird, gilt für die
Berechnung der in diesem Gesetz normierten Fristen Folgendes:
1. Fristen können nicht verlängert werden,
2. Tage des Postlaufs sind in die Frist nicht
einzurechnen,
3. der Tag, von dem ab die Frist zu laufen hat,
zählt nicht,
4. nach Stunden bestimmte Fristen sind von Moment
zu Moment zu berechnen,
5. Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage und
der Karfreitag sind ohne Einfluss auf Beginn und Lauf einer Frist; endet eine
Frist an einem solchen Tag, so gilt der nächste Werktag als letzter Tag der
Frist.
(2) Soweit im Einzelnen nichts anderers
bestimmt wird, können Rechtsmittel, Rechtsbehelfe und alle sonstigen Eingaben
an die Kriminalpolizei, die Staatsanwaltschaft oder das Gericht schriftlich,
per Telefax, im elektronischen Rechtsverkehr eingebracht oder mündlich zu
Protokoll gegeben werden. Sofern sie an eine Frist gebunden sind, sind sie auch
dann rechtzeitig, wenn sie innerhalb dieser Frist bei der Behörde eingebracht
werden, die darüber zu entscheiden hat. Die näheren Vorschriften über die geschäftliche
Behandlung solcher Eingaben werden durch Verordnung geregelt.
5. Abschnitt
Beschlüsse und Beschwerden
Allgemeines
§ 85. Soweit im Einzelnen nicht etwas anderes bestimmt wird, gelten für
Erledigungen von Anträgen gemäß § 101 Abs. 2, gerichtliche Beschlüsse
(§ 35) und dagegen erhobene Beschwerden sowie das dabei einzuhaltende
Verfahren die Bestimmungen dieses Abschnitts.
Beschlüsse
§ 86. (1) Ein Beschluss hat Spruch,
Begründung und Rechtsmittelbelehrung zu enthalten. Der Spruch hat die
Anordnung, Bewilligung oder Feststellung des Gerichts sowie die darauf
bezogenen gesetzlichen Bestimmungen zu enthalten. Ein Beschluss über einen
Einspruch oder einen Antrag hat darüber hinaus auszusprechen, ob und in welchem
Umfang dem Begehren stattgegeben wird. In der Begründung sind die tatsächlichen
Feststellungen und die rechtlichen Überlegungen auszuführen, die der Entscheidung
zugrundegelegt werden. Die Rechtsmittelbelehrung hat die Mitteilung zu
enthalten, ob ein Rechtsmittel zusteht, welchen Förmlichkeiten es zu genügen
hat und innerhalb welcher Frist und wo es einzubringen ist.
(2) Jeder Beschluss, der nach dem Gesetz zu
verkünden ist, ist längstens binnen vierzehn Tagen schriftlich auszufertigen
und den zur Beschwerde Berechtigten (§ 87) zuzustellen. Ein Beschluss, mit
dem das Verfahren eingestellt wird, ist überdies der Kriminalpolizei und dem
Privatbeteiligten zu übermitteln.
(3) Ausfertigung und Zustellung des Beschlusses
können unterbleiben, wenn die Berechtigten sogleich nach Verkündung auf
Beschwerde verzichten. In diesem Fall und soweit das Gesetz die Verkündung des
Beschlusses in der Hauptverhandlung vorsieht, jedoch ein selbstständiges, die
weitere Verhandlung hemmendes Rechtsmittel dagegen nicht zulässt, ist der
wesentliche Inhalt des Beschlusses im Protokoll zu beurkunden.
Beschwerden
§ 87. (1) Gegen gerichtliche Beschlüsse steht der Staatsanwaltschaft, dem
Beschuldigten, soweit dessen Interessen unmittelbar betroffen sind, und jeder
anderen Person, der durch den Beschluss unmittelbar Rechte verweigert werden
oder Pflichten entstehen oder die von einem Zwangsmittel betroffen ist, gegen
einen Beschluss, mit dem das Verfahren eingestellt wird, auch dem
Privatbeteiligten Beschwerde an das Rechtsmittelgericht zu, soweit das Gesetz
im Einzelnen nichts anderes bestimmt.
(2) Der Staatsanwaltschaft steht auch
Beschwerde zu, wenn ihre Anträge gemäß § 101 Abs. 2 nicht erledigt wurden.
Überdies steht jeder Person Beschwerde zu, die behauptet, durch das Gericht im
Rahmen einer Beweisaufnahme in einem subjektiven Recht (§ 106 Abs. 1) verletzt
worden zu sein.
(3) Aufschiebende Wirkung hat
eine Beschwerde nur dann, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht.
Verfahren über Beschwerden
§ 88. (1) Die Beschwerde hat den Beschluss, Antrag oder Vorgang, auf den
sie sich bezieht, anzuführen und anzugeben, worin die Verletzung des Rechts
bestehen soll. Sie ist binnen vierzehn Tagen ab Bekanntmachung oder ab Kenntnis
der Nichterledigung oder Verletzung des subjektiven Rechts schriftlich
oder auf elektronischem Weg beim Gericht einzubringen oder mündlich zu
Protokoll zu geben.
(2) Eine Beschwerde gegen einen Beschluss, mit
dem eine Anordnung der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren bewilligt
wird, ist bei der Staatsanwaltschaft einzubringen. Die Staatsanwaltschaft hat
die Beschwerde mit einer allfälligen Stellungnahme unverzüglich an das Gericht
weiterzuleiten.
(3) Die Beschwerde ist dem Rechtsmittelgericht
ohne Verzug mit dem Akt vorzulegen. Der Gang des Verfahrens darf dadurch nicht
aufgehalten werden; erforderlichenfalls sind Kopien jener Aktenteile, die zur
Fortführung des Verfahrens erforderlich sind, zurückzubehalten.
(4) Eine Beschwerde, die innerhalb der Frist
beim Rechtsmittelgericht oder im Fall des Abs. 1 bei der
Staatsanwaltschaft, im Fall des Abs. 2 beim Gericht eingebracht wird, gilt
als rechtzeitig.
Verfahren vor dem Rechtsmittelgericht
§ 89. (1) Das Rechtsmittelgericht hat der zuständigen Staatsanwaltschaft
Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 24) und über die Beschwerde in
nicht öffentlicher Sitzung mit Beschluss zu entscheiden.
(2) Beschwerden, die verspätet oder von einer
Person eingebracht wurden, der ein Rechtsmittel nicht zusteht (§ 87
Abs. 1), hat das Rechtsmittelgericht als unzulässig zurückzuweisen. Im
Übrigen hat es in der Sache zu entscheiden und dabei gegebenenfalls auch
Umstände zu berücksichtigen, die nach dem bekämpften Beschluss eingetreten oder
bekannt geworden sind. An die geltend gemachten Beschwerdepunkte ist es nicht
gebunden, zum Nachteil des Beschuldigten darf es jedoch niemals Beschlüsse
ändern, gegen die nicht Beschwerde erhoben wurde.
(3) Entscheidet das Oberlandesgericht, dass die
Untersuchungshaft aufzuheben sei, und treffen die hiefür maßgebenden Umstände
auch bei einem Mitbeschuldigten zu, der keine Beschwerde erhoben hat, so hat
das Oberlandesgericht so vorzugehen, als ob eine solche Beschwerde vorläge.
(4) Wird einer Beschwerde wegen Unzulässigkeit
einer im 5. und 6. Abschnitt des 8. Hauptstückes (§§ 134 bis 143)
geregelten Ermittlungsmaßnahme Folge gegeben, so ist zugleich anzuordnen, dass
alle durch diese Ermittlungsmaßnahme gewonnenen Ergebnisse zu vernichten sind.
(5) Das Rechtsmittelgericht kann vom
Erstgericht und von der Staatsanwaltschaft weitere Aufklärungen verlangen. Vor
seiner Entscheidung hat es dem Gegner der Beschwerde Gelegenheit zur Äußerung
binnen sieben Tagen einzuräumen; § 24 zweiter Satz ist anzuwenden.
(6) Gegen die Entscheidung des
Rechtsmittelgerichts steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.
6. Abschnitt
Vollstreckung von Geld- und Freiheitsstrafen
Vollstreckung von Geld- und
Freiheitsstrafen
§ 90. (1) Alle Geldstrafen fließen dem Bund
zu.
(2) Ist eine nach diesem Gesetz ausgesprochene
Geldstrafe ganz oder teilweise uneinbringlich, so hat das Gericht sie in
berücksichtigungswürdigen Fällen neu zu bemessen, sonst aber in eine
Ersatzfreiheitsstrafe bis zu acht Tagen umzuwandeln.
(3) Auf den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen
nach Abs. 2 und der in diesem Gesetz angedrohten Freiheitsstrafen und der
Beugehaft sind die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von
Freiheitsstrafen, deren Strafzeit drei Monate nicht übersteigt, sinngemäß
anzuwenden.
2. TEIL
Das Ermittlungsverfahren
6. Hauptstück
Allgemeines
1. Abschnitt
Zweck des Ermittlungsverfahrens
Zweck des Ermittlungsverfahrens
§ 91. (1) Das Ermittlungsverfahren dient
dazu, Sachverhalt und Tatverdacht durch Ermittlungen soweit zu klären, dass die
Staatsanwaltschaft über Anklage, Rücktritt von der Verfolgung oder Einstellung
des Verfahrens entscheiden kann und im Fall der Anklage eine zügige
Durchführung der Hauptverhandlung ermöglicht wird.
(2) Ermittlung ist jede Tätigkeit der
Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts, die der Gewinnung,
Sicherstellung, Auswertung oder Verarbeitung einer Information zur Aufklärung
des Verdachts einer Straftat dient. Sie ist nach der in diesem Gesetz
vorgesehenen Form entweder als Erkundigung oder als Beweisaufnahme durchzuführen.
Ermächtigung zur Strafverfolgung
§ 92. (1) Soweit das Gesetz eine Ermächtigung
zur Strafverfolgung voraussetzt, haben Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft
unverzüglich bei der gesetzlich berechtigten Person anzufragen, ob sie die
Ermächtigung erteile. Wird diese verweigert, so ist jede weitere Ermittlung
gegen die betreffende Person unzulässig und das Verfahren einzustellen. Die
Ermächtigung gilt als verweigert, wenn die berechtigte Person sie nicht binnen
vierzehn Tagen nach Anfrage erteilt. Diese Frist beträgt im Falle der
öffentlichen Beleidigung eines verfassungsmäßigen Vertretungskörpers sechs
Wochen; die tagungsfreie Zeit ist nicht einzurechnen.
(2) Die Ermächtigung muss sich auf eine
bestimmte Person beziehen und spätestens bei Einleitung diversioneller
Maßnahmen oder Einbringen der Anklage vorliegen. Sie kann bis zum Schluss des Beweisverfahrens
erster Instanz zurückgenommen werden. Die Erklärung, als Privatbeteiligter am
Verfahren mitzuwirken (§ 67), gilt als Ermächtigung.
2. Abschnitt
Zwangsgewalt und Beugemittel,
Ordnungsstrafen
Zwangsgewalt und Beugemittel
§ 93. (1) Die Kriminalpolizei ist nach Maßgabe des § 5 ermächtigt,
verhältnismäßigen und angemessenen Zwang anzuwenden, um die ihr gesetzlich
eingeräumten Befugnisse durchzusetzen; dies gilt auch für die Durchsetzung
einer Anordnung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts. Dabei ist die Kriminalpolizei
unter den jeweils vorgesehenen Bedingungen und Förmlichkeiten ermächtigt, auch
physische Gewalt gegen Personen und Sachen anzuwenden, soweit dies für die
Durchführung von Ermittlungen oder die Aufnahme von Beweisen unerlässlich ist.
Eine Anordnung zur Festnahme (§ 171 Abs. 1) berechtigt auch dazu, die
Wohnung oder andere durch das Hausrecht geschützte Orte nach der
festzunehmenden Person zu durchsuchen, soweit die Festnahme nach dem Inhalt der
Anordnung in diesen Räumen vollzogen werden soll.
(2) Verweigert eine Person eine Handlung, zu
der sie gesetzlich verpflichtet ist, so kann dieses Verhalten unmittelbar durch
Zwang nach Abs. 1 oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt
werden. Ist dies nicht möglich, so kann die Person, falls sie nicht selbst der
Straftat verdächtig oder von der Pflicht zur Aussage gesetzlich befreit ist,
durch Beugemittel angehalten werden, ihrer Verpflichtung nachzukommen.
(3) Soweit und solange dies für die
Durchführung einer Zwangsmaßnahme oder Beweisaufnahme erforderlich ist, ist die
Kriminalpolizei von sich aus oder auf Grund einer Anordnung ermächtigt,
Behältnisse oder Räumlichkeiten durch Anbringen eines Siegels zu verschließen
oder Tatorte abzusperren, um nicht
berechtigte Personen am Zutritt zu hindern.
(4) Als Beugemittel kommt eine Geldstrafe bis
zu 10 000 Euro und in wichtigen Fällen eine Freiheitsstrafe bis zu
sechs Wochen in Betracht. Über Anwendung und Ausmaß von Beugemitteln hat das
Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft zu entscheiden (§ 105).
(5) Die Ausübung unmittelbaren Zwangs ist
anzudrohen und anzukündigen, wenn die davon betroffene Person anwesend ist.
Hievon darf nur abgesehen werden, wenn der Erfolg der Ermittlung oder der
Beweisaufnahme dadurch gefährdet wäre. Für den Waffengebrauch gelten die
Bestimmungen des Waffengebrauchsgesetzes 1969.
Ordnungsstrafen
§ 94. Für die Aufrechterhaltung der Ordnung und für die Wahrung des
Anstandes hat der Leiter der jeweiligen Amtshandlung zu sorgen. Er ist zu
diesem Zweck berechtigt, jede Person, die sich trotz vorausgegangener Ermahnung
und Androhung ihrer Wegweisung seinen Anordnungen widersetzt, gegenüber
anwesenden Personen aggressiv oder sonst grob ungebührlich verhält oder auf
andere Weise die Amtshandlung behindert, auf einige Zeit oder für die gesamte
Dauer der Amtshandlung aus dieser wegzuweisen oder zu entfernen. Im Übrigen
sind die §§ 233 Abs. 3 und 235 bis 236a im Ermittlungsverfahren sinngemäß
anzuwenden. Die Verhängung der dort erwähnten Ordnungsstrafen (§ 235) und
die Aufforderung, einen anderen Verteidiger zu bestellen (§ 236
Abs. 2), bedürfen jedoch eines gerichtlichen Beschlusses.
3. Abschnitt
Protokollierung
Amtsvermerk
§ 95. Vorbringen von Personen und andere
bedeutsame Vorgänge sind derart schriftlich festzuhalten, dass ihr wesentlicher
Inhalt nachvollzogen werden kann. Ein solcher Amtsvermerk ist jedenfalls vom
aufnehmenden Organ und allenfalls von anderen Personen zu unterfertigen.
Protokoll
§ 96. (1) Die Aufnahme von Beweisen ist in einem Protokoll zu
dokumentieren, welches insbesondere zu enthalten hat:
1. die Bezeichnung der Behörde und der an der
Amtshandlung beteiligten Personen,
2. Ort, Zeit und Gegenstand der Amtshandlung,
3. den Inhalt von Aussagen,
4. andere wesentliche Vorgänge während der
Amtshandlung,
5. allenfalls gestellte Anträge,
6. die Unterschriften der vernommenen Personen.
Wird eine Unterschrift verweigert oder unterbleibt sie aus anderen Gründen, so
sind die hiefür maßgebenden Umstände im Protokoll zu vermerken.
(2) Das Protokoll ist vom Leiter der
Amtshandlung oder von einer anderen geeigneten Person als Schriftführer zu
erstellen. Es ist in Vollschrift abzufassen. Sofern es diktiert wird, hat dies
für die Anwesenden hörbar zu geschehen. Es ist aber zulässig, vorläufig
Kurzschrift zu verwenden oder das Diktat mit einem technischen Hilfsmittel
aufzunehmen. Eine solche Vorgangsweise und ein allenfalls verkündeter Beschluss
sind jedenfalls sogleich in Vollschrift festzuhalten. Kurzschrift und
Tonaufnahme sind unverzüglich in Vollschrift zu übertragen, die Tonaufnahme ist
überdies zuvor wiederzugeben, sofern dies einer der Beteiligten verlangt.
(3) Soweit dies für die Beurteilung der Sache
und der Ergebnisse der Amtshandlung erforderlich ist oder eine vernommene
Person es verlangt, ist ihre Aussage im Protokoll wörtlich wieder zu geben; im
Übrigen sind die Antworten ihrem wesentlichen Inhalt nach erzählungsweise
festzuhalten. Die gestellten Fragen sind nur soweit aufzunehmen, als dies für
das Verständnis der Antwort erforderlich ist.
(4) Das Protokoll ist der vernommenen Person
zur Durchsicht mit der Information vorzulegen, dass sie berechtigt ist,
Ergänzungen oder Berichtigungen zu verlangen. Erhebliche Zusätze oder Einwendungen
sind in einen Nachtrag aufzunehmen und gesondert zu unterfertigen. Sofern dies
abgelehnt wird, hat die vernommene Person das Recht, dem Protokoll eine
Stellungnahme beizufügen. Im Übrigen darf in dem einmal Niedergeschriebenen
nichts Erhebliches ausgelöscht, zugesetzt oder verändert werden.
Durchgestrichene Stellen sollen noch lesbar bleiben. Das Protokoll ist von der
vernommenen Person auf jeder Seite und am Ende vom Leiter der Amtshandlung, vom
Schriftführer und den übrigen Beteiligten zu unterschreiben.
(5) Das Protokoll ist zum Akt zu nehmen. Soweit
die vernommene Person zur Akteneinsicht berechtigt ist, ist ihr auf Verlangen
sogleich eine Abschrift oder Kopie auszufolgen, sofern dem schutzwürdige
Interessen des Verfahrens oder Dritter nicht entgegen stehen; § 54 ist
anzuwenden. Auf Kurzschriften und Tonaufnahmen (Abs. 2) ist § 271
Abs. 6 anzuwenden.
Ton- und Bildaufnahme
§ 97. (1) Nach ausdrücklicher Information der
vernommenen Person ist es zulässig, eine Ton- oder Bildaufnahme einer
Vernehmung anzufertigen, sofern diese zur Gänze aufgenommen wird. Im Fall der
Vernehmung eines Zeugen hat dies, unbeschadet besonderer gesetzlicher
Bestimmungen (§§ 150, 165, § 247a, 250 Abs. 3), zu unterbleiben,
wenn und sobald der Zeuge der Aufnahme widerspricht.
(2) Im Falle einer Aufnahme nach Abs. 1
kann an Stelle eines Protokolls eine schriftliche Zusammenfassung des Inhalts
der Vernehmung erstellt werden, welche der Leiter der Amtshandlung unterfertigt
und zum Akt nimmt. Auf diese Zusammenfassung sind im Übrigen die Vorschriften
der §§ 96 Abs. 1 und 3 und 271 Abs. 6 anzuwenden.
7. Hauptstück
Aufgaben und Befugnisse der
Kriminalpolizei,
der Staatsanwaltschaft und des
Gerichts
1. Abschnitt
Allgemeines
Allgemeines
§ 98. (1) Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft haben das
Ermittlungsverfahren nach Maßgabe dieses Gesetzes soweit wie möglich im
Einvernehmen zu führen. Kann ein solches nicht erzielt werden, so hat die
Staatsanwaltschaft die erforderlichen Anordnungen zu erteilen, die von der
Kriminalpolizei zu befolgen sind (§ 99 Abs. 1).
(2) Das Gericht wird im Ermittlungsverfahren
auf Antrag, von Amts wegen gemäß den §§ 104 und 105 Abs. 2 oder auf Grund
eines Einspruchs tätig.
2. Abschnitt
Kriminalpolizei im Ermittlungsverfahren
Ermittlungen
§ 99. (1) Die Kriminalpolizei ermittelt von
Amts wegen oder auf Grund einer Anzeige; Anordnungen der Staatsanwaltschaft und
des Gerichts (§ 105 Abs. 2) hat sie zu befolgen.
(2) Ist für eine Ermittlungsmaßnahme eine
Anordnung der Staatsanwaltschaft erforderlich, so kann die Kriminalpolizei
diese Befugnis bei Gefahr im Verzug ohne diese Anordnung ausüben. In diesem
Fall hat die Kriminalpolizei unverzüglich um Genehmigung anzufragen (§ 100
Abs. 2 Z 2); wird diese nicht erteilt, so hat die Kriminalpolizei die
Ermittlungshandlung sogleich zu beenden und den ursprünglichen Zustand soweit
wie möglich wieder herzustellen.
(3) Erfordert die Anordnung jedoch eine
gerichtliche Bewilligung, so ist die Ermittlungsmaßnahme bei Gefahr im Verzug
ohne diese Bewilligung nur dann zulässig, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht.
(4) Ein Aufschub kriminalpolizeilicher
Ermittlungen ist zulässig, wenn
1. dadurch die Aufklärung einer wesentlich
schwerer wiegenden Straftat oder die Ausforschung eines an der Begehung der
strafbaren Handlung führend Beteiligten gefördert wird und mit dem Aufschub
keine ernste Gefahr für Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder
Freiheit Dritter verbunden ist, oder
2. andernfalls eine ernste Gefahr für Leben,
Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit einer Person entstehen
würde, die auf andere Weise nicht abgewendet werden kann.
(5) Die Kriminalpolizei hat die Staatsanwaltschaft
von einem Aufschub nach Abs. 4 unverzüglich zu verständigen. Im Fall einer
kontrollierten Lieferung, das ist der Transport von verkehrsbeschränkten oder
verbotenen Waren aus dem oder durch das Bundesgebiet, ohne dass die
Staatsanwaltschaft verpflichtet wäre, nach § 2 Abs. 1 vorzugehen, gelten die
Bestimmungen der §§ 71 und 72 des Bundesgesetzes über die justizielle
Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union
(EU-JZG) sinngemäß.
Berichte
§ 100. (1) Die Kriminalpolizei hat Ermittlungen aktenmäßig festzuhalten,
sodass Anlass, Durchführung und Ergebnis dieser Ermittlungen nachvollzogen
werden können. Die Ausübung von Zwang und von Befugnissen, die mit einem
Eingriff in Rechte verbunden sind, hat sie zu begründen.
(2) Die Kriminalpolizei hat der
Staatsanwaltschaft schriftlich (Abs. 1) oder im Wege automationsunterstützter
Datenverarbeitung zu berichten, wenn und sobald
1. sie vom Verdacht eines schwer wiegenden Verbrechens
oder einer sonstigen Straftat von besonderem öffentlichen Interesse (§ 101 Abs.
2 zweiter Satz) Kenntnis erlangt (Anfallsbericht),
2. eine Anordnung oder Genehmigung der
Staatsanwaltschaft oder eine Entscheidung des Gerichts erforderlich oder
zweckmäßig ist oder die Staatsanwaltschaft einen Bericht verlangt (Anlassbericht),
3. in einem Verfahren gegen eine bestimmte Person
seit der ersten gegen sie gerichteten Ermittlung drei Monate abgelaufen
sind, ohne dass berichtet worden ist, oder seit dem letzten Bericht drei Monate
vergangen sind (Zwischenbericht),
4. Sachverhalt und Tatverdacht soweit geklärt
scheinen, dass eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft über Anklage, Rücktritt
von Verfolgung, Einstellen oder Abbrechen des Verfahrens ergehen kann
(Abschlussbericht).
(3) Ein Bericht nach Abs. 2 hat - soweit
diese Umstände nicht bereits berichtet wurden - insbesondere zu enthalten:
1. die Namen der Beschuldigten, oder, soweit diese
nicht bekannt sind, die zu ihrer Identifizierung oder Ausforschung nötigen
Merkmale, die Taten, deren sie verdächtig sind, und deren gesetzliche
Bezeichnung,
2. die Namen der Anzeiger, der Opfer und
allfälliger weiterer Auskunftspersonen,
3. eine zusammenfassende Sachverhaltsdarstellung
und das geplante weitere Vorgehen, soweit dieses nicht bereits erörtert oder
einer Dienstbesprechung vorbehalten wurde,
4. allfällige Anträge der Beschuldigten oder
anderer Verfahrensbeteiligter.
(4) Mit jedem Bericht sind der
Staatsanwaltschaft, soweit dies noch nicht geschehen ist, alle für die
Beurteilung der Sach- und Rechtslage erforderlichen kriminalpolizeilichen Akten
zu übermitteln oder auf elektronischem Weg zugänglich zu machen.
3. Abschnitt
Staatsanwaltschaft im
Ermittlungsverfahren
Aufgaben
§ 101. (1) Die Staatsanwaltschaft leitet das Ermittlungsverfahren und
entscheidet über dessen Fortgang und Beendigung. Gegen ihren erklärten Willen
darf ein Ermittlungsverfahren weder eingeleitet noch fortgesetzt werden.
(2) Die Staatsanwaltschaft stellt die
erforderlichen Anträge bei Gericht, soweit ihre Anordnungen einer gerichtlichen
Bewilligung bedürfen. Abgesehen von den in den §§ 149 Abs. 3 und 165 Abs. 2
vorgesehenen Fällen hat die Staatsanwaltschaft gerichtliche Beweisaufnahmen zu
beantragen, wenn an solchen wegen der Bedeutung der aufzuklärenden Straftat und
der Person des Tatverdächtigen ein besonderes öffentliches Interesse besteht.
(3) Die Staatsanwaltschaft hat ihre Anträge
nach Abs. 2 zu begründen und sie dem Gericht samt den Akten zu
übermitteln. Bewilligt das Gericht eine Maßnahme, so entscheidet die
Staatsanwaltschaft über die Durchführung. Wenn die Voraussetzungen, unter denen
der Antrag bewilligt wurde, weggefallen sind oder sich derart geändert haben,
dass die Durchführung rechtswidrig, unverhältnismäßig oder nicht mehr
zweckmäßig wäre, hat die Staatsanwaltschaft von ihr abzusehen und das Gericht
hievon zu verständigen.
(4) Die Staatsanwaltschaft prüft die Berichte
der Kriminalpolizei und trifft die erforderlichen Anordnungen. Soweit dies aus
rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderlich ist, kann sie jederzeit
weitere Ermittlungen und die Ausübung von Zwang durch die Kriminalpolizei
anordnen.
Anordnungen und Genehmigungen
§ 102. (1) Die Staatsanwaltschaft hat ihre Anordnungen und Genehmigungen
an die Kriminalpolizei gemäß deren Zuständigkeit zu richten. Die Anordnung von
Zwangsmaßnahmen hat sie zu begründen und schriftlich auszufertigen. In
dringenden Fällen können aber auch solche Anordnungen und Genehmigungen
vorläufig mündlich übermittelt werden. Anstelle einer schriftlichen
Ausfertigung ist auch die Bekanntmachung auf elektronischem Weg oder sonst
unter Verwendung automationsunterstützter Datenverarbeitung zulässig.
(2) Eine Ausfertigung hat jedenfalls zu
enthalten:
1. die Bezeichnung der Staatsanwaltschaft,
2. die Bezeichnung des Verfahrens, den Namen des
Beschuldigten, soweit er bekannt ist, die Tat, deren der Beschuldigte
verdächtig ist und ihre gesetzliche Bezeichnung,
3. die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass die
Anordnung oder Genehmigung zur Aufklärung der Straftat erforderlich und
verhältnismäßig ist und die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen,
4. eine Information über die Rechte des von der
Anordnung oder Genehmigung Betroffenen.
