Abweichende
persönliche Stellungnahme
gemäß § 42 Abs. 5
GOG
der Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger und Mag. Terezija Stoisits
zum Bericht 499 der Beilagen des
Gleichbehandlungsausschusses über ein Bundesgesetz, mit
dem ein Bundesgesetz über die Gleichbehandlung (Gleichbehandlungsgesetz – GlBG)
erlassen und das Bundesgesetz über die Gleichbehandlung von Frau und Mann im
Arbeitsleben (Gleichbehandlungsgesetz) geändert werden
Grundsätzliche Kritik
Der EU-Rat hat schon im Jahre 2000 die
Richtlinie zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der
Rasse oder der ethnischen Herkunft (2000/43/EG) und die Richtlinie zur
Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der
Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (2000/78/EG) beschlossen und für
die Umsetzung eine Frist von jeweils drei Jahren vorgesehen. Die
österreichische Bundesregierung wurde wie auch andere Regierungen umgehend von
der EU über die Pflicht zur Umsetzung der Richtlinien informiert. Trotz dieses
Wissens und regelmäßiger Thematisierung durch die Grünen im Nationalrat und
ständiger Erinnerung durch Nicht-Regierungsorganisationen an die
Umsetzungspflicht hat die Regierung diese drei Jahre lang ignoriert und erst
wenige Tage vor 19. Juli, der Ablauf der Umsetzungsfrist für die erste der
Richtlinien, einen Gesetzesentwurf vorgelegt. Diese Vorgehensweise zeugt
gegenüber umsetzungspflichtigen EU-Vorgaben, aber insbesondere gegenüber dem
Bereich Antirassismus und Antidiskriminierung von Ignoranz und
Unverantwortlichkeit gegenüber Opfern von Diskriminierung.
Der erst im Juli 2003 vorgelegte Entwurf
kam nicht nur verspätet, sondern beinhaltete auch den Hauptmangel, dass
gesetzlich neu bzw erstmals zu regelnde Diskriminierungstatbestände in das
bestehende Gleichbehandlungsgesetz zur Gleichbehandlung zwischen Männern und
Frauen „hineingepackt“ wurden.
Damit hat die Regierung die Chance bewusst
nicht ergriffen, mit einem eigenen Antidiskriminierungsgesetz ein inhaltliches
Bekenntnis zu Antidiskriminierung abzugeben und ein politisches Zeichen im
Sinne von „In Österreich ist Diskriminierung nicht erwünscht“ zu setzen. Die
Gleichbehandlungsanwaltschaft, die bisher für Frauen-Männer-Gleichbehandlung
zuständig war, bekommt die Bekämpfung der Diskriminierung aufgrund der
ethnischen Herkunft, des Alters, der sexuellen Orientierung, der Religion und
der Weltanschauung als neue Aufgabengebiete zusätzlich, soll aber personell nur
sehr marginal aufgestockt werden.
Insgesamt zeugen die Regierungsvorlagen und
die Abänderungen, die im Laufe der Verhandlungen zwischen den vier Fraktionen
hinzugekommen sind, von der Weigerung der Regierung, ein couragiertes und
offensiv gegen Diskriminierungen vorgehendes Antidiskriminierungsgesetz zu
beschließen und gleichzeitig bisherige fortschrittliche
Gleichbehandlungsbemühungen in Form der Gleichbehandlungsgesetzgebung
auszubauen und zu verstärken. Das Ergebnis, das ÖVP und FPÖ gegen die Warnungen
und letztendlich gegen die Stimmen der Grünen und der SPÖ durchgesetzt haben,
schafft keine funktionierenden Strukturen für die Bekämpfung von Rassismus,
Homophobie und anderen Vorurteilen gegen Minderheiten und schwächt auch noch
die bisherigen Strukturen für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern,
indem der Gleichbehandlungsanwaltschaft völlig neue Aufgaben aufgeladen, die
Ressourcen dafür aber kaum mehr werden.
