Bundesgesetz über die justizielle
Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG)
Der Nationalrat hat beschlossen:
Inhaltsverzeichnis
I. Hauptstück
Allgemeine Bestimmungen
§ 1. Anwendungsbereich
§ 2. Begriffsbestimmungen
II. Hauptstück
Europäischer Haftbefehl und
Übergabeverfahren zwischen den
Mitgliedstaaten
Erster Abschnitt
Allgemeine Voraussetzungen
§ 3. Grundlagen
§ 4. Anwendungsbereich des
Europäischen Haftbefehls
Zweiter Abschnitt
Vollstreckung eines Europäischen
Haftbefehls
§ 5. Vollstreckung eines
Europäischen Haftbefehls gegen österreichische Staatsbürger
§ 6. Österreichischer Tatort
§ 7. Österreichische Gerichtsbarkeit
§ 8. Entscheidungen dritter Staaten oder internationaler Gerichte
§ 9. Strafunmündige
§ 10. Verjährung und Amnestie
§ 11. Abwesenheitsurteile
§ 12. Fiskalische strafbare Handlungen
Dritter
Abschnitt
Verfahren zur
Bewilligung der Übergabe
§ 13. Zuständigkeit des
Gerichtshofs erster Instanz
§ 14. Geschäftsverkehr
§ 15. Vorrang der Übergabe
§ 16. Einleitung des Übergabeverfahrens
§ 17. Anbot der Übergabe
§ 18. Übergabehaft
§ 19. Prüfung des Europäischen Haftbefehls
§ 20. Vereinfachte Übergabe
§ 21. Entscheidung über die Übergabe
§ 22. Europäische Haftbefehle mehrerer Mitgliedstaaten
§ 23. Zusammentreffen eines Europäischen Haftbefehls mit einem
Auslieferungsersuchen
§ 24. Durchführung der Übergabe
§ 25. Aufschub der Übergabe
§ 26. Bedingte Übergabe
§ 27. Wiederaufnahme des Übergabeverfahrens
§ 28. Kosten
Vierter
Abschnitt
Erwirkung der
Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls
§ 29. Fahndung
§ 30. Inhalt und Form des Europäischen Haftbefehls
§ 31. Spezialität und weitere Übergabe oder Weiterlieferung
Fünfter Abschnitt
Durchlieferung
§ 32. Zulässigkeit der
Durchlieferung
§ 33. Durchlieferung österreichischer Staatsbürger
§ 34. Durchlieferungsunterlagen
§ 35. Entscheidung über die Durchlieferung
§ 36. Erwirkung der Durchlieferung
§ 37. Kosten der Durchlieferung
§ 38. Verhältnis zu sonstigen internationalen Verpflichtungen
III. Hauptstück
Anerkennung und Vollstreckung
justizieller Entscheidungen
Erster Abschnitt
Vollstreckung ausländischer
Freiheitsstrafen und vorbeugender Maßnahmen
§ 39. Allgemeine
Voraussetzungen
§ 40. Zustimmung zur Vollstreckung
§ 41. Haft zur Sicherung der Vollstreckung
§ 42. Inländische Vollstreckungsentscheidung
§ 43. Behandlung einlangender Ersuchen
§ 44. Zuständigkeit und Verfahren
Zweiter Abschnitt
Vollstreckung von
Sicherstellungsentscheidungen der Mitgliedstaaten
§ 45. Voraussetzungen
§ 46. Zuständigkeit und Verfahren
§ 47. Ablehnung der Vollstreckung
§ 48. Aufschub der Vollstreckung
§ 49. Dauer der Beschlagnahme oder Sicherstellung
§ 50. Verständigungspflicht
§ 51. Geschäftsweg und Übersetzung
Dritter Abschnitt
§ 52. Vollstreckung
ausländischer Verfalls- und Einziehungsentscheidungen
Vierter Abschnitt
§ 53. Vollstreckung
ausländischer Geldstrafen
Fünfter Abschnitt
§ 54. Erwirkung der
Vollstreckung
IV. Hauptstück
Rechtshilfe
Erster Abschnitt
Grundsätze
§ 55. Vorrang
zwischenstaatlicher Vereinbarungen und Anwendung des ARHG
§ 56. Allgemeiner Grundsatz
§ 57. Zuständigkeit zur
Erledigung eines Rechtshilfeersuchens
§ 58. Zulassung ausländischer Organe und am Verfahren Beteiligter zu
Rechtshilfehandlungen
§ 59. Rechtsstellung ausländischer Beamter und zivilrechtliche
Verantwortlichkeit
Zweiter Abschnitt
Bildung gemeinsamer Ermittlungsgruppen
§ 60. Allgemeine
Voraussetzungen
§ 61. Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe im Inland
§ 62. Informationsaustausch
Dritter Abschnitt
Eurojust
§ 63. Aufgaben und Ziele
§ 64. Nationales Mitglied
§ 65. Mitglied der gemeinsamen Kontrollinstanz
§ 66. Ersuchen an Eurojust
§ 67. Weitergabe von Informationen
§ 68. Ersuchen von Eurojust
Vierter Abschnitt
Europäisches Justizielles Netz
§ 69. Aufgaben und Ziele
§ 70. Einrichtung von Kontaktstellen
Fünfter
Abschnitt
Kontrollierte
Lieferung
§ 71. Allgemeiner
Grundsatz
§ 72. Zuständigkeit und Verfahren
Sechster
Abschnitt
Verdeckte
Ermittlungen
§ 73. Voraussetzungen
§ 74. Durchführung der verdeckten Ermittlung
Siebenter
Abschnitt
Erwirkung
der Rechtshilfe
§ 75. Zustellung von
Verfahrensurkunden
§ 76. Ersuchen um Bildung
einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe
§ 77. In-Kraft-Treten,
Schluss- und Übergangsbestimmungen
Anhang I
Liste von Straftaten, bei denen die
beiderseitige Strafbarkeit nicht geprüft wird
Anhang II
Europäischer Haftbefehl
Anhang III
Bescheinigung nach Artikel 9 des
Rahmenbeschlusses vom 22. Juli 2003 über die Vollstreckung von
Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder
Beweismitteln in der Europäischen Union
Anhang IV
Vereinbarung über die Bildung einer
gemeinsamen Ermittlungsgruppe und Anlage zur Vereinbarung über die Bildung
einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe
I. Hauptstück
Allgemeine Bestimmungen
Anwendungsbereich
§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt die strafrechtliche Zusammenarbeit
zwischen den Justizbehörden der Republik Österreich und jenen der anderen
Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Diese Zusammenarbeit umfasst
1. die Anerkennung und Vollstreckung justizieller
Entscheidungen, insbesondere durch Übergabe von Personen und Sicherstellung von
Beweismitteln und Vermögensgegenständen;
2. die Rechtshilfe in Strafsachen, einschließlich
der Bildung gemeinsamer Ermittlungsgruppen, der Zusammenarbeit mit Eurojust und
dem Europäischen Justiziellen Netz (EJN) sowie der Zustellung von Urkunden;
3. die Übertragung der Strafverfolgung und die
Übertragung der Strafvollstreckung.
(2) Soweit sich aus
den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nichts anderes ergibt, gilt das Auslieferungs-
und Rechtshilfegesetz (ARHG), BGBl. Nr. 529/1979, sinngemäß.
Begriffsbestimmungen
§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetz bedeutet
1. „Europäischer Haftbefehl“ eine Entscheidung
einer Justizbehörde eines Mitgliedstaats, die auf die Festnahme und Übergabe
einer Person durch die Justizbehörde eines anderen Mitgliedstaats zur
Strafverfolgung oder zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer mit
Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme gerichtet ist;
2. „Sicherstellungsentscheidung“ jede von einer
zuständigen Justizbehörde eines Mitgliedstaats in einem Strafverfahren
getroffene Maßnahme, mit der vorläufig jede Vernichtung, Veränderung,
Verbringung, Übertragung oder Veräußerung von Vermögensgegenständen verhindert
werden soll, die der Sicherung einer Anordnung auf Abschöpfung der Bereicherung
dienen, dem Verfall unterliegen oder die ein Beweismittel darstellen könnten;
3. „Ausstellungsstaat“ der Staat, dessen
Justizbehörde den Europäischen Haftbefehl erlassen hat;
4. „ausstellende Justizbehörde“ die Justizbehörde
a) des Ausstellungsstaats,
die nach dessen Recht für die Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls
zuständig ist, oder
b) des Entscheidungsstaats, die eine
Sicherstellungsentscheidung erlassen, für vollstreckbar erklärt oder auf andere
Weise bestätigt hat;
5. „vollstreckende Justizbehörde“ die
Justizbehörde des Vollstreckungsstaats, die nach dessen Recht für die
Entscheidung über die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls zuständig ist;
6. „Entscheidungsstaat“ der Staat, dessen
Justizbehörde eine Sicherstellungsentscheidung erlassen, für vollstreckbar
erklärt oder auf andere Weise bestätigt hat;
7. „Vollstreckungsstaat“ der Staat,
a) dessen
Justizbehörde über die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls entscheidet,
oder
b) in dessen Hoheitsgebiet sich der
Vermögensgegenstand oder das Beweismittel befindet;
8. „Mitgliedstaat“ ein Staat, der Mitglied der
Europäischen Union ist;
9. „Drittstaat“ ein Staat, der kein Mitglied der
Europäischen Union ist;
10. „Eurojust“ die durch Beschluss des Rates der
Europäischen Union vom 28. Februar 2002 zur Verstärkung der Bekämpfung der
schweren Kriminalität eingerichtete Stelle mit eigener Rechtspersönlichkeit.
II. Hauptstück
Europäischer Haftbefehl und
Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten
Erster Abschnitt
Allgemeine Voraussetzungen
Grundlagen
§ 3. (1) Die Übergabe von Personen zwischen den Mitgliedstaaten erfolgt
nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen
in Strafsachen durch Festnahme und Übergabe der gesuchten Person nach Maßgabe
der Bestimmungen dieses Hauptstücks durch die vollstreckende Justizbehörde.
(2) Die im Geltungsbereich dieses Hauptstücks
unmittelbar anwendbaren völkerrechtlichen Vereinbarungen sind nur insoweit
anzuwenden, als in diesem Bundesgesetz nichts anderes angeordnet wird.
(3) Bestimmungen über die Auslieferung in
anderen Bundesgesetzen beziehen sich auch auf die in diesem Bundesgesetz
geregelte Übergabe zwischen den Mitgliedstaaten.
Anwendungsbereich des Europäischen
Haftbefehls
§ 4. (1) Ein Europäischer Haftbefehl kann zur Strafverfolgung wegen einer
Handlung erlassen oder vollstreckt werden, deren Begehung nach dem Recht des
Ausstellungsstaats mit einer Freiheitsstrafe, deren Obergrenze mindestens ein
Jahr beträgt, oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden
Maßnahme in dieser Dauer bedroht ist, wenn sie unabhängig von ihrer
gesetzlichen Bezeichnung auch nach dem Recht des Vollstreckungsstaats eine mit
gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung darstellt. Ob in einem anderen
Ausstellungsstaat ein nach österreichischem Recht zur Verfolgung notwendiger
Antrag oder eine solche Ermächtigung vorliegt, ist unbeachtlich.
(2) Ein Europäischer Haftbefehl kann zur
Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung
verbundenen vorbeugenden Maßnahme erlassen oder vollstreckt werden, wenn das
Urteil wegen einer der in Abs. 1 angeführten mit Strafe bedrohten
Handlungen ergangen ist und noch mindestens vier Monate zu vollstrecken
sind. Mehrere Freiheitsstrafen oder ihre zu vollstreckenden Reste sind
zusammenzurechnen.
(3) Für eine Entscheidung nach Abs. 1 oder
2 ist die beiderseitige Strafbarkeit nicht zu prüfen, wenn die dem Europäischen
Haftbefehl zu Grunde liegende mit Strafe bedrohte Handlung von der ausstellenden
Justizbehörde einer der in Anhang I angeführten Kategorie von Straftaten
zugeordnet wurde und nach dem Recht des Ausstellungsstaats mit einer
Freiheitsstrafe, deren Obergrenze mindestens drei Jahre beträgt, oder einer mit
Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme in dieser Dauer bedroht
ist.
(4) Für die Einordnung einer Handlung in eine
der Kategorien von Straftaten nach Anhang I durch die ausstellende
Justizbehörde ist die wörtliche Übereinstimmung mit Begriffen des Rechts des
Vollstreckungsstaats nicht erforderlich.
(5) Ist nach Abs. 1 oder 2 die
Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls zulässig, so erfolgt die Übergabe
auf Grund dieses Europäischen Haftbefehls zusätzlich auch zur Verfolgung wegen
anderer Straftaten oder zur Vollstreckung anderer Freiheitsstrafen oder anderer
mit Freiheitsentziehung verbundener vorbeugender Maßnahmen, wenn die
Vollstreckung sonst wegen der Höhe der Strafdrohung ( Abs. 1) oder des
Ausmaßes der Strafe oder Maßnahme ( Abs. 2) unzulässig wäre.
Zweiter Abschnitt
Vollstreckung eines Europäischen
Haftbefehls
Vollstreckung eines Europäischen
Haftbefehls gegen österreichische Staatsbürger
§ 5. (Verfassungsbestimmung) (1) Die Vollstreckung eines Europäischen
Haftbefehls gegen einen österreichischen Staatsbürger durch eine
österreichische Justizbehörde ist nur nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen
zulässig.
(2) Die Vollstreckung eines Europäischen
Haftbefehls gegen einen österreichischen Staatsbürger wegen Taten, die nach
österreichischem Recht gerichtlich strafbar sind und dem Geltungsbereich der
österreichischen Strafgesetze unterliegen, ist unzulässig.
