421 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft

über den Antrag 149/A(E) der Abgeordneten Heinz Gradwohl, Fritz Grillitsch, Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Klaus Wittauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend laufende Berichterstattung an den Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft über den jeweiligen Stand der Verhandlungen der Reform der „Gemeinsamen Agrarpolitik“ (GAP) und der WTO-Verhandlungen,

den Antrag 109/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik sowie

den Antrag 110/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend österreichische Position zu den WTO-Verhandlungen im Bereich des Agrarhandels

 

Die Abgeordneten Heinz Gradwohl, Fritz Grillitsch, Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Klaus Wittauer, Kolleginnen und Kollegen haben den Entschließungsantrag 149/A(E) am 12.06.2003 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Reform der „Gemeinsamen Agrarpolitik“ (GAP) der EU hat nicht nur für die künftigen WTO-Verhandlungen besondere Bedeutung, sondern wird das Leben der Menschen im ländlichen Raum in unserem Land weit über die Beschäftigen in der Landwirtschaft hinaus entscheidend beeinflussen. Die Haltung Österreichs im Rahmen dieser Verhandlungen wird mitentscheidend für die Endergebnisse sein. Die Akzeptanz der Positionen Österreichs und vor allem der späteren Ergebnisse sollte daher umfassend und im Einvernehmen mit dem dafür zuständigen parlamentarischen Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft erfolgen.

Um in diesem Zusammenhang auch die Beiziehung und Anhörung von ausgewählten Experten sicherzustellen, sollte daher in geeigneter Form dazu ein Unterausschuss des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft eingesetzt werden. Diese Entschließung soll auch zunächst die Funktion haben, als Verhandlungsgrundlage im Unterausschuss zu dienen.“

 

Der von den Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang  Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen am 29. April 2003 eingebrachte Entschließungsantrag 109/A(E) war wie folgt begründet:

„Mit Analysen über die Ungerechtigkeiten und Fehlinvestitionen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) hat EU-Kommissar Fischler die Unterstützung breiter Kreise der Gesellschaft für eine EU-Agrarreform mobilisiert. Nach dem derzeitigen EU- Agrarsystem erhalten 7 Prozent der Betriebe 50 Prozent der Mittel, die andere Hälfte der Zahlungen teilen sich die übrigen 93 Prozent der Betriebe. Den Löwenanteil der Förderungen bekommen jene Betriebe, die Arbeitsplatzabbau durch Rationalisierung betreiben, während für eine arbeitsintensive, vielfältige Wirtschaftsweise wesentlich weniger Mittel zur Verfügung stehen. Seitens der Kommission wurden daher im Rahmen der Halbzeitbewertung Vorschläge für die Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik gemacht. Zentrale Punkte waren:

-       Abbau der staatlichen Intervention

-       Deutliche Aufstockung der Mittel für die ländliche Entwicklung durch die Modulation der Direktzahlungen

-       Entkoppelung der Direktzahlungen von der Produktion

-       Bindung der Direktzahlungen an soziale Kriterien und Berücksichtigung des Faktors "Arbeit"

-       Bindung der Direktzahlungen an ökologische und tierethische Kriterien sowie an Aspekte der Lebensmittelsicherheit („Cross Compliance")

Mit der Vorlage der legislativen Entwürfe zur Halbzeitbilanz der Agenda 2000 ist die Kommission jedoch weit hinter ihrer Ankündigungspolitik zurückgeblieben. Die Vorschläge zur Entkoppelung von der Produktion eröffnen zwar mehr Flexibilität im Anbau und in der Vermarktung, gleichzeitig wird aber mit der vorgeschlagenen Betriebsprämie die ungerechte Verteilung zwischen begünstigten und benachteiligten Regionen beibehalten und die soziale Ungerechtigkeit eher verstärkt als aufgehoben.

