Minderheitsbericht
gemäß § 42 Abs. 4 GOG
der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Mag.
Gisela Wurm, Bettina Stadlbauer, Mag. Johann Maier, Rudolf Parnigoni
zum Bericht des Justizausschusses zur
Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem die Strafprozessordnung 1975
neu gestaltet wird (Strafprozessreformgesetz) (25 d.B.)
und den Antrag der Abgeordneten Mag. Terezija
Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der Verfahrenshilfe im
Strafprozess (228 A/(E))
sowie über die Bürgerinitiative betreffend
„Rechtsanspruch auf Verfahrenshilfe für Geschädigte/Verbrechensopfer im
Strafverfahren – Strafprozessreformgesetz/Regierungs-vorlage“ (3/BI)
1. Kurzdarstellung
Die vorliegende Reform des
strafprozessualen Vorverfahrens wird von der SPÖ mit guten Gründen abgelehnt.
Die ursprüngliche Grundkonzeption über die rechtliche Gesamtverantwortung des
Staatsanwaltes für den gesamten Zeitraum des Vorverfahrens ist positiv zu
beurteilen, ÖVP und FPÖ haben in den letzten Jahren aber permanent
Verschlechterungen für die Rechtsstaatlichkeit, die Praktikabilität und den
Rechtsschutz herbei verhandelt. Die parlamentarischen Beratungen unter Vorsitz
von ÖVP-Justizsprecherin Dr. Fekter waren – bei aller Anerkennung der vielfach
ausgezeichneten Darlegungen von hochqualifizierten ExpertInnen im
Unterausschuss – höchst mangelhaft. Die Verlagerung der Weisungsspitze
gegenüber den staatsanwaltschaftlichen Behörden vom Bundesminister für Justiz
hin zu einem Bundesstaatsanwalt oder einem „neuen Generalprokurator“ wurde von
ÖVP und FPÖ abgelehnt ebenso wie die verfassungsrechtliche Verankerung der
staatsanwaltschaftlichen Behörden als Organe der Rechtspflege. Die absehbare
absolut unzureichende personelle und materielle Ausstattung der für die Reform
zuständigen Behörden macht darüber hinaus eine erfolgreiche Reform kaum
durchführbar. Die Stellung des Staatsanwaltes ist zu schwach, jene der Kriminalpolizei
zu stark und die des Untersuchungsrichters für „glamouröse Fälle“ in jeder
Hinsicht inkonsequent. Die Rechte des Beschuldigten/des potentiell Unschuldigen
und des Verteidigers sind absolut unzureichend. Beim Opferschutz ist man auf
halben Wege stecken geblieben und die Privatbeteiligtenrechte/Opferrechte
wurden nicht erfüllt. Zudem scheint die Vorlage verfassungswidrig.
2. Ursprüngliche Grundkonzeption
positiv
Unbestritten, am wenigsten von der SPÖ in
Zweifel gezogen ist die Tatsache, dass die geltende Strafprozessordnung (StPO),
die seit ihrer Wiederverlautbarung im Jahr 1975 zwar mehrfach novelliert wurde,
deren ursprüngliche auf das Jahr 1873 zurückgehende Struktur aber im
wesentlichen erhalten geblieben ist, einer grundlegenden und umfassenden Reform
bedarf.
In diesem Sinn hat die SPÖ 1998 den vom
damaligen Justizminister Dr. Nikolaus Michalek vorgelegten „Diskussionsentwurf
zur Reform des strafprozessualen Vorverfahrens“ in den Grundzügen begrüßt, wenn
auch auf einen sicher noch bestehenden Diskussionsbedarf über wichtige
Teilbereiche des Vorschlages hingewiesen wurde.
Im „Positionspapier zu einem Justizprogramm
der SPÖ“ aus dem Jänner 2000 bekennt sich die SPÖ dazu „das
Vorverfahren grundsätzlich neu zu regeln“.