(3) Die Vollstreckung eines Europäischen
Haftbefehls gegen einen österreichischen Staatsbürger wegen außerhalb des
Hoheitsgebiets des Ausstellungsstaats begangener Taten ist unzulässig, wenn
nach österreichischem Recht außerhalb des Bundesgebiets begangene Taten
gleicher Art nicht dem Geltungsbereich der österreichischen Strafgesetze
unterlägen.
(4) Die Vollstreckung eines Europäischen
Haftbefehls gegen einen österreichischen Staatsbürger zum Vollzug einer
Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme
ist unzulässig. Wird eine österreichische Justizbehörde um die
Vollstreckung eines solchen Haftbefehls ersucht, so ist die im Ausstellungsstaat
verhängte Strafe oder Maßnahme nach den §§ 39 bis 44 auch ohne gesonderten
Antrag der ausstellenden Justizbehörde in Österreich zu vollziehen, wenn sonst
die Vollstreckung dieses Europäischen Haftbefehls zulässig wäre.
(5) Die Vollstreckung eines Europäischen
Haftbefehls durch Übergabe eines österreichischen Staatsbürgers zur
Strafverfolgung ist stets nur unter der Bedingung zulässig, dass der von der
Übergabe Betroffene nach Gewährung des rechtlichen Gehörs zum Vollzug der vom
Gericht des Ausstellungsstaats verhängten Freiheitsstrafe oder der mit
Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme nach Österreich
rücküberstellt wird.
(6) Befindet sich der betroffene
österreichische Staatsbürger in Untersuchungs- oder Übergabehaft, so kann er auf
Ablehnungsgründe und Bedingungen nach diesem Bundesgesetz nur ausdrücklich und
frühestens in der in § 20 Abs. 1 (§§ 32 Abs. 1 ARHG, 181
Abs. 2 Z 1 StPO) bezeichneten Haftverhandlung verzichten. Ein
solcher Verzicht wird jedenfalls nur dann wirksam, wenn er gerichtlich zu
Protokoll gegeben wird.
Österreichischer Tatort
§ 6. Die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls durch eine
österreichische Justizbehörde ist unzulässig, wenn er sich auf Taten bezieht,
die im Inland (§ 62 StGB) oder an Bord eines österreichischen Schiffs oder
Luftfahrzeugs (§ 63 StGB) begangen worden sind (§ 67 Abs. 2
StGB). Dies gilt auch, wenn die Taten nach österreichischem Recht nicht
gerichtlich strafbar sind.
Österreichische Gerichtsbarkeit
§ 7. (1) Die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls ist jedenfalls
unzulässig, wenn gegen die gesuchte Person im Inland wegen derselben Tat eine
endgültige Entscheidung ergangen ist, die nur unter den Voraussetzungen der
ordentlichen Wiederaufnahme aufgehoben werden kann und der weiteren Strafverfolgung
im Ausstellungsstaat entgegensteht.
(2) Die Vollstreckung eines Europäischen
Haftbefehls wegen Taten, die nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar
sind und dem Geltungsbereich der österreichischen Strafgesetze unterliegen, ist
überdies unzulässig, wenn
1. gegen die gesuchte Person wegen derselben Tat
ein Strafverfahren anhängig ist oder bis zur Entscheidung des Gerichts über die
Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls eingeleitet wird, oder
2. die Staatsanwaltschaft entschieden hat, eine
Anzeige oder das Verfahren wegen derselben Tat zurückzulegen oder einzustellen
oder die gesuchte Person sonst außer Verfolgung zu setzen.
(3) Abs. 2 steht der Vollstreckung eines
Europäischen Haftbefehls gegen eine Person, die nicht österreichischer
Staatsbürger ist, nicht entgegen, wenn
1. der Durchführung des Strafverfahrens im
Ausstellungsstaat mit Rücksicht auf die besonderen Umstände des Falles,
insbesondere aus Gründen der Wahrheitsfindung und eines fairen Verfahrens, des
Schutzes der berechtigten Interessen der durch die Tat verletzten Personen, der
Strafbemessung oder der Vollstreckung, der Vorzug zu geben ist, oder
2. die Verfahrensbeendigung aus Mangel an Beweisen
oder wegen fehlenden Antrags oder fehlender Ermächtigung des Verletzten
vorgenommen wurde, oder
3. sich die Geltung der österreichischen
Strafgesetze ausschließlich auf § 65 StGB gründet.
Entscheidungen dritter Staaten oder
internationaler Gerichte
§ 8. Die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls ist unzulässig,
wenn die gesuchte Person wegen derselben Tat
1. von einem Gericht eines Mitgliedstaats
rechtskräftig freigesprochen oder verurteilt wurde und die Strafe oder
vorbeugende Maßnahme bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird
oder für den noch nicht vollstreckten Teil bedingt nachgesehen wurde oder nach
dem Recht des Urteilsstaats nicht mehr vollstreckt werden kann,
2. von einer Staatsanwaltschaft eines
Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Tat zumindest teilweise begangen
wurde, durch eine endgültige Entscheidung mit den Wirkungen nach § 7
Abs. 1 außer Verfolgung gesetzt wurde,
3. von einem Gericht eines Drittstaats verurteilt
wurde und die Strafe oder vorbeugende Maßnahme bereits vollstreckt worden ist,
gerade vollstreckt wird oder für den noch nicht vollstreckten Teil bedingt
nachgesehen wurde oder nach dem Recht des Urteilsstaats nicht mehr vollstreckt
werden kann,
4. im Tatortstaat rechtskräftig freigesprochen
wurde, oder
5. vom Internationalen Strafgerichtshof, vom
Internationalen Gericht für das ehemalige Jugoslawien oder vom Internationalen
Gericht für Ruanda rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen wurde.
Strafunmündige
§ 9. (1) Die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls gegen Personen,
die nach österreichischem Recht zur Zeit der Tat strafunmündig waren, ist
unzulässig.
(2) Die ausstellende Justizbehörde ist
unverzüglich über Umstände zu unterrichten, die zur Annahme berechtigen, dass
die gesuchte Person auf Grund ihres Alters für die Tat, die dem Europäischen
Haftbefehl zu Grunde liegt, nach dem Recht des Ausstellungsstaats nicht
strafbar ist.
Verjährung und Amnestie
§ 10. Die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls durch eine
österreichische Justizbehörde ist unzulässig, wenn die Taten, auf Grund derer
der Europäische Haftbefehl erlassen worden ist, dem Geltungsbereich der
österreichischen Strafgesetze unterliegen und die Verfolgung oder die
Vollstreckung nach österreichischem Recht verjährt oder wegen einer in
Österreich erlassenen Amnestie unzulässig ist.
Abwesenheitsurteile
§ 11. Auf Grund eines Europäischen Haftbefehls ist die Übergabe zur
Vollstreckung einer in Abwesenheit verhängten Freiheitsstrafe oder zur
Vollziehung einer in Abwesenheit angeordneten vorbeugenden Maßnahme, die mit
Freiheitsentziehung verbunden ist, nur zulässig, wenn
1. die gesuchte Person persönlich und unter
Androhung der Folgen ihres ungerechtfertigten Fernbleibens vor das Gericht des
Ausstellungsstaats vorgeladen worden ist,
2. im Einklang mit Art. 6 der Konvention zum
Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958,
auf andere Weise vom Zeitpunkt und Ort der Verhandlung, die zum Abwesenheitsurteil
geführt hat, unterrichtet worden ist, oder
3. die ausstellende Justizbehörde unwiderruflich
zusichert, dass einem Antrag der gesuchten Person auf Wiederaufnahme des
Verfahrens und persönliche Anwesenheit bei der erneuten Verhandlung und
Entscheidung im Ausstellungsstaat ohne Anführung weiterer Gründe stattgegeben
werden wird.
Fiskalische strafbare Handlungen
§ 12. In Steuer-, Zoll- und Währungsangelegenheiten darf die Vollstreckung
eines Europäischen Haftbefehls durch eine österreichische Justizbehörde nicht
mit der Begründung abgelehnt werden, dass das österreichische Recht keine
gleichartigen Steuern vorschreibt oder keine gleichartigen Steuer-, Zoll- und
Währungsbestimmungen enthält wie das Recht des Ausstellungsstaats.
Dritter
Abschnitt
Verfahren
zur Bewilligung der Übergabe
Zuständigkeit
des Gerichtshofs erster Instanz
§ 13. Die Zuständigkeit
für das Verfahren und die Entscheidung über die Vollstreckung eines Europäischen
Haftbefehls und die Verhängung der Übergabehaft durch eine österreichische
Justizbehörde sowie für das Anbot der Übergabe richtet sich nach § 26
ARHG.
Geschäftsverkehr
§ 14. (1) Der Geschäftsverkehr zur Vollstreckung eines Europäischen
Haftbefehls findet grundsätzlich unmittelbar zwischen der ausstellenden und der
vollstreckenden Justizbehörde statt.
(2) Hat die vollstreckende Justizbehörde oder
die ausstellende Justizbehörde im Europäischen Haftbefehl eine zentrale
Übermittlungsbehörde namhaft gemacht, so findet der Geschäftsverkehr im Weg
dieser Behörde statt. Der Bundesminister für Justiz hat durch Verordnung
eine Liste solcher zentraler Übermittlungsbehörden zu verlautbaren.
(3) Ein Europäischer Haftbefehl und sonstige
Unterlagen nach diesem Bundesgesetz sind im Postweg, durch Telefax,
elektronische Datenübermittlung oder durch jedes andere sichere technische
Mittel zu übermitteln, das die Erstellung einer schriftlichen Fassung unter
Bedingungen ermöglicht, die dem Empfänger die Feststellung der Echtheit
gestatten.
(4) Zur Feststellung der zuständigen
vollstreckenden Justizbehörde können Erhebungen mit Hilfe von Eurojust oder der
Kontaktstellen des Europäischen Justiziellen Netzes durchgeführt werden.
(5) Die Übermittlung des Europäischen
Haftbefehls und sonstiger Unterlagen kann auch unter Vermittlung des
Bundesministeriums für Justiz stattfinden, wenn Schwierigkeiten bei der
Übermittlung oder Prüfung der Echtheit der Unterlagen bestehen, die im
unmittelbaren Geschäftsverkehr nach Abs. 1 nicht behoben werden können.
(6) Ist eine österreichische Justizbehörde, an
die ein Europäischer Haftbefehl zugestellt wird, für dessen Vollstreckung nicht
zuständig, so leitet sie diesen an das zuständige Gericht weiter und
verständigt die ausstellende Justizbehörde davon.
Vorrang der Übergabe
§ 15. Liegt ein Europäischer Haftbefehl eines anderen Mitgliedstaats oder
sonst ein hinreichender Grund vor, einem anderen Mitgliedstaat die Übergabe
anzubieten, so ist es unzulässig, die betroffene Person auf Grund anderer
gesetzlicher Bestimmungen außer Landes zu bringen.
Einleitung des Übergabeverfahrens
§ 16. (1) Der Untersuchungsrichter hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft
ein Übergabeverfahren einzuleiten, wenn ein Übergabeersuchen eines
Mitgliedstaats unmittelbar bei Gericht einlangt oder auf Grund bestimmter
Tatsachen anzunehmen ist, dass sich eine Person im Inland aufhält, gegen die
ein Europäischer Haftbefehl erlassen wurde oder die im Schengener Informationssystem
zur Verhaftung ausgeschrieben ist. Die ausstellende Justizbehörde ist zur
Vorlage eines Europäischen Haftbefehls aufzufordern, wenn sich die gesuchte
Person im Inland aufhält.
(2) In allen anderen Fällen hat das
Bundesministerium für Inneres zu prüfen, ob im Weg eines automationsunterstützt
geführten Fahndungssystems, im Weg der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation
– INTERPOL oder sonst im Weg der kriminalpolizeilichen Amtshilfe eingelangte
Ersuchen anderer Mitgliedstaaten um Übergabe einer Person Anlass für deren
Ausschreibung in den Fahndungsbehelfen zur Ausforschung zum Zwecke der
vorläufigen Verwahrung und Vorführung vor den zuständigen Untersuchungsrichter
geben.
Anbot der Übergabe
§ 17. (1) Die Staatsanwaltschaft hat auch ohne, dass ihr ein Europäischer
Haftbefehl vorliegt, zu prüfen, ob Anlass für ein Anbot der Übergabe einer im
Inland betretenen Person an den in Betracht kommenden Mitgliedstaat besteht,
wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, diese habe Taten begangen,
die der Vollstreckung eines solchen Haftbefehls unterliegen.
(2) Besteht Anlass für ein Anbot der Übergabe,
so hat die Staatsanwaltschaft die Einleitung eines Übergabeverfahrens, die
Vernehmung der betroffenen Person durch den Untersuchungsrichter und die
Befragung der Justizbehörde des in Betracht kommenden Mitgliedstaats zu
beantragen.
(3) Der Untersuchungsrichter hat auf Antrag der
Staatsanwaltschaft nach § 18 die Übergabehaft über die betroffene Person
unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 29 ARHG zu verhängen,
soweit dies nicht unzulässig erscheint, und die Justizbehörde des in Betracht
kommenden Mitgliedstaats unter Anschluss einer Sachverhaltsdarstellung zu
befragen, ob gegen die betroffene Person ein Europäischer Haftbefehl erlassen
werden wird. Für die Erlassung eines solchen Haftbefehls ist eine
angemessene Frist mit dem Hinweis zu setzen, dass bei deren fruchtlosem Ablauf
ein Verzicht auf die Übergabe angenommen und die betroffene Person freigelassen
werden wird. Die Frist darf in keinem Fall 40 Tage ab Festnahme der
betroffenen Person überschreiten. Nach ungenütztem Ablauf der Frist ist
die betroffene Person unverzüglich freizulassen, es sei denn, dass die
Staatsanwaltschaft sogleich die Verhängung der Untersuchungshaft beantragt.