Verfassungsrechtliche Bedenken
Die neuen Gleichbehandlungsgesetze
beinhalten massive verfassungsrechtliche Probleme in Hinblick auf den
Gleichheitssatz der österreichischen Bundesverfassung.
Dies insbesondere deshalb, weil in einem
Gesetz der Schutz vor Diskriminierung unterschiedlich geregelt ist, indem
unterschiedliche Schutzstandards geschaffen werden. Während nämlich
Diskriminierungen aus rassistischen Gründen mit diesem Gesetz auch außerhalb
des Arbeitsmarktes sanktioniert werden, ist dies bei allen anderen
Diskriminierungstatbeständen nicht der Fall – hier gibt es Schutz nur gegen
Diskriminierungen am Arbeitsplatz.
Es ist aber im Lichte des Gleichheitssatzes
sachlich nicht gerechtfertigt, diese Unterscheidung vorzunehmen. Denn der
Gesetzgeber ist durch den Gleichheitssatz verpflichtet, an gleiche Tatbestände
gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen. Nur wenn wesentliche Unterschiede im
Tatsachenbereich bestehen, müssen entsprechend unterschiedliche Regelungen
erlassen werden.
Nun gibt es aber keinen wesentlichen
Unterschied, wenn beispielsweise jemand in einem Spital dadurch diskriminiert
wird, dass er/sie eine schlechtere Behandlung erhält, ob dies geschieht, weil
die behandelnden Personen rassistisch eingestellt sind, weil sie
frauenfeindlich eingestellt sind oder weil sie Vorurteile gegen behinderte
Menschen haben.
Noch dazu widerspricht sich hier das Gesetz
selbst, wenn es einerseits für den Bereich des Arbeitsplatzes für alle Gruppen
den gleichen Diskriminierungsschutz vorsieht – und damit ja von der Prämisse
ausgeht, dass Diskriminierungen aus allen Gründen rechtlich gleich zu behandeln
sind – und andererseits für den Bereich außerhalb des Arbeitsplatzes nur einen
Schutz gegen rassistische Diskriminierung vorsieht.
Richtig ist, dass die verschiedenen hier
zur Umsetzung gelangenden EU-Richtlinien den Diskriminierungsschutz so vorsehen
(obwohl eine weitere Richtlinie zur Sanktionierung von geschlechtsspezifischer
Diskriminierung außerhalb des Arbeitsplatzes bereits in Diskussion ist – hier
ist also die Entwicklung sehr dynamisch), allerdings gilt bei der Umsetzung von
EU-Richtlinien die sogenannte „doppelte Bindung“: Österreich ist bei der
Umsetzung nicht nur zu gemeinschaftsrechtskonformen Regelungen verpflichtet,
sondern die Umsetzung muss auch der österreichischen Verfassung entsprechen.
Kommt es – wie im vorliegenden Fall - zu
einer Situation, dass die Umsetzung einer Richtlinie allein zu einer
unsachlichen Differenzierung im nationalen Recht führt, muss der
österreichische Gesetzgeber weitere Regelungen erlassen, um diese
Differenzierung zu vermeiden.
„Der Umstand, dass das Gemeinschaftsrecht
eine bestimmte nationale Regelung erfordert, kann zur Folge haben, dass der
Gesetzeber – um unsachliche Differenzierungen zu vermeiden – den
Anwendungsbereich seiner Regelung weiter fassen muss, als dies
gemeinschaftsrechtlich geboten ist. Dies folgt aus dem Umstand, dass der
Gesetzgeber – soweit das Gemeinschaftsrecht nicht entgegensteht – an die
Verfassung gebunden ist.“ (Walter-Mayer, Bundesverfassungsrecht, S.565).
Aus den genannten Gründen halten wir die
neuen Gleichbehandlungsgesetze für verfassungswidrig.