Folgende Eckpunkte waren nach diesem
Programm für eine grundlegende StPO-Reform wesentlich:
Rechtliche
Gesamtverantwortung der Staatsanwaltschaft für den gesamten Zeitraum des
Vorverfahrens; Abschaffung der richterlichen Voruntersuchung und weitestgehende
Ersetzung der richterlichen durch die staatsanwaltschaftlichen Erhebungen; die
Sicherheitsbehörden sollen nicht nur faktisch, sondern auch rechtlich zuständig
sein, weitgehend selbständig im Vorverfahren zu agieren, selbstverständlich
unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft; die Festsetzung von
Verständigungspflichten der Sicherheitsbehörde gegenüber der Staatsanwaltschaft
in wichtigen Fällen.......; die Verfahrensrechte des Beschuldigten im
Vorverfahren sollen wesentlich verbessert werden, insbesondere durch den Ausbau
der Informationsrechte, der Belehrungsrechte, der Verteidigungsrechte, des
Rechtes auf Akteneinsicht sowie das Beweisantragsrecht. Grundsätzlich sollte
die Beteiligung der VerteidigerInnen an Beschuldigtenvernehmungen vorgesehen
sein...; die Rechtstellung des Opfers im Vorverfahren wäre deutlich zu
stärken,....“
Ein grundlegend neues StPO-Vorverfahren
müsste der Entwicklung Rechnung tragen, dass sich die Staatsanwaltschaft
funktionell von einer selektierenden und antragstellenden Behörde hin zu einer
z.B. im Rahmen der Diversion sanktionierenden und künftig wohl auch verstärkt
koordinierenden und die Polizei kontrollierende Behörde entwickelt (siehe dazu
auch „Positionspapier zur staatsrechtlichen Stellung der Staatsanwaltschaft in
Österreich, Dezember 2003, Vereinigung österreichischer Staatsanwälte). Für
diese grundsätzlich zu begrüßende neue Stellung der Staatsanwälte wären
allerdings flankierende Maßnehmen betreffend die Einfügung der
Staatsanwaltschaften in unsere Rechts- und Verfassungsordnung unabdingbar: Die
Weisungsspitze gegenüber den staatsanwaltschaftlichen Behörden sollte vom
Bundesminister für Justiz zu einem anderen Organ, am besten auf einen neu zu
schaffenden unabhängigen und selbst weisungsfreien Bundesstaatsanwalt
übertragen werden, welcher vom Parlament mit qualifizierter Mehrheit zu wählen
wäre. Weiters sollen die Staatsanwälte als Organe der Rechtspflege in der
Bundesverfassung verankert werden.
3. Parlamentarische Beratungen
mangelhaft
Die Vorlagen betreffend die
Strafprozessreform wurden vom Justizausschuss einem Unterausschuss zugewiesen,
welcher zwischen dem 8. April 2003 und dem 17. Februar 2004 sieben Sitzungen
abhielt, wobei de facto nur an fünf Sitzungen tatsächlich ausführlich
Gelegenheit war, Expertenmeinungen zu hören bzw. zu diskutieren.
Die Zusammensetzung des Unterausschusses
erfolgte zwischen allen vier Parlamentsfraktionen einvernehmlich und die
ExpertInnen des Ausschusses repräsentierten höchstes fachliches Niveau.
Es muss aber auch festgestellt werden, dass
die Arbeitsweise im Unterausschuss – vor allem ist dies der Vorsitzenden
ÖVP-Abgeordneter Dr. Maria-Theresia Fekter anzulasten – Anlass zu berechtigter
Kritik bietet:
Eine „Jahrhundertreform,“ wie das
Gesetzesvorhaben häufig bezeichnet wurde, was es aber letztlich nicht wurde,
hätte auch bei professionellerer Vorsitzführung nur schwer ausreichend in fünf
Sitzungen behandelt werden können.
Obwohl ursprünglich davon die Rede war,
dass zumindest bis in das Frühjahr 2004 hinein verhandelt werden soll, wurde
von den Regierungsparteien ÖVP und FPÖ plötzlich angesichts von bevorstehenden
Landtagswahlen (am 7. März 2004) ohne sachliche Rechtfertigung das Vorhaben
durchgezogen, vor dem genannten Termin alle Beschlüsse betreffend die
Strafprozessreform unter Dach und Fach zu haben.
Häufig wurde den ExpertInnen bzw. den
Abgeordneten des Unterausschusses umfangreiche Gesetzesmaterialien erst äußerst
knapp vor der Ausschusssitzung übermittelt, sodass ein ausreichend intensives
Studium der Materialien nur äußerst schwer, manchmal auch gar nicht möglich
war.
Während bei der Generaldebatte wenigstens
ein einigermaßen ausreichender Zeitraum zur Verfügung gestellt wurde, blieb
nahezu überhaupt keine Zeit für eine dringend notwendige Spezialdebatte. Außerordentlich
wichtige einzelne Bestimmungen des Gesetzesvorhabens wurden so bei weitem nicht
im erforderlichen Ausmaß diskutiert.
Zeitgleich mit der StPO-Reform steht im
Innenausschuss des Nationalrates die Polizeireform zur Debatte. Obwohl es
wesentliche inhaltliche Verknüpfungen zwischen der Polizeireform und der
StPO-Reform gäbe, wurden von den Regierungsparteien ÖVP und FPÖ ein
inhaltlicher Zusammenhang geleugnet und somit im Unterausschuss nicht behandelt
(siehe dazu auch 6.).
Auch wesentliche verfassungsrechtliche
Fragen im Zusammenhang mit der zu behandelten Materie, insbesondere die Frage
der Weisungsspitze gegenüber den staatsanwaltschaftlichen Behörden und die verfassungsrechtliche
Verankerung der Staatsanwälte in der Bundesverfassung wurden nicht im erforderlichen
Ausmaß behandelt.
Für die SPÖ liegen aufgrund der nur
beispielsweise dargelegten Umstände ausreichend Gründe vor, im Plenum des
Nationalrates einen Rückverweisungsantrag gem. §53 Abs. 6 Ziffer 2 GOG
betreffend die StPO-Reform zu stellen.