Übergabehaft
§ 18. (1) Ein Europäischer Haftbefehl oder eine Ausschreibung nach
Art. 95 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ), BGBl. III
Nr. 90/1997, gilt als Ersuchen um Durchführung eines Übergabeverfahrens
und Verhängung der Übergabehaft.
(2) Für die Übergabehaft gelten die
Bestimmungen über die Auslieferungshaft nach § 29 ARHG sinngemäß.
Prüfung des Europäischen Haftbefehls
§ 19. (1) Die Voraussetzungen für eine Übergabe sind an Hand des Inhalts
des Europäischen Haftbefehls zu prüfen. Eine Verdachtsprüfung ist nur im
Umfang des § 33 Abs. 2 ARHG vorzunehmen.
(2) Ist der Untersuchungsrichter der Ansicht,
dass der Inhalt des Europäischen Haftbefehls und die sonst von der
ausstellenden Justizbehörde zur Verfügung gestellten Angaben nicht ausreichen,
um über die Übergabe entscheiden zu können, so hat er von der ausstellenden
Justizbehörde unverzüglich die erforderlichen zusätzlichen Angaben zu
verlangen. Für das Einlangen der zusätzlichen Angaben ist eine angemessene
Frist zu bestimmen. Die Entscheidungsfristen nach den §§ 20 und 21
bleiben dadurch unverändert.
(3) Ist die rechtliche Würdigung als Straftat
nach Anhang I offensichtlich fehlerhaft oder hat die betroffene Person dagegen
begründete Einwände erhoben, so hat der Untersuchungsrichter nach Abs. 2
vorzugehen, wenn sonst die Übergabe unzulässig wäre.
(4) Die Vollstreckung des Europäischen
Haftbefehls ist auf Grund von Einwänden der betroffenen Person abzulehnen, wenn
ihre Übergabe die in Art. 6 des Vertrags über die Europäische Union
anerkannten Grundsätze verletzen würde oder objektive Anhaltspunkte dafür
vorliegen, dass der Haftbefehl zum Zweck der Verfolgung oder Bestrafung der
betroffenen Person aus Gründen ihres Geschlechts, ihrer Rasse, Religion, ethnischen
Herkunft, Staatsangehörigkeit, Sprache oder politischen Überzeugung oder sexuellen
Ausrichtung erlassen worden ist oder die Stellung dieser Person aus einem
dieser Gründe sonst beeinträchtigt würde. Eine Prüfung der Einwände kann
unterbleiben, wenn die betroffene Person die Einwände vor den zuständigen
Justizbehörden des Ausstellungsstaats, vor dem Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hätte
geltend machen können.
Vereinfachte Übergabe
§ 20. (1) Der Untersuchungsrichter hat die betroffene Person bei der
Vernehmung zum Europäischen Haftbefehl über die Möglichkeit einer vereinfachten
Übergabe zu belehren. Im Übrigen gilt § 32 Abs. 1 bis 3 ARHG
sinngemäß.
(2) Hat sich die betroffene Person zu
gerichtlichem Protokoll mit der Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls
einverstanden erklärt und eingewilligt, ohne Durchführung eines förmlichen
Verfahrens übergeben zu werden, so hat der Untersuchungsrichter, soweit die
Voraussetzungen für eine Übergabe vorliegen, sogleich den Beschluss über die
Anordnung der Übergabe zu verkünden und eine schriftliche Ausfertigung
unverzüglich dem Betroffenen und der Staatsanwaltschaft zuzustellen. Die
Ausfertigung hat den zu Grunde liegenden Europäischen Haftbefehl zu bezeichnen
und darauf hinzuweisen, dass mit dieser vereinfachten Übergabe keine
Spezialitätswirkungen verbunden sind. In diesem Beschluss ist auch über
einen allfälligen Aufschub der Übergabe zu entscheiden. Liegen die
Voraussetzungen für eine Übergabe nicht vor, so ist nach § 21 vorzugehen.
(3) Gegen einen Beschluss nach Abs. 2
steht der betroffenen Person und der Staatsanwaltschaft die binnen 3 Tagen ab
Bekanntmachung des Beschlusses einzubringende Beschwerde an den Gerichtshof
zweiter Instanz zu (§ 114 StPO). Die Beschwerde hat aufschiebende
Wirkung. Über eine Beschwerde gegen den Beschluss auf Übergabe hat der
Gerichtshof zweiter Instanz binnen 40 Tagen nach Einwilligung der betroffenen
Person zu entscheiden.
(4) Der Untersuchungsrichter hat die ausstellende
Justizbehörde binnen 10 Tagen nach Einwilligung der betroffenen Person über den
Verfahrensstand zu unterrichten oder ihr unverzüglich eine Ausfertigung des
rechtskräftigen Beschlusses als Entscheidung über den Europäischen Haftbefehl
zu übermitteln.
Entscheidung über die Übergabe
§ 21. (1) Der Untersuchungsrichter hat über die Bewilligung oder Ablehnung
der Übergabe der betroffenen Person binnen 30 Tagen nach deren Festnahme durch
Beschluss zu entscheiden, der schriftlich auszufertigen ist. Die Verfahrensvorschriften
über die Zulässigkeit der Auslieferung nach § 31 Abs. 1 erster Satz,
Abs. 2 bis 5 und Abs. 6 erster bis fünfter Satz ARHG gelten
sinngemäß.
(2) Wurde über die betroffene Person auf Grund
eines Europäischen Haftbefehls die Übergabehaft nach § 18 verhängt, so ist
über die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls binnen 60 Tagen rechtskräftig
zu entscheiden. Kann diese Frist insbesondere auf Grund der besonderen
Schwierigkeiten des Falles nicht eingehalten werden, so hat der Untersuchungsrichter
die ausstellende Justizbehörde darüber vor Ablauf der Frist in Kenntnis zu
setzen. In diesem Fall verlängert sich die Entscheidungsfrist um weitere
30 Tage.
(3) Über die nach Abs. 2 letzter Satz
verlängerte Frist hinaus darf die Übergabehaft nur aufrecht erhalten werden,
wenn dies wegen besonderer Schwierigkeiten oder besonderen Umfangs der Prüfung
der Voraussetzungen einer Vollstreckung des Haftbefehls im Hinblick auf das
Gewicht des Haftgrundes unvermeidbar ist. Die Fristen nach § 18
Abs. 2 bleiben unberührt.
(4) Eine Ausfertigung des rechtskräftigen
Beschlusses hat der Untersuchungsrichter der ausstellenden Justizbehörde
unverzüglich als Entscheidung über den Europäischen Haftbefehl zu übermitteln.
Europäische Haftbefehle mehrerer
Mitgliedstaaten
§ 22. (1) Ersuchen zwei oder mehrere Mitgliedstaaten um die Vollstreckung
eines Europäischen Haftbefehls gegen dieselbe Person, so hat das Gericht unter
Abwägung aller Umstände zu entscheiden, welchem Europäischen Haftbefehl der
Vorrang eingeräumt wird. Zu diesen Umständen zählen insbesondere die
Schwere der Tat, der Tatort, der Zeitpunkt, zu dem der Europäische Haftbefehl
erlassen wurde, sowie der Umstand, ob der Haftbefehl zur Strafverfolgung oder
zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung
verbundenen vorbeugenden Maßnahme erlassen wurde. Vor einer Entscheidung
kann eine Stellungnahme von Eurojust eingeholt werden.
(2) Zugleich mit der Entscheidung nach
Abs. 1 ist über die Zulässigkeit der weiteren Übergabe zur Vollstreckung
des anderen Europäischen Haftbefehls zu entscheiden, wenn die Übergabe an den
Ausstellungsstaat unter Vorbehalt der Spezialität stattfindet.
(3) Diese Entscheidungen sind allen beteiligten
Mitgliedstaaten bekannt zu geben.
Zusammentreffen eines Europäischen
Haftbefehls mit einem Auslieferungsersuchen
§ 23. (1) Liegen ein Europäischer Haftbefehl und zumindest ein
Auslieferungsersuchen eines Drittstaats vor, so hat der Bundesminister für
Justiz unter Abwägung aller Umstände nach § 22 Abs. 1 und nach Maßgabe
der anwendbaren völkerrechtlichen Vereinbarungen zu entscheiden, ob dem
Europäischen Haftbefehl oder dem Auslieferungsersuchen der Vorrang einzuräumen
ist.
(2) Das Gericht hat über die Vollstreckung des
Europäischen Haftbefehls zu entscheiden und den Beschluss der ausstellenden
Justizbehörde mit dem Hinweis zu übermitteln, dass über den Vorrang des
Europäischen Haftbefehls der Bundesminister für Justiz entscheiden
wird. Das Gericht hat die Akten zusammen mit dem nach den Bestimmungen des
ARHG zu fassenden Beschluss über die Zulässigkeit der Auslieferung oder der
Zustimmung zur vereinfachten Auslieferung dem Bundesministerium für Justiz
vorzulegen. Die Verständigung des Ausstellungsstaats von der Entscheidung
des Bundesministers für Justiz erfolgt durch den Untersuchungsrichter.
Durchführung der Übergabe
§ 24. (1) Für die Durchführung der Übergabe der betroffenen Person gilt
§ 36 ARHG nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen. Hinsichtlich der
Notwendigkeit von Reisedokumenten gilt § 7 ARHG.
(2) Erfolgt die Übergabe
an einen Nachbarstaat oder liegen bereits die erforderlichen Durchlieferungsbewilligungen
vor, so hat der Untersuchungsrichter unter gleichzeitiger Verständigung der
ausstellenden Justizbehörde anzuordnen, dass die betroffene Person binnen 10
Tagen nach Rechtskraft der Bewilligung der Übergabe an einem bestimmten
Grenzübergang oder vereinbarten Übergabeort den Behörden des Nachbarstaats
übergeben wird. In allen übrigen Fällen hat der
Untersuchungsrichter die ausstellende Justizbehörde unverzüglich schriftlich
aufzufordern, die betroffene Person binnen 10 Tagen ab Rechtskraft der
Bewilligung der Übergabe zu übernehmen sowie Zeitpunkt und Ort der Abholung
vorzuschlagen. Diese Aufforderung ist auch dem Bundesministerium für
Inneres (Bundeskriminalamt) unverzüglich zu übermitteln.
(3) Wird die betroffene Person nicht binnen 10
Tagen ab Rechtskraft der Bewilligung der Übergabe übernommen, so ist sie
freizulassen, es sei denn, dass binnen dieser Frist ein späterer Übergabetermin
vereinbart wurde oder Umstände vorliegen, die sich dem Einfluss der beteiligten
Mitgliedstaaten entziehen. Liegen solche Umstände vor, so hat der
Untersuchungsrichter die ausstellende Justizbehörde abermals im Sinne des
Abs. 2 schriftlich aufzufordern, die betroffene Person binnen 10 Tagen ab
Wegfall des Hindernisses zu übernehmen und einen Vorschlag für die Übergabe zu
erstatten. Wird die Person nicht binnen dieser Frist übernommen, so ist
sie freizulassen.
(5) Die Ausfolgung von Gegenständen im
Zusammenhang mit der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls richtet sich
nach § 25 ARHG, soweit diese Gegenstände nicht zur persönlichen Habe der
betroffenen Person gehören. Unterliegen im Inland befindliche Gegenstände
dem Verfall oder der Einziehung, so dürfen diese Gegenstände dem Ausstellungsstaat
nur unter der Bedingung übergeben werden, dass sie spätestens nach Abschluss
des Strafverfahrens kostenlos zurückgegeben werden.
Aufschub der Übergabe
§ 25. (1) Der Untersuchungsrichter hat die Übergabe der betroffenen Person
aufzuschieben, wenn
1. die betroffene Person nicht transportfähig ist
oder ernsthafte Gründe für die Annahme vorliegen, dass die Durchführung der
Übergabe eine Gefährdung für Leib oder Leben der betroffenen Person nach sich
ziehen könnte,
2. die Wiederaufnahme des Übergabeverfahrens
bewilligt wurde,
3. sich die betroffene Person in Untersuchungshaft
befindet,
4. die Anwesenheit der auf freiem Fuß befindlichen
Person für ein inländisches Strafverfahren unbedingt erforderlich ist,
5. die betroffene Person in finanzbehördlicher
Untersuchungshaft zu halten ist, oder
6. an der betroffenen Person eine von einem
Gericht oder einer Verwaltungsbehörde verhängte Freiheitsstrafe oder mit
Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahme zu vollziehen ist.
(2) Wird von der Verfolgung oder von der
Vollstreckung wegen Übergabe abgesehen (§ 34 Abs. 2 Z 2 StPO,
§§ 4 und 157 Abs. 1 des Strafvollzugsgesetzes) und sind alle
Aufschubsgründe nach Abs. 1 weggefallen, so ist die Person nach Maßgabe
des § 24 unverzüglich zu übergeben.
Bedingte Übergabe
§ 26. (1) Wurde ein Aufschub der Übergabe nach § 25 Abs. 1 Z 6
angeordnet, so kann die betroffene Person der ausstellenden Justizbehörde zur
Durchführung bestimmter Verfahrenshandlungen in jenem Verfahren vorläufig
übergeben werden, für das die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls
bewilligt wurde, insbesondere zur Hauptverhandlung und Urteilsfällung, wenn die
Rückstellung der Person nach Durchführung der Verfahrenshandlungen zugesichert
und eine schriftliche Vereinbarung nach Abs. 3 abgeschlossen
wird. Die vorläufige Übergabe hat zu unterbleiben, wenn sie unangemessene
Nachteile für die betroffene Person zur Folge hätte.