Der Bereich der
Frauen-Männer-Gleichbehandlung
Mit der Umsetzung in einem Gesetz will die
österreichische Regierung nicht nur die zwei oben genannten Richtlinien
umsetzen, sondern auch die 2002 novellierte Gleichbehandlungsrichtlinie (RL
2002/73/EG). Diese Umsetzung erfolgt allerdings nach der im Ausschuss
beschlossenen Novelle in wichtigen Punkten nur mangelhaft. Dazu zwei Beispiele:
Beweislast:
Die Gleichbehandlungsrichtlinie (so wie die
2 Antidiskriminierungs-Richtlinien) sehen eine Beweislasterleichterung für
Diskriminierungsopfer vor. Dabei wird ausdrücklich festgehalten, dass bei
Glaubhaftmachung einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes es dem
Beklagten obliegt zu beweisen, dass keine Verletzung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat. Weiters wird normiert: „Diese
Richtlinie lässt das Recht der Mitgliedstaaten, eine für die klagende Partei
günstigere Beweislastregelung vorzusehen, unberührt“.
In der österreichischen Umsetzung wird
keine für die klagende Partei günstigere Regelung vorgesehen, sondern eine für
die beklagte Partei günstigere. Sah die ursprüngliche Regierungsvorlage
überhaupt nur eine beiderseitige Glaubhaftmachung vor, so ist nun vorgesehen,
dass „es dem/der Beklagten obliegt, bei Berufung auf §§ 3 oder 4
(Diskriminierung am Arbeitsplatz außer Belästigung und sexuelle Belästigung) zu
beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlich ist, dass ein
anderes vom/von der Beklagten glaubhaft gemachtes Motiv für die
unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war (...)“. Bei Belästigung oder
sexueller Belästigung „obliegt es dem/der Beklagten zu beweisen, dass es bei Abwägung
aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft
gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen“.
In eine einzige Beweislastregelung Beweis,
Wahrscheinlichkeit und Glaubhaftmachung hineinzupacken, ist juristisch
sinnwidrig. Denn wo ein Beweis erbracht werden muss, geht es nicht mehr um
Wahrscheinlichkeiten, sondern eben um die volle Überzeugung, bei der keine
Zweifel offen bleiben dürfen.
Auch die Begründung dieser Regelung in den
Erläuterungen, dass es ausreiche, wenn „der Beklagte entgegen den Grundsätzen
des österreichischen Zivilprozessrechts zu aktivem Tun („Beweis“) verpflichtet
wird“, ist unlogisch, denn aktives Tun alleine ist noch kein Beweis und auch
Glaubhaftmachung (also das, was die klagende Partei tun muss) erfordert aktives
Tun. Das „aktive Tun“ ist kein Unterscheidungsmerkmal zwischen Glaubhaftmachung
und Beweis.
Die vorgesehene Beweislastregelung ist aus
diesen Gründen unserer Meinung nach nicht richtlinienkonform.
Weisungsfreiheit:
Die Gleichbehandlungsrichtlinie (wie die
beiden Antidiskriminierungs-Richtlinien) sieht Einrichtungen vor, die die
Verwirklichung der Gleichbehandlung aller Personen fördern, analysieren,
beobachten und unterstützen. Diese Stellen müssen laut Richtlinie in ihren
Tätigkeiten unabhängig sein.
Dies heißt für eine Umsetzung ins
österreichische Recht, dass – falls es sich um Bundesdienststellen handelt und
nicht sowieso um gesondert eingerichtete unabhängige Rechtsschutzeinrichtungen
- per Verfassungsbestimmung weisungsfrei gestellt werden müssen, da sie
ansonsten dem Weisungszusammenhang des Artikel 20/1 Bundes-Verfassungsgesetz
unterliegen. Dies hat der Verfassungsgerichtshof erst jüngst (Erkenntnis vom
23.1.2004) in einer Entscheidung ausgesprochen, in der er die
einfachgesetzliche Weisungsfreistellung von Rechtsschutzbeauftragten als nicht
verfassungskonform aufhob.