4. Bundesstaatsanwalt als
Weisungsspitze erforderlich
Die ursprünglich geplante
Strafprozessreform sollte dem Staatsanwalt eine starke Stellung im strafprozessualen
Vorverfahren einräumen, es sollte dieser die rechtliche Gesamtverantwortung für
den gesamten Zeitraum des Vorverfahrens tragen. Damit verknüpft sollte – wie
bereits erwähnt – unabdingbar sein, den staatsanwaltschaftlichen Behörden eine
neue unabhängige Weisungsspitze zu geben. In zahlreichen Ländern Europas
unterstehen die Staatsanwälte nicht dem Justizminister. Reformen der letzten
Jahre (z.B. die Einführung der Diversion) aber noch mehr die neue Stellung des
Staatsanwaltes im Vorverfahren sollten auch in Österreich zu einem Umdenken
führen.
Die SPÖ-Fraktion hat diesen Gedanken
bereits im Jahr 2000 Rechnung getragen und einen Antrag auf eine diesbezügliche
Verfassungsänderung eingebracht. Eine von der SPÖ-Fraktion im Jänner 2001 im
Parlament veranstaltete Enquete mit zahlreichen höchstqualifizierten
ExpertInnen und JuristInnen aus ganz Österreich brachte als Ergebnis, dass
viele Stimmen für die Übertragung der Weisungsspitze gegenüber den
staatsanwaltschaftlichen Behörden entweder auf den Generalprokurator eintreten,
der damit aber eine grundsätzlich neue Funktion inne hätte, oder eben auf einen
neu zu schaffenden Bundesstaatsanwalt.
Auch in dieser Gesetzgebungsperiode wurde
von den Abgeordneten Dr. Jarolim, Dr. Wittmann und GenossInnen ein Antrag
(126/A XXII. NR) „betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz
und Bestimmungen über einen weisungsfreien Bundesstaatsanwalt ergänzt wird“ eingebracht.
Eine Kernbestimmung dieses Antrages,
nämlich ein neuer Artikel 92 a B-VG sollte demnach lauten:
„Artikel 92a. (1) Die öffentliche Anklage
wird von den bei den staatsanwaltschaftlichen Behörden ernannten und ständig
tätigen Staatsanwälten wahrgenommen. Sie sind Organe der Rechtspflege.
(2) Die staatsanwaltschaftlichen Behörden
unterstehen dem Bundesstaatsanwalt. Diese ist unabhängig und weisungsfrei.
(3) Der Bundesstaatsanwalt wird aufgrund
eines Vorschlages des Hauptausschusses vom Nationalrat in Anwesenheit von
mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Drittel
der abgegebenen Stimmen gewählt. Seine Amtsdauer beträgt sechs Jahre. Eine
einmalige Wiederwahl ist zulässig.
(4) Dem Vorschlag des Hauptausschusses des
Nationalrates hat eine öffentliche Ausschreibung voranzugehen. Der
Hauptausschuss hat eine öffentliche Anhörung durchzuführen, an der Vertreter
der Richter und Staatsanwälte zu beteiligen sind. Näheres wird in der
Geschäftsordnung des Nationalrates bestimmt.
(5) Dem Nationalrat und dem Bundesrat
stehen gegenüber dem Bundesstaatsanwalt die Befugnisse nach Artikel 52 mit
Ausnahme der Befugnis, in Entschliessungen Wünsche über die Ausübung der Vollziehung
Auskunft zu geben, und Artikel 53 zu.
(6) Der Bundesstaatsanwalt ist hinsichtlich
der Verantwortlichkeit den Mitgliedern der Bundesregierung gleichgestellt.“
Eine ernsthafte Debatte über eine derartige
Neuregelung der Weisungsspitze wurde bisher von den Regierungsparteien FPÖ und
ÖVP – sowohl im Rahmen des Unterausschusses als auch im Verfassungsausschuss –
abgelehnt. Es sei klargestellt, dass es bei dem dargestellten Vorschlag um die
Unabhängigkeit der Weisungsspitze geht, nicht aber um eine Weisungsfreiheit der
einzelnen staatsanwaltschaftlichen Organe. Selbstverständlich sollen nach
Ansicht der SPÖ der behördeninterne Weisungszusammenhang im Bereich der
staatsanwaltschaftlichen Organe aufrecht erhalten bleiben. Bei maximaler
Transparenz der Weisungen – wie auch vom Europarat gefordert - scheint es nicht
erforderlich, die sogenannte „negative Weisung“ (die auf Verfahrenseinstellung
zielende Weisung) abzuschaffen.
5. Absolut unzureichende personelle
und materielle Ausstattung:
Eine Grundvoraussetzung für das Gelingen
der Strafprozessreform wäre gewesen, dass es ausreichend Personal dafür gibt,
das in der Lage ist, die Ziele der Reform umzusetzen. Nach den derzeit
gegebenen budgetären Rahmenbedingungen spricht leider vieles dafür, dass schon
aufgrund des Personalmangels es zu keiner Verbesserung der Rechtsqualität, eher
zu einer Verschlechterung kommen wird. Denn auch von den Befürworten des
Strafprozessreformgesetz wird zugestanden, dass beim gegenwärtig bzw. künftig
zu erwartenden Personalstand die Reform nicht machbar wäre.