(2) Die vorläufige Übergabe unterbricht den
Vollzug der inländischen Freiheitsstrafe oder vorbeugenden Maßnahme nicht.
(3) Die Vereinbarung hat zumindest zu
enthalten:
1. die Bezeichnung jener Verfahrenshandlungen, zu
deren Zweck die bedingte Übergabe stattfinden soll;
2. die Verpflichtung zur ehestmöglichen
Rückstellung der betroffenen Person nach Durchführung der Verfahrenshandlungen;
3. eine Befristung, nach deren Ablauf die
betroffene Person jedenfalls rückzustellen ist, sofern nicht vor Ablauf dieser
Frist eine Verlängerung der bedingten Übergabe vereinbart worden ist;
4. die Verpflichtung, die übergebene Person weiterhin
in Haft zu halten und nur auf Anordnung des zuständigen Gerichts des
Vollstreckungsstaats freizulassen;
5. eine Bestimmung, dass die bedingte Übergabe den
Vollzug der im Vollstreckungsstaat verhängten Freiheitsstrafe oder vorbeugenden
Maßnahme nicht unterbricht und die im Ausstellungsstaat in Haft zugebrachten
Zeiten ausschließlich im Verfahren des Vollstreckungsstaats angerechnet werden;
6. eine Bestimmung, dass alle Kosten im
Zusammenhang mit der bedingten Übergabe vom Ausstellungsstaat zu tragen sind.
(4) Besteht Anlass eine bedingte Übergabe aus
einem anderen Mitgliedstaat zu erwirken, hat das Gericht auf Antrag der
Staatsanwaltschaft mit der vollstreckenden Justizbehörde eine schriftliche
Vereinbarung nach Abs. 3 abzuschließen.
Wiederaufnahme
des Übergabeverfahrens
§ 27. (1) Der
Untersuchungsrichter (§ 68 Abs. 3 StPO) hat ohne Durchführung einer
Verhandlung den nach § 21 gefassten Beschluss aufzuheben, wenn neue
Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die allein oder in Verbindung mit dem
vollstreckten Europäischen Haftbefehl erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit
des Beschlusses hervorrufen. Das weitere Verfahren richtet sich nach den
§§ 19 und 21. Der Untersuchungsrichter, der über die Wiederaufnahme
entscheidet, hat die weiteren Verfügungen in diesem Übergabeverfahren zu
treffen.
(2) Wurde die
betroffene Person bereits dem Ausstellungsstaat übergeben und wird im
wiederaufgenommenen Verfahren eine zunächst bewilligte Übergabe abgelehnt, so
sind die Akten dem Bundesministerium für Justiz vorzulegen. Der
Bundesminister für Justiz hat den Ausstellungsstaat um die Rücküberstellung der
betroffenen Person zu ersuchen.
Kosten
§ 28. Kosten, die durch die Vollstreckung
des Europäischen Haftbefehls im Inland entstehen, hat die Republik Österreich
zu tragen. Alle sonstigen Kosten, einschließlich der Kosten der bedingten
Übergabe, gehen zu Lasten des Ausstellungsstaats.
Vierter
Abschnitt
Erwirkung
der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls
Fahndung
§ 29. (1) Das Gericht
entscheidet auf Antrag der Staatsanwaltschaft über die Erlassung eines Europäischen
Haftbefehls und hat gegebenenfalls die Ausschreibung der gesuchten Person im
Schengener Informationssystem nach Art. 95 SDÜ im Weg der zuständigen
Sicherheitsbehörden zu veranlassen, wenn Anlass für die Einleitung einer
Fahndung zur Festnahme einer gesuchten Person in zumindest einem Mitgliedstaat
besteht. Kann durch eine Ausschreibung im Schengener Informationssystem
die Fahndung nicht in allen Mitgliedstaaten erreicht werden, so sind auch die
Dienste der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation- INTERPOL in
Anspruch zu nehmen.
(2) Das Gericht hat
auf Antrag der Staatsanwaltschaft den Europäischen Haftbefehl unmittelbar der
zuständigen vollstreckenden Justizbehörde zu übermitteln, wenn der
Aufenthaltsort der gesuchten Person in einem Mitgliedstaat bekannt ist oder
bestimmte Anhaltspunkte für einen solchen Aufenthaltsort bestehen.
Inhalt und
Form des Europäischen Haftbefehls
§ 30. (1) Der
Europäische Haftbefehl ist unter Verwendung des Formblatts laut Anhang II
dieses Bundesgesetzes auszufertigen und hat die dort angeführten Angaben zu
enthalten.
(2) Der Europäische
Haftbefehl ist in die oder eine der Amtssprachen des Vollstreckungsstaats zu
übersetzen.
(3) Wenn
Mitgliedstaaten den Europäischen Haftbefehl auch in anderen als ihren eigenen
Amtssprachen akzeptieren, hat der Bundesminister für Justiz dies durch
Verordnung zu verlautbaren.
Spezialität und weitere Übergabe oder
Weiterlieferung
§ 31. (1) Eine Person, die auf Grund eines von einer österreichischen
Justizbehörde erlassenen Europäischen Haftbefehls an Österreich übergeben
wurde, darf ohne die Zustimmung des Vollstreckungsstaats wegen einer vor ihrer
Übergabe begangenen anderen Handlung, auf die sich der Europäische Haftbefehl
nicht erstreckt hat, weder verfolgt noch verurteilt noch einer mit
Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme unterworfen noch auf
Grund eines weiteren Europäischen Haftbefehls an einen anderen Mitgliedstaat
übergeben werden. Eine Weiterlieferung an einen Drittstaat bedarf immer
der Zustimmung des Vollstreckungsstaats.
(2) Die Spezialität der Übergabe findet keine
Anwendung, wenn
1. die Person innerhalb von 45 Tagen nach ihrer
endgültigen Freilassung das Gebiet der Republik Österreich nicht verlassen hat,
obwohl sie es verlassen konnte und durfte,
2. die Person das Gebiet der Republik Österreich
verlassen hat und freiwillig zurückkehrt oder aus einem dritten Staat
rechtmäßig zurückgebracht wird,
3. die zu verfolgende Tat weder mit
Freiheitsstrafe noch mit einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden
Maßnahme bedroht ist oder die Strafverfolgung nicht zur Anwendung einer die
persönliche Freiheit beschränkenden Maßnahme führt,
4. gegen die Person eine nicht mit
Freiheitsentziehung verbundene Strafe oder Maßnahme, insbesondere eine
Geldstrafe oder eine vermögensrechtliche Anordnung, vollstreckt wird, selbst
wenn diese Vollstreckung insbesondere durch den Vollzug einer
Ersatzfreiheitsstrafe zu einer Einschränkung der persönlichen Freiheit führt,
5. die Person nach ihrer Übergabe ausdrücklich auf
die Beachtung des Grundsatzes der Spezialität verzichtet oder der Verfolgung
wegen bestimmter vor der Übergabe begangener strafbarer Handlungen zustimmt,
6. die Person vor der vollstreckenden
Justizbehörde ihrer Übergabe zugestimmt und ausdrücklich auf die Beachtung des
Grundsatzes der Spezialität verzichtet hat, oder
7. die vollstreckende Justizbehörde auf die
Einhaltung des Grundsatzes der Spezialität verzichtet oder ihre Zustimmung zur
Verfolgung wegen anderer vor der Übergabe begangener strafbarer Handlungen
erteilt hat.
(3) Der Verzicht auf die Beachtung des
Grundsatzes der Spezialität oder die Zustimmung zur Verfolgung wegen bestimmter
vor der Übergabe begangener strafbarer Handlungen nach Abs. 2 Z 5 ist
nur wirksam, wenn die betroffene Person diese Erklärungen gerichtlich zu
Protokoll gibt. Die betroffene Person ist über die Wirkungen des Verzichts
und der Zustimmung zu belehren sowie darauf hinzuweisen, dass es ihr freistehe,
sich zuvor mit einem Verteidiger zu verständigen.
(4) Liegen Ausnahmen nach Abs. 2 nicht vor
und besteht Anlass, die betroffene Person auch wegen Taten zu verfolgen oder
gegen die betroffene Person eine Freiheitsstrafe oder eine mit Freiheitsentziehung
verbundene vorbeugende Maßnahmen zu vollstrecken, auf die sich der Europäische
Haftbefehl nicht erstreckt, so ist der bereits erlassene Europäische Haftbefehl
mit Beschluss zu ergänzen. Dieser Beschluss hat die in Betracht kommenden
Angaben eines Europäischen Haftbefehls nach Anhang II zu enthalten. Er ist
in die oder eine der Amtssprachen des Vollstreckungsstaats zu übersetzen
(§ 30 Abs. 2 und 3) und sodann der vollstreckenden Justizbehörde mit
dem Ersuchen um Erteilung der Zustimmung zu übermitteln. Das Ersuchen kann
mit dem Hinweis versehen werden, dass eine Zustimmung als erteilt angenommen
werden wird, wenn die vollstreckende Justizbehörde nicht binnen 30 Tagen nach
Eingang des Ersuchens eine Entscheidung oder sonstige Antwort
übermittelt. § 70 Abs. 3 bis 5 ARHG gilt sinngemäß.
(5) Liegen Ausnahmen nach Abs. 2 nicht vor
und ersucht ein anderer Mitgliedstaat um die Vollstreckung eines Europäischen
Haftbefehls, so ist dieser Haftbefehl der vollstreckenden Justizbehörde mit dem
Ersuchen um Erteilung der Zustimmung zur weiteren Übergabe zu
übermitteln. Das Ersuchen kann mit dem Hinweis versehen werden, dass eine
Zustimmung als erteilt angenommen wird, wenn die vollstreckende Justizbehörde
nicht binnen 30 Tagen nach Eingang des Ersuchens eine Entscheidung oder sonstige
Antwort übermittelt.
(6) Ersucht ein Drittstaat um die Auslieferung
der übergebenen Person, so hat der Untersuchungsrichter die vollstreckende
Justizbehörde immer um ihre Zustimmung zu dieser Weiterlieferung zu ersuchen,
sofern die Zustimmung des Vollstreckungsstaats nicht nach Abs. 7 als
erteilt gilt. Dieses Ersuchen hat der Untersuchungsrichter vor der Vorlage
der Akten an den Bundesminister für Justiz nach § 32 Abs. 4 ARHG oder
vor seiner Entscheidung nach § 31 ARHG zu stellen. Dem Ersuchen sind
Ausfertigungen der Auslieferungsunterlagen des Drittstaats sowie ein mit der
betroffenen Person aufgenommenes gerichtliches Protokoll über ihre Erklärungen
zum Auslieferungsersuchen anzuschließen.
(7) Der Bundesminister für Justiz hat durch Verordnung
eine Liste jener Mitgliedstaaten zu verlautbaren, die dem Generalsekretär des
Rates der Europäischen Union mitgeteilt haben, dass in ihren Beziehungen zu
anderen Mitgliedstaaten, die eine gleiche Mitteilung gemacht haben, die
Zustimmung zur weiteren Verfolgung, Verurteilung oder Vollstreckung einer
Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme
oder zur Übergabe an einen anderen Mitgliedstaat als erteilt gilt, sofern die
vollstreckende Justizbehörde im Einzelfall in ihrer Übergabeentscheidung keine
anders lautende Erklärung abgibt.
Fünfter Abschnitt
Durchlieferung
Zulässigkeit der Durchlieferung
§ 32. (1) Die
Durchlieferung einer Person durch das Gebiet der Republik Österreich an einen
Mitgliedstaat wird auf Grund eines zuvor gestellten Ersuchens bewilligt.
(2) Die Durchlieferung bedarf keiner
Bewilligung, wenn der Luftweg benützt werden soll und eine Zwischenlandung auf
dem Gebiet der Republik Österreich nicht vorgesehen ist. Im Fall einer
außerplanmäßigen Zwischenlandung wird die Durchlieferung auf Grund eines vom
Ausstellungsstaat zu stellenden Ersuchens bewilligt.
(3) Ein inländischer Strafanspruch gegen die
durchzuliefernde Person steht einer Durchlieferung nicht entgegen. Die
Staatsanwaltschaft hat jedoch in diesem Fall zu prüfen, ob Anlass besteht, die
weitere Übergabe oder Auslieferung der durchzuliefernden Person zu begehren
oder den Ausstellungsstaat um die Übernahme der Strafverfolgung zu ersuchen.
(4) Die Bestimmungen über die Durchlieferung gelten
sinngemäß auch auf Ersuchen um Durchbeförderung von Personen durch das Gebiet
der Republik Österreich in einen Mitgliedstaat zum Zweck der Übernahme der
Strafverfolgung oder der Vollstreckung einer ausländischen gerichtlichen
Entscheidung.
Durchlieferung
österreichischer Staatsbürger
§ 33. (Verfassungsbestimmung) (1) Die Durchlieferung österreichischer Staatsbürger durch das
Gebiet der Republik Österreich ist nur nach Maßgabe der Bestimmungen dieses
Bundesgesetzes zulässig.
(2) Die
Durchlieferung österreichischer Staatsbürger zum Zweck der Vollstreckung einer
Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden
Maßnahme ist unzulässig.
(3) Die
Durchlieferung österreichischer Staatsbürger hat immer unter der Bedingung zu
erfolgen, dass der österreichische Staatsbürger nach Gewährung rechtlichen
Gehörs zur Vollstreckung der vom Gericht des Ausstellungsstaats verhängten
Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme
nach Österreich rücküberstellt wird.