Ermittlungen
§ 103. (1) Soweit dieses Gesetz im Einzelnen
nichts anderes bestimmt, obliegt es der Kriminalpolizei, die Anordnungen der
Staatsanwaltschaft durchzuführen. Die Staatsanwaltschaft kann sich an allen
Ermittlungen der Kriminalpolizei beteiligen und dem Leiter der
kriminalpolizeilichen Amtshandlung einzelne Aufträge erteilen, soweit dies aus
rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, insbesondere wegen der Bedeutung der
Ermittlungen für die Entscheidung über die Fortsetzung des Verfahrens,
zweckmäßig ist.
(2) Die Staatsanwaltschaft kann auch selbst
Ermittlungen (§ 91 Abs. 2) durchführen oder durch einen Sachverständigen
durchführen lassen.
4. Abschnitt
Gericht im Ermittlungsverfahren
Gerichtliche Beweisaufnahme
§ 104. (1) Das Gericht hat die
Tatrekonstruktion nach den Bestimmungen des § 150 und die kontradiktorische
Vernehmung von Zeugen und Beschuldigten nach den Bestimmungen des § 165
durchzuführen sowie im Fall des § 101 Abs. 2 zweiter Satz die beantragten
Beweise nach den dafür maßgebenden Bestimmungen aufzunehmen. Das Gericht hat
den Antrag mit Beschluss abzuweisen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für
solche Beweisaufnahmen nicht vorliegen.
(2) Soweit sich im Rahmen einer gerichtlichen
Beweisaufnahme Umstände ergeben, die für die Beurteilung des Tatverdachts
bedeutsam sind, kann das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag weitere Beweise
selbst aufnehmen. Gleiches gilt, wenn dies erforderlich ist, um die Gefahr
abzuwenden, dass ein Beweismittel für eine erhebliche Tatsache verloren geht.
In diesen Fällen hat das Gericht die Staatsanwaltschaft von der Beweisaufnahme
zu verständigen. Die Protokolle über die Beweisaufnahmen hat das Gericht der
Staatsanwaltschaft unverzüglich zu übermitteln. Das Gericht kann die
Staatsanwaltschaft auch auf die Notwendigkeit der Durchführung bestimmter
weiterer Ermittlungen aufmerksam machen.
Bewilligung von Zwangsmitteln
§ 105. (1) Das Gericht hat über Anträge auf
Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft sowie auf Bewilligung
bestimmter anderer Zwangsmittel zu entscheiden. Für die Durchführung einer von
ihm bewilligten Maßnahme (§ 101 Abs. 3) hat das Gericht eine Frist zu
setzen, bei deren ungenütztem Ablauf die Bewilligung außer Kraft tritt.
(2) Soweit dies zur Entscheidung über einen
Antrag nach Abs. 1 aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderlich
ist, kann das Gericht weitere Ermittlungen durch die Kriminalpolizei anordnen
oder von Amts wegen vornehmen. Es kann auch von der Staatsanwaltschaft und der
Kriminalpolizei tatsächliche Aufklärungen aus den Akten und die Übermittlung
eines Berichts über die Durchführung der bewilligten Maßnahme und der weiteren
Ermittlungen verlangen. Nach Verhängung der Untersuchungshaft kann das Gericht
anordnen, dass ihm Kopien der im § 52 Abs. 2 Z 2 und 3
angeführten Aktenstücke auch in weiterer Folge übermittelt werden.
Einspruch wegen Rechtsverletzung
§ 106. (1) Einspruch an das Gericht steht im Ermittlungsverfahren jeder
Person zu, die behauptet, durch Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei in
einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil
1. ihr die Ausübung eines Rechtes nach diesem
Gesetz verweigert oder
2. eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter
Verletzung von Bestimmungen dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt wurde.
Eine Verletzung eines subjektiven
Rechts liegt nicht vor, soweit das Gesetz von einer bindenden Regelung des
Verhaltens von Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei absieht und von diesem
Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde.
(2) Einspruch gegen die Anordnung oder
Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme, die gerichtlich zu bewilligen ist,
steht nur insoweit zu, als nicht Beschwerde gegen die gerichtliche Entscheidung
erhoben werden kann.
(3) Der Einspruch ist bei der
Staatsanwaltschaft einzubringen. In ihm ist anzuführen, auf welche Anordnung
oder welchen Vorgang er sich bezieht, worin die Rechtsverletzung besteht und
auf welche Weise ihm stattzugeben sei. Sofern er sich gegen eine Maßnahme der
Kriminalpolizei richtet, hat die Staatsanwaltschaft der Kriminalpolizei
Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Die Staatsanwaltschaft hat zu prüfen, ob
die behauptete Rechtsverletzung vorliegt, und dem Einspruch, soweit er
berechtigt ist, zu entsprechen sowie den Einspruchswerber davon zu
verständigen, dass und auf welche Weise dies geschehen sei und dass er dennoch
das Recht habe, eine Entscheidung des Gerichts zu verlangen, wenn er behauptet,
dass seinem Einspruch tatsächlich nicht entsprochen wurde.
(5) Wenn die Staatsanwaltschaft dem Einspruch
nicht entspricht oder der Einspruchswerber eine Entscheidung des Gerichts
verlangt, hat die Staatsanwaltschaft den Einspruch unverzüglich an das Gericht
weiter zu leiten. Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei
hat das Gericht dem Einspruchswerber zur Äußerung binnen einer festzusetzenden,
sieben Tage nicht übersteigenden Frist zuzustellen.
§ 107. (1) Nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens ist ein Einspruch
nicht mehr zulässig. Zuvor erhobene Einsprüche gemäß § 106 Abs. 1
Z 1 sind als gegenstandslos zu betrachten. Im Falle, dass Anklage
eingebracht wurde, hat über den Einspruch jenes Gericht zu entscheiden, das im
Ermittlungsverfahren zuständig gewesen wäre. Unzulässige Einsprüche und solche,
denen die Staatsanwaltschaft entsprochen hat, sind zurückzuweisen. Im Übrigen
hat das Gericht in der Sache zu entscheiden.
(2) Sofern sich die Umstände der behaupteten
Rechtsverletzung nur durch unmittelbare Beweisaufnahme klären lassen, kann das
Gericht von Amts wegen eine mündliche Verhandlung anberaumen und in dieser über
den Einspruch entscheiden. Diese Verhandlung ist nicht öffentlich, doch hat das
Gericht jedenfalls dem Einspruchswerber, der Staatsanwaltschaft und, sofern
sich der Einspruch gegen sie richtet, der Kriminalpolizei Gelegenheit zur
Teilnahme und Stellungnahme zu geben.
(3) Der Staatsanwaltschaft und dem
Einspruchswerber steht Beschwerde zu; diese hat aufschiebende Wirkung. Das
Oberlandesgericht kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, es sei denn,
dass die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der
grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Gericht von der
Rechtsprechung des Oberlandesgerichts oder des Obersten Gerichtshofs abweicht,
eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der
bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.
(4) Im Falle, dass das Gericht dem Einspruch
stattgibt, haben Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei den entsprechenden
Rechtszustand mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln herzustellen.
Antrag auf Einstellung
§ 108. (1) Das Gericht hat das Ermittlungsverfahren auf Antrag des
Beschuldigten einzustellen, wenn
1. auf Grund der Anzeige oder der vorliegenden
Ermittlungsergebnisse feststeht, dass die dem Ermittlungsverfahren zu Grunde
liegende Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht oder die weitere Verfolgung
des Beschuldigten sonst aus rechtlichen Gründen unzulässig ist, oder
2. der bestehende Tatverdacht nach Dringlichkeit
und Gewicht sowie im Hinblick auf die bisherige
Dauer und den Umfang des Ermittlungsverfahrens dessen Fortsetzung nicht
rechtfertigt und von einer weiteren Klärung des Sachverhalts eine
Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten ist.
(2) Der Antrag ist bei der Staatsanwaltschaft
einzubringen. Ein Antrag auf Einstellung gemäß Abs. 1 Z 2 darf frühestens
drei Monate, wird dem Beschuldigten jedoch ein Verbrechen zur Last gelegt,
sechs Monate ab Beginn des Strafverfahrens eingebracht werden. Die
Staatsanwaltschaft hat das Verfahren einzustellen (§§ 190, 191) oder den
Antrag mit einer allfälligen Stellungnahme an das Gericht weiterzuleiten.
§ 106 Abs. 5 letzter Satz gilt sinngemäß.
(3) Das Gericht hat den Antrag als unzulässig
zurückzuweisen, wenn er nicht vom Beschuldigten oder vor Ablauf der im
Abs. 2 erwähnten Fristen eingebracht wurde, und im Übrigen in der Sache zu
entscheiden.
(4) Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen
einen Beschluss auf Einstellung des Verfahrens hat aufschiebende Wirkung.
8. Hauptstück
Ermittlungsmaßnahmen und
Beweisaufnahme
1. Abschnitt
Sicherstellung, Beschlagnahme,
Auskunft über Bankkonten und
Bankgeschäfte
Definitionen
§ 109. Im Sinne dieses Gesetzes ist
1. „Sicherstellung“
a. die vorläufige Begründung der Verfügungsmacht
über Gegenstände und
b. das vorläufige Verbot der Herausgabe von
Gegenständen oder anderen Vermögenswerten an Dritte (Drittverbot) und das
vorläufige Verbot der Veräußerung oder Verpfändung solcher Gegenstände und
Werte,
2. „Beschlagnahme“
a. eine gerichtliche Entscheidung auf Begründung
oder Fortsetzung einer Sicherstellung nach Z 1 und
b. das gerichtliche Verbot der Veräußerung,
Belastung oder Verpfändung von Liegenschaften oder Rechten, die in einem
öffentlichen Buch eingetragen sind,
3. „Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte“
a. die Bekanntgabe des Namens und sonstiger Daten
über die Identität des Inhabers einer Geschäftsverbindung sowie dessen
Anschrift und die Auskunft, ob ein Beschuldigter eine Geschäftsverbindung mit
diesem Institut unterhält, aus einer solchen wirtschaftlich berechtigt ist oder
für sie bevollmächtigt ist, sowie die Herausgabe aller Unterlagen über die
Identität des Inhabers der Geschäftsverbindung und über seine
Verfügungsberechtigung,
b. die Einsicht in Urkunden und andere Unterlagen
eines Kredit- oder Finanzinstituts über Art und Umfang einer
Geschäftsverbindung und damit im Zusammenhang stehende Geschäftsvorgänge und
sonstige Geschäftsvorfälle für einen bestimmten vergangenen oder zukünftigen
Zeitraum.
Sicherstellung
§ 110. (1) Sicherstellung ist zulässig, wenn
sie
1. aus Beweisgründen,
2. zur Sicherung privatrechtlicher Ansprüche
(§ 367) oder
3. zur Sicherung der Abschöpfung der Bereicherung
(§ 20 StGB), des Verfalls (§ 20b StGB),
der Einziehung (§ 26 StGB) oder einer anderen gesetzlich vorgesehenen
vermögensrechtlichen Anordnung
erforderlich scheint.
(2) Sicherstellung ist von der
Staatsanwaltschaft anzuordnen und von der Kriminalpolizei durchzuführen.
(3) Die Kriminalpolizei ist berechtigt,
Gegenstände (§ 109 Z 1 lit. a) von sich aus sicherzustellen,
wenn
1. sich die Gegenstände in niemandes Verfügungsmacht
befinden,
2. sie am Tatort aufgefunden wurden und zur
Begehung der strafbaren Handlung verwendet oder dazu bestimmt worden sein
könnten,
3. sie geringwertig oder vorübergehend leicht
ersetzbar sind,
4. ihr Besitz allgemein verboten ist
(§ 445a Abs. 1),
5. in den Fällen des Artikels 4
der EG-Produktpiraterieverordnung, ABl L 341 vom 30.12.94, 8.
(4) Die Sicherstellung von Gegenständen aus
Beweisgründen (Abs. 1 Z 1) ist nicht zulässig und jedenfalls auf
Verlangen der betroffenen Person aufzuheben, soweit und sobald der Beweiszweck
durch Bild-, Ton- oder sonstige Aufnahmen oder durch Kopien schriftlicher
Aufzeichnungen oder automationsunterstützt verarbeiteter Daten erfüllt werden
kann und nicht anzunehmen ist, dass die sichergestellten Gegenstände selbst oder
die Originale der sichergestellten Informationen in der Hauptverhandlung in
Augenschein zu nehmen sein werden.
§ 111. (1) Jede Person, die Gegenstände oder Vermögenswerte, die
sichergestellt werden sollen, in ihrer Verfügungsmacht hat, ist verpflichtet
(§ 93 Abs. 2), diese auf Verlangen der Kriminalpolizei herauszugeben
oder die Sicherstellung auf andere Weise zu ermöglichen. Diese Pflicht kann
erforderlichenfalls auch mittels Durchsuchung von Personen oder Wohnungen
erzwungen werden; dabei sind die §§ 119 bis 122 sinngemäß anzuwenden.
(2) Sollen auf Datenträgern gespeicherte
Informationen sichergestellt werden, so hat jedermann Zugang zu diesen
Informationen zu gewähren und auf Verlangen einen elektronischen Datenträger in
einem allgemein gebräuchlichen Dateiformat auszufolgen oder herstellen zu
lassen. Überdies hat er die Herstellung einer Sicherungskopie der auf den
Datenträgern gespeicherten Informationen zu dulden.
(3) Personen, die nicht selbst der Tat
beschuldigt sind, sind auf ihren Antrag die angemessenen und ortsüblichen
Kosten zu ersetzen, die ihr durch die Trennung von Urkunden oder sonstigen
beweiserheblichen Gegenständen von anderen oder durch die Ausfolgung von Kopien
notwendigerweise entstanden sind.
(4) In jedem Fall ist der von der
Sicherstellung betroffenen Person sogleich oder längstens binnen 24 Stunden
eine Bestätigung über die Sicherstellung auszufolgen oder zuzustellen und sie
über das Recht, Einspruch zu erheben (§ 106), zu informieren. Von einer
Sicherstellung zur Sicherung einer Entscheidung über privatrechtliche Ansprüche
(§ 110 Abs. 1 Z 2) ist, soweit möglich, auch das Opfer zu
verständigen.
§ 112. Widerspricht die von der
Sicherstellung betroffene oder bei ihr anwesende Person der Sicherstellung von
schriftlichen Aufzeichnungen oder Datenträgern unter Berufung auf eine
gesetzlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit, so sind diese
Aufzeichnungen und Datenträger auf geeignete Art und Weise gegen unbefugte
Einsichtnahme oder Veränderung zu sichern und dem Gericht vorzulegen; zuvor
dürfen sie nicht eingesehen werden. Das Gericht hat die Aufzeichnungen und
Datenträger zu sichten und zu entscheiden, ob und in welchem Umfang sie
weiterhin sicherzustellen oder dem Betroffenen zurückzustellen sind. Eine
dagegen erhobene Beschwerde hat aufschiebende Wirkung.
§ 113. (1) Die Sicherstellung endet,
1. wenn die Kriminalpolizei sie aufhebt
(Abs. 2),
2. wenn die Staatsanwaltschaft die Aufhebung
anordnet (Abs. 3),
3. wenn das Gericht die Beschlagnahme anordnet.
(2) Die Kriminalpolizei hat der
Staatsanwaltschaft über jede Sicherstellung unverzüglich, längstens jedoch
binnen 14 Tagen zu berichten (§ 100 Abs. 2 Z 2), soweit sie eine
Sicherstellung nach § 110 Abs. 3 nicht zuvor wegen Fehlens oder
Wegfalls der Voraussetzungen aufhebt. Dieser Bericht kann jedoch mit dem
nächstfolgenden verbunden werden, wenn dadurch keine wesentlichen Interessen
des Verfahrens oder von Personen beeinträchtigt werden und die sichergestellten
Gegenstände geringwertig sind, sich in niemandes Verfügungsmacht befinden oder
ihr Besitz allgemein verboten ist (§ 445a Abs. 1). Im Fall des
§ 110 Abs. 3 Z 5 hat die Kriminalpolizei nach den Bestimmungen der §§ 4 und 5
des Produktpirateriegesetzes, BGBl I Nr. 65/2001, vorzugehen.
(3) Die Staatsanwaltschaft hat sogleich bei
Gericht die Beschlagnahme zu beantragen oder, wenn deren Voraussetzungen nicht
vorliegen oder weggefallen sind, die Aufhebung der Sicherstellung anzuordnen.
§ 114. (1) Für die Verwahrung sichergestellter Gegenstände hat bis zur
Entscheidung über die Beschlagnahme (§ 115 Abs. 2) die
Kriminalpolizei, danach die Staatsanwaltschaft zu sorgen.
(2) Wenn der Grund für die weitere Verwahrung
sichergestellter Gegenstände wegfällt, sind diese sogleich jener Person
auszufolgen, in deren Verfügungsmacht sie sichergestellt wurden, es sei denn,
dass diese Person offensichtlich nicht berechtigt ist. In diesem Fall sind sie
der berechtigten Person auszufolgen oder, wenn eine solche nicht ersichtlich
ist und nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand festgestellt werden kann, nach
§ 1425 ABGB gerichtlich zu hinterlegen. Die hievon betroffenen Personen
sind zu verständigen.
Beschlagnahme
§ 115. (1) Beschlagnahme ist zulässig, wenn die sichergestellten
Gegenstände voraussichtlich
1. im weiteren Verfahren als Beweismittel erforderlich
sein werden,
2. privatrechtlichen Ansprüchen (§ 367)
unterliegen oder
3. dazu dienen werden, eine gerichtliche
Entscheidung auf Abschöpfung der Bereicherung (§ 20 StGB), auf Verfall
(§ 20b StGB), auf Einziehung (§ 26 StGB) oder einer anderen gesetzlich
vorgesehenen vermögensrechtlichen Anordnung zu sichern, deren Vollstreckung
andernfalls gefährdet oder wesentlich erschwert würde.
(2) Über die Beschlagnahme hat das Gericht auf
Antrag der Staatsanwaltschaft unverzüglich zu entscheiden.
(3) § 110 Abs. 4 gilt sinngemäß.
Gegebenenfalls ist die Beschlagnahme auf die dort angeführten Aufnahmen und
Kopien zu beschränken.
(4) Für eine Beschlagnahme durch Drittverbot
und Veräußerungs- oder Belastungsverbot (§ 109 Z 2 lit. b)
gelten, sofern in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt wird, die Bestimmungen
der Exekutionsordnung über einstweilige Verfügungen sinngemäß.
(5) In einem Beschluss, mit dem eine
Beschlagnahme zur Sicherung einer gerichtlichen Entscheidung auf Abschöpfung
der Bereicherung (§ 20 StGB) oder auf Verfall (§ 20b StGB) bewilligt
wird, ist ein Geldbetrag zu bestimmen, in dem die voraussichtliche Abschöpfung
der Bereicherung oder der voraussichtliche Verfall Deckung findet.
(6) Wenn und sobald die Voraussetzungen der
Beschlagnahme nicht oder nicht mehr bestehen oder ein nach Abs. 5
bestimmter Geldbetrag erlegt wird, hat die Staatsanwaltschaft, nach dem
Einbringen der Anklage das Gericht, die Beschlagnahme aufzuheben.
Auskunft über Bankkonten und
Bankgeschäfte
§ 116. (1) Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte ist zulässig, wenn
sie zur Aufklärung eines Verbrechens oder eines Vergehens, das in die
Zuständigkeit des Landesgerichts fällt (§ 31 Abs. 2 bis 4),
erforderlich erscheint.
(2) Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte
nach § 109 Z 3 lit. b ist darüber hinaus nur zulässig, wenn auf
Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist,
1. die Geschäftsverbindung einer Person mit dem
Kredit- oder Finanzinstitut stehe mit der Begehung der strafbaren Handlung im
Zusammenhang und entweder der Kontoinhaber selbst verdächtig ist, die Tat
begangen zu haben, oder zu erwarten ist, dass eine der Tat verdächtige Person
eine Transaktion über das Konto abgewickelt hat oder abwickeln werde, oder
2. die Geschäftsverbindung für die Transaktion
eines Vermögensvorteils benutzt werde, der durch Straftaten erlangt oder für
sie empfangen wurde (§ 20 StGB) oder welcher der Verfügungsmacht einer
kriminellen Organisation oder terroristischen Vereinigung unterliegt oder als
Mittel der Terrorismusfinanzierung bereit gestellt oder gesammelt wurde
(§ 20b StGB).
(3) Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte
ist durch die Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung
anzuordnen.
(4) Anordnung und Bewilligung der
Auskunftserteilung haben zu enthalten:
1. die Bezeichnung des Verfahrens und der Tat, die
ihm zu Grunde liegt, sowie deren gesetzliche Bezeichnung,
2. das Kredit- oder Finanzinstitut,
3. die Bezeichnung der herauszugebenden Unterlagen
und der zu erteilenden Auskünfte und Informationen,
4. die Tatsachen, aus denen sich die
Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit (§ 5) der Anordnungen ergibt,
5. im Fall einer Anordnung nach Abs. 2 den
Zeitraum, innerhalb dessen die betroffenen Transaktionen erfasst werden sollen,
6. im Fall einer Anordnung nach Abs. 2 die
Tatsachen, aus denen sich der Zusammenhang zwischen der Geschäftsverbindung und
dem Gegenstand des Verfahrens ergibt.
(5) Die Anordnung samt gerichtlicher
Bewilligung ist dem Kredit- oder Finanzinstitut, dem Beschuldigten und den aus
der Geschäftsverbindung verfügungsberechtigten Personen zuzustellen, sobald
diese der Staatsanwaltschaft bekannt geworden sind. Die Zustellung an den
Beschuldigten und an die Verfügungsberechtigten kann aufgeschoben werden,
solange durch sie der Zweck des Verfahrens gefährdet wäre. Hierüber ist das
Kredit- oder Finanzinstitut zu informieren, das die Anordnung und alle mit ihr
verbundenen Tatsachen und Vorgänge gegenüber Kunden und Dritten geheim zu
halten hat.
(6) Kredit- oder Finanzinstitute und ihre
Mitarbeiter sind verpflichtet, die Auskünfte zu erteilen sowie die Urkunden und
Unterlagen einsehen zu lassen und herauszugeben. Dies hat auf einem elektronischen
Datenträger in einem allgemein gebräuchlichen Dateiformat zu erfolgen, wenn zur
Führung der Geschäftsverbindung automationsunterstützte Datenverarbeitung
verwendet wird. Erklärt das Kredit- oder Finanzinstitut Beschwerde gegen
die gerichtliche Bewilligung zu erheben und Auskünfte nicht zu erteilen oder
Unterlagen nicht herauszugeben, so ist nach §§ 93 Abs. 2 und 112 mit der
Maßgabe vorzugehen, dass die Unterlagen dem Oberlandesgericht vorzulegen sind.
Eine Durchsuchung des Kredit- oder Finanzinstituts bedarf stets einer Anordnung
der Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung. Sollen
weitere Auskünfte erteilt oder weitere Urkunden oder Unterlagen zur Einsicht
oder Herausgabe zur Verfügung gestellt werden, die von der Anordnung und
Bewilligung (Abs. 4) nicht umfasst sind, so ist auf Verlangen des Kredit-
oder Finanzinstituts nach § 112 vorzugehen. Die §§ 110 Abs. 4
und 111 Abs. 3 sind anzuwenden.
2. Abschnitt
Identitätsfeststellung, Durchsuchung
von Orten und Gegenständen, Durchsuchung von Personen, körperliche Untersuchung
und molekulargenetische Untersuchung
Definitionen
§ 117. Im Sinne dieses Gesetzes ist
1. „Identitätsfeststellung“ die Ermittlung und
Feststellung von Daten (§ 4 Z 1 DSG 2000), die eine bestimmte
Person unverwechselbar kennzeichnen,
2. „Durchsuchung von Orten und Gegenständen“ das
Durchsuchen
a. eines nicht allgemein zugänglichen
Grundstückes, Raumes, Fahrzeuges oder Behältnisses,
b. einer Wohnung oder eines anderen Ortes, der
durch das Hausrecht geschützt ist, und darin befindlicher Gegenstände,
3. „Durchsuchung einer Person“
a. die Durchsuchung der Bekleidung einer Person
und der Gegenstände, die sie bei sich hat,
b. die Besichtigung des unbekleideten Körpers
einer Person,
4. „körperliche Untersuchung“ die Durchsuchung von
Körperöffnungen, die Abnahme einer Blutprobe und jeder andere Eingriff in die
körperliche Integrität von Personen,
5. „molekulargenetische Untersuchung“ die
Ermittlung jener Bereiche in der DNA einer Person, die der Wiedererkennung
dienen.
Identitätsfeststellung
§ 118. (1) Identitätsfeststellung ist
zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen angenommen werden kann, dass eine
Person an einer Straftat beteiligt ist, über die Umstände der Begehung Auskunft
geben kann oder Spuren hinterlassen hat, die der Aufklärung dienen könnten.
(2) Die Kriminalpolizei ist ermächtigt, zur
Identitätsfeststellung die Namen einer Person, ihr Geschlecht, ihr
Geburtsdatum, ihren Geburtsort, ihren Beruf und ihre Wohnanschrift zu
ermitteln. Die Kriminalpolizei ist auch ermächtigt, die Größe einer Person
festzustellen, sie zu fotografieren, ihre Stimme aufzunehmen und ihre
Papillarlinienabdrücke abzunehmen, soweit dies zur Identitätsfeststellung
erforderlich ist.
(3) Jedermann ist verpflichtet, auf eine den
Umständen nach angemessene Weise an der Feststellung seiner Identität
mitzuwirken; die Kriminalpolizei hat ihm auf Aufforderung mitzuteilen, aus
welchem Anlass diese Feststellung erfolgt.
(4) Wenn die Person an der
Identitätsfeststellung nicht mitwirkt oder ihre Identität aus anderen Gründen
nicht sogleich festgestellt werden kann, ist die Kriminalpolizei berechtigt,
zur Feststellung der Identität eine Durchsuchung der Person nach § 117
Z 3 lit. a von sich aus durchzuführen.
Durchsuchung von Orten und
Gegenständen sowie von Personen
§ 119. (1) Durchsuchung von Orten und
Gegenständen (§ 117 Z 2) ist zulässig, wenn auf Grund bestimmter
Tatsachen anzunehmen ist, dass sich dort eine Person verbirgt, die einer
Straftat verdächtig ist, oder Gegenstände oder Spuren befinden, die
sicherzustellen oder auszuwerten sind.
(2) Durchsuchung einer Person (§ 117
Z 3) ist zulässig, wenn diese
1. festgenommen oder auf frischer Tat betreten
wurde,
2. einer Straftat verdächtig ist und auf Grund
bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie Gegenstände, die der
Sicherstellung unterliegen, bei sich oder Spuren an sich habe,
3. durch eine Straftat Verletzungen erlitten oder
andere Veränderungen am Körper erfahren haben könnte, deren Feststellung für
Zwecke eines Strafverfahrens erforderlich ist.
§ 120. (1) Durchsuchungen von Orten und
Gegenständen nach § 117 Z 2 lit. b und von Personen nach
§ 117 Z 3 lit. b sind von der Staatsanwaltschaft auf Grund einer
gerichtlichen Bewilligung anzuordnen; bei Gefahr im Verzug ist die
Kriminalpolizei allerdings berechtigt, diese Durchsuchungen vorläufig ohne
Anordnung und Bewilligung vorzunehmen. Das Opfer darf jedoch auch in diesem
Fall nicht dazu gezwungen werden, sich gegen seinen Willen durchsuchen zu
lassen (§§ 119 Abs. 2 Z 3 und 121 Abs. 1 letzter Satz).