Selbst nach der Regierungsvorlage gibt es
durch die Strafprozessreform einen Mehrbedarf von 90 Staatsanwälten, die
Entlastung durch Untersuchungsrichter beträgt nur 20, die Entlastung durch
Bezirksanwälte 5 Dienstposten, zusätzliche werden 50 nichtrichterliche
Bedienstete als Mehrbedarf gerechnet, was insgesamt 115 zusätzliche
Dienstposten bedeutet.
Die Vereinigung der Staatsanwälte spricht
aber davon, dass in Wirklichkeit rund das Doppelte des Mehrbedarfes nötig sein
würde. Dies scheint angesichts des oft herangezogenen Vergleichs mit der
Bundesrepublik Deutschland, wo ein ähnliches Vorverfahren besteht, realistisch.
Die Bundesrepublik Deutschland und Österreich weisen eine ähnliche
Kriminalitätsstruktur auf, die Einwohnerzahlen verhalten sich etwa10:1, während
sich bei der Anzahl der Staatsanwälte ein Verhältnis von mehr als 25:1 ergibt.
Es erfolgte von den Regierungsparteien im
Rahmen des Unterausschusses keine ausreichende Klarstellung über die Finanzierung
der Strafprozessreform.
6. Vollkommen unausgegoren und
widersprüchlich: Die Stellung des Staatsanwaltes, der Kriminalpolizei und des
Untersuchungsrichters
Bei den Überlegungen über eine grundlegende
Reform des strafprozessualen Vorverfahrens war von Anfang an der Kernpunkt,
dass die rechtliche Gesamtverantwortung der Staatsanwaltschaft für den gesamten
Zeitraum des Vorverfahrens gilt und die richterliche Voruntersuchung
abgeschafft wird. Insofern ist es in höchstem Maße inkonsequent, dass in der
Letztfassung der Vorlage nunmehr unter anderem aufgrund des Druckes der
FPÖ-Justizsprecherin und ehemaligen Untersuchungsrichterin Dr. Helene Partik-Pablé
von diesem Grundsatz in unsachlicher Weise abgegangen wird. In sogenannten
„glamourösen“ Fällen – dann, wenn wegen der Bedeutung der aufzuklärenden
Straftat und der Person des Tatverdächtigen ein besonderes öffentliches
Interesse besteht – hat der Staatsanwalt eine gerichtliche Beweisaufnahme zu
beantragen und dann ermittelt erst wieder der Ermittlungsrichter. Wenn die
rechtliche Gesamtverantwortung der Staatsanwaltschaft positiv zu beurteilen
ist, dann sollte dies auch dann der Fall sein, wenn eine privilegierte
Personenschicht – die glamourösen Fälle – von Ermittlungen betroffen ist.
Eine erhebliche Schwächung der
Vorverfahrensreform droht durch die vom Innenminister geplante Polizeireform
(Stichwort „Team 04“). Die Umsetzung dieser Pläne würde eine erhebliche
Schwächung der Stellung des Staatsanwaltes bedeuten, da an die Seite des
Staatsanwaltes als Träger der Leitungsbefugnis und der Sicherheitsbehörde als
Fachaufsicht noch ein weiterer Handelnder durchgehend dazukommen würde: Der
Landespolizeikommandant als Dienstaufsicht. Jeder Praktiker mit Erfahrung weiß,
dass ein Auseinanderklaffen von Fach- und Dienstaufsicht zu Reibungsverlusten
bei der Aufgabenerfüllung führen muss. Das Projekt „Team 04“ ist deshalb
insgesamt ein Unsicherheitsfaktor für die Vorverfahrensreform, dessen
Auswirkungen wohl erst abgesehen werden können, wenn ein Gesetzestext zur
Verfügung steht. Die Weigerung der Regierungsparteien, die Beratungen über die
beiden Themen zu verknüpfen, ist demnach als absolut kontraproduktiv
einzuschätzen.
Den ursprünglichen Zielsetzungen zu
widerlaufend ist auch die Tatsache, dass die Rolle der Kriminalpolizei
gegenüber den staatsanwaltschaftlichen Behörden zu stark festgelegt wurde.
Gegenüber dem ursprünglichen Diskussionsentwurf wurden die polizeilichen
Ermittlungsbefugnisse erheblich ausgebaut und es gibt mehrere Bestimmungen, in
denen das autonome kriminalpolizeiliche Handeln zu weit ausgestaltet ist.