Durchlieferungsunterlagen
§ 34. (1) Die Durchlieferung ist ausschließlich an Hand des Inhalts des
Ersuchens zu prüfen. Dieses Ersuchen hat folgende Angaben zu enthalten:
1. die Identität und die Staatsangehörigkeit der
betroffenen Person,
2. das Vorliegen eines Europäischen Haftbefehls
oder eines Auslieferungsersuchens,
3. die Art und die rechtliche Würdigung der
Straftat,
4. die Beschreibung der Umstände, unter denen die
Straftat begangen wurde, einschließlich der Tatzeit und des Tatorts.
(2) Der Bundesminister für Justiz kann vom
ersuchenden Staat eine Ergänzung der Unterlagen verlangen und hiefür eine
angemessene Frist bestimmen. Bei fruchtlosem Ablauf dieser Frist ist auf
Grund der vorhandenen Unterlagen zu entscheiden.
(3) Für die Durchführung der Durchlieferung
gilt § 49 ARHG.
Entscheidung über die Durchlieferung
§ 35. Über die Durchlieferung entscheidet der Bundesminister für Justiz im
Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres. Er hat seine Entscheidung
unmittelbar der ersuchenden Behörde zu übermitteln.
Erwirkung der Durchlieferung
§ 36. (1) Besteht auf Grund eines von einem inländischen Gericht
erlassenen Europäischen Haftbefehls Anlass zur Durchlieferung durch einen
Mitgliedstaat, so hat das Gericht die in § 34 bezeichneten Unterlagen der zuständigen
Behörde dieses Mitgliedstaats mit dem Ersuchen um Bewilligung zu übermitteln. Der
Bundesminister für Justiz hat durch Verordnung eine Liste der für die
Entgegennahme von Ersuchen um Durchlieferung zuständigen Behörden der
Mitgliedstaaten zu verlautbaren.
(2) Besteht Anlass, einen Mitgliedstaat auf
Grund eines Auslieferungsersuchens um die Durchlieferung einer Person aus einem
Drittstaat zu ersuchen, so hat das Gericht dem Bundesministerium für Justiz die
in § 34 bezeichneten Unterlagen zur Erwirkung der Durchlieferung
vorzulegen.
Kosten der Durchlieferung
§ 37. Ein Ersatz für die Kosten einer Durchlieferung durch das Gebiet der
Republik Österreich ist vom ersuchenden Mitgliedstaat nur zu verlangen, wenn
dieser nicht die Kosten eines gleichartigen österreichischen Ersuchens selbst
tragen würde. Über die Gegenseitigkeit ist im Zweifelsfall eine Auskunft
des Bundesministers für Justiz einzuholen.
Verhältnis zu sonstigen
internationalen Verpflichtungen
§ 38. (1) Die Verpflichtungen der Republik Österreich aus dem Römischen
Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, BGBl. III Nr. 180/2002,
sowie die Bestimmungen der Bundesgesetze über die Zusammenarbeit mit den
internationalen Gerichten, BGBl. Nr. 263/1996, und über die
Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof, BGBl. III
Nr. 135/2002, bleiben unberührt.
(2) Die Verpflichtungen der Republik Österreich
zur Beachtung des Grundsatzes der Spezialität sowie anderer völkerrechtlicher
Bedingungen, die ein Drittstaat anlässlich der Auslieferung der betroffenen
Person an Österreich gestellt hat, bleiben unberührt. Stehen solche Gründe
der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls entgegen, so hat der
Untersuchungsrichter unverzüglich dem Bundesministerium für Justiz jene
Unterlagen vorzulegen, die zur Erwirkung der Zustimmung des Drittstaats zur
Übergabe erforderlich sind. Die in den §§ 20 und 21 vorgesehenen
Fristen beginnen erst an dem Tag zu laufen, an dem der Grundsatz der
Spezialität oder andere völkerrechtliche Bedingungen der Übergabe nicht mehr
entgegen stehen.
III. Hauptstück
Anerkennung und Vollstreckung
justizieller Entscheidungen
Erster Abschnitt
Vollstreckung ausländischer
Freiheitsstrafen und vorbeugender Maßnahmen
Allgemeine Voraussetzungen
§ 39. (1) Wird eine österreichische Justizbehörde um die Vollstreckung
eines Europäischen Haftbefehls gegen einen österreichischen Staatsbürger zum
Vollzug einer Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen
vorbeugenden Maßnahme ersucht und liegen alle sonstigen Voraussetzungen für
eine Übergabe dieser Person nach dem II. Hauptstück dieses Bundesgesetzes
vor, so ist dieser Europäische Haftbefehl als Ersuchen um Vollstreckung der
verhängten Freiheitsstrafe oder der mit Freiheitsentziehung verbundenen
vorbeugenden Maßnahme durch die österreichischen Behörden zu behandeln. In
diesem Umfang ist die im Ausstellungsstaat gegen einen österreichischen
Staatsbürger verhängte Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundenen
vorbeugende Maßnahme auch dann im Inland zu vollstrecken, wenn die dem
Europäischen Haftbefehl zu Grunde liegende Tat nach österreichischem Recht
nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist. Eine Zustimmung des
Betroffenen zur Vollstreckung im Inland ist nicht erforderlich.
(2) Im Übrigen ist die Vollstreckung einer von
einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats rechtskräftig verhängten
Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme
auf Ersuchen der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats zulässig, wenn
1. die Entscheidung im Einklang mit Art. 6
der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten,
BGBl. Nr. 210/1958, entsprechenden Verfahren ergangen ist,
2. die Entscheidung wegen einer Tat ergangen ist,
die nach österreichischem Recht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist,
3. die Entscheidung nicht wegen einer Straftat
politischen Charakters oder wegen einer militärischen oder fiskalischen
Straftat ergangen ist,
4. nach österreichischem Recht noch keine
Verjährung der Vollstreckbarkeit eingetreten wäre,
5. der Betroffene nicht wegen derselben Tat im
Inland verfolgt wird, rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen oder sonst
außer Verfolgung gesetzt worden ist,
6. der Betroffene österreichischer Staatsbürger
ist und seinen Wohnsitz oder Aufenthalt im Inland hatte, und
7. das österreichische Recht im Fall der
Vollstreckung einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßnahme eine
gleichartige vorsieht.
(3) Wurde die Vollstreckung eines Europäischen
Haftbefehls gegen einen österreichischen Staatsbürger unter der Bedingung der
Rücküberstellung nach § 5 Abs. 5 bewilligt, ist die Vollstreckung der
vom Gericht des Ausstellungsstaats verhängten Freiheitsstrafe oder der mit
Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme auch dann zulässig, wenn
die Voraussetzungen nach Abs. 2 Z 2 und 3 nicht vorliegen.
Zustimmung zur Vollstreckung
§ 40. (1) Die Vollstreckung einer von einem Gericht eines Mitgliedstaats
über einen österreichischen Staatsbürger rechtskräftig verhängten
Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme
ist nur zulässig, wenn der Betroffene der Vollstreckung im Inland zugestimmt
hat.
(2) Das Erfordernis der Zustimmung zur
inländischen Vollstreckung entfällt, wenn
1. sich der Betroffene durch Flucht der Vollstreckung
oder weiteren Vollstreckung der Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung
verbundenen vorbeugenden Maßnahme im Urteilsstaat entzogen hat oder sich in
Kenntnis der drohenden Vollstreckung nach Österreich begeben hat, oder
2. im Urteilsstaat eine Ausweisungs- oder
Abschiebungsanordnung oder sonstige Anordnung besteht, die bewirkt, dass der
Betroffene nach seiner Entlassung aus der Freiheitsstrafe oder mit
Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme nicht mehr im
Hoheitsgebiet des Urteilsstaats verbleiben darf.
Haft zur Sicherung der Vollstreckung
§ 41. (1) Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann über den Betroffenen
(§ 40) die Haft zur Sicherung der Vollstreckung verhängt werden, wenn
1. ein Ersuchen eines Urteilsstaats um
Vollstreckung einer rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe oder vorbeugenden
Maßnahme vorliegt oder um Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls zur
Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundenen
vorbeugenden Maßnahme ersucht wurde,
2. auf Grund bestimmter Tatsachen der dringende
Verdacht besteht, dass sich der Betroffene dem Verfahren nach § 44 oder
der Vollstreckung wegen des Ausmaßes der zu vollstreckenden Strafe entziehen
werde,
3. eine Zustimmung des Betroffenen zur
inländischen Vollstreckung nicht erforderlich ist, und
4. die Vollstreckung nicht von vornherein
unzulässig erscheint.
(2) Für diese Haft gelten die Bestimmungen über
die Untersuchungshaft sinngemäß.
Inländische
Vollstreckungsentscheidung
§ 42. (1) Der inländischen Vollstreckungsentscheidung ist der vom Gericht
des Ausstellungsstaats festgestellte Sachverhalt zu Grunde zu legen.
(2) Wird die Vollstreckung einer von einem
Gericht eines anderen Mitgliedstaats verhängten Freiheitsstrafe oder mit
Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme übernommen, so ist die im
Inland zu vollstreckende Strafe oder mit Freiheitsentziehung verbundenen
vorbeugende Maßnahme unter Bedachtnahme auf die im anderen Mitgliedstaat
verhängte Freiheitsstrafe oder ausgesprochene Maßnahme nach österreichischem
Recht zu bestimmen. Betrifft die Vollstreckung eine nach österreichischem
Recht nicht gerichtlich strafbare Tat (§ 39 Abs. 1), so sind
hinsichtlich dieser Tat die österreichischen Strafbemessungsgrundsätze
sinngemäß anzuwenden.
(3) Der von der Entscheidung Betroffene darf
durch die Übernahme der Vollstreckung nicht ungünstiger gestellt werden als
durch die Vollstreckung im Ausstellungsstaat.
(4) Die §§ 38 und 66 des Strafgesetzbuches
gelten sinngemäß.
Behandlung einlangender Ersuchen
§ 43. (1) Ersuchen um Vollstreckung strafgerichtlicher Entscheidungen
eines anderen Mitgliedstaats sind vom Bundesministerium für Justiz unmittelbar
oder im Wege der Staatsanwaltschaft dem zuständigen Gerichtshof erster Instanz
(§ 44 Abs. 1) zuzuleiten.
(2) Der Bundesminister für Justiz kann in jeder
Lage des Verfahrens von sich aus oder auf Antrag des Gerichtshofes erster
Instanz von dem um Übernahme der Vollstreckung ersuchenden Staat eine Ergänzung
der vorgelegten Unterlagen verlangen.
Zuständigkeit und Verfahren
§ 44. (1) Über das Ersuchen um Vollstreckung und die Anpassung der Strafe
oder mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme entscheidet der
im § 26 Abs. 1 ARHG bezeichnete Gerichtshof erster Instanz durch
einen Senat von drei Richtern (§ 13 Abs. 3 StPO) mit
Beschluss. Gegen diesen Beschluss steht dem öffentlichen Ankläger und dem
Betroffenen die binnen 14 Tagen einzubringende Beschwerde an den Gerichtshof
zweiter Instanz offen.
(2) Erweisen sich die vorliegenden Unterlagen
für eine inländische Vollstreckungsentscheidung als unzureichend, so hat das
Gericht die ausstellende Justizbehörde um die notwendige Ergänzung der Unterlagen
zu ersuchen. Für das Einlangen dieser Unterlagen kann das Gericht eine
angemessene Frist setzen. Ist das Ersuchen um Vollstreckung der
ausländischen Entscheidung im Wege des Bundesministeriums für Justiz
eingelangt, so ist die Ergänzung auf diesem Weg zu bewirken.
(3) Der Bundesminister für Justiz hat dem
Ausstellungsstaat den Beschluss über die Übernahme der Vollstreckung auf dem
vorgesehenen Weg mitzuteilen und ihn von der erfolgten Vollstreckung zu verständigen. Wurde
die Vollstreckung auf Grund eines Europäischen Haftbefehls übernommen, so hat
das Gericht die ausstellende Justizbehörde von der Übernahme und vom Abschluss
der Vollstreckung im unmittelbaren Behördenverkehr zu verständigen.
(4) Nach Übernahme der Vollstreckung einer
Strafe oder mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme darf ein
Strafverfahren wegen der dem Urteil zu Grunde liegenden Tat nicht mehr
eingeleitet werden.
(5) Für den Vollzug, die bedingte Entlassung
und das Gnadenrecht gelten die Bestimmungen des österreichischen Rechts.
(6) Der Vollzug ist jedenfalls zu beenden, wenn
die Vollstreckbarkeit der Strafe oder mit Freiheitsentziehung verbundenen
vorbeugenden Maßnahme nach dem Recht des Ausstellungsstaats erlischt.
Zweiter Abschnitt
Vollstreckung von
Sicherstellungsentscheidungen der Mitgliedstaaten
Voraussetzungen
§ 45. (1) Eine Sicherstellungsentscheidung über Beweismittel kann wegen
Straftaten erlassen oder vollstreckt werden, die nach dem Recht des
Entscheidungsstaats und, vorbehaltlich der Bestimmung des Abs. 3, nach dem
Recht des Vollstreckungsstaats mit gerichtlicher Strafe bedroht sind.
(2) Eine Sicherstellungsentscheidung über
Vermögensgegenstände, die der nachfolgenden Einziehung, Abschöpfung der
Bereicherung oder dem Verfall unterliegen könnten, kann wegen Straftaten erlassen
oder vollstreckt werden, die nach dem Recht des Entscheidungsstaats und des
Vollstreckungsstaats gemäß Abs. 3 eine Sicherstellung ermöglichen.