Nachdem der Entwurf vorsieht, dass die
bestehenden sowie neu einzurichtende Gleichbehandlungsanwaltschaften, die mit
Bundesbediensteten besetzt/zu besetzen sind, diese Aufgabe wahrnehmen, müssten
diese also verfassungsrechtlich weisungsfrei gestellt werden. Dies sieht die
geplante Novelle aber nicht vor – ein dazu eingebrachter Antrag der
Regierungsparteien gemäß § 27 Geschäftsordnung des Nationalrates sieht nur eine
einfachgesetzliche Weisungsfreistellung der Gleichbehandlungsanwaltschaften
vor. Eine solche Regelung ist laut Verfassungsgerichtshof verfassungswidrig und
sie schwächt auch den Diskriminierungsschutz, da die GleichbehandlungsanwältInnen
nicht wirklich unabhängig agieren können.
Ressourcen:
Überdies besteht bei den Ressourcen aus
frauenpolitischer Sicht – wie oben bereits erwähnt – die große Befürchtung,
dass die Ressourcen zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Diskriminierung
vermindert werden. Dies deshalb, weil es kaum Personal für die neuen
Diskriminierungsbereiche geben wird und daher zwangsläufig die bisher nur für
geschlechtsspezifische Diskriminierung zuständigen Gleichbehandlungsanwaltschaften
ihre Kapazitäten verstärkt in die neuen Bereiche verlegen werden müssen.
Der Bereich der Antidiskriminierung
aufgrund der ethnischen Herkunft, des Alters, der sexuellen Orientierung, der
Religion und der Weltanschauung
Grundsätzlich ist ein Vermischen der
Materien der Antidiskriminierung von ethnischen, sexuellen und anderen sozialen
Minderheiten mit der Gleichbehandlung von Frauen und Männern in einem einzigen
Gesetz abzulehnen. Die Grünen bleiben bei ihrer Forderung nach einem eigenen Antidiskriminierungsgesetz für die Umsetzung der beiden
EU-Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG als ein eindeutiges gesellschaftliches
Signal, dass der österreichische Gesetzgeber sich zu einer aktiven
Antidiskriminierungspolitik betreffend Minderheiten bekennt.
Mit dem beschlossenen Gleichbehandlungsgesetz
wird außerdem selbst der von den EU-Richtlinien als absoluter Mindeststandard
vorgeschriebene Diskriminierungsschutz nicht gänzlich gewährleistet, geschweige
denn dass ein über die Richtlinien hinausgehender Ansatz zur – aktiven und
vorbildlichen - Bekämpfung von Diskriminierungen vorhanden wäre. Die einmalige
Chance, durch einheitliche Bestimmungen für alle diskriminierten Gruppen einen einheitlichen Standard beim Schutz vor Diskriminierung zu
schaffen, haben die Regierungsfraktionen vergeben, indem sie die beiden
genannten Richtlinien teilweise schematisch übernommen und penibel darauf
bedacht waren, kein Millimeter darüber hinausgehende Rechte oder Standards zu
etablieren. Das novellierte Gleichbehandlungsgesetz schafft eine Hierarchisierung
von Diskriminierungsopfern und unterschiedliche Schutzniveaus für
Diskriminierte. Während Frauen bzw aufgrund ihres Geschlechts Diskriminierte
nur in der Arbeitswelt vor Diskriminierung geschützt sind, für sie aber
positive Maßnahmen zur Ausgleichung der Diskriminierung zumindest theoretisch
möglich sind, erhalten die rassistisch oder ethnisch Diskriminierten einen über
die Arbeitswelt hinausgehenden Diskriminierungsschutz, für sie sind aber keine
positiven Maßnahmen zur Ausgleichung von Diskriminierungen angedacht. Am
wenigsten Rechte und Diskriminierungsschutz erhalten die aufgrund der sexuellen
Orientierung, des Alters, der Religion oder der Weltanschauung Diskriminierten,
die nur in der Arbeitswelt vor Diskriminierung geschützt werden sollen.