7. Rechte des Beschuldigten / des
potentiell Unschuldigen und des Verteidigers absolut unzureichend
Das wichtigste Recht des Beschuldigten ist
das auf Akteneinsicht. Aber die Akteneinsicht kann nach § 51 Abs. 2 StPRG
beschränkt werden, wenn zu befürchten ist, „dass durch eine sofortige
Kenntnisnahme von bestimmten Aktenstücken der Zweck der Ermittlungen gefährdet
wäre“. Dass der Beschuldigte und sein Verteidiger keine volle Akteneinsicht
erhalten, wenn zu befürchten ist, der Beschuldigte werde sich einer drohenden
Verhaftung oder einer laufenden Telefonüberwachung entziehen, sich mit Zeugen
oder Nichtbeschuldigten verabreden, leuchtet ein. Aber der Text des § 51 Abs 2
StPRG erlaubt die Beschränkung der Akteneinsicht nicht nur in diesen, sondern
in allen Fällen, in denen Polizei oder Staatsanwalt um die Ermittlungen
„fürchten“. Und dafür gibt es keinen sachlichen Grund. In Haftfällen ist die
Beschränkung der Akteneinsicht nach der Rechtsprechung des EGMR unzulässig. §
51 Abs. 2 StPRG lässt das aber nur für die Zeit nach Verhängung der
Untersuchungshaft gelten. In Österreich kann es bis zu vier Tage dauern, bis
der Festgenommene endlich einen Richter zu sehen bekommt, der über die
Verhängung der Untersuchungshaft entscheidet. Den Beschuldigten so lange auch
noch durch Beschränkung der Akteneinsicht an der Verteidigung zu hindern,
widerspricht Art 5 Abs. 4, Art 6 Abs 3 litc MRK.
Weiters hat der Beschuldigte das Recht
Beweisanträge zu stellen. Aber die Aufnahme der verlangten Beweise kann der
Hauptverhandlung vorbehalten werden (§ 55 Abs 3 StPRG). Das ist eine Einladung
zu einseitigen Ermittlungen: Die Kriminalpolizei kann sich auf die Aufnahme der
belastenden Beweise beschränken nach dem Motto „wenn der Beschuldigte unschuldig
ist, wird sich das in der Hauptverhandlung schon zeigen“. Durch die
Hauptverhandlung aber wird der Beschuldigte immer geschädigt: Selbst wenn er
dort freigesprochen wird, muss er sich seinen Verteidiger selbst bezahlen.
Wenn der Beschuldigte festgenommen wird,
gehört er nach altem österreichischen Gewohnheitsrecht 48 Stunden der Polizei.
Daran hält das StPRG fest: Der Beschuldigte darf jetzt zwar in diesen 48
Stunden Kontakt mit einem Verteidiger haben, aber die Polizei darf diesen
Kontakt auf eine allgemeine Rechtsauskunft beschränken. „wenn dies erforderlich
scheint, um eine Beeinträchtigung der Ermittlungen oder von Beweismitteln
abzuwenden“ (§59 Abs 1StPRG). Das gilt ohne Rücksicht auf die Art der Tat,
deren der Beschuldigte verdächtig ist, und ohne Rücksicht auf den angenommenen
Haftgrund, selbst in unbedeutenden Fällen.
Das widerspricht dem Art 6 Abs 3 lit c MRK,
der dem Beschuldigten das Recht auf den Beistand eines Verteidigers einräumt:
Eine Rechtsauskunft, die der Verteidiger gibt, ohne mit dem Beschuldigten über
die Besonderheiten gerade seines Falles sprechen zu können, ist kein Beistand.
Das widerspricht dem Sachlichkeitsgebot und dem Gleichheitsgrundsatz unserer
Verfassung: Wie kann das Gespräch des festgenommenen Beschuldigten mit dem Verteidiger
„die Ermittlungen beeinträchtigen“? Und warum soll ein Beschuldigter in Haft
sich weniger wirksam verteidigen können als ein Beschuldigter auf freiem Fuß?
Die Gespräche des Beschuldigten mit dem
Verteidiger können, wenn der Beschuldigte wegen Verabredungs- und
Verdunkelungsgefahr in Haft ist, überwacht werden, wenn „auf Grund besonderer
schwerwiegender Umstände zu befürchten ist, dass der Kontakt mit dem
Verteidiger zu einer Beeinträchtigung von Beweismitteln führen könnte“. Die
Überwachung kann zwei Monate dauern (§ 59 Abs 2 StPRG). Wie kann das Gespräch
des verhafteten Beschuldigten mit dem Verteidiger zu einer Beeinträchtigung von
Beweismitteln führen? Nur wenn man unterstellt, dass Beschuldigte ihre
Verteidiger zu Verdunkelungsversuchen anstiften und Verteidiger sich dafür
hergeben. Für diese Unterstellung fehlt jeder sachliche Grund. So wurde die
Überwachung der Verteidigergespräche in der BRD schon 1964 abgeschafft
Nach § 60 StPRG kann der Verteidiger
ausgeschlossen werden, unter anderem dann, wenn gegen ihn ein Strafverfahren
wegen Begünstigung „anhängig“ ist. Nun beginnt ein Strafverfahren schon dann,
wenn die Polizei die Ermittlungen aufnimmt (§ 1 Abs 2 StPRG). So könnte die
Polizei gegen den Verteidiger wegen
Begünstigung zu ermitteln beginnen, und dann bleibt dem Gericht nichts anderes
übrig, als den Verteidiger auszuschließen.