(3) Für eine Entscheidung nach Abs. 1 und
2 ist die beiderseitige Strafbarkeit nicht zu prüfen, wenn die der
Sicherstellungsentscheidung zu Grunde liegende Straftat von der ausstellenden
Justizbehörde einer der im Anhang I angeführten Kategorie von Straftaten
zugeordnet wurde und nach dem Recht des Ausstellungsstaats mit einer
Freiheitsstrafe bedroht ist, deren Obergrenze mindestens drei Jahre beträgt.
(4) Die Sicherstellungsentscheidung wird nur
vollstreckt, wenn sie von einer Bescheinigung in der im Anhang III bezeichneten
Form begleitet ist. Ist die Bescheinigung unvollständig oder entspricht
sie offensichtlich nicht der Sicherstellungsentscheidung, so kann der ausstellenden
Justizbehörde eine Frist zur Vervollständigung oder Berichtigung gesetzt
werden, sofern die vorhandenen Unterlagen für die Entscheidung über die
Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung nicht ausreichend sind.
Zuständigkeit und Verfahren
§ 46. (1) Über die Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung eines
anderen Mitgliedstaats entscheidet der Gerichtshof erster Instanz, in dessen
Sprengel sich der Vermögensgegenstand oder das Beweismittel
befindet. Gegen diesen Beschluss steht dem öffentlichen Ankläger und den
Betroffenen die binnen 14 Tagen einzubringende Beschwerde an den Gerichtshof
zweiter Instanz offen. Der Beschwerde kommt keine aufschiebende Wirkung
zu. Die ausstellende Justizbehörde ist von der Einbringung einer
Beschwerde sowie vom Ausgang des Beschwerdeverfahren zu verständigen.
(2) Das Verfahren richtet sich nach den
Vorschriften der Strafprozessordnung. Einem Ersuchen um Einhaltung
bestimmter, davon abweichender Formvorschriften und Verfahren ist jedoch zu
entsprechen, wenn diese mit den Grundsätzen des österreichischen
Strafverfahrensrechts vereinbar sind.
(3) Das Gericht entscheidet so bald wie möglich
über die Sicherstellungsentscheidung, nach Möglichkeit innerhalb von 24 Stunden
nach deren Erhalt, und teilt seine Entscheidung der ausstellenden Justizbehörde
mit.
Ablehnung der Vollstreckung
§ 47. (1) Die Vollstreckung einer Sicherstellungsentscheidung durch eine
österreichische Justizbehörde ist unzulässig, wenn
1. die Voraussetzungen nach § 45 nicht
vorliegen,
2. nach österreichischem Recht Privilegien oder
Immunitäten bestehen, die die Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung
unmöglich machen, oder
3. sich aus der Bescheinigung (§ 45
Abs. 4) ergibt, dass durch Vollstreckung einer Verfalls- oder
Einziehungsentscheidung der in § 7 Abs. 1 angeführten Grundsatz
verletzt wäre.
(2) In Abgaben-, Steuer-, Zoll- und
Devisenstrafsachen kann die Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung nicht
mit der Begründung abgelehnt werden, dass nach österreichischem Recht nicht
dieselbe Art von Abgaben oder Steuern oder keine Abgaben-, Steuern-, Zoll- oder
Devisenbestimmungen derselben Art wie nach dem Recht des Ausstellungsstaats
vorgesehen sind.
Aufschub der Vollstreckung
§ 48. (1) Die Vollstreckung einer Sicherstellungsentscheidung ist
aufzuschieben, wenn der Vermögensgegenstand oder das Beweismittel bereits im
Zuge eines im Inland anhängigen Verfahrens beschlagnahmt oder mittels
einstweiliger Verfügung sichergestellt worden ist.
(2) Wird die Beschlagnahme oder Sicherstellung
im inländischen Verfahren aufgehoben, so ist unverzüglich über die
Vollstreckung der Sicherstellungsentscheidung zu entscheiden.
(3) Die Vollstreckung einer
Sicherstellungsentscheidung kann aufgeschoben werden, solange der Zweck
laufender Ermittlungen durch sie gefährdet wäre.
Dauer der Beschlagnahme oder
Sicherstellung
§ 49. Ist der Sicherstellungsentscheidung kein Ersuchen um Übergabe des
Beweismittels oder um Vollstreckung einer Verfalls- oder Einziehungsentscheidung
unter Anschluss der zu vollstreckenden Entscheidung angeschlossen, so ist die
Beschlagnahme oder Sicherstellung bis zur Entscheidung über ein das
Beweismittel oder den Vermögensgegenstand betreffendes Rechtshilfeersuchen des
Ausstellungsstaats aufrecht zu erhalten, soweit die Voraussetzungen für die
Beschlagnahme oder Sicherstellung nach diesem Abschnitt fortbestehen. Im
Übrigen ist nach § 58 dritter Satz ARHG vorzugehen.
Verständigungspflicht
§ 50. Erweist sich die
Vollstreckung einer Sicherstellungsentscheidung als unzulässig, tatsächlich
unmöglich oder ist die Vollstreckung aufzuschieben, so hat der
Untersuchungsrichter die ausstellende Justizbehörde davon unverzüglich zu
verständigen. Gleiches gilt für die Erhebung eines Rechtsmittels gegen die
Vollstreckung und für die vollzogene Vollstreckung der
Sicherstellungsentscheidung.
Geschäftsweg und Übersetzung
§ 51. (1) Für den Geschäftsverkehr zur Vollstreckung einer
Sicherstellungsentscheidung findet § 14 sinngemäß Anwendung.
(2) Die Bescheinigung nach Anhang III zu
Sicherstellungsentscheidungen inländischer Gerichte ist in die Amtssprache des
Mitgliedstaats zu übersetzen, in dem die Sicherstellungsentscheidung
vollstreckt werden soll, soweit dieser nicht die Erklärung abgegeben hat, eine
Übersetzung in die deutsche oder eine andere Sprache zu akzeptieren.
Dritter Abschnitt
Vollstreckung ausländischer Verfalls-
und Einziehungsentscheidungen
§ 52. (1) Auf die Vollstreckung von vermögensrechtlichen Anordnungen, die
von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats rechtskräftig ausgesprochen
wurden, finden die Bestimmungen der §§ 64 bis 67 ARHG Anwendung.
(2) Einem Ersuchen eines Mitgliedstaats um
Vollstreckung einer Verfalls- oder Einziehungsentscheidung darf nur entsprochen
werden, wenn gewährleistet ist, dass der ersuchende Mitgliedstaat einem
gleichartigen österreichischem Ersuchen entsprechen würde, oder wenn
völkerrechtliche Übereinkommen zur Vollstreckung solcher Entscheidungen
verpflichten. Im Übrigen gilt § 3 ARHG.
Vierter Abschnitt
Vollstreckung ausländischer
Geldstrafen
§ 53. (1) Auf die Vollstreckung von Geldstrafen, die von einem Gericht
eines anderen Mitgliedstaats rechtskräftig verhängt wurden, finden die
Bestimmungen der §§ 64 bis 67 ARHG Anwendung.
(2) Einem Ersuchen eines Mitgliedstaats um
Vollstreckung einer rechtskräftig verhängten Geldstrafe darf nur entsprochen
werden, wenn gewährleistet ist, dass der ersuchende Mitgliedstaat einem
gleichartigen österreichischem Ersuchen entsprechen würde oder völkerrechtliche
Übereinkommen zur Vollstreckung solcher Geldstrafen verpflichten. Im
Übrigen gilt § 3 ARHG.
Fünfter Abschnitt
Erwirkung der Vollstreckung
§ 54. (1) Die Vollstreckung österreichischer strafgerichtlicher
Entscheidungen durch andere Mitgliedstaaten ist gemäß den die Bestimmungen des § 76
ARHG zu erwirken.
(2) Beträgt der Rest der zu vollstreckenden
Strafe oder mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme mehr als
ein Jahr, so ist die Möglichkeit der Übernahme der Strafvollstreckung durch den
Mitgliedstaat zu prüfen in dem der Betroffene seinen Wohnsitz hatte.
(3) Bedarf es auf Grund zwischenstaatlicher
Vereinbarungen nicht der Zustimmung des Betroffenen zur Vollstreckung in einem
Mitgliedstaat, so ist das Ersuchen um Übernahme der Strafvollstreckung unter
der Bedingung der Beachtung des Grundsatzes des § 31 zu stellen.
IV. Hauptstück
Rechtshilfe
Erster Abschnitt
Grundsätze
Vorrang zwischenstaatlicher
Vereinbarungen und Anwendung des ARHG
§ 55. Die Bestimmungen dieses Hauptstücks gelten nur insoweit, als in
unmittelbar anwendbaren zwischenstaatlichen Vereinbarungen nichts anderes
bestimmt ist.
Allgemeiner Grundsatz
§ 56. (1) Rechthilfe kann auf Ersuchen einer Behörde eines Mitgliedstaats
für folgende Verfahren geleistet werden:
1. in Strafsachen, auch wenn für die Handlungen im
ersuchenden Mitgliedstaat eine juristische Person verantwortlich gemacht werden
kann, einschließlich der Verfahren zur Anordnung vorbeugender Maßnahmen, zur
Aussetzung des Strafausspruchs, zum Aufschub oder zur Unterbrechung der
Vollstreckung einer Strafe oder vorbeugenden Maßnahme, zur bedingten Entlassung
und zum Ausspruch einer vermögensrechtlichen Anordnung;
2. in Verfahren wegen Handlungen, die als
Verwaltungsübertretungen oder Ordnungswidrigkeiten geahndet werden, soweit
gegen die Entscheidung der zuständigen Behörde ein auch in Strafsachen
zuständiges Gericht angerufen werden kann; dies gilt auch für Taten, für die im
ersuchenden Mitgliedstaat eine juristische Person verantwortlich gemacht werden
kann;
3. durch Zustellung von Verfahrensurkunden;
4. in Zivilsachen, die mit einer Anklage verbunden
sind, solange das Strafgericht noch nicht endgültig über die Anklage
entschieden hat;
5. in Angelegenheiten des Strafregisters
einschließlich der Tilgung,
6. in Verfahren über die Entschädigung für
Strafverfolgungsmaßnahmen, strafgerichtliche Anhaltung und ungerechtfertigte
Verurteilung;
7. in Gnadensachen und in Angelegenheiten des
Straf- und Maßnahmenvollzuges.
(2) Als Behörde im Sinn des Abs. 1 ist ein
Gericht, eine Staatsanwaltschaft oder eine Verwaltungsbehörde, gegen deren
Entscheidung ein auch in Strafsachen zuständiges Gericht angerufen werden kann,
sowie eine in Angelegenheiten des Straf- oder Maßnahmenvollzuges tätige Behörde
anzusehen.
(3) Rechtshilfe im Sinn des Abs. 1 ist
jede Unterstützung, die für ein ausländisches Verfahren in einer
strafrechtlichen Angelegenheit gewährt wird. Sie umfasst auch die
Genehmigung von Tätigkeiten im Rahmen von grenzüberschreitenden Observationen
auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen, von gemeinsamen
Ermittlungsgruppen und von verdeckten Ermittlungen.
Zuständigkeit zur Erledigung eines
Rechtshilfeersuchens
§ 57. (1) Die Zuständigkeit zur Erledigung eines Rechtshilfeersuchens
richtet sich nach § 55 ARHG.
(2) Betrifft das Rechtshilfeersuchen Handlungen
nach § 56 Abs. 1 Z 2, die nach dem Recht des ersuchenden
Mitgliedstaats als Verwaltungsübertretungen oder Ordnungswidrigkeiten geahndet
werden, wird Rechtshilfe durch die österreichischen Justizbehörden auch dann geleistet,
wenn das Ersuchen von einer Verwaltungsbehörde des ersuchenden Mitgliedsstaats
ausgeht.
Zulassung ausländischer Organe und am
Verfahren Beteiligter zu Rechtshilfehandlungen
§ 58. (1) Die Vornahme selbstständiger Ermittlungen oder Verfahrenshandlungen
im Inland durch Organe der Mitgliedstaaten ist unzulässig. Soweit
zwischenstaatliche Vereinbarungen die Vornahme einzelner Handlungen durch
ausländische Beamte gestatten, haben diese immer unter Leitung einer österreichischen
Behörde zu erfolgen. Für die erforderlichen Dienstverrichtungen der
Beamten der Mitgliedstaaten bedarf es nicht der Bewilligung durch den
Bundesminister für Justiz. § 59 Abs. 2 und 3 ARHG gilt
sinngemäß.
(2) Auf Ersuchen der zuständigen Behörde eines
Mitgliedstaats ist die Teilnahme von Richtern, Staatsanwälten oder von diesen
beauftragten Beamten sowie von anderen am Verfahren beteiligten Personen sowie
ihren Rechtsbeiständen an den begehrten Rechtshilfehandlungen vom zuständigen
Gericht zu bewilligen, wenn deren Anwesenheit und Mitwirkung bei den
Rechtshilfehandlungen zur sachgerechten Erledigung des Ersuchens erforderlich
erscheint.
Rechtsstellung ausländischer Beamter
und zivilrechtliche Verantwortlichkeit
§ 59. (1) Beamte der Mitgliedstaaten sind bei Einsätzen im Inland nach diesem
Bundesgesetz und nach Maßgabe zwischenstaatlicher Vereinbarungen in Bezug auf
Straftaten, die gegen sie begangen werden oder die sie selbst begehen,
österreichischen Beamten gleichgestellt.
(2) Wenn Beamte eines anderen Mitgliedstaats
auf österreichischem Hoheitsgebiet nach diesem Bundesgesetz im Einsatz sind,
ersetzt dieser Mitgliedstaat nach Maßgabe des österreichischen Rechts,
insbesondere nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes,
BGBl. Nr. 20/1949, den durch die Beamten bei ihrem Einsatz verursachten
Schaden.