Die Vorschläge zur Integration der Belange der Umwelt und des Verbraucherschutzes in die Förderbedingungen („Cross Compliance") unterstreichen zwar den Grundsatz, dass niemand mit Steuergeldern gefördert werden soll, der die EU-Gesetze missachtet, in der Praxis wird dieses Instrument aber kaum wirksam werden, weil positive Anreize zu wenig gefördert und die Standards nicht entsprechend angehoben werden.

Von der Prämienumverteilung und Finanzierung ländlicher Entwicklung (Modulation) ist nicht viel übrig geblieben. Im Rahmen der geplanten Degression geht lediglich ein Prozentsatz von 1% im Jahre 2007 bis 6% im Jahre 2011 an die Mitgliedstaaten für ihre Programme zur Entwicklung des ländlichen Raumes. Dadurch, dass auch die

Lohnkosten der Betriebe unberücksichtigt bleiben, wurde ein weiteres Kernstück der Reform von der Kommission fallen gelassen.

Die Gemeinsame Agrarpolitik orientiert sich weiterhin am Weltmarkt, obwohl die Exporterstattungen den europäischen Bäuerinnen und Bauern wenig gebracht und den Entwicklungsländern schweren Schaden zugefügt haben. Die ersten Schritte der Kommission zur Reduzierung der Exporterstattungen und zum Abbau unfairer Handelshemmnisse gehen zwar in die richtige Richtung, gleichzeitig muss aber der Binnenmarkt gegen unfaires Dumping von Aussen geschützt werden. Das ist nur möglich, wenn in der EU eine hohe Lebensmittelqualität und -Sicherheit wirklich erreicht wird und die dafür geltenden Kriterien bei Importwaren ebenfalls angelegt werden.“

 

Dem von den Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen am 29. April 2003 eingebrachte Entschließungsantrag 110/A(E) war folgende Begründung beigegeben:

„Die Landwirtschaft ist aufgrund der Auswirkungen auf die Lebensmittel-Ernährungssicherheit, die nachhaltige Nutzung und den Schutz der natürlichenRessourcen und Landschaften einer der sensibelsten Bereiche des Welthandels.Der WTO-Gipfel in Doha hat alle WTO-Mitglieder zu Verhandlungen im Agrarbereichmit folgenden Zielen verpflichtet:

-       substantielle Verbesserungen beim Marktzugang

-       Kürzung bei allen Arten von Exportzuschüssen mit dem Ziel ihrer allmählichen Abschaffung

-       erhebliche Kürzungen der handelverzerrenden internen Stützungen

-       besondere und differenzierte Behandlung der Entwicklungsländer, um ihrem Entwicklungsbedarf einschliesslich Ernährungssicherheit und ländlicher Entwicklung Rechnung zu tragen

-       Berücksichtigung nicht handelsbezogener Interessen

Die Neuordnung der Agrarpolitik verlangt die Verknüpfung der Politik auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene (WTO, UN). Grundlage einer international nachhaltigen Ernährungswirtschaft ist es, im Norden und im Süden soziale, wirtschaftliche und ökologische Anforderungen zu berücksichtigen.

Da die Landwirtschaft weiterhin Haupteinkommens- und Beschäftigungsquelle in den meisten Entwicklungsländern ist und die Reform der Agrarhandelsregeln eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung der Armut, der Verbesserung der weltweiten Ernährungssouveränität spielt, müssen alle Industrieländer einen Beitrag dazu leisten, dass diese WTO-Verhandlungsrunde tatsächlich zu einer Entwicklungsrunde wird. Die erste Priorität der Agrarverhandlungen muss daher darin bestehen, Handelsregeln vorzugeben, die die landwirtschaftliche Entwicklung, Beschäftigung und Bekämpfung der Armut in den Entwicklungsländern fördern, ohne die grundlegenden Ziele der multifunktionalen Agrarpolitik der Europäischen Union zu gefährden. Das Versprechen aller Regierungen der Welt, Hunger und Armut bis 2015 um die Hälfte zu reduzieren, muss auch im Rahmen der WTO-Agrarverhandlungen eingelöst werden.