Ein Verteidiger kostet Geld. Der arme
Beschuldigte erhält Verfahrenshilfe: Es wird ihm ein Verteidiger beigegeben,
den er nicht bezahlen muss, den er sich aber auch nicht aussuchen kann (§ 61
Abs 2 StPRG). Dieser Verteidiger bekommt für seine Arbeit kein Entgelt. Der
Bund gilt die Leistungen der Verfahrenshelfer durch einen Pauschbetrag an die Rechtsanwaltskammern
ab, die ihn für Pensionszahlungen verwenden.
Der gut verdienende Beschuldigte kann sich
einen Anwalt aussuchen, der sich für ihn einsetzt; der arme Beschuldigte kann
nur darauf hoffen, einen einigermaßen fähigen und pflichtbewussten Anwalt zu bekommen.
Alle Rechtsanwälte haben viel zu tun, und keiner kann es sich leisten, zahlende
Klienten zu vernachlässigen! Die Aussichten, verurteilt zu werden, sind für den
armen Beschuldigten größer als für den reichen.
§ 104 StPRG erwähnt den Augenschein nicht,
er bleibt der Polizei überlassen, der Verteidiger hat kein Recht auf
Anwesenheit. Ermittlungsfehler bei einem Augenschein sind später vielfach nicht
mehr gutzumachen. Fehlurteile, die Aufsehen erregten, belegen das.
Wer Opfer einer Verhaftung,
Hausdurchsuchung usw geworden ist, die nicht durch einen richterlichen Befehl
gedeckt ist, kann sich heute bei dem UVS beschweren (Art 129 a Abs 1 Z 2 B-VG)
und, wenn er dort nicht Recht bekommt, sich an den VfGH wenden. Das StPRG setzt
an Stelle dieser Beschwerde einen Einspruch, über den ein Einzelrichter
entscheidet, dessen Beschluss beim OLG angefochten werden kann (§ 106 StPRG).
Das ist eine wesentliche Verschlechterung. Auch das BMJ hielt früher eine Änderung
des Art 129 B-VG für nötig (Erläuterungen zum Entwurf eines StPRG, 16); jetzt
wird § 106 StPRG mit einfacher Mehrheit beschlossen. Das ist eine wesentliche
Schlechterstellung des Bürgers. (siehe dazu auch Punkt 10)
Nach § 132 StPRG kann die Kriminalpolizei
auf Anordnung des Staatsanwalts „zur Aufklärung eines Verbrechens“ u.a.
verdächtige und unverdächtige Personen veranlassen, zB Suchtgift zu besorgen
und einem Lockspitzel zu übergeben. Dann wird der Hereingelegte festgenommen
und für die Übergabe des Suchtgifts an den Lockspitzel nach dem SuchtmittelG
bestraft; nach dem Verbrechen, dessen Aufklärung das Scheingeschäft angeblich
dienen soll, fragt dann niemand mehr.
Gewiss soll die Polizei das Recht und die
Möglichkeit haben, effizient nach Tätern zu fahnden. Aber hier wird der Polizei
etwas ganz anderes erlaubt, nämlich Personen, denen sie misstraut, zu Tätern zu
machen. Das ist indiskutabel, unfair und widerspricht Art 6 Abs 1 MRK:
Scheingeschäfte müssten vom Richter angeordnet werden, das Gesetz müsste
vorsehen, dass niemand für Verhaltensweisen bestraft werden kann, die er auf
Veranlassung der Polizei begangen hat.
Nach § 172 Abs 1, 3 StPRG hat die
Kriminalpolizei den Festgenommenen „längstens“ bzw „spätestens“ binnen 48
Stunden in die Justizanstalt einzuliefern. Nach § 174 Abs 1 StPRG hat ihn der
Richter dann „unverzüglich“ zu vernehmen und „längstens“ binnen 48 Stunden zu
entscheiden, ob der Beschuldigte freigelassen, oder ob die Untersuchungshaft
verhängt wird. Das gilt ohne Unterschied für Terroristen und Ladendiebe, die
der gewerbsmäßigen Begehung verdächtigt werden. Das widerspricht Art 5 Abs 3
MRK. Dort wird verlangt, dass der Festgenommene unverzüglich einem Richter
vorgeführt wird, damit dieser unverzüglich über die Fortsetzung der Haft
entscheidet. Zweimal 48 Stunden kann man nicht mehr als „unverzüglich“ ansehen
– zumal der Beschuldigte in diesen zweimal 48 Stunden durch die Beschränkung
der Verteidigergespräche (s.o.) und durch Beschränkung der Akteneinsicht (s.o.)
in der Verteidigung empfindlich beschränkt werden kann.