(3) Wird der Schaden auf österreichischem
Hoheitsgebiet verursacht, so hat die Republik Österreich den Schaden so zu
ersetzen, wie wenn ihn österreichische Beamte verursacht hätten. Für die
Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gilt das Amtshaftungsgesetz.
(4) Der andere Mitgliedstaat, dessen Beamte
einen Schaden auf österreichischem Hoheitsgebiet verursacht haben, erstattet
der Republik Österreich den Gesamtbetrag des Schadenersatzes, den diese an den
Geschädigten oder ihre Rechtsnachfolger geleistet hat.
(5) Unbeschadet der Ausübung ihrer Rechte
gegenüber Dritten und mit Ausnahme von Abs. 4 verzichten der andere
Mitgliedstaat und die Republik Österreich in dem Fall des Abs. 2 darauf,
den Betrag des erlittenen Schadens anderen Mitgliedstaaten gegenüber geltend zu
machen.
Zweiter Abschnitt
Bildung gemeinsamer Ermittlungsgruppen
Allgemeine Voraussetzungen
§ 60. (1) Gemeinsame Ermittlungsgruppen zur Durchführung strafrechtlicher
Ermittlungen werden durch besondere Vereinbarung zwischen den zuständigen
Behörden von zwei oder mehreren Mitgliedstaaten für einen bestimmten Zweck und
einen bestimmten Zeitraum gebildet. Zweck, Dauer und Zusammensetzung der
gemeinsamen Ermittlungsgruppe können im Einvernehmen aller beteiligten Mitgliedstaaten
geändert werden.
(2) Eine gemeinsame
Ermittlungsgruppe kann insbesondere gebildet werden,
1. wenn in einem Ermittlungsverfahren eines
Mitgliedstaats zur Aufklärung von Straftaten schwierige und aufwändige
Ermittlungen mit Bezug zu Ermittlungen in anderen Mitgliedstaaten durchzuführen
sind;
2. wenn mehrere Mitgliedstaaten Ermittlungen zur
Aufklärung von Straftaten durchführen, die infolge des zu Grunde liegenden
Sachverhalts ein koordiniertes und abgestimmtes Vorgehen in den beteiligten
Mitgliedstaaten erforderlich machen.
(3) Das Ersuchen um Bildung einer gemeinsamen
Ermittlungsgruppe kann von jedem Mitgliedstaat gestellt werden und hat die im
Formblatt Anhang IV angeführten Angaben zu enthalten.
Bildung einer gemeinsamen
Ermittlungsgruppe im Inland
§ 61. (1) Erweist sich
in einem inländischen Strafverfahren die Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe
als erforderlich (§ 60 Abs. 2) und sollen im Inland Erhebungen
durchgeführt werden, an denen die Beteiligung von Beamten anderer
Mitgliedstaaten zweckmäßig ist, so hat der Untersuchungsrichter auf Antrag der
Staatsanwaltschaft den in Betracht kommenden Justizbehörden der anderen Mitgliedstaaten
im unmittelbaren Geschäftsverkehr die Bildung einer gemeinsamen
Ermittlungsgruppe vorzuschlagen. Dieser Vorschlag hat auch an die
zuständige österreichische Sicherheitsbehörde zu ergehen, die weitere
Mitglieder vorschlagen kann, und ist dem Leiter der Staatsanwaltschaft und dem
Präsidenten des Gerichtshofs erster Instanz sowie dem zu Eurojust entsandten
nationalen Mitglied zur Kenntnis zu bringen.
(2) Über ein Ersuchen eines Mitgliedstaats um
Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe entscheidet der
Untersuchungsrichter auf Antrag der Staatsanwaltschaft.
(3) Eine im Inland
tätig werdende gemeinsame Ermittlungsgruppe ist vom Untersuchungsrichter zu
leiten und organisatorisch zu unterstützen. Ihre Befugnisse richten sich
nach den im Inland geltenden Vorschriften über das strafgerichtliche Verfahren.
(4) Personen, die
nicht Vertreter der zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats sind, ist die Teilnahme
an einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe im Inland zu gestatten, wenn alle
Mitglieder der gemeinsamen Ermittlungsgruppe zustimmen und sonst die Voraussetzungen
für eine Rechtshilfeleistung in Anwesenheit dieser Personen vorliegen. Der
Leiter kann ausländische Beamte von der Anwesenheit bei bestimmten
Ermittlungshandlungen ausschließen, wenn die Durchführung ansonsten erheblich
erschwert oder der Erfolg gefährdet wäre.
Informationsaustausch
§ 62. (1) Die im Rahmen einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe in Inland
erlangten Informationen dürfen von den Behörden der beteiligten Mitgliedstaaten
in dem Umfang verwendet werden, in dem sie auch durch Rechtshilfe hätten
erlangt werden können.
(2) Soweit die Rechtsvorschriften jenes Staats,
in dem die gemeinsame Ermittlungsgruppe tätig geworden ist, nichts anderes
bestimmen, dürfen von einem österreichischen Mitglied im Ausland rechtmäßig
erlangte Informationen, die den österreichischen Justizbehörden nicht
anderweitig zugänglich sind, nur für die Zwecke, für welche die Gruppe gebildet
wurde, sowie zur Abwehr einer unmittelbaren und ernsthaften Gefahr für die
öffentliche Sicherheit verwendet werden.
(3) Zur Verwendung der von einem
österreichischen Mitglied im Ausland erlangten Informationen zu anderen als in
Abs. 2 genannten Zwecken und Verfahren ist die vorherige Zustimmung jenes
Mitgliedstaats einzuholen, in dem die Informationen erlangt worden sind.
Dritter Abschnitt
Eurojust
Aufgaben und Ziele
§ 63. (1) Eurojust ist insbesondere zuständig für Taten, die von
Art. 2 des Europol-Übereinkommens, BGBl. III Nr. 123/1998,
erfasst sind oder die finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften
berühren, Computerkriminalität, Betrug, Bestechung, Geschenkannahme, Geldwäscherei,
Taten gegen die Umwelt, kriminelle Vereinigungen sowie mit solchen Taten im
Zusammenhang stehende Taten.
(2) Eurojust kann, wenn mindestens zwei
Mitgliedstaaten oder ein Mitgliedstaat und ein Drittstaat von Ermittlungen oder
Strafverfolgungsmaßnahmen betroffen sind,
1. die Koordinierung zwischen den zuständigen
Behörden fördern,
2. die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen
Behörden im Bereich der Rechtshilfe, Auslieferung und Vollstreckung des
Europäischen Haftbefehls verbessern und
3. durch andere Unterstützung die Wirksamkeit der
Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen erhöhen.
Nationales Mitglied
§ 64. (1) Der Bundesminister für Justiz hat ein nationales Mitglied und
erforderlichenfalls auch einen Stellvertreter zu Eurojust zu entsenden
(§ 39a des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979,
BGBl. Nr. 333/1979). Diese müssen im Zeitpunkt ihrer Entsendung
Richter oder Staatsanwalt des Dienststandes sein.
(2)
Das nationale Mitglied unterliegt bei seiner Aufgabenerfüllung bei Eurojust den
fachlichen Weisungen des Bundesministers für Justiz und der
Oberstaatsanwaltschaften.
(3)
Das nationale Mitglied ist berechtigt, im unmittelbaren Geschäftsverkehr mit
österreichischen Behörden, insbesondere mit den Gerichten und
Staatsanwaltschaften sowie den Sicherheitsbehörden, jene Informationen
einzuholen, die zu Erfüllung der Aufgaben von Eurojust beitragen können, und
mit Einrichtungen der Europäischen Union, internationalen Organisationen und
Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten solche Informationen
auszutauschen.
Mitglied
der gemeinsamen Kontrollinstanz
§ 65. (1) Der Bundesminister für Justiz hat ein aus dem
Kreis der Richter des Dienststandes auszuwählendes Mitglied für die gemeinsame
Kontrollinstanz zur Überwachung der Tätigkeiten von Eurojust bei der
Verarbeitung personenbezogener Daten namhaft zu machen. Das Mitglied ist in der Ausübung
seines Amtes unabhängig.
(2) Die
Funktionsdauer beträgt zwei Jahre, gerechnet vom Tag der Namhaftmachung beim
Generalsekretariat des Rates und bei Eurojust. Eine abermalige Namhaftmachung
ist zulässig. Ist das Mitglied am Ende seiner
Funktionsdauer ständiges Mitglied der gemeinsamen Kontrollinstanz, verlängert
sich seine Funktionsdauer bis zu seinem Ausscheiden als ständiges Mitglied. Nach dem Ende der Funktionsdauer
bleibt das Mitglied für die Behandlung jener Beschwerden zuständig, an deren
Überprüfung es zuvor teilgenommen hat. Vor Ablauf der Funktionsdauer
kann das Mitglied gegen seinen Willen nur unter den Voraussetzungen für eine
Versetzung, eine Suspendierung oder einen Amtsverlust nach dem Richterdienstgesetz
und nach dem darin vorgesehenen Verfahren abberufen werden.
Ersuchen
an Eurojust
§ 66. Eine österreichische Justizbehörde kann sich im Rahmen eines
inländischen Strafverfahrens im unmittelbaren Geschäftsverkehr an das nationale
Mitglied wenden und Ersuchen um Unterstützung nach Maßgabe der Zuständigkeit
von Eurojust stellen. Sicherheitsbehörden haben Ersuchen im Wege der zuständigen
Justizbehörde zu stellen.
Weitergabe
von Informationen
§ 67. Das nationale Mitglied darf an Eurojust und andere nationale
Mitglieder Informationen in jenem Umfang weitergeben, in dem die Leistung von
Rechtshilfe in Strafsachen nach den geltenden österreichischen Bestimmungen und
völkerrechtlichen Vereinbarungen zulässig ist.
Ersuchen
von Eurojust
§ 68. (1) Beabsichtigt die Staatsanwaltschaft, einem begründeten
Ersuchen des Kollegiums von Eurojust um Übernahme oder Übertragung der
Strafverfolgung, um Vornahme einer Koordinierung zwischen den zuständigen
Behörden der Mitgliedstaaten, um Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe
oder um Übermittlung von erforderlichen Informationen nicht stattzugeben, so
ist nach § 8 Abs. 1 des Staatsanwaltschaftsgesetzes (StAG),
BGBl. Nr. 164/1986, vorzugehen. Das Gericht hat eine solche Ablehnung
mit Beschluss auszusprechen, gegen den der Staatsanwaltschaft die binnen 14
Tagen einzubringende Beschwerde an den Gerichtshof zweiter Instanz zusteht. Eine
rechtskräftige Ablehnung ist dem Bundesministerium für Justiz mitzuteilen.
(2)
Die Ablehnung eines Ersuchens ist gegenüber Eurojust immer zu begründen, sofern
dies nicht österreichische Sicherheitsinteressen beeinträchtigen oder den Zweck
laufender Ermittlungen oder die Sicherheit von Personen gefährden würde.
Vierter Abschnitt
Europäisches Justizielles Netz
Aufgaben und Ziele
§ 69. Das Europäische Justizielle Netz (EJN) dient der Erleichterung des
unmittelbaren Behördenverkehrs und der Zusammenarbeit zwischen Justizbehörden
der Mitgliedstaaten durch aktive Vermittlung und Herstellung von direkten
Kontakten unter Einschaltung der zuständigen Kontaktstellen anderer Mitgliedstaaten.
Einrichtung von Kontaktstellen
§ 70. (1) Bei den Gerichtshöfen erster Instanz am Sitz der
Oberlandesgerichte und beim Bundesministerium für Justiz werden Kontaktstellen
des Europäischen Justiellen Netzes eingerichtet.
(2)
Die Präsidenten der Oberlandesgerichte haben dem Bundesministerium für Justiz
jeweils Richter bekannt zu geben, die für die Erfüllung der Aufgaben einer
Kontaktstelle geeignet sind. Die Namhaftmachung der österreichischen
Kontaktstellen beim Europäischen Justiziellen Netz erfolgt durch den Bundesminister
für Justiz.
(3)
Die Gerichte und Staatsanwaltschaften haben die Kontaktstellen in ihrer Arbeit
zu unterstützen und sich der Kontaktstellen zur Erleichterung der justiziellen
Zusammenarbeit, insbesondere zur Einholung kurzer Auskünfte über die
ausländische Rechtslage sowie von Informationen über den Fortgang ausländischer
Straf- und Rechthilfeverfahren zu bedienen, soweit diese Auskünfte nicht im
unmittelbaren Behördenverkehr mit der befassten ausländischen Behörde erlangt
werden konnten.
Fünfter
Abschnitt
Kontrollierte
Lieferung
Allgemeiner
Grundsatz
§ 71. Die kontrollierte Lieferung ist der Transport von
verkehrsbeschränkten oder verbotenen Waren aus dem oder durch das Bundesgebiet,
ohne dass die Staatsanwaltschaft verpflichtet wäre, nach § 34 Abs. 1
StPO vorzugehen.
Zuständigkeit
und Verfahren
§ 72. (1) Zur Entscheidung über eine kontrollierte Lieferung durch
Österreich ist die Staatsanwaltschaft zuständig, in deren Sprengel die Grenze
voraussichtlich überschritten wird oder von deren Sprengel die kontrollierte
Lieferung ausgehen soll.
(2)
Auf Ersuchen eines Mitgliedstaats oder im Einvernehmen mit einen anderem
Mitgliedstaat ist eine kontrollierte Lieferung durch Österreich oder aus
Österreich in einen Mitgliedstaat zu bewilligen, wenn
1. die der kontrollierten Lieferung oder dem
ausländischen Strafverfahren zu Grunde liegenden Taten die Voraussetzungen für
die Erlassung eines Europäischen Haftbefehls erfüllen, und
2. durch die kontrollierte Lieferung die
Aufklärung solcher Straftaten oder die Ausforschung eines an der Begehung der
strafbaren Handlungen nicht bloß untergeordnet Beteiligten gefördert wird.