(2) Durchsuchungen nach § 117 Z 2
lit. a und nach § 117 Z 3 lit. a kann die Kriminalpolizei
von sich aus durchführen.
§ 121. (1) Vor jeder Durchsuchung ist der
Betroffene unter Angabe der hiefür maßgebenden Gründe aufzufordern, die
Durchsuchung zuzulassen oder das Gesuchte freiwillig herauszugeben. Von dieser
Aufforderung darf nur bei Gefahr im Verzug sowie im Fall des § 119
Abs. 2 Z 1 abgesehen werden. Die Anwendung von Zwang (§ 93) ist
im Fall der Durchsuchung einer Person nach § 119 Abs. 2 Z 3
unzulässig.
(2) Der Betroffene hat das Recht, bei einer
Durchsuchung nach § 117 Z 2 anwesend zu sein, sowie einer solchen und
einer Durchsuchung nach § 117 Z 3 lit. b eine Person seines
Vertrauens zuzuziehen; für diese gilt § 160 Abs. 2 sinngemäß. Ist der
Inhaber der Wohnung nicht zugegen, so kann ein erwachsener Mitbewohner seine
Rechte ausüben. Ist auch das nicht möglich, so sind der Durchsuchung zwei
unbeteiligte, vertrauenswürdige Personen beizuziehen. Davon darf nur bei Gefahr
im Verzug abgesehen werden. Einer Durchsuchung in ausschließlich der
Berufsausübung gewidmeten Räumen einer der in § 157 Abs. 1
Z 2 bis 4 erwähnten Personen ist von Amts wegen ein Vertreter der
jeweiligen gesetzlichen Interessenvertretung beziehungsweise der Medieninhaber
oder ein von ihm namhaft gemachter Vertreter beizuziehen.
(3) Bei der Durchführung sind Aufsehen,
Belästigungen und Störungen auf das unvermeidbare Maß zu beschränken. Die
Eigentums- und Persönlichkeitsrechte sämtlicher Betroffener sind soweit wie möglich
zu wahren. Eine Durchsuchung von Personen nach § 117 Z 3 lit. b
ist stets von einer Person desselben Geschlechts oder von einem Arzt unter
Achtung der Würde der zu untersuchenden Person vorzunehmen.
§ 122. (1) Über jede Durchsuchung nach § 120 Abs. 1 letzter
Halbsatz hat die Kriminalpolizei sobald wie möglich der Staatsanwaltschaft zu
berichten (§ 100 Abs. 2 Z 2), welche im Nachhinein eine
Entscheidung des Gerichts über die Zulässigkeit der Durchsuchung (§ 99
Abs. 3) zu beantragen hat. Wird die Bewilligung nicht erteilt, so haben
Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei mit den ihnen zu Gebote stehenden
rechtlichen Mitteln den der gerichtlichen Entscheidung entsprechenden
Rechtszustand herzustellen.
(2) Werden bei einer Durchsuchung Gegenstände
gefunden, die auf die Begehung einer anderen als der Straftat schließen lassen,
derentwegen die Durchsuchung vorgenommen wird, so sind sie zwar sicherzustellen;
es muss jedoch hierüber ein besonderes Protokoll aufgenommen und sofort der
Staatsanwaltschaft berichtet werden.
(3) In jedem Fall ist dem Betroffenen sogleich
oder längstens binnen 24 Stunden eine Bestätigung über die Durchsuchung und
deren Ergebnis sowie gegebenenfalls die Anordnung der Staatsanwaltschaft samt
gerichtlicher Entscheidung auszufolgen oder zuzustellen.
Körperliche Untersuchung
§ 123. (1) Eine körperliche Untersuchung ist zulässig, wenn
1. auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist,
dass eine Person Spuren hinterlassen hat, deren Sicherstellung und Untersuchung
für die Aufklärung einer Straftat wesentlich sind,
2. auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist,
dass eine Person Gegenstände im Körper verbirgt, die der Sicherstellung
unterliegen, oder
3. Tatsachen, die für die Aufklärung einer
Straftat oder die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit von maßgebender
Bedeutung sind, auf andere Weise nicht festgestellt werden können.
(2) Eine körperliche Untersuchung nach
Abs. 1 Z 1 ist auch an Personen zulässig, die einem durch bestimmte
Merkmale individualisierbaren Personenkreis angehören, wenn auf Grund
bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sich der Täter in diesem
Personenkreis befindet und die Aufklärung einer mit mehr als fünf Jahren
Freiheitsstrafe bedrohten Straftat oder eines Verbrechens nach dem 10.
Abschnitt des Strafgesetzbuches andernfalls wesentlich erschwert wäre.
(3) Eine körperliche Untersuchung ist von der
Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen. Bei
Gefahr im Verzug kann die Untersuchung auch auf Grund einer Anordnung der
Staatsanwaltschaft durchgeführt werden, doch hat die Staatsanwaltschaft in
diesem Fall unverzüglich die gerichtliche Bewilligung einzuholen. Wird diese
nicht erteilt, so hat die Staatsanwaltschaft die Anordnung sofort zu widerrufen
und das Ergebnis der körperlichen Untersuchung vernichten zu lassen. Einen
Mundhöhlenabstrich kann die Kriminalpolizei jedoch von sich aus abnehmen.
(4) Operative Eingriffe und alle Eingriffe, die
eine Gesundheitsschädigung von mehr als dreitägiger Dauer bewirken könnten,
sind unzulässig. Andere Eingriffe dürfen vorgenommen werden, wenn die zu
untersuchende Person nach vorheriger Aufklärung über die möglichen Folgen
ausdrücklich zustimmt. Ohne Einwilligung des Betroffenen darf eine Blutabnahme
oder ein vergleichbar geringfügiger Eingriff, bei dem der Eintritt von anderen
als bloß unbedeutenden Folgen ausgeschlossen ist, vorgenommen werden, wenn
1. die Person im Verdacht
steht, durch Ausübung einer gefährlichen Tätigkeit in alkoholisiertem oder
sonst durch ein berauschendes Mittel beeinträchtigtem Zustand eine Straftat
gegen Leib oder Leben begangen zu haben, oder
2. die körperliche Untersuchung des Beschuldigten
zur Aufklärung einer mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten
Straftat oder eines Verbrechens nach dem 10. Abschnitt des Strafgesetzbuches
erforderlich ist.
(5) Jede körperliche Untersuchung ist von einem
Arzt vorzunehmen; ein Mundhöhlenabstrich kann jedoch auch von einer anderen
Person, die für diesen Zweck besonders geschult ist, abgenommen werden. Im
Übrigen gelten die Bestimmungen der §§ 121 sowie 122 Abs. 1 letzter Satz
und 3 über die Durchsuchung sinngemäß.
(6) Als Beweismittel dürfen die Ergebnisse
einer körperlichen Untersuchung nur verwendet werden, wenn
1. die Voraussetzungen für eine
körperliche Untersuchung vorlagen,
2. die körperliche Untersuchung rechtmäßig
angeordnet worden ist und
3. die Verwendung zum Nachweis einer Straftat,
deretwegen die körperliche Untersuchung angeordnet wurde oder hätte angeordnet
werden können, dient.
(7) Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung,
die aus anderen als strafprozessualen Gründen durchgeführt wurde, dürfen in
einem Strafverfahren nur als Beweismittel verwendet werden, wenn dies zum
Nachweis einer Straftat, deretwegen die körperliche Untersuchung hätte
angeordnet werden können, erforderlich ist.
Molekulargenetische Untersuchung
§ 124. (1) Zur Aufklärung einer Straftat ist es zulässig, einerseits
biologische Spuren und andererseits Material, das einer bestimmten Person
zugehört oder zugehören dürfte, molekulargenetisch zu untersuchen, um die Spur
einer Person zuzuordnen oder die Identität einer Person oder deren Abstammung
festzustellen, und mit nach diesem Gesetz oder nach dem
Sicherheitspolizeigesetz rechtmäßig gewonnenen Ergebnissen molekulargenetischer
Untersuchungen abzugleichen.
(2) Eine molekulargenetische Untersuchung ist
von der Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung
anzuordnen, sofern es sich nicht bloß um eine biologische Tatortspur handelt;
eine solche kann die Kriminalpolizei von sich aus untersuchen lassen.
(3) Mit der molekulargenetischen Untersuchung
ist ein Sachverständiger aus dem Fachgebiet der Gerichtlichen Medizin zu
beauftragen. Diesem ist das Untersuchungsmaterial in anonymisierter Form zu
übergeben. Im Übrigen ist dafür Sorge zu tragen, dass Daten aus
molekulargenetischen Untersuchungen nur insoweit einer bestimmten Person
zugeordnet werden können, als dies für den Untersuchungszweck (Abs. 1 und
4) erforderlich ist.
(4) Untersuchungsmaterial, das einer bestimmten
Person zugehört oder zugehören dürfte, und die Ergebnisse der Untersuchung
dürfen nur so lange verwendet und verarbeitet werden, als die Zuordnung zur
Spur oder die Feststellung der Identität oder der Abstammung nicht
ausgeschlossen ist; danach sind sie zu vernichten. Sicherheitspolizeiliche
Vorschriften (§§ 65 bis 67, 70 SPG) bleiben hievon unberührt.
(5) Daten, die auf Grund dieser Bestimmung
ermittelt wurden, sind den Sicherheitsbehörden auf deren Verlangen zu
übermitteln, soweit Ermittlung und Verarbeitung dieser Daten nach
sicherheitspolizeilichen Vorschriften (§§ 65 bis 67, 70 SPG) zulässig
wäre.
3. Abschnitt
Sachverständige und Dolmetscher,
Leichenbeschau und Obduktion
Definitionen
§ 125. Im Sinne dieses Gesetzes ist
1. „Sachverständiger“ eine Person, die auf Grund
besonderen Fachwissens in der Lage ist, beweiserhebliche Tatsachen
festzustellen (Befundaufnahme) oder aus diesen rechtsrelevante Schlüsse zu
ziehen und sie zu begründen (Gutachtenserstattung),
2. „Dolmetscher“ eine Person, die auf Grund
besonderer Kenntnisse in der Lage ist, aus der Verfahrenssprache in eine andere
Sprache oder von einer anderen in die Verfahrenssprache zu übersetzen,
3. „Leichenbeschau“ die Besichtigung der äußeren
Beschaffenheit einer Leiche,
4. „Obduktion“ die Öffnung einer Leiche durch
einen Sachverständigen zum Zweck der Feststellung von Anlass und Ursache des
Todes oder von anderen für die Aufklärung einer Straftat wesentlichen
Umständen.
Sachverständige und Dolmetscher
§ 126. (1) Sachverständige sind zu bestellen, wenn für Ermittlungen oder
für Beweisaufnahmen besonderes Fachwissen erforderlich ist, über welches die
Strafverfolgungsbehörden durch ihre Organe, besondere Einrichtungen oder bei
ihnen dauernd angestellte Personen nicht verfügen. Dolmetscher sind im Rahmen
der Übersetzungshilfe und dann zu bestellen, wenn eine Person vernommen wird,
die der Verfahrenssprache nicht kundig ist (§ 56), oder für die
Ermittlungen wesentliche Schriftstücke in die Verfahrenssprache zu übersetzen
sind.
(2) Als Sachverständige und Dolmetscher sind
vor allem Personen zu bestellen, die in eine Sachverständigen- oder
Dolmetscherliste (§ 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die allgemein
beeideten gerichtlichen Sachverständigen und Dolmetscher, BGBl.
Nr. 137/1975) eingetragen sind. Werden andere Personen als Sachverständige
oder Dolmetscher beistellt, so sind sie zuvor über ihre wesentlichen Rechte und
Pflichten zu informieren.
(3) Sachverständige sind von der
Staatsanwaltschaft, für gerichtliche Ermittlungen oder Beweisaufnahmen
(§§ 104, 105) und für das Hauptverfahren (§ 210 Abs. 2) jedoch
vom Gericht zu bestellen. Die Beteiligten des Verfahrens und im
Ermittlungsverfahren die Kriminalpolizei sind über die Person zu verständigen,
die bestellt werden soll. Liegt Gefahr im Verzug vor, so kann diese
Verständigung auch nach der Bestellung erfolgen. Die Beteiligten des Verfahrens
haben das Recht, binnen einer angemessen festzusetzenden Frist begründete
Einwände gegen die ausgewählte Person zu erheben; darüber sind sie zu
informieren.
(4) Für Sachverständige und Dolmetscher gelten
die Befangenheitsgründe des § 47 Abs. 1 sinngemäß. Soweit sie
befangen sind oder ihre Sachkunde in Zweifel steht, sind sie von der
Staatsanwaltschaft, im Fall einer Bestellung durch das Gericht von diesem, von
Amts wegen oder auf Grund von Einwänden (Abs. 3) ihres Amtes zu entheben,
bei Vorliegen eines Befangenheitsgrundes gemäß § 47 Abs. 1 Z 1
und 2 bei sonstiger Nichtigkeit. Im Hauptverfahren kann die Befangenheit eines
Sachverständigen oder Dolmetschers nicht bloß mit der Begründung geltend
gemacht werden, dass er bereits im Ermittlungsverfahren tätig gewesen ist.
§ 127. (1) Sachverständige und Dolmetscher haben Anspruch auf Gebühren
nach dem Gebührenanspruchsgesetz 1975. Sofern nicht besondere Gründe
entgegen stehen, ist ihnen die Anwesenheit bei Vernehmungen zu gestatten und im
erforderlichen Umfang Akteneinsicht zu gewähren. Sie unterliegen der
Amtsverschwiegenheit.
(2) Sachverständige haben den Befund und das
Gutachten nach bestem Wissen und Gewissen und nach den Regeln ihrer
Wissenschaft oder Kunst oder ihres Gewerbes abzugeben. Sie haben Ladungen der
Staatsanwaltschaft und des Gerichts zu befolgen und bei Verhandlungen,
Vernehmungen und Tatrekonstruktionen Fragen zu beantworten. Bei der
Befundaufnahme haben sie überdies der Staatsanwaltschaft, dem Opfer, dem
Privatbeteiligten, dem Beschuldigten und deren Vertretern Gelegenheit zur
Anwesenheit zu geben, soweit dies von den Umständen her möglich ist und die
Aufnahme des Befunds oder berechtigte Interessen von Personen nicht gefährdet.
(3) Ist der Befund unbestimmt oder das
Gutachten widersprüchlich oder sonst mangelhaft oder weichen die Angaben zweier
Sachverständiger über die von ihnen wahrgenommenen Tatsachen oder die hieraus
gezogenen Schlüsse erheblich voneinander ab und lassen sich die Bedenken
nicht durch Befragung beseitigen, so ist ein weiterer Sachverständiger
beizuziehen. Handelt es sich um eine Begutachtung psychischer Zustände und
Entwicklungen, so ist in einem solchen Fall das Gutachten eines Sachverständigen
mit Lehrbefugnis an einer in- oder ausländischen Universität einzuholen.
(4) Dolmetscher haben nach bestem Wissen und
Gewissen zu übersetzen, Ladungen der Staatsanwaltschaft und des Gerichts
zu befolgen und bei Verhandlungen, Vernehmungen und Tatrekonstruktionen Fragen
zu beantworten.
(5) Wenn ein Sachverständiger oder ein
Dolmetscher die ihm gesetzte Frist zur Erstattung des Befundes oder Gutachtens
oder der Übersetzung trotz Mahnung wesentlich überschreitet, kann er seines
Amtes enthoben werden. Überdies kann das Gericht, wenn der Sachverständige oder
Dolmetscher die Verzögerung verschuldet hat, über ihn eine Geldstrafe bis zu
10 000 Euro verhängen.
Leichenbeschau und Obduktion
§ 128. (1) Sofern nicht ein natürlicher Tod
feststeht, hat die Kriminalpolizei erforderlichenfalls einen Arzt beizuziehen
und grundsätzlich am Ort der Auffindung die äußere Beschaffenheit der Leiche zu
besichtigen, der Staatsanwaltschaft über das Ergebnis der Leichenbeschau zu
berichten (§ 100 Abs. 2 Z 2) und dafür zu sorgen, dass die
Leiche für den Fall der Obduktion zur Verfügung steht.
(2) Eine Obduktion ist zulässig, wenn nicht
ausgeschlossen werden kann, dass der Tod einer Person durch eine Straftat
verursacht worden ist. Sie ist von der Staatsanwaltschaft anzuordnen, die mit
der Durchführung den Leiter eines Instituts für Gerichtliche Medizin einer
Universität zu beauftragen hat.
(3) Wenn dies zur Aufklärung einer Straftat
erforderlich ist, ist auch die Exhumierung einer Leiche zum Zweck einer
Obduktion (Abs. 2) zulässig. Sie ist von der Staatsanwaltschaft
anzuordnen.
4. Abschnitt
Observation, verdeckte Ermittlung und
Scheingeschäft
Definitionen
§ 129. Im Sinne dieses Gesetzes ist
1. „Observation“ das heimliche Überwachen des
Verhaltens einer Person,
2. „verdeckte Ermittlung“ der Einsatz von
kriminalpolizeilichen Organen oder anderen Personen im Auftrag der
Kriminalpolizei, die ihre amtliche Stellung oder ihren Auftrag weder offen
legen noch erkennen lassen,
3. „Scheingeschäft“ der Versuch oder die
scheinbare Ausführung von Straftaten, soweit diese im Erwerben, Ansichbringen,
Besitzen, Ein-, Aus- oder Durchführen von Gegenständen oder Vermögenswerten
bestehen, die entfremdet wurden, aus einem Verbrechen herrühren oder der Begehung
eines solchen gewidmet sind oder deren Besitz absolut verboten ist.
Observation
§ 130. (1) Observation ist zulässig, wenn sie zur Aufklärung einer
Straftat oder zur Ausforschung des Aufenthalts des Beschuldigten erforderlich
erscheint.
(2) Der Einsatz technischer Mittel, die im Wege
der Übertragung von Signalen eine Feststellung des räumlichen Bereichs
ermöglichen, in dem sich die überwachte Person aufhält, und das Öffnen von Fahrzeugen
und Behältnissen zum Zweck der Einbringung solcher technischer Mittel ist zur
Unterstützung der Observation zulässig, sofern die Observation ansonsten
aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
(3) Sofern die Observation
1. durch den Einsatz technischer Mittel
(Abs. 2) unterstützt wird,
2. über einen Zeitraum von mehr als 48 Stunden
oder
3. außerhalb des Bundesgebietes durchgeführt wird
oder werden soll,
ist sie nur dann zulässig, wenn der
Verdacht einer vorsätzlich begangenen Straftat besteht, die mit mehr als
einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, und auf Grund bestimmter Tatsachen
angenommen werden kann, dass die überwachte Person die strafbare Handlung
begangen habe oder mit dem Beschuldigten Kontakt herstellen werde oder dadurch
der Aufenthalt eines flüchtigen oder abwesenden Beschuldigten ermittelt werden
kann.
Verdeckte Ermittlung
§ 131. (1) Verdeckte Ermittlung ist zulässig, wenn sie zur Aufklärung
einer Straftat erforderlich erscheint.
(2) Eine systematische, über längere
Zeit durchgeführte verdeckte Ermittlung ist nur dann zulässig, wenn die
Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit mehr als einjähriger
Freiheitsstrafe bedroht ist, oder die Verhinderung einer im Rahmen einer
kriminellen oder terroristischen Vereinigung oder einer kriminellen
Organisation (§§ 278 bis 278b StGB) geplanten Straftat ansonsten
wesentlich erschwert wäre. Soweit dies für die Aufklärung oder Verhinderung
unerlässlich ist, ist es auch zulässig, nach Maßgabe des § 54a SPG
Urkunden, die über die Identität eines Organs der Kriminalpolizei täuschen,
herzustellen und sie im Rechtsverkehr zur Erfüllung des Ermittlungszwecks zu
gebrauchen.
(3) Der verdeckte Ermittler ist von der
Kriminalpolizei zu führen und regelmäßig zu überwachen. Sein Einsatz und dessen
nähere Umstände sowie Auskünfte und Mitteilungen, die durch ihn erlangt werden,
sind in einem Bericht oder in einem Amtsvermerk (§ 95) festzuhalten,
sofern sie für die Untersuchung von Bedeutung sein können.
(4) Wohnungen und andere vom Hausrecht
geschützte Räume dürfen verdeckte Ermittler nur im Einverständnis mit dem
Inhaber betreten. Das Einverständnis darf nicht durch Täuschung über eine Zutrittsberechtigung
herbeigeführt werden.
Scheingeschäft
§ 132. Die Durchführung eines Scheingeschäfts ist zulässig, wenn die
Aufklärung eines Verbrechens (§ 17 Abs. 1 StGB) oder die
Sicherstellung von Gegenständen oder Vermögenswerten, die aus einem Verbrechen
herrühren oder vom Verfall (§ 20b StGB) oder von der Einziehung (§ 26
StGB) bedroht sind, andernfalls wesentlich erschwert wäre. Unter diesen
Voraussetzungen ist es auch zulässig, zur Ausführung eines
Scheingeschäfts durch Dritte beizutragen (§ 12 dritter Fall StGB).
Gemeinsame Bestimmungen
§ 133. (1) Observation nach § 130 Abs. 1 und verdeckte
Ermittlung nach § 131 Abs. 1 kann die Kriminalpolizei von sich aus
durchführen. Observation nach § 130 Abs. 3 und verdeckte Ermittlung
nach § 131 Abs. 2 sowie der Abschluss eines Scheingeschäfts nach
§ 132 sind von der Staatsanwaltschaft anzuordnen.
(2) Observation nach § 130 Abs. 3 und
verdeckte Ermittlung nach § 131 Abs. 3 dürfen nur für jenen Zeitraum
angeordnet oder genehmigt werden, der zur Erreichung ihres Zweckes
voraussichtlich erforderlich ist, längstens jedoch für einen Monat, im Fall
einer verdeckten Ermittlung längstens für drei Monate. Eine neuerliche
Anordnung ist jeweils zulässig, soweit die Voraussetzungen fortbestehen und auf
Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die weitere Observation oder
die weitere Durchführung verdeckter Ermittlungen Erfolg haben werde; § 99
Abs. 2 ist jedoch nicht anzuwenden. Observation und verdeckte Ermittlung
sind zu beenden, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen, wenn ihr Zweck erreicht
ist oder voraussichtlich nicht mehr erreicht werden kann oder wenn die
Staatsanwaltschaft die Einstellung anordnet.
(3) Observation, verdeckte Ermittlungen und
Scheingeschäft sind durch die Kriminalpolizei durchzuführen. Die Verwendung
technischer Mittel zur optischen oder akustischen Überwachung von Personen im
Zuge dieser Ermittlungsmaßnahmen ist nur unter den Voraussetzungen des
§ 136 zulässig.
(4) Nach Beendigung der Observation nach
§ 130 Abs. 2 und der verdeckten Ermittlung nach § 131
Abs. 2 und nach Abschluss des Scheingeschäfts sind dem Beschuldigten und
den Betroffenen, sofern ihre Identität bekannt oder ohne besonderen
Verfahrensaufwand feststellbar ist, die Anordnungen und Genehmigungen nach
Abs. 1 und 2 zuzustellen. Diese Zustellung kann jedoch aufgeschoben
werden, solange durch sie der Zweck der Ermittlungen in diesem oder in einem
anderen Verfahren gefährdet wäre.
5. Abschnitt
Beschlagnahme von Briefen, Auskunft
über Daten einer Nachrichtenübermittlung sowie Überwachung von Nachrichten und
von Personen
Definitionen
§ 134. Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
1. „Beschlagnahme von Briefen“ das Öffnen und
Zurückbehalten von Telegrammen, Briefen oder anderen Sendungen, die der
Beschuldigte abschickt oder die an ihn gerichtet werden,
2. „Auskunft über Daten einer
Nachrichtenübermittlung“ die Erteilung einer Auskunft über Verkehrsdaten
(§ 92 Abs. 3 Z 4 TKG), Zugangsdaten (§ 92 Abs. 3
Z 4a TKG) und Standortdaten (§ 92 Abs. 3 Z 6 TKG) eines
Telekommunikationsdienstes oder eines Dienstes der Informationsgesellschaft
(§ 1 Abs. 1 Z 2 des Notifikationsgesetzes),
3. „Überwachung von Nachrichten“ das Ermitteln des
Inhalts von Nachrichten (§ 92 Abs. 3 Z 7 TKG), die über ein
Kommunikationsnetz (§ 3 Z 11 TKG) oder einen Dienst der Informationsgesellschaft
(§ 1 Abs. 1 Z 2 des Notifikationsgesetzes) ausgetauscht oder
weitergeleitet werden,
4. „optische und akustische Überwachung von
Personen“ die Überwachung des Verhaltens von Personen unter Durchbrechung ihrer
Privatsphäre und der Äußerungen von Personen, die nicht zur unmittelbaren
Kenntnisnahme Dritter bestimmt sind, unter Verwendung technischer Mittel zur
Bild- oder Tonübertragung und zur Bild- oder Tonaufnahme ohne Kenntnis der
Betroffenen,
5. „Ergebnis“ (der unter Z 1 bis 4 angeführten
Beschlagnahme, Auskunft oder Überwachung) der Inhalt von Briefen (Z 1),
die Daten einer Nachrichtenübermittlung oder des Inhalts übertragener
Nachrichten (Z 2 und 3) und die Bild- oder Tonaufnahme einer Überwachung
(Z 4).
Beschlagnahme von Briefen, Auskunft
über Daten einer Nachrichtenübermittlung sowie Überwachung von Nachrichten
§ 135. (1) Beschlagnahme von Briefen ist zulässig, wenn sie zur Aufklärung
einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit mehr als einjähriger
Freiheitsstrafe bedroht ist, erforderlich ist und sich der Beschuldigte wegen
einer solchen Tat in Haft befindet oder seine Vorführung oder Festnahme
deswegen angeordnet wurde.
(2) Auskunft über Daten einer
Nachrichtenübermittlung ist zulässig,
1. wenn und solange der dringende Verdacht
besteht, dass eine von der Auskunft betroffene Person eine andere entführt oder
sich sonst ihrer bemächtigt hat, und sich die Auskunft auf Daten einer solchen
Nachricht beschränkt, von der anzunehmen ist, dass sie zur Zeit der
Freiheitsentziehung vom Beschuldigten übermittelt, empfangen oder gesendet
wird,
2. wenn zu erwarten ist, dass dadurch die
Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe
von mehr als sechs Monaten bedroht ist, gefördert werden kann und der Inhaber
der technischen Einrichtung, die Ursprung oder Ziel einer Übertragung von
Nachrichten war oder sein wird, der Auskunft ausdrücklich zustimmt, oder
3. wenn zu erwarten ist, dass dadurch die
Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit Freiheitsstrafe von
mehr als einem Jahr bedroht ist, gefördert werden kann und auf Grund bestimmter
Tatsachen anzunehmen ist, dass dadurch Daten des Beschuldigten ermittelt werden
können.