Die von den Richtlinien vorgesehene Beweislasterleichterung zugunsten der Betroffenen von
Diskriminierung wird unzureichend umgesetzt. Nach massivem Protest der
Oppositionsfraktionen waren die Regierungsfraktionen zwar bereit, textlich
davon abzukommen, dass in einem Verfahren beide Seiten (KlägerIn und BeklagteR)
nur glaubmacht machen müssen und der/die BeklagteR damit wieder die gleichen
Möglichkeiten wie der/die KlägerIn hat. Statt dessen haben Sie allerdings
versucht, die Beweislasterleichterung doch nicht gänzlich umzusetzen : Statt –
wie in den Richtlinien - festzuschreiben, dass der Beschuldigte im
zivilrechtlichen Prozess die Nicht-Diskriminierung zu beweisen hat, haben die
Regierungsfraktionen eine Bestimmung beschlossen, wonach „..es dem/der
Beklagten obliegt zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände
wahrscheinlich ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten
Tatsachen der Wahrheit entsprechen“ (§ 35, Abs. 3 des
Gleichbehandlungsgesetzes). Diese Formulierung ist nach Meinung vieler FachexpertInnen
schwammig und unverständlich. Zusammengefasst bedeutet sie nämlich „Beweisen
Sie bitte, dass das, was Sie glaubhaft gemacht haben, eine hohe
Wahrscheinlichkeit hat“.
Die Leitung der drei Senate
der Gleichbehandlungskommission und die Führung der Geschäfte der Senate
sollen von Bundesbediensteten übernommen werden. Dies schließt einerseits einen
Großteil der Angehörigen von benachteiligten Gruppen von diesen Positionen aus,
da sie im Bundesdienst sehr schwach vertreten sind (zB rassistisch oder religiös
Diskriminierte oder Lesben, Schwule und Transgender-Personen). Andererseits
sind keine wie immer gearteten Anforderungsprofile für die Stellen der
Gleichbehandlungsanwältin, -beauftragten, ihrer StellvertreterInnen, der
Senatsvorsitzenden ua. definiert, außer dass sie Bundesbedienstete sein müssen.
Es ist also zu befürchten, dass mangels eines fachlichen Anforderungsprofils
Personen mit diesen Aufgaben betraut werden, die keine Kompetenz im Bereich der
Antidiskriminierung vorweisen können.
Der Verfassungsgerichtshof hat in einem
jüngsten Erkenntnis festgestellt, dass die Weisungsfreiheit
von Bundesbediensteten verfassungsrechtlich festgelegt werden muss, da
die Weisungsfreistellung andernfalls nicht gegeben wäre. Da keine
Verfassungsbestimmungen für die Weisungsfreistellung der Organe der
Gleichbehandlungsanwaltschaft beschlossen werden konnten, werden diese Organe
de jure und de facto nicht weisungsfrei sein, was verfassungswidrig ist. Dieser
Umstand ist für die Praxis der Antidiskriminierungsarbeit nicht nur sehr
bedenklich, da in Zukunft weisungsgebundene Bundesbedienstete Diskriminierte
bei Antidiskriminierungsverfahren unterstützen sollen, sondern auch
richtlinienwidrig, da die Richtlinie 2000/43/EG vorschreibt, dass die „mit der
Förderung der Gleichbehandlung befassten Stellen ... die Opfer von
Diskriminierungen auf unabhängige Weise dabei zu unterstützen haben, ihrer Beschwerde
wegen Diskriminierung nachzugehen, unabhängige Untersuchungen zum Thema der
Diskriminierung durchzuführen und unabhängige Berichte zu veröffentlichen und
Empfehlungen zu allen Aspekten vorzulegen, die mit diesen Diskriminierungen in
Zusammenhang stehen“.