(3)
Eine kontrollierte Lieferung ist zu untersagen, wenn
1. sie wegen der besonderen Beschaffenheit der
Waren oder der Tätergruppe eine ernste Gefahr für Leben, Gesundheit,
körperliche Unversehrtheit oder Freiheit einer Person bewirken könnte,
2. sie gegen § 25 StPO verstoßen würde, oder
3. die weitere Überwachung des Transports sowie
ein Zugriff im anderen Staat nicht sichergestellt erscheint.
(4)
Die kontrollierte Lieferung durch das oder aus dem Bundesgebiet ist von
österreichischen Behörden zu übernehmen und zu leiten. Sie ist so zu
gestalten, dass ein Zugriff auf die Verdächtigen und die Waren jederzeit
möglich ist. Die Durchführung einer kontrollierten Lieferung durch oder in
Begleitung von Beamten ist nur unter Beachtung der Grundsätze des § 25
StPO zu bewilligen.
(5)
Nach Abschluss der kontrollierten Lieferung hat die Staatsanwaltschaft zu
prüfen, ob Anlass besteht, jenen Staat, in dem die Verdächtigen betreten
wurden, um die Übernahme der Strafverfolgung zu ersuchen.
Sechster
Abschnitt
Verdeckte
Ermittlungen
Voraussetzungen
§ 73. (1) Der Einsatz eines verdeckt oder unter falscher Identität
handelnden Beamten eines Mitgliedstaats im Inland ist nur auf Grund einer vor
Beginn des Einsatzes erteilten Bewilligung jenes Gerichtshofes erster Instanz,
in dessen Sprengel der Einsatz voraussichtlich beginnen soll, und nur auf Grund
eines Ersuchens einer Justizbehörde eines Mitgliedstaats zulässig, die diesen
Einsatz in einem bereits eingeleiteten Strafverfahren oder Ermittlungsverfahren
bewilligt hat.
(2) Der Einsatz eines ausländischen verdeckten
Ermittlers im Inland ist zu bewilligen, wenn
1. die dem ausländischen Strafverfahren zu Grunde
liegenden Taten die Voraussetzungen für die Erlassung eines Europäischen
Haftbefehls erfüllen, und
2. die Aufklärung der Taten ohne die geplanten
Ermittlungshandlungen aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
(3) Der Einsatz darf nur für jenen Zeitraum
angeordnet werden, der zur Erreichung seines Zwecks voraussichtlich
erforderlich ist, längstens jedoch für einen Monat. Eine neuerliche
Anordnung ist nur zulässig, soweit die Voraussetzungen fortbestehen und auf
Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die weitere Durchführung Erfolg
haben werde. Sobald die Voraussetzungen für die weitere Durchführung
wegfallen oder Zweck der Ermittlungshandlungen nicht mehr erreicht wird oder
voraussichtlich nicht mehr erreicht werden kann, ist der Einsatz sofort zu
beenden.
Durchführung der verdeckten
Ermittlung
§ 74. (1) Der ausländische verdeckte Ermittler ist ausschließlich durch
das Bundesministerium für Inneres (Bundeskriminalamt) zu führen und zu
überwachen. Dieser Behörde ist der Beschluss über die Bewilligung nach den
Bestimmungen der Verschlusssachenordnung, BGBl. II Nr. 256/1998, zu
übermitteln.
(2) Der verdeckte Ermittler hat die
österreichischen Rechtsvorschriften, insbesondere § 25 StPO zu beachten
und allen Anordnungen österreichischer Behörden Folge zu leisten. Die
näheren Bedingungen seines Einsatzes sowie die erteilten Anordnungen (
Abs. 1) sind in enger Zusammenarbeit mit der ersuchenden Behörde
festzulegen und in den bewilligenden Beschluss des Gerichts aufzunehmen.
(3) Der verdeckte Ermittler ist berechtigt,
Informationen zu sammeln und Kontakt zu Tatverdächtigen oder anderen Personen
in deren Umfeld herzustellen. Ergibt sich im Rahmen der verdeckten Ermittlung
der Verdacht neuer Straftaten, so hat der verdeckte Ermittler ehest möglich,
jedoch unter Bedachtnahme auf seine eigene Sicherheit und den Fortgang der
Ermittlungen, Anzeige (§§ 24, 84 Abs. 3 StPO) an die den Einsatz
leitende Behörde zu erstatten. Die durch den Einsatz erlangten
Ermittlungsergebnisse sind in einem Bericht festzuhalten, der dem bewilligenden
Gericht vorzulegen ist; darin ist auch auszuführen, welche Scheingeschäfte der
verdeckte Ermittler vorgenommen hat.
(4) Soweit es für die Aufklärung der Straftat
unerlässlich ist, ist der verdeckte Ermittler berechtigt, Urkunden, die über
seine Identität als Beamter täuschen, im Rechtsverkehr zur Erfüllung des Ermittlungszwecks
zu gebrauchen. Ein solcher Gebrauch ist zu dokumentieren. Wohnungen
oder andere vom Hausrecht geschützte Räume dürfen verdeckte Ermittler nur im
Einverständnis mit dem Inhaber betreten. Dieses Einverständnis darf nicht
durch Täuschung über eine Zutrittsberechtigung herbeigeführt werden.
(5) Die Vornahme eines Scheingeschäftes, das
ist der Versuch oder die scheinbare Ausführung von Straftaten durch einen
verdeckten Ermittler, soweit diese im Erwerben, Ansichbringen, Besitzen, Ein-,
Aus- oder Durchführen von Gegenständen oder Vermögenswerten bestehen, die
entfremdet wurden, aus einem Verbrechen herrühren oder der Begehung eines
solchen gewidmet sind oder deren Besitz absolut verboten ist, ist nur zur
Aufklärung eines Verbrechens (§ 17 Abs. 1 StGB) und nur insoweit
zulässig, als dadurch weder der Beschuldigte noch andere Personen zur
Unternehmung, Fortsetzung oder Vollendung einer Straftat verleitet werden
(§ 25 StPO).
Siebenter
Abschnitt
Erwirkung
der Rechtshilfe
Zustellung von Verfahrensurkunden
§ 75. (1) Verfahrensurkunden und andere gerichtliche oder
staatsanwaltschaftliche Schriftstücke sind an Personen, die sich im
Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten befinden, unmittelbar durch die Post zuzustellen.
(2) Eine Zustellung durch die Justizbehörden
des ersuchten Mitgliedstaats darf nur erfolgen, wenn
1. die Anschrift des Empfängers unbekannt oder
nicht genau bekannt ist,
2. die Zustellvorschriften einen anderen als den
im zwischenstaatlichem Postverkehr vorgesehenen Nachweis über die Zustellung
des Schriftstücks an den Empfänger verlangen,
3. eine Zustellung auf dem Postweg nicht möglich
war, oder
4. berechtigte Gründe für die Annahme bestehen,
dass der Postweg nicht zum Ziel führen wird oder ungeeignet ist.
(3) Wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass
der Zustellungsempfänger der Sprache, in der das Schriftstück abgefasst ist,
unkundig ist, so ist das Schriftstück oder zumindest dessen wesentlicher Inhalt in
die Sprache oder in eine der Sprachen des Mitgliedstaats, in dessen
Hoheitsgebiet der Empfänger sich aufhält, zu übersetzen. Ist jedoch dem
Gericht oder der Staatsanwaltschaft bekannt, dass der Empfänger nur einer
anderen Sprache kundig ist, so ist das Schriftstück oder zumindest dessen
wesentlicher Inhalt in diese Sprache zu übersetzen.
(4) Soweit dem zuzustellenden Schriftstück eine
Rechtsbelehrung nicht angeschlossen ist, muss im Schriftstück oder in einem
beigefügten Vermerk jene Stelle bezeichnet werden, die dem Zustellempfänger auf
sein Verlangen Auskünfte über seine Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit
der Zustellung des Schriftstücks erteilen kann.
Ersuchen um Bildung einer gemeinsamen
Ermittlungsgruppe
§ 76. (1) Sind im Rahmen eines inländischen Strafverfahrens Ermittlungen
in einem oder mehreren Mitgliedstaaten durchzuführen, die Anlass zur Bildung
einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe geben, so kann der Untersuchungsrichter auf
Antrag der Staatsanwaltschaft nach Maßgabe des § 60 Abs. 2 die zuständigen
Justizbehörden dieser Mitgliedsstaaten um die Bildung einer gemeinsamen
Ermittlungsgruppe ersuchen.
(2) Eine Beteiligung österreichischer
Justizbehörden an einer in einem anderen Mitgliedstaat gebildeten gemeinsamen
Ermittlungsgruppe kann stattfinden, wenn die zu Grunde liegenden Straftaten
auch nach österreichischem Recht mit gerichtlicher Strafe bedroht sind und die
Teilnahme auch der Aufklärung einer unter die Geltung der österreichischen
Gesetze fallenden Straftat dient.
In-Kraft-Treten und
Übergangsbestimmungen
§ 77. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ausnahme von Abs. 7 mit 1.
Mai 2004 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt sind im Verhältnis zu jenen
Mitgliedstaaten, die den europäischen Haftbefehl bereits anwenden, folgende
völkerrechtliche Vereinbarungen durch dieses Bundesgesetz ersetzt:
1. das Europäische Auslieferungsübereinkommen vom
13. Dezember 1957, BGBl. Nr. 320/1969, das dazugehörige Zweite
Zusatzprotokoll vom 17. März 1978, BGBl. Nr. 297/1983, der
Vertrag vom 31. Jänner 1972 zwischen der Republik Österreich und der
Bundesrepublik Deutschland über die Ergänzung des Europäischen
Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 und die Erleichterung
seiner Anwendung, BGBl. Nr. 35/1977, der Vertrag vom 20. Februar
1973 zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Republik über die
Ergänzung des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember
1957 und die Erleichterung seiner Anwendung, BGBl. Nr. 559/1977, und
das Europäische Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus vom
27. Jänner 1977, BGBl. Nr. 446/1978, soweit es sich auf die
Auslieferung bezieht,
2. das Übereinkommen zwischen
den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über die Vereinfachung und
Modernisierung der Verfahren zur Übermittlung von Auslieferungsersuchen vom
26. Mai 1989,
BGBl. III Nr. 136/1999,
3. das Übereinkommen vom
10. März 1995 über das vereinfachte Auslieferungsverfahren zwischen den
Mitgliedstaaten der Europäischen Union, BGBl. III Nr. 169/2000,
4. das Übereinkommen vom 27. September 1996
über die Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union,
BGBl. III Nr. 143/2001,
5. der Titel III Kapitel 4 des Übereinkommens vom
19. Juni 1990 zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom
14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den
gemeinsamen Grenzen, BGBl. III Nr. 90/1997.
(2) (Verfassungsbestimmung)
Bis zum 1. Jänner 2009 ist die Vollstreckung eines Europäischen
Haftbefehls gegen einen österreichischen Staatsbürger abzulehnen, wenn die Tat,
derentwegen der Europäische Haftbefehl erlassen worden ist, nach
österreichischem Recht nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist.
(3) Dieses Bundesgesetz findet auf
Auslieferungsersuchen keine Anwendung, die vor dem In-Kraft-Treten dieses
Bundesgesetzes bei den österreichischen Behörden eingegangenen sind.
(4) Dieses Bundesgesetz gilt nicht für die
Vollstreckung Europäischer Haftbefehle anderer Mitgliedstaaten, wenn die diesen
Haftbefehlen zu Grunde liegenden Taten zumindest teilweise vor dem
7. August 2002 begangen worden sind. Auf solche Europäischen
Haftbefehle sind das ARHG in der im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden
Fassung und die zwischenstaatlichen Vereinbarungen anzuwenden, die am
7. August 2002 in Geltung standen.
(5) Ersucht ein Mitgliedstaat nach dem
In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes um die Übergabe einer Person wegen Taten,
die ausschließlich nach dem 7. August 2002 begangen worden sind, ohne dass
ein Europäischer Haftbefehl besteht, so ist dieses Bundesgesetz auch
anzuwenden, wenn ein gerichtlicher Haftbefehl oder eine Urkunde gleicher
Wirksamkeit oder eine vollstreckbare verurteilende Entscheidung dieses Staats
vorliegt, die die Angaben eines Europäischen Haftbefehls
enthält. § 19 Abs. 2 gilt sinngemäß.
(6) Die Erwirkung einer Übergabe aus Frankreich
wegen Taten, die zumindest teilweise vor dem 1. November 1993 begangen
worden sind, und aus Italien wegen Taten, die zumindest teilweise vor dem
7. August 2002 begangen worden sind, richtet sich nach den Bestimmungen
des ARHG und den am 7. August 2002 mit diesen Staaten in Geltung
gestandenen zwischenstaatlichen Vereinbarungen.
(7) Der Zweite Abschnitt des
III. Hauptstücks tritt mit 2. August 2005 in Kraft.
(8) Bis zu einer neuerlichen Namhaftmachung nach § 70 Abs. 2
kann im Sprengel des Oberlandesgerichts Innsbruck die Kontaktstelle des
Europäischen Justiziellen Netzes (EJN) beim Landesgericht Feldkirch
eingerichtet bleiben.
(9) In diesem Bundesgesetz enthaltene
Verweisungen auf andere Rechtsvorschriften des Bundes oder völkerrechtliche
Vereinbarungen sind als Verweisungen auf die jeweils geltende Fassung zu verstehen.
(10) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes sind die Bundesminister für Justiz und für Inneres – je nach ihrem Wirkungsbereich – betraut.