(3) Überwachung von Nachrichten ist zulässig,
1. in den Fällen des Abs. 2 Z 1,
2. in den Fällen des Abs. 2 Z 2, sofern
der Inhaber der technischen Einrichtung, die Ursprung oder Ziel einer
Übertragung von Nachrichten war oder sein wird, der Überwachung zustimmt,
3. wenn dies zur Aufklärung einer vorsätzlich
begangenen Straftat, die mit Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht
ist, erforderlich erscheint oder die Aufklärung oder Verhinderung von im Rahmen
einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung oder einer kriminellen
Organisation (§§ 278 bis 278b StGB) begangenen oder geplanten strafbaren
Handlungen ansonsten wesentlich erschwert wäre und der Inhaber der technischen
Einrichtung, die Ursprung oder Ziel einer Übertragung von Nachrichten war oder
sein wird, dringend verdächtig ist, die Tat begangen zu haben oder zu planen,
4. wenn auf Grund bestimmter Tatsachen zu erwarten
ist, dass dadurch der Aufenthalt eines flüchtigen oder abwesenden
Beschuldigten, der einer vorsätzlich begangenen, mit mehr als einjähriger
Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung dringend verdächtig ist,
ermittelt werden kann.
Optische und akustische Überwachung
von Personen
§ 136. (1) Die optische und akustische Überwachung von Personen ist
zulässig,
1. wenn und solange der dringende Verdacht
besteht, dass eine von der Überwachung betroffene Person eine andere entführt
oder sich ihrer sonst bemächtigt hat, und sich die Überwachung auf Vorgänge und
Äußerungen zur Zeit und am Ort der Freiheitsentziehung beschränkt,
2. wenn sie sich auf Vorgänge und Äußerungen
beschränkt, die zur Kenntnisnahme eines verdeckten Ermittlers oder sonst einer
von der Überwachung informierten Person bestimmt sind oder von dieser
unmittelbar wahrgenommen werden können, und sie zur Aufklärung eines Verbrechens
(§ 17 Abs. 1 StGB) erforderlich scheint oder
3. wenn die Aufklärung eines mit mehr als zehn
Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Verbrechens oder des Verbrechens der
kriminellen Organisation oder der terroristischen Vereinigung (§§ 278a und
278b StGB) oder die Aufklärung oder Verhinderung von im Rahmen einer solchen
Organisation oder Vereinigung begangenen oder geplanten strafbaren Handlungen
oder die Ermittlung des Aufenthalts des wegen einer solchen Straftat
Beschuldigten ansonsten aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre und
a. die Person, gegen die sich die Überwachung
richtet, des mit mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Verbrechens
oder eines Verbrechens nach 278a oder § 278b StGB dringend verdächtig ist
oder
b. auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist,
dass ein Kontakt einer solcherart dringend verdächtigen Person mit der Person
hergestellt werde, gegen die sich die Überwachung richtet.
(2) Soweit dies zur Durchführung einer
Überwachung nach Abs. 1 Z 3 unumgänglich ist, ist es zulässig, in
eine bestimmte Wohnung oder in andere durch das Hausrecht geschützte Räume
einzudringen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass der
Beschuldigte die betroffenen Räume benützen werde.
(3) Die optische Überwachung von Personen zur
Aufklärung einer Straftat ist überdies zulässig,
1. wenn sie sich auf Vorgänge außerhalb einer
Wohnung oder anderer durch das Hausrecht geschützter Räume beschränkt und
ausschließlich zu dem Zweck erfolgt, Gegenstände oder Örtlichkeiten zu
beobachten, um das Verhalten von Personen zu erfassen, die mit den Gegenständen
in Kontakt treten oder die Örtlichkeiten betreten, oder
2. wenn sie ausschließlich zu dem in Z 1
erwähnten Zweck in einer Wohnung oder anderen durch das Hausrecht geschützten
Räumen erfolgt, die Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit
Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht ist, ansonsten wesentlich
erschwert wäre und der Inhaber dieser Wohnung oder Räume in die Überwachung
ausdrücklich einwilligt.
(4) Eine Überwachung ist nur zulässig, soweit
die Verhältnismäßigkeit (§ 5) gewahrt wird. Eine Überwachung nach
Abs. 1 Z 3 zur Verhinderung von im Rahmen einer terroristischen
Vereinigung oder einer kriminellen Organisation (§§ 278a und 278b StGB)
begangenen oder geplanten Straftaten ist überdies nur dann zulässig, wenn
bestimmte Tatsachen auf eine schwere Gefahr für die öffentliche Sicherheit
schließen lassen.
Gemeinsame Bestimmungen
§ 137. (1) Eine Überwachung nach § 136 Abs. 1 Z 1 kann die
Kriminalpolizei von sich aus durchführen. Die übrigen Ermittlungsmaßnahmen nach
den §§ 135 und 136 sind von der Staatsanwaltschaft auf Grund einer
gerichtlichen Bewilligung anzuordnen, wobei das Eindringen in Räume nach
§ 136 Abs. 2 jeweils im Einzelnen einer gerichtlichen Bewilligung bedarf.
(2) Bei der Beschlagnahme von Briefen sind die
§§ 111 Abs. 4 und 112 sinngemäß anzuwenden.
(3) Ermittlungsmaßnahmen nach den §§ 135
und 136 dürfen nur für einen solchen künftigen, in den Fällen des § 135
Abs. 2 auch vergangenen, Zeitraum angeordnet werden, der zur Erreichung
ihres Zwecks voraussichtlich erforderlich ist. Eine neuerliche Anordnung ist
jeweils zulässig, soweit auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass
die weitere Durchführung der Ermittlungsmaßnahme Erfolg haben werde. Im Übrigen
ist die Ermittlungsmaßnahme zu beenden, sobald ihre Voraussetzungen wegfallen.
§ 138. (1) Anordnung und gerichtliche Bewilligung einer Beschlagnahme von
Briefen nach § 135 Abs. 1 haben die Bezeichnung des Verfahrens, den
Namen des Beschuldigten, die Tat, deren der Beschuldigte verdächtig ist und
ihre gesetzliche Bezeichnung sowie die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass
die Anordnung oder Genehmigung zur Aufklärung der Tat erforderlich und
verhältnismäßig ist, anzuführen; Anordnung und Bewilligung einer
Ermittlungsmaßnahme nach den §§ 135 Abs. 2 und 3 sowie 136 haben
überdies zu enthalten:
1. die Namen oder sonstigen
Identifizierungsmerkmale des Inhabers der technischen Einrichtung, die Ursprung
oder Ziel einer Übertragung von Nachrichten war oder sein wird, oder der
Person, deren Überwachung angeordnet wird,
2. die für die Durchführung der
Ermittlungsmaßnahme in Aussicht genommenen Örtlichkeiten,
3. die Art der Nachrichtenübertragung, die
technische Einrichtung und das Endgerät oder die Art der voraussichtlich
für die optische und akustische Überwachung zu verwendenden technischen Mittel,
4. den Zeitpunkt des Beginns und der Beendigung
der Überwachung,
5. die Räume, in die auf Grund einer Anordnung
eingedrungen werden darf,
6. im Fall des § 136 Abs. 4 die
Tatsachen, aus denen sich die schwere Gefahr für die öffentliche Sicherheit
ergibt.
(2) Betreiber von Post- und Telegrafendiensten
sind verpflichtet, an der Beschlagnahme von Briefen mitzuwirken und auf
Anordnung der Staatsanwaltschaft solche Sendungen bis zum Eintreffen einer gerichtlichen
Bewilligung zurückzuhalten; ergeht eine solche Bewilligung nicht binnen drei
Tagen, so dürfen sie die Beförderung nicht weiter verschieben. Anbieter
(§ 92 Abs. 1 Z 3 TKG) und sonstige Diensteanbieter (§§ 13,
16 und 18 Abs. 2 des E – Commerce – Gesetzes, BGBl. I
Nr. 152/2001) sind verpflichtet, Auskunft über Daten einer
Nachrichtenübermittlung (§ 135 Abs. 2) zu erteilen und an einer
Überwachung von Nachrichten (§ 135 Abs. 3) mitzuwirken.
(3) Die Verpflichtung nach Abs. 2 und
ihren Umfang sowie die allfällige Verpflichtung, mit der Anordnung und
Bewilligung verbundene Tatsachen und Vorgängen gegenüber Dritten geheim zu
halten, hat die Staatsanwaltschaft dem Anbieter mit gesonderter Anordnung
aufzutragen; diese Anordnung hat die entsprechende gerichtliche Bewilligung
anzuführen. Die §§ 93 Abs. 2, 111 Abs. 3 sowie die Bestimmungen
über die Durchsuchung gelten sinngemäß.
(4) Die Staatsanwaltschaft hat die Ergebnisse
(§ 134 Z 5) zu prüfen und diejenigen Teile in Bild- oder Schriftform
übertragen zu lassen und zu den Akten zu nehmen, die für das Verfahren von
Bedeutung sind und als Beweismittel verwendet werden dürfen (§§ 140
Abs. 1, 144, 157 Abs. 2).
(5) Nach Beendigung einer Ermittlungsmaßnahme
nach den §§ 135 Abs. 2 und 3 sowie 136 hat die Staatsanwaltschaft
ihre Anordnung und deren gerichtliche Bewilligung dem Beschuldigten und den von
der Durchführung der Ermittlungsmaßnahme Betroffenen unverzüglich zuzustellen.
Die Zustellung kann jedoch aufgeschoben werden, solange durch sie der Zweck
dieses oder eines anderen Verfahrens gefährdet wäre. Wenn die
Ermittlungsmaßnahme später begonnen oder früher beendet wurde als zu den in
Abs. 1 Z 4 genannten Zeitpunkten, ist auch der Zeitraum der
tatsächlichen Durchführung mitzuteilen.
§ 139. (1) Dem Beschuldigten ist zu
ermöglichen, die gesamten Ergebnisse (§ 134 Z 5) einzusehen und
anzuhören. Soweit berechtigte Interessen Dritter dies erfordern, hat die
Staatsanwaltschaft jedoch Teile der Ergebnisse, die nicht für das Verfahren von
Bedeutung sind, von der Kenntnisnahme durch den Beschuldigten auszunehmen. Dies
gilt nicht, soweit während der Hauptverhandlung von den Ergebnissen Gebrauch
gemacht wird.
(2) Die von der Durchführung der
Ermittlungsmaßnahme betroffenen Personen haben das Recht, die Ergebnisse
insoweit einzusehen, als ihre Daten einer Nachrichtenübermittlung, für sie
bestimmte oder von ihnen ausgehende Nachrichten oder von ihnen geführte
Gespräche oder Bilder, auf denen sie dargestellt sind, betroffen sind. Über
dieses und das ihnen nach Abs. 6 zustehende Recht sind diese Personen,
sofern ihre Identität bekannt oder ohne besonderen Verfahrensaufwand
feststellbar ist, von der Staatsanwaltschaft zu informieren.
(3) Auf Antrag des Beschuldigten sind weitere Ergebnisse
in Bild- oder Schriftform zu übertragen, wenn diese für das Verfahren von
Bedeutung sind und ihre Verwendung als Beweismittel zulässig ist (§§ 140
Abs. 1, 144, 157 Abs. 2).
(4) Auf Antrag des Beschuldigten oder von Amts
wegen sind Ergebnisse der Ermittlungsmaßnahme zu vernichten, wenn diese für ein
Strafverfahren nicht von Bedeutung sein können oder als Beweismittel nicht
verwendet werden dürfen. Dieses Antragsrecht steht auch den von der
Ermittlungsmaßnahme Betroffenen zu, insoweit für sie bestimmte oder von ihnen
ausgehende Nachrichten oder Bilder, auf denen sie dargestellt sind, oder von
ihnen geführte Gespräche betroffen sind.
§ 140. (1) Als Beweismittel dürfen Ergebnisse
(§ 134 Z 5), bei sonstiger Nichtigkeit nur verwendet werden,
1. wenn die Voraussetzungen für die
Ermittlungsmaßnahme nach § 136 Abs. 1 Z 1 vorlagen,
2. wenn die Ermittlungsmaßnahme nach den
§§ 135 oder 136 Abs. 1 Z 2 oder 3 oder Abs. 3 rechtmäßig
angeordnet und bewilligt wurde (§ 137), und
3. in den Fällen des § 136 Abs. 1 Z 2
und 3 nur zum Nachweis eines Verbrechens (§ 17 Abs. 1 StGB),
4. in den Fällen der §§ 135 Abs. 1,
Abs. 2 Z 2 und 3, Abs. 3 Z 2 bis 4 nur zum Nachweis einer
vorsätzlich begangenen strafbaren Handlung, deretwegen die Ermittlungsmaßnahme
angeordnet wurde oder hätte angeordnet werden können.
(2) Ergeben sich bei Prüfung der Ergebnisse
Hinweise auf die Begehung einer anderen strafbaren Handlung als
derjenigen, die Anlass zur Überwachung gegeben hat, so ist mit diesem Teil der
Ergebnisse ein gesonderter Akt anzulegen, soweit die Verwendung als
Beweismittel zulässig ist (Abs. 1, 144, 157 Abs. 2).
(3) In anderen gerichtlichen und in
verwaltungsbehördlichen Verfahren dürfen Ergebnisse nur insoweit als
Beweismittel verwendet werden, als ihre Verwendung in einem Strafverfahren
zulässig war oder wäre.
6. Abschnitt
Automationsunterstützter Datenabgleich
Datenabgleich
§ 141. (1) Im Sinne dieses Gesetzes ist „Datenabgleich“ der
automationsunterstützte Vergleich von Daten (§ 4 Z 1 DSG 2000)
einer Datenanwendung, die bestimmte, den mutmaßlichen Täter kennzeichnende oder
ausschließende Merkmale enthalten, mit Daten einer anderen Datenanwendung, die
solche Merkmale enthalten, um Personen festzustellen, die auf Grund dieser
Merkmale als Verdächtige in Betracht kommen.
(2) Datenabgleich ist zulässig, wenn die
Aufklärung eines Verbrechens (§ 17 Abs. 1 StGB) ansonsten wesentlich
erschwert wäre und nur solche Daten einbezogen werden, die Gerichte,
Staatsanwaltschaften und Sicherheitsbehörden für Zwecke eines bereits
anhängigen Strafverfahrens oder sonst auf Grund bestehender Bundes- oder
Landesgesetze ermittelt oder verarbeitet haben.
(3) Sofern die Aufklärung eines mit mehr als
zehn Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Verbrechens oder eines Verbrechens nach
§ 278a oder § 278b StGB ansonsten aussichtslos oder wesentlich
erschwert wäre, ist es zulässig, in einen Datenabgleich auch Daten, die
Gerichten und Staatsanwaltschaften sowie der Kriminalpolizei nach § 76
Abs. 2 zu übermitteln sind, und Daten über Personen einzubeziehen, die von
einem bestimmten Unternehmen bestimmte Waren oder Dienstleistungen bezogen
haben oder die Mitglieder von Personenvereinigungen des Privatrechts oder von
juristischen Personen des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts sind.
(4) Sensible Daten (§ 4 Z 2 DSG 2000)
dürfen in einen Datenabgleich nicht einbezogen werden. Dies gilt nicht für
Daten über die Staatsangehörigkeit, Daten zur tatbildmäßigen Bezeichnung einer
Tätergruppe sowie für Daten, die Staatsanwaltschaften oder Sicherheitsbehörden
durch erkennungsdienstliche Maßnahmen, durch Durchsuchung einer Person, durch
körperliche Untersuchung oder durch molekulargenetische Analyse rechtmäßig
ermittelt haben, sofern diese Daten ausschließlich für einen Datenabgleich nach
Abs. 1 verwendet werden. Daten von Personenvereinigungen, deren Zweck in
unmittelbarem Zusammenhang mit einem der besonders geschützten Merkmale steht,
dürfen in einen Datenabgleich in keinem Fall einbezogen werden.
Durchführung
§ 142. (1) Der Datenabgleich ist von der Staatsanwaltschaft auf Grund
einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen. Die Staatsanwaltschaft oder die
Kriminalpolizei hat dieses Ergebnis des Datenabgleichs, soweit es für das
Verfahren von Bedeutung ist, in Schriftform zu übertragen.
(2) Die Anordnung des Datenabgleichs sowie ihre
gerichtliche Bewilligung haben außer den in § 102 Abs. 2 genannten
Angaben zu enthalten:
1. die Bezeichnung jener Merkmale, nach deren
Übereinstimmung gesucht wird,
2. die Datenanwendung (§ 4 Z 7
DSG 2000) und jene ihrer Daten, welche die gesuchten Merkmale enthalten,
3. die zur Datenübermittlung verpflichteten
Auftraggeber (§ 4 Z 4 DSG 2000).
(3) Eine Anordnung nach Abs. 2 ist samt
ihrer gerichtlichen Bewilligung der Datenschutzkommission und allen Personen
zuzustellen, welche durch den Datenabgleich ausgeforscht werden; die Zustellung
an die ausgeforschten Personen kann jedoch aufgeschoben werden, solange durch
sie der Zweck dieses oder eines anderen bereits anhängigen Strafverfahrens
gefährdet wäre.
Mitwirkungspflicht
§ 143. (1) Jeder Auftraggeber einer Datenanwendung, deren Daten in einen
Abgleich nach § 141 einbezogen werden sollen, ist verpflichtet, die
Datenanwendung auf die gesuchten Merkmale hin zu durchsuchen und alle Daten,
die diese Merkmale enthalten, auf einem elektronischen Datenträger in einem
allgemein gebräuchlichen Dateiformat zu übermitteln. Hierbei hat er sich neben
den gesuchten Merkmalen auf die Übermittlung der Namen, der Geburtsdaten und
der Anschriften zu beschränken. Danach hat er allfällige Ergebnisse des
Suchvorganges zu vernichten und - abweichend von den §§ 14 Abs. 2
Z 7 und Abs. 3 bis 4 DSG 2000 - lediglich die Daten der
Übermittlung und die Anordnung nach Abs. 2 zu protokollieren.
(2) Die Verpflichtung nach Abs. 1 hat die
Staatsanwaltschaft dem Auftraggeber mit gesonderter Anordnung aufzutragen;
diese Anordnung hat die entsprechende gerichtliche Bewilligung anzuführen. Die
§§ 93 Abs. 2 und 112 sowie die Bestimmungen über die Durchsuchung
gelten sinngemäß.
7. Abschnitt
Geistliche Amtsverschwiegenheit und
Berufsgeheimnisse
Schutz der geistlichen
Amtsverschwiegenheit und von Berufsgeheimnissen
§ 144. (1) Die geistliche Amtsverschwiegenheit ist geschützt (§ 155
Z 1), sie darf bei sonstiger Nichtigkeit nicht umgangen werden,
insbesondere nicht durch Anordnung oder Durchführung der in diesem Hauptstück
enthaltenen Ermittlungsmaßnahmen. Die Anordnung oder Durchführung einer
optischen oder akustischen Überwachung von Geistlichen unter Verwendung
technischer Mittel in Beichtstühlen oder in Räumen, die zur geistlichen
Aussprache bestimmt sind, ist in jedem Fall unzulässig.
(2) Die Anordnung oder Durchführung der in
diesem Hauptstück enthaltenen Ermittlungsmaßnahmen ist auch unzulässig, soweit
dadurch das Recht einer Person, gemäß § 157 Abs. 1 Z 2 bis 4 die
Aussage zu verweigern, umgangen wird.
(3) Ein Umgehungsverbot nach Abs. 1 erster
Satz oder Abs. 2 besteht insoweit nicht, als die betreffende Person selbst
der Tat dringend verdächtig ist. In einem solchen Fall ist für die Anordnung
und Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme in den Fällen des § 135
Abs. 2 und 3 sowie des § 136 Abs. 1 Z 2 und 3 eine
Ermächtigung des Rechtsschutzbeauftragten (§ 147 Abs. 2)
Voraussetzung.
8. Abschnitt
Besondere Durchführungsbestimmungen,
Rechtsschutz und Schadenersatz
Besondere Durchführungsbestimmungen
§ 145. (1) Sämtliche Ergebnisse einer der im 4. bis 6. Abschnitt
geregelten Ermittlungsmaßnahmen sind von der Staatsanwaltschaft zu verwahren
und dem Gericht beim Einbringen der Anklage zu übermitteln. Das Gericht hat
diese Ergebnisse nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens zu löschen,
soweit sie nicht in einem anderen, bereits anhängigen Strafverfahren als
Beweismittel Verwendung finden. Gleiches gilt für die Staatsanwaltschaft im
Fall der Einstellung des Verfahrens.
(2) Anordnungen und Genehmigungen dieser
Ermittlungsmaßnahmen (Abs. 1), ihre gerichtlichen Bewilligungen sowie in
Bild- oder Schriftform übertragene Ergebnisse (§ 134 Z 5) sind
zunächst getrennt aufzubewahren und erst dann zum Akt zu nehmen, wenn die
betreffende Anordnung dem Beschuldigten gegenüber rechtskräftig geworden ist,
spätestens jedoch beim Einbringen der Anklage. Bis zur Zustellung der Anordnung
an den Beschuldigten können sie von der Einsicht durch diesen sowie durch
Privatbeteiligte und Opfer ausgenommen werden, wenn zu befürchten ist, dass
andernfalls der Zweck der Ermittlungen oder die Persönlichkeitsrechte von
Personen, die von diesen Ermittlungsmaßnahmen betroffen sind, gefährdet wären;
im Übrigen gilt § 51 Abs. 2.
(3) Solange in Bild- oder Schriftform
übertragene Ergebnisse einer Ermittlungsmaßnahme in den Fällen des § 135
Abs. 2 und 3 und des § 136 Abs. 1 Z 2 und 3 nicht zum Akt
genommen werden, sind sie samt den zugehörigen Anordnungen, gerichtlichen
Bewilligungen und sonstigen Aktenstücken unter Verschluss aufzubewahren.
Näheres hat der Bundesminister für Justiz durch Verordnung zu bestimmen.
Rechtsschutz
§ 146. (1) Der Bundesminister für Justiz hat zur Wahrnehmung besonderen
Rechtsschutzes nach diesem Abschnitt nach Einholung eines gemeinsamen
Vorschlages des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, des Vorsitzenden der
Volksanwaltschaft und des Präsidenten des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages
einen Rechtsschutzbeauftragten sowie die erforderliche Anzahl von
Stellvertretern mit deren Zustimmung für die Dauer von drei Jahren zu
bestellen; Wiederbestellungen sind zulässig. Der Vorschlag hat zumindest
doppelt so viele Namen zu enthalten wie Personen zu bestellen sind.
(2) Der Rechtsschutzbeauftragte und seine
Stellvertreter müssen besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der
Grund- und Freiheitsrechte aufweisen und mindestens fünf Jahre in einem Beruf
tätig gewesen sein, in dem der Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaften
Berufsvoraussetzung ist und dessen Ausübung Erfahrungen im Straf- und Strafverfahrensrecht
mit sich brachte. Richter und Staatsanwälte des Dienststandes, Rechtsanwälte,
die in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen sind, und andere Personen, die
vom Amt eines Geschworenen oder Schöffen ausgeschlossen oder zu diesem nicht zu
berufen sind (§§ 2 und 3 des Geschworenen- und
Schöffengesetzes 1990), dürfen nicht bestellt werden.
(3) Die Bestellung des Rechtsschutzbeauftragten
und seiner Stellvertreter erlischt bei Verzicht, im Fall des Todes, mit Ende
der Bestellungsdauer oder wegen nachträglicher Unvereinbarkeit gemäß
Abs. 2; im Fall des Endes der Bestellungsdauer jedoch nicht vor der
neuerlichen Bestellung eines Rechtsschutzbeauftragten. In den Fällen des
§ 43 Abs. 1 hat sich der Rechtsschutzbeauftragte von dem Zeitpunkt,
zu dem ihm der Grund bekannt geworden ist, des Einschreitens in der Sache zu
enthalten.
(4) Der Rechtsschutzbeauftragte ist in Ausübung
seines Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden. Er unterliegt der
Amtsverschwiegenheit. Seine Stellvertreter haben gleiche Rechte und Pflichten.
(5) Zustellungen an den
Rechtsschutzbeauftragten sind im Wege der Geschäftsstelle des Obersten
Gerichtshofes vorzunehmen; diese hat auch die Kanzleigeschäfte des
Rechtsschutzbeauftragten wahrzunehmen.
(6) Dem Rechtsschutzbeauftragten gebührt als
Entschädigung für die Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Abschnitt für jede,
wenn auch nur begonnene Stunde ein Zehntel der Entschädigung eines
Ersatzmitgliedes des Verfassungsgerichtshofes für einen Sitzungstag (§ 4
Abs. 3 des Verfassungsgerichtshofgesetzes). Für die Vergütung seiner
Reisekosten gelten die Bestimmungen der Reisegebührenvorschrift für
Bundesbedienstete sinngemäß mit der Maßgabe, dass sein Wohnsitz als Dienstort
gilt und dass ihm die Reisezulage in der Gebührenstufe 3 gebührt. Für die
Bemessung der dem Rechtsschutzbeauftragten zustehenden Gebühren ist der
Bundesminister für Justiz zuständig.
§ 147. (1)
Dem Rechtsschutzbeauftragten obliegt die Prüfung und Kontrolle der Anordnung, Genehmigung,
Bewilligung und Durchführung
1. einer verdeckten Ermittlung nach § 131
Abs. 2,
2. des Abschlusses eines Scheingeschäfts nach
§ 132,
3. einer optischen oder akustischen Überwachung
von Personen nach § 136 Abs. 1 Z 3,
4. eines automationsunterstützten Datenabgleichs
nach § 141 sowie
5. einer Auskunft über Daten einer
Nachrichtenübermittlung, einer Überwachung von Nachrichten und einer optischen
und akustischen Überwachung von Personen nach den §§ 135 Abs. 2 und
3, 136 Abs. 1 Z 2, die gegen eine Person gerichtet ist, die gemäß
§ 157 Abs. 1 Z 2 bis 4 berechtigt ist, die Aussage zu verweigern
(§ 144 Abs. 3).
(2) Beantragt die Staatsanwaltschaft die
gerichtliche Bewilligung einer in Abs. 1 angeführten Ermittlungsmaßnahme,
so hat sie dem Rechtsschutzbeauftragten zugleich eine Ausfertigung dieses
Antrags samt einer Kopie der Anzeige und der maßgebenden Ermittlungsergebnisse
zu übermitteln. Gleiches gilt für Anordnungen und Genehmigungen der im
Abs. 1 Z 1 und 2 angeführten Ermittlungsmaßnahmen durch die
Staatsanwaltschaft. Im Fall des § 144 Abs. 3 hat die
Staatsanwaltschaft zugleich um Ermächtigung zur Antragstellung zu ersuchen.
Eine Ermächtigung zu einem Antrag auf Bewilligung einer Überwachung nach
§ 136 Abs. 1 Z 3 in den ausschließlich der Berufsausübung
gewidmeten Räumen einer der in § 157 Abs. 1 Z 2 bis 4 erwähnten
Personen darf der Rechtsschutzbeauftragte nur erteilen, wenn besonders schwer
wiegende Gründe vorliegen, die diesen Eingriff verhältnismäßig erscheinen
lassen.
(3) Die Anordnung und die Bewilligung der im
Abs. 1 angeführten Ermittlungsmaßnahme hat die Staatsanwaltschaft samt
Kopien aller Aktenstücke, die für die Beurteilung der Anordnungsgründe
von Bedeutung sein können, unverzüglich dem Rechtsschutzbeauftragten zu
übermitteln. Diesem steht gegen eine Anordnung nach Abs. 1 Z 1 oder 2
Einspruch, gegen die Bewilligung einer Ermittlungsmaßnahme nach Abs. 1
Z 3 bis 5 Beschwerde zu; dieses Recht erlischt mit dem Ablauf der
Rechtsmittelfrist des Beschuldigten.