Die Regierungsvorlage versprach dem
Beschuldigten im § 6 ein faires Verfahren. Von Fairness ist dort jetzt nicht
mehr die Rede. Mit Recht: Dieses Verfahren kann man wirklich nicht mehr als
„fair“ ansehen.
8. Mangelnder Opferschutz
Von den Regierungsparteien ist während der
Debatte über die Strafprozessreform ein hohes Erwartungspotential für eine
tatsächlich weitgehende Verbesserung des Opferschutzes aufgebaut worden.
Letztendlich hat die Regierungsparteien gerade auf diesem so wichtigen Gebiet
der Mut verlassen und außerordentlich wichtige Forderungen für einen besseren
Opferschutz bleiben auf der Strecke.
Es ist sehr bedauerlich, dass die lange
fällige Verbesserung der Verbrechensopfer im Strafprozess letztendlich auf
halbem Weg stecken geblieben ist. Insbesondere wurde zwei ganz wesentlichen von
den österreichischen Opferschutz- und Opferhilfe-Einrichtungen immer wieder an
den Gesetzgeber herangetragenen Forderungen nicht Rechnung getragen:
(1).Wie bei der geltenden StPO sieht auch
die nunmehr beschlossene Fassung der neuen StPO vor, dass nur Angehörige,
Unmündige und Sexualopfer eine abgesonderte
kontradiktorische Einvernahme beantragen können, um der unmittelbaren
Konfrontation mit dem Täter zu entgehen. Es ist wirklich nicht einzusehen,
warum traumatisierten Opfern von Gewalttaten ohne
sexuellem Zusammenhang, also Opfern von gefährlichen Drohungen, Nötigungen,
Erpressungen und Raubüberfällen nicht ebenfalls die unmittelbare Konfrontation
mit dem Verdächtigen erspart werden kann. Wer jemals die großen Ängste erlebt
hat, die etwa eine alleinstehende ältere Person, die Opfer eines
Handtaschenraubes, eines typischen Falls der Großstadtkriminalität, miterlebt
hat, das nun ein bis zwei Meter entfernt von der Person, die sie überfallen
hat, aussagen muss und dadurch nochmals traumatisiert wird, kann nicht
verstehen, warum die Regierungsparteien es ablehnen, auch dieser
Personengruppe, die durch die Begegnung mit dem Verdächtigen erheblichen
emotionalen Belastungen ausgesetzt wäre, das Antragsrecht nach § 165 Abs 4 einzuräumen.
Die abgesonderte kontradiktorische Einvernahme und die Verbindung mittels
Videoübertragung in den Verhandlungssaal hat sich technisch bewährt, sichert
die Unmittelbarkeit und durch die Ausdehnung auf alle anderen Gewaltopfer
würden auch keinerlei Mehrkosten erwachsen.
§ 165 Abs 4 sollte demnach lauten:
„(4)Einen Zeugen, der das vierzehnte
Lebensjahr noch nicht vollendet hat und durch die dem Beschuldigten zur Last
gelegten Straftat in seiner Geschlechtssphäre verletzt worden sein könnte, hat
das Gericht in jedem Fall auf die in Abs 3 beschriebene Art und Weise zu
vernehmen, die übrigen in § 156 Abs 1 Z 1 u. 2 erwähnten Zeugen sowie Opfer, die durch eine vorsätzlich begangene strafbare Handlung
Gewalt oder gefährlicher Drohung ausgesetzt worden sein könnte, wenn sie
oder die Staatsanwaltschaft dies beantragen.“
In diesem Ausmaß wäre auch § 156 Abs 1 Z 2 zu ergänzen, um allen Personen, die
bereits einmal kontradiktorisch schonend einvernommen wurden ein Aussagebefreiungsrecht zu garantieren.
Außerdem müsste sichergestellt
werden, dass ein Verbrechensopfer, das
bereits einmal kontradiktorisch einvernommen wurde, kein
zweites Mal vernommen werden muss, wobei nur die Fälle ausgenommen
werden könnten, in denen eine solche zweite Einvernahme wegen gewichtiger neuer seit der ersten Einvernahme
hervorgekommener Fakten zwingend notwendig erscheint. Auch die zweite Einvernahme
müsste dann zwingend kontradiktorisch erfolgen, was ebenfalls im § 156
festzulegen wäre.
(2) Die neue StPO sieht eine Reihe von
Rechten des Beschuldigten und Privatbeteiligten vor, ohne diese Rechte
allerdings hinreichend abzusichern. Während im Vorverfahren wenigstens noch die
Möglichkeit einer nicht aufschiebenden Beschwerde besteht, ist das im
ursprünglichen Entwurf des BMJ noch vorgeschlagene Recht
des Privatbeteiligten, gegen ein freisprechendes Urteil die
Nichtigkeitsbeschwerde zu erheben, wenn ein berechtigter Antrag des
Privatbeteiligten unerledigt geblieben ist, nunmehr wieder gestrichen. Damit
ist die rechtswidrige Nichterledigung von Beweisanträgen des Privatbeteiligten
künftig ebenso sanktionslos wie etwa die rechtswidrige Verweigerung der
abgesonderten kontradiktorischen Einvernahme in den Fällen, in denen das Gesetz
dies ausdrücklich vorsieht.