Parallel zu den WTO-Abkommen besteht unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen ein Netzwerk multilateraler, nicht handelsbezogener Abkommen (z.B. die Konvention über die Biologische Vielfalt und das dazugehörige Biosafety-Protokoll oder die Klimakonvention). Die Herausforderung besteht darin, festzulegen, wie diese nicht handelsbezogenen Abkommen (multilaterale Umweltabkommen MEA) vollständig umgesetzt und auf WTO-Ebene verankert werden können.

Sowohl die internen Strukturen der WTO als auch ihre Stellung im internationalen System weisen grundlegende Demokratiedefizite auf. Öffentlichkeit, Parlamente und Nichtregierungsorganisationen müssen daher wesentlich mehr als bisher an den Diskussions- und Entscheidungsprozessen beteiligt werden.

 

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft hat die gegenständlichen Entschließungsanträge in seiner Sitzung am 1. Juli 2003 in Verhandlung genommen und auf Antrag des Abgeordneten Heinz Gradwohl einstimmig beschlossen, zu deren Vorbehandlung einen Unterausschuss einzusetzen.

 

Dem Unterausschuss gehörten vom Parlamentsklub der Österreichischen Volkspartei die Abgeordneten Jakob Auer, Franz Eßl, Fritz Grillitsch, Georg Keuschnigg und Ing. Hermann Schultes, von der Sozialdemokratischen Parlamentsfraktion die Abgeordneten Christian Faul, Heinz Gradwohl, Katharina Pfeffer und Rainer Wimmer, vom Klub der Freiheitlichen Partei Österreichs der Abgeordnete Dipl.-Ing. Uwe Scheuch und vom Grünen Klub der Abgeordnete Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber an.

 

In der konstituierenden Sitzung am 1. Juli 2003 wurde Abgeordneter Fritz Grillitsch zum Obmann, Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch zum Obmannstellvertreter und Abgeordneter Heinz Gradwohl zum Schriftführer gewählt.

 

Der Unterausschuss trat am 3. Juli, 15. Oktober und 4. November 2003 zusammen und hat die erwähnten Anträge unter Beiziehung von Dipl.-Ing. August Astl, Dipl.-Ing. Dr. Robert Steiner und Dipl.-Ing. Richard Hubmann als Experten beraten.

 

Der Obmann des Unterausschusses Fritz Grillitsch berichtete dem Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft über das Ergebnis der Unterausschussberatungen in seiner Sitzung am 10. März 2004. Sodann wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, den Antrag 149/A(E) der Debatte und Abstimmung zugrunde zu legen.

 

Im Zuge der Debatte ergriffen die Abgeordneten Heinz Gradwohl, Dipl.-Ing. Uwe Scheuch, Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Georg Keuschnigg, Klaus Wittauer, Ing. Hermann Schultes, Jakob Auer, Heidrun Walther, Mag. Kurt Gaßner, Dipl.-Ing. Werner Kummerer, Walter Schopf, Franz Eßl und Gabriele Binder sowie der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll und der Ausschussobmann Abgeordneter Fritz Grillitsch das Wort.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Ing. Hermann Schultes und Dipl.-Ing. Uwe Scheuch gemäß § 27 Abs. 3 des Geschäftsordnungsgesetzes einen Entschließungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Nach fast einem Jahr an intensiven Diskussionen wurden am 26. Juni 2003 die Verhandlungen über die Zukunft der Europäischen Agrarpolitik in Luxemburg abgeschlossen. Der Rat wies im endgültigen Kompromisstext des Vorsitzes im Einvernehmen mit der Kommission darauf hin, dass mit Landwirtschaft in der EU nicht einfach nur die Erzeugung von Nahrungsmitteln oder Fasern gemeint ist. Ein nachhaltiges Agrarmodell erfordere eine Politik, die im gesamten Gebiet Europas verfolgt werde, wirtschaftlich und sozial tragfähig sowie umweltfreundlich, marktorientiert und trotz der Verschiedenheit der Länder und Regionen Europas einfach ist.