(4) Nach Beendigung der
Ermittlungsmaßnahme ist dem Rechtsschutzbeauftragten Gelegenheit zu
geben, die gesamten Ergebnisse einzusehen und anzuhören, bevor diese zum Akt
genommen werden (§ 145 Abs. 2). Er ist ferner berechtigt, die
Vernichtung von Ergebnissen oder Teilen von ihnen (§ 139 Abs. 4) zu
beantragen und sich von der ordnungsgemäßen Vernichtung dieser Ergebnisse
zu überzeugen. Das Gleiche gilt für die ordnungsgemäße Löschung von Daten, die
in einen Datenabgleich einbezogen oder durch ihn gewonnen wurden. Beabsichtigt
die Staatsanwaltschaft, einem solchen Antrag des Rechtsschutzbeauftragten nicht
nachzukommen, so hat sie unverzüglich die Entscheidung des Gerichts einzuholen.
(5) Bis zum 31. März eines jeden Jahres hat der
Rechtsschutzbeauftragte dem Bundesminister für Justiz einen Bericht über seine
Tätigkeit und seine Wahrnehmungen zur Anwendung der Bestimmungen über die
betreffenden Ermittlungsmaßnahmen im vorangegangenen Jahr zu
übermitteln.
Schadenersatz
§ 148. Der Bund haftet für vermögensrechtliche Nachteile, die durch die
Durchführung einer Überwachung von Personen nach § 136 Abs. 1
Z 3 oder eines Datenabgleichs nach § 141 entstanden sind. Der
Ersatzanspruch ist ausgeschlossen, wenn der Geschädigte die Anordnung
vorsätzlich herbeigeführt hat. Weitergehende Ansprüche bleiben unberührt. Auf
das Verfahren ist das Amtshaftungsgesetz, BGBl. Nr. 20/1949, anzuwenden.
9. Abschnitt
Augenschein und Tatrekonstruktion
Augenschein und Tatrekonstruktion
§ 149. (1) Im Sinne dieses Gesetzes ist
1. „Augenschein“ jede unmittelbare sinnliche
Wahrnehmung und deren Dokumentation durch Ton- oder Bildaufnahme, soweit es
sich nicht um eine Vernehmung handelt,
2. „Tatrekonstruktion“ die Vernehmung einer Person
im Zuge eines Nachstellens des wahrscheinlichen Verlaufs der Tat am Tatort oder
an einem anderen mit der Straftat im Zusammenhang stehenden Ort sowie die Ton-
oder Bildaufnahme über diese Vorgänge.
(2) Ein Augenschein kann durch die
Kriminalpolizei durchgeführt werden. Wenn er besondere Sachkunde erfordert,
über welche Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft nicht durch besondere
Einrichtungen oder deren Organe verfügen, kann mit seiner Durchführung auch ein
Sachverständiger im Rahmen der Befundaufnahme beauftragt werden. Art und Weise
der Durchführung des Augenscheines und seine Ergebnisse sind in einem
Amtsvermerk (§ 95) festzuhalten.
(3) Eine Tatrekonstruktion hat auf Antrag der
Staatsanwaltschaft durch das Gericht zu erfolgen (§ 104).
Durchführung der Tatrekonstruktion
§ 150. (1) Der Staatsanwaltschaft, dem
Beschuldigten, dem Opfer, dem Privatbeteiligten und deren Vertretern ist
Gelegenheit zu geben, sich an der Tatrekonstruktion zu beteiligen. Sie haben
das Recht, Fragen zu stellen sowie ergänzende Ermittlungen und Feststellungen
zu verlangen. Soweit die Kriminalpolizei nicht an der Durchführung beteiligt
wird, ist sie vom Termin zu verständigen.
(2) Der Beschuldigte kann von der Teilnahme
vorübergehend ausgeschlossen werden, wenn seine Anwesenheit den Zweck des
Verfahrens gefährden könnte oder besondere Interessen dies erfordern
(§ 250 Abs. 1). Dem Opfer und dem Privatbeteiligten ist die
Beteiligung vorübergehend zu versagen, wenn zu besorgen ist, dass seine
Anwesenheit den Beschuldigten oder Zeugen bei der Ablegung einer freien und
vollständigen Aussage beeinflussen könnte. In diesen Fällen ist den betroffenen
Beteiligten sogleich eine Kopie des Protokolls zu übermitteln. Die Beteiligung
des Verteidigers darf jedoch in keinem Fall eingeschränkt werden. Im Übrigen
ist § 97 anzuwenden.
10. Abschnitt
Erkundigungen und Vernehmungen
Definitionen
§ 151. Im Sinne dieses Gesetzes ist
1. „Erkundigung“ das Verlangen von Auskunft und
das Entgegennehmen einer Mitteilung von einer Person,
2. „Vernehmung“ das Befragen von Personen nach
förmlicher Information über ihre Stellung und ihre Rechte im Verfahren.
Erkundigungen
§ 152. (1) Erkundigungen dienen der Aufklärung
einer Straftat und der Vorbereitung einer Beweisaufnahme; die Bestimmungen über
die Vernehmung des Beschuldigten und von Zeugen dürfen durch Erkundigungen bei
sonstiger Nichtigkeit nicht umgangen werden.
(2) Soweit die Kriminalpolizei nicht verdeckt
ermittelt, hat sie bei Erkundigungen auf ihre amtliche Stellung hinzuweisen,
wenn diese nicht aus den Umständen offensichtlich ist. Die Auskunft erfolgt freiwillig
und darf nicht erzwungen werden, soweit sie nicht auf Grund einer gesetzlichen
Verpflichtung zu erteilen ist.
(3) Auskünfte und sonstige Umstände, die durch
Erkundigungen erlangt wurden und für das Verfahren von Bedeutung sein können,
sind in einem Amtsvermerk festzuhalten.
Vernehmungen
§ 153. (1) Vernehmungen dienen der Aufklärung einer Straftat und der
Beweisaufnahme.
(2) Eine Person, die vernommen werden soll, ist
in der Regel schriftlich vorzuladen. Die Ladung muss den Gegenstand des
Verfahrens und der Vernehmung sowie den Ort, den Tag und die Stunde ihres Beginns
enthalten. Der Beschuldigte und das Opfer sind darin über ihre wesentlichen
Rechte im Verfahren (§§ 50 und 69) zu informieren, soweit dies nicht
bereits zuvor geschehen ist. Jedermann ist verpflichtet, eine solche Ladung zu
befolgen und kann im Fall seines ungerechtfertigten Ausbleibens vorgeführt
werden, wenn dies in der Ladung ausdrücklich angedroht wurde.
(3) Die Staatsanwaltschaft, in den Fällen der
§§ 104, 105 und 107 das Gericht, kann die Vorführung des Beschuldigten zur
sofortigen Vernehmung anordnen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen
ist, dass der Beschuldigte sich andernfalls dem Verfahren entziehen oder
Beweismittel beeinträchtigen werde. Wenn eine solche Anordnung wegen Gefahr im
Verzug nicht eingeholt werden kann oder wenn der Beschuldigte auf frischer Tat
oder mit Gegenständen betreten wird, die auf eine Tatbegehung schließen lassen,
kann die Kriminalpolizei ihn von sich aus vorführen.
Zeuge und Wahrheitspflicht
§ 154. (1) Im Sinne dieses Gesetzes ist Zeuge
eine vom Beschuldigten verschiedene Person, die zur Aufklärung der Straftat
wesentliche oder sonst den Gegenstand des Verfahrens betreffende Tatsachen
mittelbar oder unmittelbar wahrgenommen haben könnte und darüber im Verfahren
aussagen soll.
(2) Zeugen sind verpflichtet, richtig und
vollständig auszusagen.
Verbot der Vernehmung als Zeuge
§ 155. (1) Als Zeugen dürfen bei sonstiger Nichtigkeit nicht
vernommen werden:
1. Geistliche über das, was ihnen in der Beichte
oder sonst unter dem Siegel geistlicher Amtsverschwiegenheit anvertraut wurde,
2. Beamte (§ 74 Abs. 1 Z 4 bis 4c StGB)
über Umstände, die der Amtsverschwiegenheit unterliegen, soweit sie nicht von
der Verschwiegenheitspflicht entbunden wurden,
3. Mitglieder eines Ausschusses gemäß Art. 53
B-VG und eines nach Art. 52a B-VG eingesetzten ständigen Unterausschusses
sowie Personen, die sonst berechtigterweise bei der Sitzung anwesend waren,
soweit sie gemäß § 310 Abs. 2 StGB zur Verschwiegenheit verpflichtet
sind,
4. Personen, die wegen einer psychischen
Krankheit, wegen einer geistigen Behinderung oder aus einem anderen Grund
unfähig sind, die Wahrheit anzugeben.
(2) Eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit
nach Abs. 1 Z 2 besteht jedenfalls nicht, soweit der Zeuge im Dienste
der Strafrechtspflege Wahrnehmungen zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat
oder Anzeigepflicht (§ 78) besteht.
Aussagebefreiung
§ 156. (1) Von der Pflicht zur Aussage sind
befreit:
1. Personen, die im Verfahren gegen einen
Angehörigen aussagen sollen (§ 72 StGB), wobei die durch eine Ehe
begründete Eigenschaft einer Person als Angehörige für die Beurteilung der Berechtigung
zur Aussageverweigerung aufrecht bleibt, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht,
2. Personen, die durch die dem Beschuldigten zur
Last gelegte Straftat verletzt worden sein könnten und zur Zeit ihrer
Vernehmung das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder in ihrer
Geschlechtssphäre verletzt worden sein könnten, wenn die Parteien Gelegenheit
hatten, sich an einer vorausgegangenen kontradiktorischen Einvernahme zu
beteiligen (§§ 165, 247).
(2) Nach Abs. 1 Z 1 ist eine
erwachsene Person, die als Privatbeteiligte am Verfahren mitwirkt (§ 67),
von der Aussage nicht befreit.
(3) Besteht die Befreiung von der Aussage im
Verfahren gegen mehrere Beschuldigte nur gegenüber einem von ihnen, so ist der
Zeuge hinsichtlich der anderen nur dann befreit, wenn eine Trennung der
Aussagen nicht möglich ist. Gleiches gilt, wenn sich der Befreiungsgrund nur
auf einen von mehreren Sachverhalten bezieht.
Aussageverweigerung
§ 157. (1) Zur Verweigerung der Aussage sind
berechtigt:
1. Personen, soweit sie ansonsten sich oder einen
Angehörigen (§ 156 Abs. 1 Z 1) der Gefahr strafrechtlicher
Verfolgung oder im Zusammenhang mit einem gegen sie geführten Strafverfahren
der Gefahr aussetzen würden, sich über ihre bisherige Aussage hinaus selbst zu
belasten,
2. Verteidiger, Rechtsanwälte, Patentanwälte,
Notare und Wirtschaftstreuhänder über das, was ihnen in dieser Eigenschaft
bekannt geworden ist,
3. Fachärzte für Psychiatrie, Psychotherapeuten,
Psychologen, Bewährungshelfer, eingetragene Mediatoren nach dem
Zivilrechts-Mediations-Gesetz, BGBl. I Nr. 29/2003, und Mitarbeiter anerkannter
Einrichtungen zur psychosozialen Beratung und Betreuung über das, was ihnen in
dieser Eigenschaft bekannt geworden ist,
4. Medieninhaber (Herausgeber), Medienmitarbeiter
und Arbeitnehmer eines Medienunternehmens oder Mediendienstes über Fragen,
welche die Person des Verfassers, Einsenders oder Gewährsmannes von Beiträgen
und Unterlagen betreffen oder die sich auf Mitteilungen beziehen, die ihnen im
Hinblick auf ihre Tätigkeit gemacht wurden,
5. Wahlberechtigte darüber, wie sie ein gesetzlich
für geheim erklärtes Wahl- oder Stimmrecht ausgeübt haben.
(2) Das Recht der in Abs. 1 Z 2 bis 5
angeführten Personen, die Aussage zu verweigern, darf bei sonstiger Nichtigkeit
nicht umgangen werden, insbesondere nicht durch Sicherstellung und Beschlagnahme
von Unterlagen oder auf Datenträgern gespeicherten Informationen oder durch
Vernehmung der Hilfskräfte oder der Personen, die zur Ausbildung an der
berufsmäßigen Tätigkeit nach Abs. 1 Z 2 bis 4 teilnehmen.
§ 158. (1) Die Beantwortung einzelner Fragen
können verweigern:
1. Personen, soweit sie ansonsten sich oder einen
Angehörigen (§ 156 Abs. 1 Z 1) der Schande oder der Gefahr eines
unmittelbaren und bedeutenden vermögensrechtlichen Nachteils aussetzen würden,
2. Personen, die durch die dem
Beschuldigten zur Last gelegte Straftat in ihrer Geschlechtssphäre verletzt
wurden oder verletzt worden sein könnten, soweit sie Einzelheiten der Tat zu
offenbaren hätten, deren Schilderung sie für unzumutbar halten,
3. Personen, soweit sie Umstände aus ihrem
höchstpersönlichen Lebensbereich oder dem höchstpersönlichen Lebensbereich
einer anderen Person zu offenbaren hätten.
(2) Die in Abs. 1 angeführten Personen
können jedoch trotz Weigerung zur Aussage verpflichtet werden, wenn dies wegen
der besonderen Bedeutung ihrer Aussage für den Gegenstand des Verfahrens
unerlässlich ist.
Information und Nichtigkeit
§ 159. (1) Über ihre Befreiung von der Aussagepflicht oder ihr Recht auf
Verweigerung der gesamten oder eines Teiles der Aussage sind Zeugen vor Beginn
ihrer Vernehmung zu informieren. Werden Anhaltspunkte für ein solches Recht
erst während der Vernehmung bekannt, so ist die Information zu diesem Zeitpunkt
vorzunehmen.
(2) Ein Zeuge, der einen Befreiungs- oder
Verweigerungsgrund in Anspruch nehmen will, hat diesen, soweit er nicht
offenkundig ist, glaubhaft zu machen. Darüber abgegebene Erklärungen sind zu protokollieren.
(3) Hat ein Zeuge auf seine Befreiung von der
Aussagepflicht nach § 156 Abs. 1 Z 1 nicht ausdrücklich
verzichtet, so ist seine gesamte Aussage nichtig. Wurde ein Zeuge, der ein
Recht auf Verweigerung der Aussage nach § 157 Abs. 1 Z 2 bis 5
hat, darüber nicht rechtzeitig informiert, so ist jener Teil seiner Aussage
nichtig, auf den sich das Verweigerungsrecht bezieht. Das aufgenommene
Protokoll ist insoweit zu vernichten.
Durchführung der Vernehmung
§ 160. (1) In der Regel ist jeder Zeuge einzeln und in Abwesenheit der
Verfahrensbeteiligten und anderer Zeugen zu vernehmen. Personen, die durch
Krankheit oder Gebrechlichkeit oder aus anderen berücksichtigungswürdigen
Umständen verhindert sind, eine Ladung zu befolgen, können in ihrer Wohnung
oder an ihrem sonstigen Aufenthaltsort gehört werden.
(2) Auf Verlangen des Zeugen ist einer Person
seines Vertrauens die Anwesenheit bei der Vernehmung zu gestatten. Auf dieses
Recht ist in der Ladung hinzuweisen. Als Vertrauensperson kann ausgeschlossen
werden, wer der Mitwirkung an der Straftat verdächtig ist, wer als Zeuge
vernommen wurde oder werden soll und wer sonst am Verfahren beteiligt ist oder
besorgen lässt, dass seine Anwesenheit den Zeugen an einer freien und
vollständigen Aussage beeinflussen könnte. Vertrauenspersonen sind zur
Verschwiegenheit über ihre Wahrnehmungen im Zuge der Vernehmung verpflichtet
(§ 301 Abs. 2 StGB).
(3) Der Vernehmung einer Person, die psychisch
krank oder geistig behindert ist oder die das vierzehnte Lebensjahr noch nicht
zurückgelegt hat, ist jedenfalls eine Person ihres Vertrauens beizuziehen.
§ 161. (1) Der Zeuge ist vor Beginn der Vernehmung zu ermahnen, richtig,
vollständig und derart auszusagen, dass er seine Aussage erforderlichenfalls
vor Gericht beeiden könne. Sodann ist er über Vor- und Familienname, Geburtsort
und -datum, Beruf und Wohnort oder eine sonstige zur Ladung geeignete Anschrift
sowie über sein Verhältnis zum Beschuldigten zu befragen. Im Falle der
Anwesenheit anderer Personen ist darauf zu achten, dass die persönlichen
Verhältnisse des Zeugen möglichst nicht öffentlich bekannt werden.
(2) Danach ist der Zeuge um eine
zusammenhängende Darstellung seiner Wahrnehmungen zu ersuchen. Sodann sind
allfällige Unklarheiten oder Widersprüche aufzuklären.
(3) Fragen, mit denen dem Zeugen Umstände
vorgehalten werden, die erst durch seine Antwort festgestellt werden sollen,
dürfen nur dann gestellt werden, wenn dies zum Verständnis des Zusammenhanges
erforderlich ist; solche Fragen und die darauf gegebenen Antworten sind
wörtlich zu protokollieren. Fragen nach allfälligen strafgerichtlichen
Verfahren gegen den Zeugen und nach deren Ausgang sowie Fragen nach Umständen
aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich des Zeugen dürfen nicht gestellt
werden, es sei denn, dass dies nach den besonderen Umständen des Falles
unerlässlich ist.
Anonyme Aussage
§ 162. Ist auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten, dass der Zeuge
sich oder einen Dritten durch die
Bekanntgabe des Namens und anderer Angaben zur Person (§ 161 Abs. 1)
oder durch Beantwortung von Fragen, die Rückschlüsse darauf zulassen, einer
ernsten Gefahr für Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit
aussetzen würde, so kann ihm gestattet werden, solche Fragen nicht zu
beantworten. In diesem Fall ist auch zulässig, dass der Zeuge seine äußere
Erscheinung derart verändert, dass er nicht wieder erkannt werden kann. Es ist
ihm jedoch nicht gestattet, sein Gesicht derart zu verhüllen, dass sein
Mienenspiel nicht soweit wahrgenommen werden kann, als dies für die Beurteilung
der Glaubwürdigkeit seiner Aussage unerlässlich ist.
Gegenüberstellung
§ 163. (1) Einem Zeugen können mehrere Personen - offen oder verdeckt -
gegenübergestellt werden, unter denen sich eine befindet, die verdächtig ist.
Zuvor ist der Zeuge aufzufordern, zur Unterscheidung erforderliche Kennzeichen
des Verdächtigen zu beschreiben; dieser Beschreibung haben die gegenübergestellten
Personen möglichst ähnlich zu sein. Sodann ist der Zeuge zur Angabe darüber
aufzufordern, ob er eine Person erkenne und auf Grund welcher Umstände dies der
Fall sei. Dieser Vorgang ist zu protokollieren und kann durch geeignete
bildgebende Verfahren unterstützt werden.
(2) Gleiches gilt bei der Einsicht in
Lichtbilder und der Anhörung von Stimmproben. Auch wenn der Zeuge Gegenstände
wieder erkennen soll, die als Beweismittel von Bedeutung sind, ist er zunächst
aufzufordern, diesen Gegenstand und gegebenenfalls seine
Unterscheidungsmerkmale zu beschreiben.
(3) Im Übrigen ist eine Konfrontation des
Beschuldigten oder eines Zeugen mit anderen Zeugen oder Beschuldigten zulässig,
wenn die jeweiligen Aussagen in erheblichen Umständen von einander abweichen
und anzunehmen ist, dass die Aufklärung der Widersprüche dadurch gefördert
werden kann. Die einander gegenüber gestellten Personen sind über jeden
einzelnen Umstand ihrer von einander abweichenden oder einander
widersprechenden Aussagen besonders zu vernehmen; die beiderseitigen Antworten
sind zu protokollieren.
Vernehmung des Beschuldigten
§ 164. (1) Dem Beschuldigten ist vor Beginn der Vernehmung mitzuteilen,
welcher Tat er verdächtig ist. Sodann ist er im Sinn des Abs. 2 und
darüber zu informieren, dass er berechtigt sei, sich zur Sache zu äußern oder
nicht auszusagen und sich zuvor mit einem Verteidiger zu beraten, soweit dieser
Kontakt nicht gemäß § 59 Abs. 1 beschränkt werden kann. Der Beschuldigte ist
auch darauf aufmerksam zu machen, dass seine Aussage seiner Verteidigung
dienen, aber auch als Beweis gegen ihn Verwendung finden könne.
(2) Der Beschuldigte hat das Recht, seiner
Vernehmung einen Verteidiger beizuziehen; dieser darf sich an der Vernehmung
selbst auf keine Weise beteiligen, jedoch nach deren Abschluss ergänzende
Fragen an den Beschuldigten richten. Während der Vernehmung darf sich der
Beschuldigte nicht mit dem Verteidiger über die Beantwortung einzelner Fragen
beraten. Von der Beiziehung eines Verteidigers kann jedoch abgesehen werden,
soweit dies erforderlich erscheint, um eine Gefahr für die Ermittlungen oder
eine Beeinträchtigung von Beweismitteln abzuwenden. In diesem Fall ist nach
Möglichkeit eine Ton- oder Bildaufnahme (§ 97) anzufertigen.
(3) Der Beschuldigte ist zunächst über seine
persönlichen Verhältnisse zu befragen. Dann ist ihm Gelegenheit zu geben, sich
in einer zusammenhängenden Darstellung zu dem gegen ihn erhobenen Tatvorwurf zu
äußern. Zu schwierigen Fragen, die besondere Sachkunde voraussetzen oder eine
Beurteilung durch einen Sachverständigen erfordern, ist ihm zu gestatten, sich
binnen angemessener Frist ergänzend schriftlich zu äußern.
(4) Es dürfen weder Versprechungen oder
Vorspiegelungen noch Drohungen oder Zwangsmittel angewendet werden, um den
Beschuldigten zu einem Geständnis oder zu anderen Angaben zu bewegen. Die
Freiheit seiner Willensentschließung und seiner Willensbetätigung sowie sein
Erinnerungsvermögen und seine Einsichtsfähigkeit dürfen durch keinerlei
Maßnahmen oder gar Eingriffe in seine körperliche Integrität beeinträchtigt
werden. Dem Beschuldigten gestellte Fragen müssen deutlich und klar
verständlich und dürfen nicht unbestimmt, mehrdeutig oder verfänglich sein.
Fragen, mit denen ihm Umstände vorgehalten werden, die erst durch seine Antwort
festgestellt werden sollen, dürfen nur dann gestellt werden, wenn dies zum
Verständnis des Zusammenhanges erforderlich ist; solche Fragen und die darauf
gegebenen Antworten sind wörtlich zu protokollieren. Fragen, die eine vom
Beschuldigten nicht zugestandene Tatsache als bereits zugestanden behandeln,
sind nicht zulässig.
Kontradiktorische Vernehmung des
Beschuldigten oder eines Zeugen
§ 165. (1) Eine kontradiktorische Vernehmung
sowie die Ton- oder Bildaufnahme einer solchen Vernehmung des Beschuldigten
oder eines Zeugen ist zulässig, wenn zu besorgen ist, dass die Vernehmung in
einer Hauptverhandlung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich
sein werde.
(2) Die kontradiktorische Vernehmung hat das
Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft in sinngemäßer Anwendung der
Bestimmungen der §§ 249 und 250 durchzuführen (§ 104). Das
Gericht hat der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten, dem Opfer, dem
Privatbeteiligten und deren Vertretern Gelegenheit zu geben, sich an der
Vernehmung zu beteiligen und Fragen zu stellen.
(3) Bei der Vernehmung eines Zeugen ist in
seinem Interesse, besonders mit Rücksicht auf sein geringes Alter oder seinen seelischen
oder gesundheitlichen Zustand, oder im Interesse der Wahrheitsfindung auf
Antrag der Staatsanwaltschaft oder von Amts wegen die Gelegenheit zur
Beteiligung derart zu beschränken, dass die Beteiligten des Verfahrens
(Abs. 2) und ihre Vertreter die Vernehmung unter Verwendung technischer
Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung mitverfolgen und ihr Fragerecht
ausüben können, ohne bei der Befragung anwesend zu sein. Insbesondere wenn der
Zeuge das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, kann in diesem Fall
ein Sachverständiger mit der Befragung beauftragt werden. In jedem Fall ist
dafür Sorge zu tragen, dass eine Begegnung des Zeugen mit dem Beschuldigten und
anderen Verfahrensbeteiligten möglichst unterbleibt.
(4) Einen Zeugen, der das vierzehnte Lebensjahr
noch nicht vollendet hat und durch die dem Beschuldigten zur Last gelegte
Straftat in seiner Geschlechtssphäre verletzt worden sein könnte, hat das
Gericht in jedem Fall auf die in Abs. 3 beschriebene Art und Weise zu
vernehmen, die übrigen im § 156 Abs. 1 Z 1 und 2 erwähnten
Zeugen dann, wenn sie oder die Staatsanwaltschaft dies beantragen.
(5) Vor der Vernehmung hat das Gericht den
Zeugen überdies darüber zu informieren, dass das Protokoll in der
Hauptverhandlung verlesen und Ton- oder Bildaufnahmen der Vernehmung vorgeführt
werden können, auch wenn er im weiteren Verfahren die Aussage verweigern
sollte. Soweit ein Sachverständiger mit der Durchführung der Befragung
beauftragt wurde (Abs. 3), obliegt diesem die Vornahme dieser Information
und jener nach §§ 161 Abs. 1. Auf das Alter und den Zustand des
Zeugen ist dabei Rücksicht zu nehmen. Die Informationen und darüber abgegebene
Erklärungen sind zu protokollieren.
(6) Im Übrigen sind die Bestimmungen dieses
Abschnitts sinngemäß anzuwenden.
Beweisverbot
§ 166. Zum Nachteil eines Beschuldigten - außer gegen eine Person, die im
Zusammenhang mit einer Vernehmung einer Rechtsverletzung beschuldigt ist - dürfen
seine Aussagen sowie jene von Zeugen und Mitbeschuldigten bei sonstiger
Nichtigkeit nicht als Beweis verwendet werden, soweit sie:
1. unter Folter (Art. 7 des Internationalen
Pakts über bürgerliche und politische Rechte, BGBl. Nr. 591/1978,
Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten,
BGBl. Nr. 210/1958, und Art. 1 Abs. 1 sowie 15 des
Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder
erniedrigende Behandlung, BGBl. Nr. 492/1987) zustande gekommen sind, oder
2. sonst durch unerlaubte Einwirkung auf die
Freiheit der Willensentschließung oder Willensbetätigung oder durch unzulässige
Vernehmungsmethoden, soweit sie fundamentale Verfahrensgrundsätze verletzen,
gewonnen wurden und ihr Ausschluss zur Wiedergutmachung dieser Verletzung
unerlässlich ist.