Damit sind viele dem Verbrechensopfer durch
die StPO nunmehr eingeräumten Rechte letztlich Makulatur. Verbrechensopfer
müssen sich verhöhnt vorkommen, wenn man ihnen einerseits zwar Rechte einräumt,
Ihnen aber keine Möglichkeit gibt, diese Rechte dann auch durchzusetzen.
Auf einen weiteren Punkt sei noch kurz
hingewiesen: Das Opfer muss nun nur mehr vom Verfahrensfortgang informiert
werden. In der Regierungsvorlage war noch vorgesehen, dass dem Opfer auch die
Anklageschrift übermittelt werden muss. Diese Verpflichtung sollte nach Ansicht
der unterzeichneten Abgeordneten in § 66 Abs. 1 normiert werden.
9. Privatbeteiligtenrechte /
Opferrechte nicht erfüllt
Im Zuge der Debatte über das
strafprozessuale Vorverfahren ist von den Abgeordneten Mag. Maier, Dr. Jarolim,
Mag. Gisela Wurm und GenossInnen ein Entschliessungsantrag „betreffend
Verbesserung der Stellung der Privatbeteiligten in der StPO“ in die Debatte
eingebracht worden und hätte auch im Unterausschuss diskutiert werden sollen.
Trotz der hohen Aktualität dieses Themas (Stichwort: „Strafprozess zur
Katastrophe von Kaprun“) schienen die Regierungsparteien nicht wirklich an
einer solchen Debatte interessiert zu sein. Besonders bedauerlich ist, dass die
Forderung, eine Unterbrechung der Verjährung von Schadenersatzansprüchen bei
einem Privatbeteiligtenanschluss in der Strafprozessordnung vorzusehen, nicht
erfüllt wurde. Nach geltender Rechtslage unterbricht der Anschluss des Opfers
als Beteiligter im Strafprozess die Verjährung nicht
ÖVP und FPÖ haben die Chance, eine dringend
notwendige Verbesserung der Stellung des Opfers als Privatbeteiligter in der
StPO herbeizuführen, vorsätzlich ungenützt gelassen.
10. Verfassungswidrigkeiten
Es ist hier nicht der Platz, auf alle
potentiellen Verfassungswidrigkeiten des Gesetzesvorschlages in der Fassung des
Ausschussberichtes im Detail einzugehen. Grundsätzlich müsste jede Passage, wo
ein Spannungsverhältnis bzw. ein Widerspruch zur Europäischen
Menschenrechtskommission mit Grund vermutet wird, natürlich auf seine
Verfassungsmäßigkeit zu untersuchen sein. (siehe dazu auch die Ausführungen zu
Punkt 7).
Zwei Themenkomplexe, die jüngst auch
öffentlich stark diskutiert wurden, seien hier aber doch kurz angerissen:
In der APA-Meldung 131 vom 19. Februar 2004
wird über eine Stellungnahme des hochrenommierten Verfassungsrechtlers DDr.
Heinz Mayer zur neuen Strafprozessordnung berichtet:
„Mayer sieht durch
die neue Strafprozessordnung die verfassungsrechtlich garantierte
Gewaltenteilung verletzt,
wonach die Justiz ’in allen Instanzen’
von der Verwaltung zu trennen ist(Artikel 94). Hintergrund: Über
Beschwerden gegen die Ermittlungstätigkeit des Verwaltungsorganes Staatsanwalt
soll laut neuer Strafprozessordnung ein Einzelrichter (also ein Justizorgan)
entscheiden und nicht der für Verwaltungsangelegenheiten zuständige Unabhängige
Verwaltungssenat (UVS).
‚Es gibt gute
Argumente, dass das vor dem Verfassungsgerichtshof nicht hält’, meint Mayer.
Ähnlich sehen die Sache die Opposition und der Innsbrucker Strafrechtler
Christian Bertel, die von ‚glattem Verfassungsbruch’ sprechen. Schließlich sei
der UVS laut Verfassung (Art. 129a) für alle Beschwerden gegen ein
Verwaltungsorgan zuständig....“
Des weiteren sind die Unterzeichner dieses
Berichtes der Auffassung, dass § 123 StPRG (Körperliche Untersuchung) auf seine
Verfassungsmäßigkeit überprüft werden sollte.
Abschließend sei festgestellt: Justizminister Dr. Böhmdorfer hat von seinem Vorgänger umfangreiche Vorarbeiten auf hohem Niveau für eine große StPO-Vorverfahrensreform übernommen, die bildlich gesprochen als „Rohdiamant“ bezeichnet werden können. Dieser Rohdiamant wurde nicht zu einem Feindiamanten weiterentwickelt, sondern der Justizminister hat es zugelassen, dass unter Federführung der Vorsitzenden des Unterausschusses Dr. Fekter das geplante Reformwerk verunstaltet und der Rohdiamant quasi zerschlagen wurde.