Österreich ist es gelungen, den österreichischen Weg einer bäuerlichen und naturnahen Landwirtschaft zu verteidigen und für die Zukunft abzusichern.

Die Diskussion rund um die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik hat den Hintergrund im Beschluss der Agenda 2000 beim Europäischen Rat von Berlin (1999) mit einer integrierten Review-Klausel. Weiters wurde in der Diskussion die Integration der Nachhaltigkeit in alle Politikbereiche mit den Beschlüssen des Europäischen Rates von Göteborg (2001) mitgeführt. Wichtigen Einfluss auf die Reformdebatte hatten der Beschluss des Europäischen Rates von Kopenhagen (2002) über die Erweiterung der EU um 10 neue Mitgliedsländer mit Wirksamkeit 1. Mai 2004 und schließlich die fortlaufenden Verhandlungen im Rahmen der WTO.

Am 10. Juli 2002 hat die Europäische Kommission in einer Mitteilung an das Europäische Parlament und den Rat erstmals ihre Vorstellungen in Form eines politischen Strategiepapiers zur Halbzeitbewertung (Midterm-Review – MTR) im Rahmen der Agenda 2000 vorgestellt. Österreich hat sich dazu in den Kernfragen klar positioniert. Am 22. Jänner 2003 folgten die Legislativtexte zu diesem Strategiepapier. Auch hierzu ist eine klare inhaltliche Positionierung seitens Österreichs erfolgt. Nach langer Diskussion im EU-Agrarministerrat einigte man sich schließlich am 26. Juni 2003 auf einen politischen Kompromiss.

In enger Abstimmung mit den Interessenvertretern der heimischen Landwirtschaft hat Österreich die Eckpunkte der nationalen Umsetzung der europäischen Agrarreform fixiert. Kennzeichen der Ausgestaltung des nationalen Spielraums ist der Grundsatz der inneragrarischen Ausgewogenheit. Diesem Grundsatz entsprechend sollen in der Frage der Entkoppelung der Prämien die Zahlungen bei den Kulturpflanzen vollständig entkoppelt werden. Im Bereich der Rinderprämien ist die Beibehaltung einer gekoppelten Mutterkuhprämie zu 100 Prozent sowie einer gekoppelten Schlachtprämie von 40 % der bisherigen Zahlung vorgesehen.

Die Umsetzung soll mit 1.1.2005 erfolgen, wobei auf technischer Ebene Übergangsregeln und Härtefallbestimmungen – etwa für Betriebsübernehmer und Neueinsteiger – erarbeitet werden sollen. Schließlich sollen die aus der Modulation resultierenden zusätzlichen Mittel der ländlichen Entwicklung zu einer Investitionsoffensive im Rahmen des Österreichischen Programms für die Entwicklung des ländlichen Raums eingesetzt werden. Die technische Ausarbeitung dieser Eckpunkte ist nun auf Expertenebene in Angriff genommen worden.“

 

Bei der Abstimmung wurde der Antrag 149/A(E) einstimmig angenommen. Die Anträge 109/A(E) und 110/A(E) gelten als miterledigt.

 

Der zuvor erwähnte Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Hermann Schultes und Dipl.-Ing. Uwe Scheuch wurde mit Stimmenmehrheit angenommen

 

Als Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Ing. Hermann Schultes gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      diesen Bericht zur Kenntnis nehmen und

2.      die diesem Bericht angeschlossenen Entschließungen (Anlage 1 und Anlage 2) annehmen..

Wien, 2004 03 10

Ing. Hermann Schultes       Fritz Grillitsch

       Berichterstatter                  Obmann