9. Hauptstück
Fahndung, Festnahme und
Untersuchungshaft
1. Abschnitt
Fahndung
Definitionen
§ 167. Im Sinne dieses Gesetzes ist
1. „Personenfahndung“ jede Maßnahme zur Ermittlung
des Aufenthaltes einer Person und zur Festnahme des Beschuldigten auf Grund
einer Anordnung der Staatsanwaltschaft,
2. „Sachenfahndung“ jede Maßnahme zur Feststellung
des Verbleibes einer Sache und zu ihrer Sicherstellung.
Fahndung
§ 168. (1) Personenfahndung zur Aufenthaltsermittlung ist zulässig, wenn
der Aufenthalt des Beschuldigten oder einer Person, deren Identität
festgestellt oder die als Zeuge vernommen werden soll, unbekannt ist.
(2) Personenfahndung zur Festnahme ist
zulässig, wenn eine solche nicht vollzogen werden kann, weil der
Beschuldigte flüchtig oder sein Aufenthalt unbekannt ist, oder weil er einer
Ladung keine Folge geleistet hat und zu einer Vernehmung, einer anderen Beweisaufnahme oder zur
Hauptverhandlung vorgeführt werden soll.
(3) Sachenfahndung ist zulässig, wenn ein
Gegenstand, der sichergestellt werden soll, nicht aufgefunden werden kann.
§ 169. (1) Personenfahndung durch Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung
oder zur Festnahme ist von der Staatsanwaltschaft anzuordnen.
Über weitere Anordnung der Staatsanwaltschaft kann sie öffentlich bekannt
gemacht werden, wenn die Ausforschung des Beschuldigten oder die Auffindung
einer anderen Person andernfalls wenig erfolgversprechend wäre und der
Beschuldigte einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit einer
Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht ist, dringend verdächtig ist.
Abbildungen von Personen dürfen jedoch nur dann veröffentlicht oder zur
Veröffentlichung in Medien oder sonst öffentlich zugänglichen Dateien
freigegeben werden, wenn der damit angestrebte Vorteil den mit der
Veröffentlichung verbundenen Eingriff in die Intimsphäre deutlich überwiegt
oder die Veröffentlichung zum Schutz der Rechte und Interessen von durch den
Beschuldigten gefährdeten Personen erforderlich scheint.
(2) Sachenfahndung kann die Kriminalpolizei von
sich aus anordnen und durchführen; sie hat die erforderlichen
Veröffentlichungen und anderen notwendigen Maßnahmen zu veranlassen.
2. Abschnitt
Festnahme
Zulässigkeit
§ 170. (1) Die Festnahme einer Person, die der
Begehung einer strafbaren Handlung verdächtig ist, ist zulässig,
1. wenn sie auf frischer Tat betreten oder
unmittelbar danach entweder glaubwürdig der Tatbegehung beschuldigt oder mit
Gegenständen betreten wird, die auf ihre Beteiligung an der Tat hinweisen,
2. wenn sie flüchtig ist oder sich verborgen hält
oder, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, sie werde
flüchten oder sich verborgen halten,
3. wenn sie Zeugen, Sachverständige oder Mitbeschuldigte
zu beeinflussen, Spuren der Tat zu beseitigen oder sonst die
Ermittlung der Wahrheit zu erschweren versucht hat oder auf Grund bestimmter
Tatsachen die Gefahr besteht, sie werde dies versuchen,
4. wenn die Person einer mit mehr als sechs
Monaten Freiheitsstrafe bedrohten Tat verdächtig und auf Grund bestimmter
Tatsachen anzunehmen ist, sie werde eine eben solche, gegen dasselbe Rechtsgut
gerichtet Tat begehen, oder die ihr angelastete versuchte oder angedrohte Tat
(§ 74 Abs. 1 Z 5 StGB) ausführen.
(2) Wenn es sich um ein Verbrechen handelt, bei
dem nach dem Gesetz auf mindestens zehnjährige Freiheitsstrafe zu erkennen ist,
muss die Festnahme angeordnet werden, es sei denn, dass auf Grund bestimmter
Tatsachen anzunehmen ist, das Vorliegen aller im Abs. 1 Z 2 bis 4
angeführten Haftgründe sei auszuschließen.
(3) Festnahme und Anhaltung sind nicht
zulässig, soweit sie zur Bedeutung der Sache außer Verhältnis stehen
(§ 5).
Anordnung
§ 171. (1) Die Festnahme ist durch die Staatsanwaltschaft auf Grund einer
gerichtlichen Bewilligung anzuordnen und von der Kriminalpolizei durchzuführen.
(2) Die Kriminalpolizei ist berechtigt, den
Beschuldigten von sich aus festzunehmen
1. in den Fällen des § 170 Abs. 1
Z 1 und
2. in den Fällen des § 170 Abs. 1
Z 2 bis 4, wenn wegen Gefahr im Verzug eine Anordnung der
Staatsanwaltschaft nicht rechtzeitig eingeholt werden kann.
(3) Im Fall des Abs. 1 ist dem
Beschuldigten sogleich oder innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach seiner
Festnahme die gerichtliche Bewilligung der Festnahme zuzustellen; im Falle des
Abs. 2 eine schriftliche Begründung der Kriminalpolizei über Tatverdacht
und Haftgrund. Überdies ist der Beschuldigte sogleich oder unmittelbar nach
seiner Festnahme darüber zu informieren, dass er das Recht habe,
1. einen Angehörigen oder eine andere
Vertrauensperson und einen Verteidiger von seiner Festnahme zu verständigen
oder verständigen zu lassen (Art. 4 Abs. 7 BVG über den Schutz der persönlichen
Freiheit),
2. gegebenenfalls die Beigebung eines
Verfahrenshilfeverteidigers zu beantragen,
3. Beschwerde bzw. Einspruch gegen seine Festnahme
zu erheben und im Übrigen jederzeit seine Freilassung zu beantragen.
Durchführung
§ 172. (1) Vom Vollzug einer Anordnung auf
Festnahme hat die Kriminalpolizei die Staatsanwaltschaft und diese das Gericht
unverzüglich zu verständigen. Der Beschuldigte ist ohne unnötigen Aufschub,
längstens aber binnen 48 Stunden ab Festnahme in die Justizanstalt des
zuständigen Gerichts einzuliefern. Wenn dies auf Grund der Entfernung des Ortes
der Festnahme nicht rechtzeitig möglich ist oder der Beschuldigte erkrankt oder
verletzt ist oder aus einem anderen Grund in Lebensgefahr schwebt, ist es
zulässig, ihn der Justizanstalt eines unzuständigen Gerichts einzuliefern oder
einer Krankenanstalt zu überstellen. In diesen Fällen kann das Gericht den
Beschuldigten unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und
Bildübertragung vernehmen und ihm den Beschluss über die Untersuchungshaft auf
gleiche Weise verkünden (§ 174).
(2) Hat die Kriminalpolizei den Beschuldigten
von sich aus festgenommen, so hat sie ihn unverzüglich zur Sache, zum
Tatverdacht und zum Haftgrund zu vernehmen. Sie hat ihn freizulassen, sobald
sich ergibt, dass kein Grund zur weiteren Anhaltung vorhanden ist. Kann der
Zweck der weiteren Anhaltung durch gelindere Mittel nach § 173 Abs. 5
Z 1 bis 7 erreicht werden, so hat die Kriminalpolizei dem Beschuldigten
auf Anordnung der Staatsanwaltschaft unverzüglich die erforderlichen Weisungen
zu erteilen, die Gelöbnisse von ihm entgegenzunehmen oder ihm die in § 173
Abs. 5 Z 3 und 6 erwähnten Schlüssel und Dokumente abzunehmen und ihn
freizulassen. Die Ergebnisse der Ermittlungen samt den Protokollen über die
erteilten Weisungen und die geleisteten Gelöbnisse sowie den abgenommenen
Schlüsseln und Dokumenten sind der Staatsanwaltschaft binnen 48 Stunden nach
der Festnahme zu übermitteln. Über die Aufrechterhaltung dieser gelinderen
Mittel entscheidet das Gericht.
(3) Ist der Beschuldigte nicht nach Abs. 2
freizulassen, so hat ihn die Kriminalpolizei ohne unnötigen Aufschub,
spätestens aber binnen 48 Stunden nach der Festnahme, in die Justizanstalt des
zuständigen Gerichts einzuliefern oder – im Fall seiner Erkrankung
(Abs. 1) - einer Krankenanstalt zu überstellen. Sie hat jedoch vor der
Einlieferung rechtzeitig die Staatsanwaltschaft zu verständigen. Erklärt diese,
keinen Antrag auf Verhängung der Untersuchungshaft zu stellen, so hat die
Kriminalpolizei den Beschuldigten sogleich freizulassen.
3. Abschnitt
Untersuchungshaft
Zulässigkeit
§ 173. (1) Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft sind nur
auf Antrag der Staatsanwaltschaft und nur dann zulässig, wenn der Beschuldigte
einer bestimmten Straftat dringend verdächtig, vom Gericht zur Sache und zu den
Voraussetzungen der Untersuchungshaft vernommen worden ist und einer der im
Abs. 2 angeführten Haftgründe vorliegt. Sie darf nicht angeordnet oder
fortgesetzt werden, wenn sie zur Bedeutung der Sache oder zu der
zu erwartenden Strafe außer Verhältnis steht oder ihr Zweck durch Anwendung
gelinderer Mittel (Abs. 5) erreicht werden kann.
(2) Ein Haftgrund liegt vor, wenn auf Grund
bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, der Beschuldigte werde auf freiem Fuß
1. wegen Art und Ausmaß der ihm voraussichtlich
bevorstehenden Strafe oder aus anderen Gründen flüchten oder sich verborgen
halten,
2. Zeugen, Sachverständige oder Mitbeschuldigte zu
beeinflussen, Spuren der Tat zu beseitigen oder sonst die Ermittlung der
Wahrheit zu erschweren versuchen,
3. ungeachtet des wegen einer mit mehr als sechs
Monaten Freiheitsstrafe bedrohten Straftat gegen ihn geführten Strafverfahrens
a. eine strafbare Handlung mit schweren Folgen
begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihm angelastete
Straftat mit schweren Folgen,
b. eine strafbare Handlung mit nicht bloß leichten
Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihm
angelastete strafbare Handlung, wenn er entweder wegen einer solchen Straftat
bereits verurteilt worden ist oder wenn ihm nunmehr wiederholte oder fortgesetzte
Handlungen angelastet werden,
c. eine strafbare Handlung mit einer Strafdrohung
von mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe begehen, die ebenso wie die ihm
angelastete strafbare Handlung gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die
Straftaten, derentwegen er bereits zweimal verurteilt worden ist, oder
d. die ihm angelastete versuchte oder angedrohte
Tat (§ 74 Abs. 1 Z 5 StGB) ausführen.
(3) Fluchtgefahr ist jedenfalls nicht anzunehmen,
wenn der Beschuldigte einer Straftat verdächtig ist, die nicht strenger als mit
fünfjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, er sich in geordneten Lebensverhältnissen
befindet und einen festen Wohnsitz im Inland hat, es sei denn, er habe bereits
Vorbereitungen zur Flucht getroffen. Bei Beurteilung von Tatbegehungsgefahr
nach Abs. 2 Z 3 fällt es besonders ins Gewicht, wenn vom
Beschuldigten eine Gefahr für Leib und Leben von Menschen oder die Gefahr der Begehung
von Verbrechen in einer kriminellen Organisation oder terroristischen
Vereinigung ausgeht. Im Übrigen ist bei Beurteilung dieses Haftgrundes zu
berücksichtigen, inwieweit sich die Gefahr dadurch vermindert hat, dass sich
die Verhältnisse, unter denen die dem Beschuldigten angelastete Tat begangen worden
ist, geändert haben.
(4) Die Untersuchungshaft darf nicht verhängt,
aufrecht erhalten oder fortgesetzt werden, wenn die Haftzwecke auch durch eine
gleichzeitige Strafhaft oder Haft anderer Art erreicht werden können. Im Fall
der Strafhaft hat die Staatsanwaltschaft die Abweichungen vom Vollzug
anzuordnen, die für die Zwecke der Untersuchungshaft unentbehrlich sind. Wird
die Untersuchungshaft dennoch verhängt, so tritt eine Unterbrechung des
Strafvollzuges ein.
(5) Als gelindere Mittel sind insbesondere anwendbar:
1. das Gelöbnis, bis zur rechtskräftigen
Beendigung des Strafverfahrens weder zu fliehen noch sich verborgen zu halten
noch sich ohne Genehmigung der Staatsanwaltschaft von seinem Aufenthaltsort zu
entfernen,
2. das Gelöbnis, keinen
Versuch zu unternehmen, die Ermittlungen zu erschweren,
3. in Fällen von Gewalt in Wohnungen (§ 38a
SPG) das Gelöbnis, jeden Kontakt mit dem Opfer zu unterlassen, und die Weisung,
eine bestimmte Wohnung und deren unmittelbare Umgebung nicht zu betreten oder
ein bereits erteiltes Betretungsverbot nach § 38a Abs. 2 SPG oder
eine einstweilige Verfügung nach § 382b EO nicht zu übertreten, samt
Abnahme aller Schlüssel zur Wohnung,
4. die Weisung, an einem bestimmten Ort, bei einer
bestimmten Familie zu wohnen, eine bestimmte Wohnung, bestimmte Orte oder
bestimmten Umgang zu meiden, sich alkoholischer Getränke oder anderer
Suchtmittel zu enthalten oder einer geregelten Arbeit nachzugehen,
5. die Weisung, jeden Wechsel des Aufenthaltes
anzuzeigen oder sich in bestimmten Zeitabständen bei der Kriminalpolizei oder
einer anderen Stelle zu melden,
6. die vorübergehende Abnahme von Identitäts-,
Kraftfahrzeugs- oder sonstigen Berechtigungsdokumenten,
7. vorläufige Bewährungshilfe nach § 179,
8. die Leistung einer Sicherheit nach den
§§ 180 und 181,
9. mit Zustimmung des Beschuldigten die Weisung,
sich einer Entwöhnungsbehandlung, sonst einer medizinischen Behandlung oder
einer Psychotherapie (§ 51 Abs. 3 StGB) oder einer gesundheitsbezogenen
Maßnahme (§ 11 Abs. 2 SMG) zu unterziehen.
(6) Wenn es sich um ein Verbrechen handelt, bei
dem nach dem Gesetz auf mindestens zehnjährige Freiheitsstrafe zu erkennen ist,
muss die Untersuchungshaft verhängt werden, es sei denn, dass auf Grund
bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, das Vorliegen aller im Abs. 2
angeführten Haftgründe sei auszuschließen.
Verhängung der Untersuchungshaft
§ 174. (1) Jeder festgenommene Beschuldigte ist vom Gericht unverzüglich
nach seiner Einlieferung in die Justizanstalt zu den Voraussetzungen der
Untersuchungshaft zu vernehmen. Das Gericht kann aber vor seiner Entscheidung
sofortige Ermittlungen vornehmen oder durch die Kriminalpolizei vornehmen
lassen, wenn deren Ergebnis maßgebenden Einfluss auf die Beurteilung von
Tatverdacht oder Haftgrund erwarten lässt. In jedem Fall hat das Gericht
längstens binnen 48 Stunden nach der Einlieferung zu entscheiden, ob der
Beschuldigte, allenfalls unter Anwendung gelinderer Mittel (§ 173
Abs. 5), freigelassen oder ob die Untersuchungshaft verhängt wird.
(2) Der Beschluss nach Abs. 1 ist dem
Beschuldigten sofort mündlich zu verkünden. Ein Beschluss auf Freilassung ist
der Staatsanwaltschaft binnen 24 Stunden zuzustellen und der Kriminalpolizei
zur Kenntnis zu bringen. Wird die Untersuchungshaft verhängt, so ist die
Zustellung an den Beschuldigten binnen 24 Stunden zu veranlassen und
unverzüglich eine Ausfertigung der Staatsanwaltschaft, dem Verteidiger, der
Justizanstalt und einem gegebenenfalls bestellten Bewährungshelfer zu
übermitteln. Der Beschuldigte kann auf die Zustellung nicht wirksam verzichten.
(3) Ein Beschluss, mit dem die
Untersuchungshaft verhängt wird, hat zu enthalten:
1. den Namen des Beschuldigten sowie weitere
Angaben zur Person,
2. die strafbare Handlung, deren Begehung der
Beschuldigte dringend verdächtig ist, Zeit, Ort und Umstände ihrer Begehung
sowie ihre gesetzliche Bezeichnung,
3. den Haftgrund,
4. die bestimmten Tatsachen, aus denen sich der
dringende Tatverdacht und der Haftgrund ergeben, und aus welchen Gründen der
Haftzweck durch Anwendung gelinderer Mittel nicht erreicht werden kann,
5. die Mitteilung, bis zu welchem Tag der
Beschluss längstens wirksam sei sowie dass vor einer allfälligen Fortsetzung
der Haft eine Haftverhandlung stattfinden werde, sofern nicht einer der im
Abs. 4 oder im § 175 Abs. 3, 4 oder 5 erwähnten Fälle eintritt,
6. die Mitteilung, dass der Beschuldigte, soweit
dies nicht bereits geschehen ist, einen Verteidiger, einen Angehörigen oder
eine andere Vertrauensperson verständigen oder verständigen lassen könne,
7. die Mitteilung, dass der Beschuldigte durch
einen Verteidiger vertreten sein müsse, solange er sich in Untersuchungshaft
befinde,
8. die Mitteilung, dass dem Beschuldigten
Beschwerde zustehe und dass er im Übrigen jederzeit seine Enthaftung beantragen
könne.
(4) Eine Beschwerde des Beschuldigten gegen die
Verhängung der Untersuchungshaft löst die Haftfrist nach § 175 Abs. 2
Z 2 aus. Ein darauf ergehender Beschluss des Oberlandesgerichts auf
Fortsetzung der Untersuchungshaft löst die nächste Haftfrist aus; Abs. 3
Z 1 bis 5 gilt sinngemäß.
Haftfristen
§ 175. (1) Ein Beschluss, mit dem die Untersuchungshaft verhängt oder
fortgesetzt wird, ist längstens für einen bestimmten Zeitraum wirksam
(Haftfrist); der Ablauftag ist im Beschluss anzuführen. Vor Ablauf der
Haftfrist ist eine Haftverhandlung durchzuführen oder der Beschuldigte zu
enthaften.
(2) Die Haftfrist beträgt
1. 14 Tage ab Verhängung der Untersuchungshaft,
2. einen Monat ab erstmaliger Fortsetzung der
Untersuchungshaft,
3. zwei Monate ab weiterer Fortsetzung der
Untersuchungshaft.
(3) Ist die Durchführung der Haftverhandlung
vor Ablauf der Haftfrist wegen eines unvorhersehbaren oder unabwendbaren
Ereignisses unmöglich, so kann die Haftverhandlung auf einen der drei dem
Fristablauf folgenden Arbeitstage verlegt werden; in diesem Fall verlängert
sich die Haftfrist entsprechend.
(4) Haben bereits zwei Haftverhandlungen
stattgefunden, so kann der Beschuldigte auf die Durchführung einer
bevorstehenden weiteren Haftverhandlung verzichten. In diesem Fall kann der
Beschluss über die Aufhebung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft (§ 176
Abs. 4) ohne vorangegangene mündliche Verhandlung schriftlich ergehen.
(5) Nach Einbringen der Anklage ist die
Wirksamkeit eines Beschlusses auf Verhängung oder Fortsetzung der
Untersuchungshaft durch die Haftfrist nicht mehr begrenzt; Haftverhandlungen
finden nach diesem Zeitpunkt nur statt, wenn der Beschuldigte seine Enthaftung
beantragt und darüber nicht ohne Verzug in einer Hauptverhandlung entschieden
werden kann.
Haftverhandlung
§ 176. (1) Eine Haftverhandlung hat das Gericht von Amts wegen
anzuberaumen:
1. vor Ablauf der Haftfrist,
2. ohne Verzug, wenn der Beschuldigte seine Freilassung
beantragt und sich die Staatsanwaltschaft dagegen ausspricht,
3. sofern das Gericht Bedenken gegen die
Fortsetzung der Untersuchungshaft hegt.
(2) Die Haftverhandlung leitet das Gericht; sie
ist nicht öffentlich. Die Staatsanwaltschaft, der Beschuldigte, sein
gesetzlicher Vertreter, sein Verteidiger, die Kriminalpolizei und der
Bewährungshelfer sind vom Termin zu verständigen.
(3) Der Beschuldigte ist zur Verhandlung
vorzuführen, es sei denn, dass dies wegen Krankheit nicht möglich ist. Er muss
durch einen Verteidiger vertreten sein.
(4) Zunächst trägt die Staatsanwaltschaft ihren
Antrag auf Fortsetzung der Untersuchungshaft vor und begründet ihn. Der
Beschuldigte, sein gesetzlicher Vertreter und sein Verteidiger haben das Recht
zu erwidern. Der Bewährungshelfer kann sich zur Haftfrage äußern.
Staatsanwaltschaft und Beschuldigter können ergänzende Feststellungen aus dem
Akt begehren. Das Gericht kann von Amts wegen oder auf Anregung Zeugen
vernehmen oder andere Beweise aufnehmen, soweit dies für die Beurteilung der
Haftfrage erforderlich ist. Dem Beschuldigten oder seinem Verteidiger gebührt
das Recht der letzten Äußerung. Sodann entscheidet das Gericht über die
Aufhebung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft. § 174 Abs. 3
Z 1 bis 5 und 8 gilt sinngemäß.
(5) Eine Beschwerde gegen einen Beschluss nach
Abs. 4 ist binnen drei Tagen nach Verkündung des Beschlusses einzubringen;
§ 174 Abs. 4 zweiter Satz ist anzuwenden.
Aufhebung der Untersuchungshaft
§ 177. (1) Sämtliche am Strafverfahren beteiligten Behörden sind
verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Haft so kurz wie möglich dauere. Die
Ermittlungen sind von Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei mit Nachdruck und
unter besonderer Beschleunigung zu führen.
(2) Der Beschuldigte ist sogleich freizulassen
und gelindere Mittel sind aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Anhaltung,
der Untersuchungshaft oder der Anwendung gelinderer Mittel nicht mehr vorliegen
oder ihre Dauer unverhältnismäßig wäre.
(3) Ist die Staatsanwaltschaft der Ansicht,
dass die Untersuchungshaft aufzuheben sei, so beantragt sie dies beim Gericht,
das den Beschuldigten sogleich freizulassen hat.
(4) Ist die Staatsanwaltschaft der Ansicht,
dass die Aufhebung gelinderer Mittel zu verfügen sei, so beantragt sie dies
beim Gericht, das daraufhin entsprechend zu verfügen hat. Beantragt die
Staatsanwaltschaft eine Änderung oder der Beschuldigte eine Aufhebung oder
Änderung gelinderer Mittel und spricht sich die Staatsanwaltschaft dagegen aus,
so hat das Gericht zu entscheiden. Eine Beschwerde gegen diesen Beschluss ist
binnen drei Tagen ab seiner Bekanntmachung einzubringen.
(5) Soweit das Opfer dies beantragt hat, ist es
von einer Freilassung des Beschuldigten vor Fällung des Urteils erster Instanz
unter Angabe der hierfür maßgeblichen Gründe und der dem Beschuldigten
auferlegten gelinderen Mittel sogleich zu verständigen. Opfer von Gewalt in
Wohnungen (§ 38a SPG) und Opfer gemäß § 65 Z 1 lit. a sind
jedenfalls unverzüglich von Amts wegen in diesem Sinn zu informieren. Diese
Verständigung hat die Kriminalpolizei, bei der Entlassung aus der
Untersuchungshaft jedoch die Staatsanwaltschaft zu veranlassen.
Höchstdauer der Untersuchungshaft
§ 178. (1) Bis zum Beginn der Hauptverhandlung darf die Untersuchungshaft
folgende Fristen nicht übersteigen:
1. zwei Monate, wenn der Beschuldigte nur aus dem
Grunde der Verdunkelungsgefahr (§ 173 Abs. 2 Z 2), im Übrigen
2. sechs Monate, wenn er wegen des Verdachts eines
Vergehens, ein Jahr, wenn er wegen des Verdachts eines Verbrechens und zwei
Jahre, wenn er wegen des Verdachts eines Verbrechens, das mit einer fünf Jahre
übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, angehalten wird.
(2) Über sechs Monate hinaus darf die
Untersuchungshaft jedoch nur dann aufrecht erhalten werden, wenn dies wegen
besonderer Schwierigkeiten oder besonderen Umfangs der Ermittlungen im Hinblick
auf das Gewicht des Haftgrundes unvermeidbar ist.
(3) Muss ein wegen Fristablaufs freigelassener
Beschuldigter zum Zweck der Durchführung der Hauptverhandlung neuerlich in Haft
genommen werden, so darf dies jeweils höchstens für die Dauer von sechs
weiteren Wochen geschehen.
Vorläufige Bewährungshilfe
§ 179. (1) Vorläufige Bewährungshilfe ist anzuordnen, wenn der
Beschuldigte dem zustimmt und es geboten scheint, dadurch seine Bemühungen um
eine Lebensführung und Einstellung, die ihn in Zukunft von der Begehung
strafbarer Handlungen abhalten werde, zu fördern.
(2) Hat der Beschuldigte einen gesetzlichen
Vertreter, so ist diesem die Anordnung der vorläufigen Bewährungshilfe
mitzuteilen.
(3) Die vorläufige Bewährungshilfe endet
spätestens mit rechtskräftiger Beendigung des Strafverfahrens. Im Übrigen
gelten die Bestimmungen über die Bewährungshilfe dem Sinne nach.
Kaution
§ 180. (1) Gegen Kaution oder Bürgschaft sowie gegen Ablegung der im
§ 173 Abs. 5 Z 1 und 2 erwähnten Gelöbnisse kann der
Beschuldigte freigelassen werden, sofern ausschließlich der Haftgrund der
Fluchtgefahr (§ 173 Abs. 2 Z 1) vorliegt; dies hat zu erfolgen,
wenn die Straftat nicht strenger als mit fünfjähriger Freiheitsstrafe bedroht
ist.
(2) Die Höhe der Sicherheitsleistung ist vom
Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft unter Bedachtnahme auf das Gewicht
der dem Beschuldigten angelasteten Straftat, seine persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse sowie das Vermögen der Person zu bestimmen, welche die Sicherheit
leistet.
(3) Die Sicherheit ist entweder in barem Geld
oder in mündelsicheren Wertpapieren, nach dem Börsekurs des Erlagstages
berechnet, gerichtlich zu hinterlegen oder durch Belastung oder Verpfändung von
Liegenschaften oder Rechten, die in einem öffentlichen Buch eingetragen sind,
oder durch taugliche Bürgen (§ 1374 ABGB), die sich zugleich als Zahler
verpflichten, zu leisten. Wenn besondere Umstände den Verdacht nahe legen, dass
die angebotene Sicherheit aus einer Straftat des Beschuldigten herrührt, hat
das Gericht vor der Annahme der Sicherheitsleistung Ermittlungen über die
Redlichkeit der Herkunft zu veranlassen.
(4) Die Sicherheit ist vom Gericht auf Antrag
der Staatsanwaltschaft oder von Amts wegen mit Beschluss für
verfallen zu erklären, wenn sich der Beschuldigte dem Verfahren oder, im Fall
der Verurteilung zu einer nicht bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, dem
Antritt dieser Strafe entzieht, insbesondere dadurch, dass er sich ohne
Erlaubnis von seinem Wohnort entfernt oder eine Ladung nicht befolgt. Diese
Ladung und der Beschluss über den Verfall sind dem Beschuldigten im Falle
seiner Nichtauffindung nach § 8 Abs. 2 des Zustellgesetzes
zuzustellen.
(5) Mit Rechtskraft des Beschlusses nach
Abs. 4 ist die verfallene Sicherheit für den Bund einzuziehen, doch hat
das Opfer das Recht zu verlangen, dass seine Entschädigungsansprüche aus der
Sicherheit oder ihrem Verwertungserlös vorrangig befriedigt werden.
§ 181. (1) Wenn der Beschuldigte nach seiner Freilassung gegen Sicherheit
seine Flucht vorbereitet oder wenn neue Umstände hervorkommen, die seine
Verhaftung erfordern, so ist er ungeachtet der Sicherheit festzunehmen, doch
wird in diesen Fällen die Sicherheitsleistung frei.
(2) Dasselbe ist der Fall, sobald das
Strafverfahren rechtswirksam beendet ist, bei Verurteilung zu einer nicht
bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe aber erst, sobald der Verurteilte die
Strafe angetreten hat.
(3) Über die Freigabe der Sicherheit
entscheidet das Gericht.
4. Abschnitt
Vollzug der Untersuchungshaft
Allgemeines
§ 182. (1) Zweck der Anhaltung eines Beschuldigten in Untersuchungshaft
ist, dem Haftgrund (§ 173 Abs. 2) entgegenzuwirken.
(2) Das Leben in Untersuchungshaft soll den
allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich angeglichen werden.
Beschränkungen dürfen verhafteten Beschuldigten nur insoweit auferlegt werden,
als dies gesetzlich zulässig und zur Erreichung des Haftzwecks (Abs. 1)
oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Justizanstalt notwendig
ist.
(3) Beim Vollzug der Untersuchungshaft ist
insbesondere darauf Bedacht zu nehmen, dass
1. für Beschuldigte die Vermutung der Unschuld
gilt,
2. Beschuldigte ausreichend Gelegenheit zur
Vorbereitung ihrer Verteidigung haben und
3. schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges auf
geeignete Weise entgegengewirkt wird.
(4) Im Übrigen sind, soweit dieses Gesetz im
Einzelnen nichts anderes bestimmt, auf den Vollzug der Untersuchungshaft die
Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen,
deren Strafzeit 18 Monate nicht übersteigt, dem Sinn nach anzuwenden.
(5) Soweit im Einzelnen nichts anderes bestimmt
wird, gelten die Bestimmungen über den Vollzug der Untersuchungshaft für alle
Anhaltungen nach diesem Gesetz, die in einer Justizanstalt vollzogen werden.
Haftort
§ 183. (1) Beschuldigte sind in der Justizanstalt des für die Entscheidung
über die Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft zuständigen Gerichts
anzuhalten. Soweit dies - insbesondere im Interesse einer wirtschaftlichen
Führung der Justizanstalten - notwendig ist, können weibliche Beschuldigte in
der Justizanstalt eines benachbarten Gerichts angehalten werden.
(2) Wenn dies zur Erreichung des Haftzwecks
oder zur Wahrung der in § 182 enthaltenen Grundsätze notwendig ist, hat
das Bundesministerium für Justiz die Zuständigkeit einer anderen Justizanstalt
anzuordnen. Eine solche Anordnung kann mit Zustimmung des Beschuldigten auch
zur Vermeidung eines Überbelags getroffen werden.
(3) Nach Fällung des Urteils erster Instanz
kann das Bundesministerium für Justiz die Zuständigkeit einer anderen als der
nach Abs. 1 bestimmten Justizanstalt anordnen, wenn eine dort zu
vollziehende Freiheitsstrafe erwartet werden kann, die Überstellung im
Interesse des Angeklagten liegt oder einer besseren Auslastung der
Vollzugseinrichtungen dient, Nachteile für das Strafverfahren nicht zu
befürchten sind und der Angeklagte zustimmt.
(4) Vor einer Änderung des Haftortes sind
Staatsanwaltschaft und Gericht zu hören; nach der Überstellung sind sie und der
Verteidiger durch die nunmehr zuständige Justizanstalt unverzüglich zu verständigen.
Ausführungen
§ 184. Für Vernehmungen, Ausführungen und Überstellungen von Beschuldigten
gelten die Bestimmungen der §§ 97 und 98 StVG sinngemäß mit der Maßgabe,
dass
1. Vernehmungen auch dann in der Anstalt
durchzuführen sind, wenn sie nicht vom Gericht oder von der Staatsanwaltschaft
durchgeführt werden,
2. Ausführungen auf Ersuchen der Kriminalpolizei
oder anderer Behörden (§ 98 Abs. 1 StVG) nur auf Anordnung oder mit
Zustimmung der Staatsanwaltschaft und nur zum Zweck der Teilnahme an
Verhandlungen, Tatrekonstruktionen und anderen kontradiktorischen Einvernahmen,
an Gegenüberstellungen, Augenscheinen sowie sonstigen Befundaufnahmen zulässig
sind.
Getrennte Anhaltung
§ 185. (1) Beschuldigte sollen nicht in Gemeinschaft mit Strafgefangenen
untergebracht werden. Beschuldigte, die sich das erste Mal in Haft befinden,
sind jedenfalls getrennt von Strafgefangenen anzuhalten. Bei der Bewegung im
Freien, bei der Arbeit, beim Gottesdienst und bei Veranstaltungen sowie bei der
Krankenbetreuung kann jedoch von einer Trennung abgesehen werden, soweit eine
solche nach den zur Verfügung stehenden Einrichtungen nicht möglich ist.
(2) Soweit das zur Erreichung der Haftzwecke
erforderlich ist, sind der Beteiligung an derselben Straftat verdächtige
Beschuldigte so anzuhalten, dass sie nicht miteinander verkehren können.
Solange die Staatsanwaltschaft hierüber keine Entscheidung getroffen hat, sind
solche Beschuldigte jedenfalls getrennt anzuhalten.
(3) Weibliche Beschuldigte sind in jedem Fall
von männlichen Beschuldigten und männlichen Strafgefangenen getrennt
unterzubringen.
Kleidung und Bedarfsgegenstände
§ 186. (1) Angehaltene Beschuldigte sind unter Achtung ihrer Persönlichkeit
und ihres Ehrgefühls sowie mit möglichster Schonung ihrer Person zu behandeln.
Sie sind berechtigt, eigene Kleidung zu tragen, soweit die regelmäßige
Reinigung in der Anstalt möglich ist oder außerhalb der Anstalt durch deren
Vermittlung besorgt werden kann. Verfügt ein angehaltener Beschuldigter über
keine geeignete Kleidung, so ist ihm eine solche für Verhandlungen vor Gericht,
für Ausführungen und für Überstellungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur
Verfügung zu stellen.
(2) Angehaltene Beschuldigte sind berechtigt,
sich auf eigene Kosten Bedarfsgegenstände, Dienstleistungen und andere
Annehmlichkeiten zu verschaffen, soweit dies mit dem Haftzweck vereinbar ist
und weder die Sicherheit gefährdet noch die Ordnung in der Anstalt erheblich beeinträchtigt
oder Mithäftlinge belästigt.
Arbeit und Arbeitsvergütung
§ 187. (1) Angehaltene Beschuldigte sind zur Arbeit nicht verpflichtet.
Ein arbeitsfähiger Beschuldigter kann jedoch unter den für Strafgefangene
geltenden Bedingungen (§§ 44 bis 55 StVG) arbeiten, wenn er sich dazu
bereit erklärt und Nachteile für das Verfahren nicht zu befürchten sind.
(2) Die Arbeitsvergütung ist dem Beschuldigten
nach Abzug des Vollzugskostenbeitrages (§ 32 Abs. 2 und 3 StVG) zur
Gänze als Hausgeld gutzuschreiben. Im Fall eines Freispruchs, des Rücktritts
von Verfolgung oder einer Einstellung des Strafverfahrens ist ihm der
einbehaltene Vollzugskostenbeitrag auszuzahlen.
(3) Kann einem Beschuldigten, der zur Arbeit
bereit ist und bei dem der Haftzweck der Heranziehung zur Arbeit nicht entgegen
steht, Arbeit nicht zugewiesen werden, so ist ihm monatlich im Nachhinein ein
Betrag von 5 v.H. der niedrigsten Arbeitsvergütung als Hausgeld gutzuschreiben.
(4) Angehaltene Beschuldigte dürfen sich auf
ihre Kosten selbst beschäftigen, soweit dies mit dem Haftzweck vereinbar ist
und die Ordnung in der Anstalt nicht stört. Aus dieser Beschäftigung erzielte
Einkünfte sind dem Hausgeld gutzuschreiben.
Verkehr mit der Außenwelt
§ 188. (1) Angehaltene Beschuldigte dürfen Besuche innerhalb der
festgesetzten Besuchszeiten so oft und in dem zeitlichen Ausmaß empfangen, als
die Abwicklung ohne unvertretbaren Aufwand gewährleistet werden kann. Im
Übrigen gelten für den Empfang von Besuchen die §§ 85 bis 87 und 93 bis 96
StVG sinngemäß mit folgenden Maßgaben:
1. Beschuldigten darf nicht verwehrt werden,
wenigstens zweimal in jeder Woche einen Besuch in der Dauer von mindestens
einer halben Stunde zu empfangen,
2. auf den Inhalt des zwischen einem Beschuldigten
und einem Besucher geführten Gesprächs hat sich die Überwachung nur zu
erstrecken, wenn dies die Staatsanwaltschaft zur Sicherung des
Haftzwecks oder der Anstaltsleiter zur Aufrechterhaltung der Sicherheit in der
Anstalt anordnet,
3. der Besuch bestimmter Personen, von denen eine
Gefährdung des Zweckes der Untersuchungshaft oder der Sicherheit
der Anstalt zu befürchten ist, kann untersagt oder abgebrochen werden.
(2) Angehaltene Beschuldigte sind berechtigt,
auf eigene Kosten mit anderen Personen und Stellen schriftlich zu verkehren und
zu telefonieren, es sei denn, dass durch den außerordentlichen Umfang des
Brief- oder Telefonverkehrs die Überwachung beeinträchtigt wird. In diesem Fall
sind diejenigen Beschränkungen anzuordnen, die für eine einwandfreie
Überwachung notwendig sind. Schreiben, von denen eine Beeinträchtigung des
Haftzweckes zu befürchten ist, sind zurückzuhalten, soweit sich nicht aus den
Bestimmungen der §§ 88, 90a bis 90b und 96a des Strafvollzugsgesetzes über
den schriftlichen Verkehr mit Behörden und Rechtsbeiständen etwas anderes
ergibt. Schreiben angehaltener Beschuldigter an einen inländischen allgemeinen
Vertretungskörper, ein inländisches Gericht, eine andere inländische Behörde
oder an Organe der Europäischen Union sowie an den Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte dürfen in keinem Fall zurückgehalten werden. Für die Überwachung
des Inhalts von Telefongesprächen gilt Abs. 1 Z 2.
(3) Für die Überwachung des mündlichen und
schriftlichen Verkehrs des angehaltenen Beschuldigten mit seinem Verteidiger
gilt § 59 Abs. 2.
Zuständigkeit für Entscheidungen
§ 189. (1) Die Entscheidung darüber, mit welchen Personen angehaltene
Beschuldigte schriftlich verkehren und welche Besuche sie empfangen dürfen, die
Überwachung ihres Briefverkehrs und ihrer Besuche sowie alle übrigen
Anordnungen und Entscheidungen, die sich auf den Verkehr der angehaltenen
Beschuldigten mit der Außenwelt (§§ 86 bis 100 des Strafvollzugsgesetzes)
beziehen, stehen, mit Ausnahme der Überwachung der Paketsendungen, im
Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft, im Hauptverfahren dem Gericht zu.
Von der Überwachung des Brief- und Telefonverkehrs darf nur insoweit abgesehen
werden, als davon keine Beeinträchtigung des Haftzweckes zu befürchten ist.
(2) Die Entscheidungen nach § 16
Abs. 2 Z. 2, 4 und 5 des Strafvollzugsgesetzes stehen dem für die
Entscheidung über die Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft
zuständigen Gericht zu.
(3) Im Übrigen stehen alle Anordnungen und
Entscheidungen hinsichtlich der Anhaltung in Untersuchungshaft dem Anstaltsleiter
oder dem von diesem dazu bestellten Vollzugsbediensteten zu. Vor jeder
Entscheidung nach den §§ 185 Abs. 2, 186 Abs. 2 und 187
Abs. 1 ist im Ermittlungsverfahren die Staatsanwaltschaft, nach
Einbringung der Anklage das Gericht zu hören. Ordnungswidrigkeiten, die von angehaltenen
Beschuldigten begangen wurden, sind der Staatsanwaltschaft und dem Gericht
mitzuteilen. Das gleiche gilt von Vorfällen, von denen eine Beeinträchtigung
der Haftzwecke zu befürchten ist.
3. TEIL
Beendigung des Ermittlungsverfahrens
10. Hauptstück
Einstellung, Abbrechung und
Fortführung des Ermittlungsverfahrens
Einstellung des Ermittlungsverfahrens
§ 190. Die Staatsanwaltschaft hat von der
Verfolgung einer Straftat abzusehen und das Ermittlungsverfahren insoweit
einzustellen, als
1. die dem Ermittlungsverfahren zu Grunde liegende
Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist oder sonst die weitere Verfolgung
des Beschuldigten aus rechtlichen Gründen unzulässig wäre oder
2. kein tatsächlicher Grund zur weiteren
Verfolgung des Beschuldigten besteht.
Einstellung wegen Geringfügigkeit
§ 191. Von der Verfolgung einer Straftat, die nur mit Geldstrafe oder mit
einer Freiheitsstrafe bedroht ist, deren Höchstmaß drei Jahre nicht übersteigt,
hat die Staatsanwaltschaft abzusehen und das Ermittlungsverfahren einzustellen,
wenn
1. in Abwägung der Schuld, der Folgen der Tat und
des Verhaltens des Beschuldigten nach der Tat, insbesondere im Hinblick auf
eine allfällige Schadensgutmachung, sowie weiterer Umstände, die auf die
Strafbemessung Einfluss hätten, der Störwert der Tat als gering anzusehen wäre
und
2. eine Bestrafung oder ein Vorgehen nach dem 11.
Hauptstück nicht geboten erscheint, um den Beschuldigten von der Begehung
strafbarer Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch
andere entgegen zu wirken.
Einstellung bei mehreren Straftaten
§ 192. (1) Von der Verfolgung einzelner Straftaten kann die
Staatsanwaltschaft endgültig oder unter Vorbehalt späterer Verfolgung absehen
und das Ermittlungsverfahren insoweit einstellen, wenn dem Beschuldigten
mehrere Straftaten zur Last liegen und
1. dies voraussichtlich weder auf die Strafen oder
vorbeugenden Maßnahmen, auf die mit der Verurteilung verbundenen Rechtsfolgen
noch auf diversionelle Maßnahmen wesentlichen Einfluss hat oder
2. der Beschuldigte schon im Ausland für die ihm
zur Last liegende Straftat bestraft oder dort nach Diversion außer Verfolgung
gesetzt worden ist und nicht anzunehmen ist, dass das inländische Gericht eine
strengere Strafe verhängen werde oder er wegen Begehung anderer strafbarer Handlungen
an einen anderen Staat ausgeliefert wird und die im Inland zu erwartenden
Strafen oder vorbeugenden Maßnahmen gegenüber jenen, auf die voraussichtlich im
Ausland erkannt werden wird, nicht ins Gewicht fallen.
(2) Eine nach Abs. 1 vorbehaltene
Verfolgung kann innerhalb dreier Monate nach rechtskräftigem Abschluss des
inländischen oder innerhalb eines Jahres nach rechtskräftigem Abschluss des
ausländischen Strafverfahrens wieder aufgenommen werden. Ein abermaliger
Vorbehalt wegen einzelner Straftaten ist sodann unzulässig.
Fortführung des Verfahrens
§ 193. (1) Nach der Einstellung des Verfahrens sind weitere Ermittlungen
gegen den Beschuldigten zu unterlassen; erforderlichenfalls hat die
Staatsanwaltschaft seine Freilassung anzuordnen. Sofern jedoch für eine
Entscheidung über die Fortführung des Verfahrens bestimmte Ermittlungen oder
Beweisaufnahmen erforderlich sind, kann die Staatsanwaltschaft solche im
Einzelnen anordnen oder durchführen.
(2) Die Fortführung eines nach den §§ 190
oder 191 beendeten Ermittlungsverfahrens kann die Staatsanwaltschaft anordnen,
solange die Strafbarkeit der Tat nicht verjährt ist und wenn
1. der Beschuldigte wegen dieser Tat nicht
vernommen (§§ 164, 165) und kein Zwang gegen ihn ausgeübt wurde oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel entstehen oder
bekannt werden, die für sich allein oder im Zusammenhalt mit übrigen
Verfahrensergebnissen geeignet erscheinen, die Bestrafung des Beschuldigten
oder ein Vorgehen nach dem 11. Hauptstück zu begründen.
(3) Die Fortführung eines nach § 192
beendeten Ermittlungsverfahrens kann die Staatsanwaltschaft anordnen, wenn sie
sich die spätere Verfolgung vorbehalten hat (§ 192 Abs. 2) oder die
Voraussetzungen des Abs. 2 Z 2 vorliegen.
Verständigungen
§ 194. Von der Einstellung und der Fortführung des Verfahrens hat die
Staatsanwaltschaft die Kriminalpolizei, den Beschuldigten, das Opfer und,
sofern es mit dem Verfahren befasst war, das Gericht zu verständigen. Die
Verständigung des Beschuldigten, des Opfers und der Kriminalpolizei von der
Einstellung des Verfahrens hat einen Hinweis darauf, dass die Tat nicht als
erwiesen angenommen worden ist oder welche anderen Gründe für die Entscheidung
maßgebend waren, und gegebenenfalls den Vorbehalt späterer Verfolgung
(§ 192 Abs. 2) zu enthalten; das Opfer ist überdies im Sinne des
§ 195 zu informieren.
Antrag auf Fortführung
§ 195. (1) Opfer (§ 65) und andere Personen, die an der
Strafverfolgung sonst ein rechtliches Interesse haben könnten, sind berechtigt,
die Fortführung eines nach den §§ 190 bis 192 beendeten Ermittlungsverfahrens
durch die Staatsanwaltschaft zu begehren, wenn die Voraussetzungen für eine
Beendigung des Verfahrens nicht vorlagen oder neue Tatsachen oder Beweismittel
beigebracht werden, die für sich allein oder im Zusammenhalt mit übrigen
Verfahrensergebnissen geeignet erscheinen, die Bestrafung des Beschuldigten oder
ein Vorgehen nach dem 11. Hauptstück zu begründen.
(2) Ein Antrag nach Abs.1 ist binnen vierzehn
Tagen nach Verständigung von der Einstellung (§ 194), jedenfalls aber innerhalb
von sechs Monaten ab der Einstellung des Verfahrens bei der Staatsanwaltschaft
einzubringen. Der Antrag hat die Straftat zu bezeichnen und eine Begründung zu
enthalten.
(3) Die Staatsanwaltschaft hat den Antrag,
sofern sie nicht die Fortführung des Verfahrens anordnet (§ 193), mit dem
Akt und einer allfälligen Stellungnahme im Wege der Oberstaatsanwaltschaft dem
Oberlandesgericht zu übermitteln.
Entscheidung des Oberlandesgerichts
§ 196. (1) Das Oberlandesgericht hat über den Antrag in nicht öffentlicher
Sitzung zu entscheiden; gegen seine Entscheidung steht ein Rechtsmittel nicht
zu.
(2) Verspätete Anträge und solche, die von
einer nicht berechtigten Person eingebracht wurden (§ 195 Abs. 1 und
2) oder über die bereits rechtskräftig entschieden wurde (Abs. 1), hat das
Oberlandesgericht als unzulässig zurückzuweisen.
(3) Im Übrigen hat das Oberlandesgericht in der
Sache zu entscheiden. Zuvor hat es dem Beschuldigten und zu jeder Stellungnahme
der Staatsanwaltschaft dem Antragsteller Gelegenheit zur Äußerung binnen
angemessener Frist einzuräumen. Vor seiner Entscheidung kann es die Kriminalpolizei
mit bestimmten Ermittlungen beauftragen. Gegebenenfalls hat es nach § 107
Abs. 2 vorzugehen. Gibt das Oberlandesgericht
dem Antrag statt, so hat die Staatsanwaltschaft die Fortführung des Verfahrens
anzuordnen.
Abbrechung des Ermittlungsverfahrens
gegen Abwesende und gegen unbekannte
Täter
§ 197. (1) Wenn der Beschuldigte flüchtig oder unbekannten Aufenthalts
ist, ist das Ermittlungsverfahren soweit fortzuführen, als dies zur Sicherung
von Spuren und Beweisen erforderlich ist. Ermittlungshandlungen und
Beweisaufnahmen, bei denen der Beschuldigte das Recht hat, sich zu beteiligen
(§§ 150, 165), können in diesem Fall auch in seiner Abwesenheit
durchgeführt werden. Der Beschuldigte kann zur Ermittlung seines Aufenthalts
oder zur Festnahme ausgeschrieben werden. Danach hat die Staatsanwaltschaft das
Verfahren abzubrechen und nach Ausforschung des Beschuldigten fortzusetzen.
(2) In Verfahren gegen unbekannte Täter ist
Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
(3) Von der Abbrechung des Verfahrens gegen
einen bekannten Täter und von der Fortsetzung oder Einleitung des Verfahrens
nach Ausforschung des Beschuldigten sind die Kriminalpolizei und das Opfer zu
verständigen.
11. Hauptstück
Rücktritt von Verfolgung (Diversion)
Allgemeines
§ 198. (1) Die Staatsanwaltschaft hat nach
diesem Hauptstück vorzugehen und von Verfolgung einer Straftat zurückzutreten,
wenn auf Grund hinreichend geklärten Sachverhalts feststeht, dass eine Einstellung
des Verfahrens nach den §§ 190 bis 192 nicht in Betracht kommt, eine
Bestrafung jedoch im Hinblick auf
1. die Zahlung eines Geldbetrages (§ 200)
oder
2. die Erbringung gemeinnütziger Leistungen
(§ 201) oder
3. die Bestimmung einer Probezeit, in Verbindung
mit Bewährungshilfe und der Erfüllung von Pflichten (§ 203), oder
4. einen Tatausgleich (§ 204)
nicht geboten erscheint, um den
Beschuldigten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten oder der
Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.
(2) Ein Vorgehen nach diesem Hauptstück ist
jedoch nur zulässig, wenn
1. die Straftat nicht in die Zuständigkeit des
Landesgerichts als Schöffen- oder Geschworenengericht fällt,
2. die Schuld des Beschuldigten nicht als schwer
(§ 32 StGB) anzusehen wäre und
3. die Tat nicht den Tod eines Menschen zur Folge
gehabt hat.
§ 199. Nach Einbringen der Anklage wegen
Begehung einer strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist, hat
das Gericht die für die Staatsanwaltschaft geltenden Bestimmungen dieses
Hauptstückes sinngemäß anzuwenden und das Verfahren unter den für die
Staatsanwaltschaft geltenden Voraussetzungen bis zum Schluss der
Hauptverhandlung mit Beschluss einzustellen.
Zahlung eines Geldbetrages
§ 200. (1) Unter den Voraussetzungen des § 198 kann die
Staatsanwaltschaft von der Verfolgung einer Straftat zurücktreten, wenn der
Beschuldigte einen Geldbetrag zu Gunsten des Bundes entrichtet.
(2) Der Geldbetrag darf den Betrag nicht
übersteigen, der einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zuzüglich der im Fall
einer Verurteilung zu ersetzenden Kosten des Strafverfahrens (§§ 389
Abs. 2 und 3, 391 Abs. 1) entspricht. Er ist innerhalb von 14 Tagen
nach Zustellung der Mitteilung nach Abs. 4 zu bezahlen. Sofern dies den
Beschuldigten unbillig hart träfe, kann ihm jedoch ein Zahlungsaufschub für
längstens sechs Monate gewährt oder die Zahlung von Teilbeträgen innerhalb
dieses Zeitraums gestattet werden.
(3) Soweit nicht aus besonderen Gründen darauf
verzichtet werden kann, ist der Rücktritt von Verfolgung nach Zahlung eines
Geldbetrages überdies davon abhängig zu machen, dass der Beschuldigte binnen
einer zu bestimmenden Frist von höchstens sechs Monaten den aus der Tat
entstandenen Schaden gutmacht und dies unverzüglich nachweist.
(4) Die Staatsanwaltschaft hat dem
Beschuldigten mitzuteilen, dass Anklage gegen ihn wegen einer bestimmten
Straftat beabsichtigt sei, aber unterbleiben werde, wenn er einen festgesetzten
Geldbetrag und gegebenenfalls Schadensgutmachung in bestimmter Höhe leiste. Des
weiteren hat die Staatsanwaltschaft den Beschuldigten im Sinne des § 207
sowie über die Möglichkeit eines Zahlungsaufschubs (Abs. 2) zu
informieren, soweit sie ihm einen solchen nicht von Amts wegen in Aussicht
stellt.
(5) Nach Leistung des Geldbetrages und allfälliger
Schadensgutmachung hat die Staatsanwaltschaft von Verfolgung zurückzutreten,
sofern das Verfahren nicht gemäß § 205 nachträglich fortsetzen ist.
Gemeinnützige Leistungen
§ 201. (1) Unter den Voraussetzungen des
§ 198 kann die Staatsanwaltschaft von Verfolgung einer Straftat vorläufig
zurücktreten, wenn sich der Beschuldigte ausdrücklich bereit erklärt hat,
innerhalb einer zu bestimmenden Frist von höchstens sechs Monaten unentgeltlich
gemeinnützige Leistungen zu erbringen.
(2) Gemeinnützige Leistungen sollen die
Bereitschaft des Beschuldigten zum Ausdruck bringen, für die Tat einzustehen.
Sie sind in der Freizeit bei einer geeigneten Einrichtung zu erbringen, mit der
das Einvernehmen herzustellen ist.
(3) Soweit nicht aus besonderen Gründen darauf
verzichtet werden kann, ist der Rücktritt von Verfolgung nach
gemeinnützigen Leistungen überdies davon abhängig zu machen, dass der
Beschuldigte binnen einer zu bestimmenden Frist von höchstens sechs Monaten den
aus der Tat entstandenen Schaden gutmacht oder sonst zum Ausgleich der Folgen
der Tat beiträgt und dies unverzüglich nachweist.
(4) Die Staatsanwaltschaft hat dem
Beschuldigten mitzuteilen, dass Anklage gegen ihn wegen einer bestimmten
Straftat beabsichtigt sei, aber vorläufig unterbleiben werde, wenn er sich
bereit erklärt, binnen bestimmter Frist gemeinnützige Leistungen in nach Art
und Ausmaß bestimmter Weise zu erbringen und gegebenenfalls Tatfolgenausgleich
zu leisten. Die Staatsanwaltschaft hat den Beschuldigten dabei im Sinne des
§ 207 zu informieren; sie kann auch eine in der Sozialarbeit
erfahrene Person um die Erteilung dieser Informationen sowie darum ersuchen,
die gemeinnützigen Leistungen zu vermitteln (§ 29b des
Bewährungshilfegesetzes). Die Einrichtung (Abs. 2) hat dem Beschuldigten
oder dem Sozialarbeiter eine Bestätigung über die erbrachten Leistungen
auszustellen, die unverzüglich vorzulegen ist.
(5) Nach Erbringung der gemeinnützigen
Leistungen und allfälligem Tatfolgenausgleich hat die Staatsanwaltschaft von
Verfolgung endgültig zurückzutreten, sofern das Verfahren nicht gemäß
§ 205 nachträglich fortzusetzen ist.
§ 202. (1) Gemeinnützige Leistungen dürfen
täglich nicht mehr als acht Stunden, wöchentlich nicht mehr als 40 Stunden und
insgesamt nicht mehr als 240 Stunden in Anspruch nehmen; auf eine gleichzeitige
Aus- und Fortbildung oder eine Berufstätigkeit des Beschuldigten ist Bedacht zu
nehmen. Gemeinnützige Leistungen, die einen unzumutbaren Eingriff in die
Persönlichkeitsrechte oder in die Lebensführung des Beschuldigten darstellen
würden, sind unzulässig.
(2) Die Leiter der Staatsanwaltschaften haben
jeweils eine Liste von Einrichtungen, die für die Erbringung gemeinnütziger
Leistungen geeignet sind, zu führen und erforderlichenfalls zu ergänzen. In diese
Liste ist auf Verlangen jedermann Einsicht zu gewähren.
(3) Fügt der Beschuldigte bei der Erbringung
gemeinnütziger Leistungen der Einrichtung oder deren Träger einen Schaden zu,
so ist auf seine Ersatzpflicht das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz, BGBl. Nr. 80/1965,
sinngemäß anzuwenden. Fügt der Beschuldigte einem Dritten einen Schaden zu, so
haftet dafür neben ihm auch der Bund nach den Bestimmungen des bürgerlichen
Rechts. Die Einrichtung oder deren Träger haftet in diesem Fall dem
Geschädigten nicht.
(4) Der Bund hat den Schaden nur in Geld zu
ersetzen. Von der Einrichtung, bei der die gemeinnützigen Leistungen erbracht
wurden, oder deren Träger kann er Rückersatz begehren, insoweit diesen oder
ihren Organen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit, insbesondere durch
Vernachlässigung der Aufsicht oder Anleitung, zur Last fällt. Auf das
Verhältnis zwischen dem Bund und dem Beschuldigten ist das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz,
BGBl. Nr. 80/1965, sinngemäß anzuwenden.
(5) Erleidet der Beschuldigte bei Erbringung gemeinnütziger
Leistungen einen Unfall oder eine Krankheit, so gelten die Bestimmungen der
§§ 76 bis 84 des Strafvollzugsgesetzes dem Sinne nach.
Probezeit
§ 203. (1) Unter den Voraussetzungen des
§ 198 kann die Staatsanwaltschaft von Verfolgung einer Straftat unter
Bestimmung einer Probezeit von einem Jahr bis zu zwei Jahren vorläufig
zurücktreten. Der Lauf der Probezeit beginnt mit der Zustellung der
Verständigung über den vorläufigen Rücktritt von Verfolgung.
(2) Soweit nicht aus besonderen Gründen darauf verzichtet
werden kann, ist der vorläufige Rücktritt von Verfolgung überdies davon
abhängig zu machen, dass sich der Beschuldigte ausdrücklich bereit erklärt,
während der Probezeit bestimmte Pflichten zu erfüllen, die als Weisungen
(§ 51 StGB) erteilt werden könnten, und sich durch einen Bewährungshelfer
(§ 52 StGB) betreuen zu lassen. Dabei kommt insbesondere die Pflicht in
Betracht, den entstandenen Schaden nach Kräften gutzumachen oder sonst zum
Ausgleich der Folgen der Tat beizutragen.
(3) Die Staatsanwaltschaft hat dem
Beschuldigten mitzuteilen, dass Anklage gegen ihn wegen einer bestimmten
Straftat für eine bestimmte Probezeit vorläufig unterbleibe, und ihn im Sinne
des § 207 zu informieren. Gegebenenfalls hat die Staatsanwaltschaft
dem Beschuldigten mitzuteilen, dass dieser vorläufige Rücktritt von Verfolgung
voraussetze, dass er sich ausdrücklich bereit erklärt, bestimmte Pflichten auf
sich zu nehmen und sich von einem Bewährungshelfer betreuen zu lassen
(Abs. 2). In diesem Fall kann die Staatsanwaltschaft auch eine in der
Sozialarbeit erfahrene Person um die Erteilung dieser Informationen sowie darum
ersuchen, den Beschuldigten bei der Erfüllung solcher Pflichten zu betreuen
(§ 29b des Bewährungshilfegesetzes).
(4) Nach Ablauf der Probezeit und Erfüllung
allfälliger Pflichten hat die Staatsanwaltschaft von Verfolgung endgültig
zurückzutreten, sofern das Verfahren nicht gemäß § 205 nachträglich
fortzusetzen ist.
Tatausgleich
§ 204. (1) Unter den Voraussetzungen des
§ 198 kann die Staatsanwaltschaft von Verfolgung einer Straftat
zurücktreten, wenn durch die Tat Rechtsgüter einer Person unmittelbar
beeinträchtigt sein könnten und der Beschuldigte bereit ist, für die Tat
einzustehen und sich mit deren Ursachen auseinander zu setzen, wenn er
allfällige Folgen der Tat auf eine den Umständen nach geeignete Weise
ausgleicht, insbesondere dadurch, dass er aus der Tat entstandenen Schaden
gutmacht oder sonst zum Ausgleich der Folgen der Tat beiträgt, und wenn er
erforderlichenfalls Verpflichtungen eingeht, die seine Bereitschaft bekunden,
Verhaltensweisen, die zur Tat geführt haben, künftig zu unterlassen.
(2) Das Opfer ist in Bemühungen um einen
Tatausgleich einzubeziehen, soweit er dazu bereit ist. Das Zustandekommen eines
Ausgleichs ist von seiner Zustimmung abhängig, es sei denn, dass es diese aus
Gründen nicht erteilt, die im Strafverfahren nicht berücksichtigungswürdig
sind. Seine berechtigten Interessen sind jedenfalls zu berücksichtigen
(§ 206).
(3) Die Staatsanwaltschaft kann einen
Konfliktregler ersuchen, das Opfer und den Beschuldigten über die Möglichkeit
eines Tatausgleichs sowie im Sinne der §§ 206 und 207 zu informieren und
bei ihren Bemühungen um einen solchen Ausgleich anzuleiten und zu unterstützen
(§ 29a des Bewährungshilfegesetzes).
(4) Der Konfliktregler hat der
Staatsanwaltschaft über Ausgleichsvereinbarungen zu berichten und deren
Erfüllung zu überprüfen. Einen abschließenden Bericht hat er zu erstatten, wenn
der Beschuldigte seinen Verpflichtungen zumindest soweit nachgekommen ist, dass
unter Berücksichtigung seines übrigen Verhaltens angenommen werden kann, er
werde die Vereinbarungen weiter einhalten, oder wenn nicht mehr zu erwarten
ist, dass ein Ausgleich zustande kommt.
Nachträgliche Fortsetzung des
Strafverfahrens
§ 205. (1) Nach einem nicht bloß vorläufigen
Rücktritt von Verfolgung des Beschuldigten nach diesem Hauptstück (§§ 200
Abs. 5, 201 Abs. 5, 203 Abs. 4 und 204 Abs. 1) ist eine
Fortsetzung des Strafverfahrens nur unter den Voraussetzungen der ordentlichen
Wiederaufnahme zulässig. Vor einem solchen Rücktritt ist das Strafverfahren
jedenfalls dann fortzusetzen, wenn der Beschuldigte dies verlangt.
(2) Hat die Staatsanwaltschaft dem
Beschuldigten vorgeschlagen, einen Geldbetrag zu bezahlen (§ 200
Abs. 4), gemeinnützige Leistungen zu erbringen (§ 201 Abs. 4)
oder eine Probezeit und allfällige Pflichten auf sich zu nehmen (§ 203
Abs. 3), oder ist die Staatsanwaltschaft von Verfolgung der Straftat
vorläufig zurückgetreten (§§ 201 Abs. 1, 203 Abs. 1), so hat sie
das Strafverfahren fortzusetzen, wenn
1. der Beschuldigte den Geldbetrag samt
allfälliger Schadensgutmachung oder die gemeinnützigen Leistungen samt
allfälligem Tatfolgenausgleich nicht vollständig oder nicht rechtzeitig zahlt
oder erbringt,
2. der Beschuldigte übernommene Pflichten nicht
hinreichend erfüllt oder sich beharrlich dem Einfluss des Bewährungshelfers
entzieht oder
3. gegen den Beschuldigten vor Ablauf der
Probezeit wegen einer anderen Straftat ein Strafverfahren
eingeleitet wird. In diesem Fall ist die nachträgliche Fortsetzung des
Verfahrens zulässig, sobald gegen den Beschuldigten wegen der neuen oder neu
hervorgekommenen Straftat Anklage eingebracht wird, und zwar auch
noch während dreier Monate nach dem Einbringen, selbst wenn inzwischen die
Probezeit abgelaufen ist. Das nachträglich fortgesetzte Strafverfahren ist
jedoch nach Maßgabe der übrigen Voraussetzungen zu beenden, wenn das neue
Strafverfahren auf andere Weise als durch einen Schuldspruch beendet wird.
(3) Von der Fortsetzung des Verfahrens kann
jedoch abgesehen werden, wenn dies in den Fällen des Abs. 2 Z 1 aus
besonderen Gründen vertretbar erscheint, in den Fällen des Abs. 2 Z 2
und 3 nach den Umständen nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der
Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten. Im Übrigen ist die Fortsetzung des
Verfahrens in den im Abs. 2 angeführten Fällen außer unter den in Z 1
bis 3 angeführten Voraussetzungen nur zulässig, wenn der Beschuldigte den dort
erwähnten Vorschlag der Staatsanwaltschaft nicht annimmt.
(4) Wenn der Beschuldigte den Geldbetrag nicht
vollständig oder nicht rechtzeitig zahlen oder den übernommenen Verpflichtungen
nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkommen kann, weil ihn dies wegen
einer erheblichen Änderung der für die Höhe des Geldbetrages oder die Art oder
den Umfang der Verpflichtungen maßgeblichen Umstände unbillig hart träfe, so
kann die Staatsanwaltschaft die Höhe des Geldbetrages oder die Verpflichtung
angemessen ändern.
(5) Verpflichtungen, die der Beschuldigte
übernommen, und Zahlungen, zu denen er sich bereit erklärt hat, werden mit der
nachträglichen Fortsetzung des Verfahrens gegenstandslos. Die Bewährungshilfe
endet; § 179 bleibt jedoch unberührt. Geldbeträge, die der Beschuldigte
geleistet hat (§ 200), sind auf eine nicht bedingt nachgesehene Geldstrafe
unter sinngemäßer Anwendung des § 38 Abs. 1 Z 1 StGB
anzurechnen; im Übrigen sind sie zurückzuzahlen. Andere Leistungen sind nicht
zu ersetzen, im Fall einer Verurteilung jedoch gleichfalls angemessen auf die
Strafe anzurechnen. Dabei sind insbesondere Art und Dauer der Leistung zu
berücksichtigen.
Rechte und Interessen der Opfer
§ 206. (1) Bei einem Vorgehen nach diesem
Hauptstück sind stets die Interessen des Opfers zu prüfen und im größtmöglichen
Ausmaß zu fördern. Das Opfer hat das Recht, eine Vertrauensperson beizuziehen.
Es ist jedenfalls so bald wie möglich umfassend über seine Rechte und über
geeignete Opferschutzeinrichtungen zu informieren. Wenn noch keine volle
Schadensgutmachung erfolgt ist oder dies zur Wahrung seiner Interessen sonst
geboten erscheint, ist dem Opfer vor einem Rücktritt von der Verfolgung
Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(2) Das Opfer ist jedenfalls zu verständigen,
wenn sich der Beschuldigte bereit erklärt, aus der Tat entstandenen Schaden
gutzumachen oder sonst zum Ausgleich der Folgen der Tat beizutragen. Gleiches
gilt für den Fall, dass der Beschuldigte eine Pflicht übernimmt, welche die
Interessen des Geschädigten unmittelbar berührt.
Information des Beschuldigten
§ 207. Bei einem Vorgehen nach diesem Hauptstück
ist der Beschuldigte eingehend über seine Rechte zu informieren, insbesondere
über die Voraussetzungen für einen Rücktritt von Verfolgung, über das
Erfordernis seiner Zustimmung, über seine Möglichkeit, eine Fortsetzung des
Verfahrens zu verlangen, über die sonstigen Umstände, die eine Fortsetzung des
Verfahrens bewirken können (§ 205 Abs. 2) und über die Notwendigkeit
eines Pauschalkostenbeitrags (§ 388).
Gemeinsame Bestimmungen
§ 208. (1) Um die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach diesem Hauptstück
abzuklären, kann der Staatsanwalt den Leiter der zuständigen Dienst- oder
Geschäftsstelle für den außergerichtlichen Tatausgleich ersuchen, mit dem
Opfer, mit dem Beschuldigten und gegebenenfalls auch mit jener Einrichtung, bei
der gemeinnützige Leistungen zu erbringen oder eine Schulung oder ein Kurs zu
besuchen wären, Verbindung aufzunehmen und sich dazu zu äußern, ob die Zahlung
eines Geldbetrages, die Erbringung gemeinnütziger Leistungen, die Bestimmung
einer Probezeit, die Übernahme bestimmter Pflichten, die Betreuung durch einen
Bewährungshelfer oder ein außergerichtlicher Tatausgleich zweckmäßig wäre.
(2) Auf begründeten Antrag des Beschuldigten
kann ein nach § 200 festgesetzter Geldbetrag niedriger bemessen oder das
gestellte Anbot geändert werden, wenn neu hervorgekommene oder nachträglich
eingetretene Umstände ein solches Vorgehen erfordern.
(3) Die Probezeit nach § 203 Abs. 1
sowie die Fristen zur Zahlung eines Geldbetrages samt allfälliger
Schadensgutmachung und zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen samt
allfälligem Tatfolgenausgleich (§§ 200 Abs. 2 und 3, 201 Abs. 1
und 3) werden in die Verjährungszeit nicht eingerechnet (§ 58 Abs. 3
StGB). Gleiches gilt für die Zeit von der Stellung eines Ersuchens der
Staatsanwaltschaft gemäß § 204 Abs. 3 bis zur Mitteilung des
Konfliktreglers über die Ausgleichsvereinbarungen und ihre Erfüllung
(§ 204 Abs. 4).
(4) Vom Rücktritt von Verfolgung hat die
Staatsanwaltschaft die Kriminalpolizei, den Beschuldigten, das Opfer und,
sofern es mit dem Verfahren befasst war, das Gericht zu verständigen. Hat das
Gericht das Verfahren gemäß § 199 eingestellt, obliegen die
Verständigungen diesem. In der Verständigung sind die maßgebenden Umstände für
die Erledigung in Schlagworten darzustellen.
§ 209. (1) Die Staatsanwaltschaft kann nach
diesem Hauptstück von Verfolgung zurücktreten, solange sie noch nicht Anklage
eingebracht hat. Danach hat sie bei Gericht zu beantragen, das Verfahren einzustellen
(§ 199).
(2) Gerichtliche Beschlüsse nach diesem
Hauptstück sind in der Hauptverhandlung vom erkennenden Gericht, sonst vom
Vorsitzenden, in der Hauptverhandlung vor dem Geschworenengericht jedoch vom
Schwurgerichtshof zu fassen. Bevor das Gericht dem Beschuldigten eine
Mitteilung nach den §§ 200 Abs. 4, 201 Abs. 4, 203 Abs. 3
oder einen Beschluss, mit dem das Verfahren eingestellt wird, zustellt, hat es
die Staatsanwaltschaft zu hören. Gegen einen solchen Beschluss steht nur
der Staatsanwaltschaft Beschwerde zu; dem Beschuldigten ist dieser Beschluss
erst dann zuzustellen, wenn er der Staatsanwaltschaft gegenüber in Rechtskraft
erwachsen ist.
(3) Solange über eine Beschwerde gegen einen
Beschluss, mit dem ein Antrag auf Einstellung des Strafverfahrens nach diesem
Hauptstück abgewiesen wurde, noch nicht entschieden wurde, ist die Durchführung
einer Hauptverhandlung nicht zulässig. Eine Beschwerde gegen die nachträgliche
Fortsetzung des Strafverfahrens hat aufschiebende Wirkung.
4. TEIL
Haupt- und Rechtsmittelverfahren
12. Hauptstück
Die Anklage
1. Abschnitt
Allgemeines
Die Anklage
§ 210. (1) Wenn auf Grund ausreichend
geklärten Sachverhalts eine Verurteilung nahe liegt und kein Grund für die
Einstellung des Verfahrens oder den Rücktritt von Verfolgung vorliegt, hat die
Staatsanwaltschaft bei dem für das Hauptverfahren zuständigen Gericht Anklage
einzubringen; beim Landesgericht als Geschworenen- oder Schöffengericht mit
Anklageschrift, beim Landesgericht als Einzelrichter und beim Bezirksgericht
mit Strafantrag.
(2) Durch das Einbringen der Anklage beginnt
das Hauptverfahren, dessen Leitung dem Gericht obliegt. Die Staatsanwaltschaft
wird zur Beteiligten des Verfahrens.
(3) Die Festnahme des Beschuldigten ist auf
Antrag der Staatsanwaltschaft vom Gericht anzuordnen, auch andere Zwangsmittel
und Beweisaufnahmen, die im Ermittlungsverfahren einer Anordnung oder
Genehmigung der Staatsanwaltschaft bedürfen, sind nach Einbringen der Anklage
durch das Gericht anzuordnen oder zu bewilligen. Die Durchführung obliegt
weiterhin der Kriminalpolizei; Berichte und Verständigungen hat sie an das
Gericht zu richten. Anträge auf Einstellung des Verfahrens (§ 108) sind
nach dem Einbringen der Anklage nicht mehr zulässig, bereits eingebrachte
werden gegenstandslos.
(4) Außerhalb der Hauptverhandlung bestimmt
sich die Zuständigkeit des Landesgerichts als Geschworenen- oder
Schöffengericht nach § 32 Abs. 3.
2. Abschnitt
Die Anklageschrift
Inhalt der Anklageschrift
§ 211. (1) Die Anklageschrift hat anzuführen:
1. den Namen des Angeklagten sowie weitere Angaben
zur Person,
2. Zeit, Ort und die näheren Umstände der Begehung
der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat und die gesetzliche Bezeichnung der
durch sie verwirklichten strafbaren Handlung,
3. die übrigen anzuwendenden Strafgesetze.
(2) In der Anklageschrift hat die
Staatsanwaltschaft ihre Anträge für das Hauptverfahren zu stellen und dabei
insbesondere auch die Beweise anzuführen, die im Hauptverfahren aufgenommen
werden sollen; die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ist
erforderlichenfalls zu begründen. Schließlich ist der Sachverhalt nach den Ergebnissen
des Ermittlungsverfahrens zusammenzufassen und zu beurteilen.
Einspruch gegen die Anklageschrift
§ 212. Gegen die Anklageschrift steht dem
Angeklagten Einspruch zu, wenn
1. die zur Last gelegte Tat nicht mit
gerichtlicher Strafe bedroht ist oder sonst ein Grund vorliegt, der die
Verurteilung des Angeklagten aus rechtlichen Gründen ausschließt,
2. Dringlichkeit und Gewicht des Tatverdachts
trotz hinreichend geklärten Sachverhalts nicht ausreichen, um eine Verurteilung
des Angeklagten auch nur für möglich zu halten und von weiteren Ermittlungen
eine Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten ist,
3. der Sachverhalt nicht soweit geklärt ist, dass
eine Verurteilung des Angeklagten nahe liegt,
4. die Anklageschrift sonst an wesentlichen
formellen Mängeln leidet (§ 211)
5. die Anklageschrift ein für die angeklagte
Straftat sachlich nicht zuständiges Gericht anruft,
6. die Anklageschrift ein örtlich nicht
zuständiges Gericht anruft oder
7. der nach dem Gesetz erforderliche Antrag eines
hiezu Berechtigten fehlt.
§ 213. (1) Das Gericht hat die Anklageschrift dem Angeklagten zuzustellen.
(2) Der Angeklagte hat das Recht, gegen die
Anklageschrift binnen 14 Tagen Einspruch bei Gericht zu erheben. Darüber ist er
ebenso zu informieren wie über die seine Verteidigung betreffenden Vorschriften.
(3) Befindet sich der Angeklagte zum Zeitpunkt
des Einbringens der Anklage in Haft oder wird er zugleich verhaftet, so ist die
Anklageschrift, gegebenenfalls mit der Anordnung der Festnahme (§ 171
Abs. 1 und 2), sogleich ihm auszufolgen und seinem Verteidiger
zuzustellen; die Frist zur Erhebung des Einspruchs richtet sich in diesem Fall
nach der zuletzt bewirkten Zustellung.
(4) Verzichtet der Angeklagte auf einen
Einspruch oder erhebt er einen solchen nicht fristgerecht, so hat das Gericht,
sofern es keine Bedenken gegen seine Zuständigkeit hat, mit Beschluss
festzustellen, dass die Anklageschrift rechtswirksam sei, und ohne Verzug die
Hauptverhandlung anzuordnen. § 199 bleibt unberührt.
(5) Sobald die Anklageschrift rechtswirksam
geworden ist, kann die örtliche Unzuständigkeit des Gerichts des
Hauptverfahrens nicht mehr geltend gemacht werden.
(6) Ein Einspruch ist dem Oberlandesgericht
vorzulegen. Hat das Gericht Bedenken gegen seine Zuständigkeit, so hat es diese
dem Oberlandesgericht unter Angabe der Gründe mitzuteilen, und zwar auch dann,
wenn ein Einspruch nicht erhoben wurde. Für ein solches Begehren gelten die
Vorschriften über den Einspruch sinngemäß.
Verfahren vor dem Oberlandesgericht
§ 214. (1) Das Oberlandesgericht hat der
Oberstaatsanwaltschaft Gelegenheit zu geben, sich zum Einspruch zu äußern;
§ 89 Abs. 5 letzter Satz gilt. Sodann hat es über den Einspruch in
nicht öffentlicher Sitzung zu entscheiden; gegen seine Entscheidung steht ein
Rechtsmittel nicht zu.
(2) Treffen dieselben Gründe auch auf eine
Person zu, die keinen Einspruch erhoben hat, so hat das Oberlandesgericht so
vorzugehen, als ob ein solcher Einspruch vorläge.
(3) Wird der Einspruch von einem Angeklagten
erhoben, der sich in Untersuchungshaft befindet, so hat das Oberlandesgericht
von Amts wegen über die Haft zu entscheiden. Beschließt das Oberlandesgericht
die Fortsetzung der Haft, so gilt § 174 Abs. 3 Z 1 bis 5
sinngemäß.
§ 215. (1) Verspätete Einsprüche und solche,
die von einer hiezu nicht berechtigten Person eingebracht wurden, hat das
Oberlandesgericht als unzulässig zurückzuweisen.
(2) In den Fällen des § 212 Z 1, 2
und 7 hat das Oberlandesgericht dem Einspruch Folge zu geben und das Verfahren
einzustellen.
(3) In den Fällen des § 212 Z 3 und 4
hat das Oberlandesgericht die Anklageschrift zurückzuweisen; dadurch wird
das Hauptverfahren beendet und das Ermittlungsverfahren wieder eröffnet.
(4) In den Fällen des § 212 Z 5 und 6
hat das Oberlandesgericht die Sache dem zuständigen Gericht zuzuweisen. Hält es
jedoch für möglich, dass ein im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts
liegendes Gericht zuständig sei, so legt es den Einspruch dem Obersten
Gerichtshof vor, der zunächst die Frage der Zuständigkeit zu klären hat, bevor
er die Sache dem zuständigen Oberlandesgericht zur Entscheidung über den
Einspruch übermittelt.
(5) Das Oberlandesgericht kann auch einzelne
Anklagepunkte teils auf die eine, teils auf die andere Art erledigen. Mit
seiner Begründung darf es der Entscheidung des erkennenden Gerichts in der
Hauptsache nicht vorgreifen.
(6) Liegt keiner der Fälle der Abs. 2 bis
4 vor, so hat das Oberlandesgericht den Einspruch abzuweisen und die
Rechtswirksamkeit der Anklageschrift festzustellen.“
3. Vor dem XIX. Hauptstück (§ 300)
werden die Überschriften „5. TEIL“ und „Besondere
Verfahren“ eingefügt.
4. Nach dem § 513 wird folgender 6.
Teil angefügt:
„6. TEIL
Schlussbestimmungen
In-Kraft-Treten
§ 514. Dieses Bundesgesetz tritt in der Fassung des Strafprozessreformgesetzes,
BGBl. I Nr. XX, am 1. Jänner 2008 in Kraft.
Verweisungen
§ 515. (1) Verweisungen in diesem Gesetz auf andere Rechtsvorschriften des
Bundes oder auf unmittelbar anwendbare Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft
sind als Verweisungen auf die jeweils geltende Fassung zu verstehen. Wird in
anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen verwiesen, an deren Stelle mit dem
In-Kraft-Treten des Strafprozessreformgesetzes neue Bestimmungen wirksam
werden, so sind diese Verweisungen auf die entsprechenden neuen Bestimmungen zu
beziehen.
(2) Soweit in diesem Gesetz personenbezogene
Bezeichnungen nur in männlicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf
Frauen und Männer in gleicher Weise. Bei der Anwendung auf bestimmte Personen
ist die jeweils geschlechtsspezifische Form zu verwenden.
Übergangsbestimmungen
§ 516. (1) Die durch das Strafprozessreformgesetz geänderten
Verfahrensbestimmungen dieses Bundesgesetzes sind in Strafverfahren nicht
anzuwenden, in denen vor ihrem In-Kraft-Treten das Urteil in erster Instanz
gefällt worden ist. Nach Aufhebung eines solchen Urteils ist jedoch im Sinne
der neuen Verfahrensbestimmungen vorzugehen.
(2) Zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des
Strafprozessreformgesetzes bei Gericht anhängige Anträge auf gerichtliche Vorerhebungen
sind nach den durch das Strafprozessreformgesetz aufgehobenen
Verfahrensbestimmungen zu erledigen. Voruntersuchungen werden mit dem
In-Kraft-Treten des Strafprozessreformgesetzes von Gesetzes wegen beendet. Das
Gericht hat die Akten, nachdem es die allenfalls zur Entscheidung über die
Fortsetzung der Untersuchungshaft erforderlichen Verfügungen und Entscheidungen
getroffen hat, der Staatsanwaltschaft zu übersenden. In Verfahren, die nur auf
Verlangen des Verletzten zu verfolgen sind, ist der Privatankläger vom Gericht
mit Beschluss aufzufordern, binnen angemessen festzusetzender Frist die
Anklageschrift oder einen selbstständigen Antrag auf Erlassung
vermögensrechtlicher Anordnungen nach § 445 einzubringen (§ 71
Abs. 6).
(3) An die Stelle eines Antrags auf
Strafverfolgung tritt die Ermächtigung nach § 92. Diese gilt als erteilt,
wenn ein Antrag auf Strafverfolgung gestellt wurde.
Vollziehung
§ 517. Mit der Vollziehung dieses Gesetzes ist der Bundesminister für
Justiz betraut.