Die drei Fall bearbeitenden Senate der
Gleichbehandlungskommission werden nur von Ministerien und Sozialpartnern
beschickt und sollen noch dazu ehrenamtlich arbeiten. Dies bedeutet, dass sie
nur in sehr kleinem Rahmen Fälle behandeln wird können, was offensichtlich von
der Regierung so intendiert und erwünscht ist. In die Arbeit der Senate werden
NGO-Mitglieder nicht eingebunden, obwohl NGOs seit Jahren wertvolle Arbeit im
Antidiskriminierungsbereich leisten und einen reichen Erfahrungsschatz vorzuweisen
haben. Die Bestimmung über den Dialog mit
Nichtregierungsorganisationen der beiden Richtlinien wird verletzt, was
Richtlinienwidrigkeit bedeutet. Die im Menschenrechts- und Antidiskriminierungsbereich
tätigen NGOs wurden weder bei der Ausarbeitung der Regierungsvorlagen noch nach
dem Begutachtungsverfahren in den Gesetzwerdungsprozeß eingebunden. Ihre
Forderungen im ExpertInnenhearing im Parlament wurden nach dem Hearing
weitestgehend ignoriert und nicht in die Gesetzvorlagen aufgenommen. Die
österreichische Regierung leistet sich somit den Luxus, viele ExpertInnen mit
Know-How und jahrelanger Erfahrung in diesem Bereich links liegen und ihr
Wissen ungenützt zu lassen.
Der laut Erläuterungen der
Regierungsvorlage geschätzte Personalbedarf (ganze 8
Stellen für die Gleichbehandlungsanwaltschaft für die bundesweite Umsetzung der
Antidiskriminierungsrichtlinien, wobei 4 davon Sekretariatspersonal und
Schreibkräfte sind!) ist unrealistisch niedrig, vorausgesetzt die Regierung
will mit diesem Gesetz wirklich Diskriminierungen bekämpfen. Angesichts der
niedrigen Dotierung trotz massiver Proteste der Grünen ist davon auszugehen,
dass ÖVP und FPÖ an einer effizienten, personell gut ausgestatteten
Gleichbehandlungsanwaltschaft, die Opfer von Diskriminierung entsprechend
begleitet und unterstützt, nicht interessiert sind.
Die Einrichtung von für die Unterstützung
von Diskriminierungsopfern zuständigen Regionalbüros der
Gleichbehandlungsanwaltschaft wird vom neuen Gleichbehandlungsgesetz
nicht zwingend vorgesehen. Ohne Einrichtung bzw Aufstockung der Regionalbüros
werden die Diskriminierungsopfer allerdings ohne Unterstützung sein und mit ihrem
Anliegen allein gelassen, was der Grund für die Nicht-Budgetierung von neuen
bzw aufgestockten Regionalbüros sein dürfte.
Positive Maßnahmen zur Ausgleichung von Diskriminierungen sind nur bei Diskriminierung
von Frauen und Männern in der Arbeitswelt vorgesehen, bei anderen
Diskriminierungstatbeständen werden solche Maßnahmen weder angeregt, noch
trifft der Bund als Arbeitgeber selber solche positiven Maßnahmen, die die
Richtlinien als möglich und zulässig erachten.
Flankierende Maßnahmen wie Bildungs- und Schulungsmaßnahmen für alle Personen, die mit dem
Vollzug des Gesetzes zu tun haben werden , fehlen völlig. Es wird ignoriert,
dass das Kenntnis von Gesetzesbestimmungen und das Bewusstsein über
Diskriminierung nicht vom Himmel fallen, sondern dass flankierende Maßnahmen
essenziell für die Bekämpfung von Diskriminierungen sind.
Derzeit legt die
Gleichbehandlungsanwaltschaft dem Nationalrat jährlich Bericht
über ihre Aktivitäten und die Entwicklungen im Bereich der
Gleichstellungspolitik und –praxis. Nun wird diese Frist ohne Angabe von
Gründen auf zwei Jahre erhöht. Es ist offensichtlich nicht erwünscht, dass über
unangenehme Tatsachen wie Diskriminierung jährlich Bericht erstattet wird,
zumal die von den Regierungsfraktionen beschlossenen Mittel für ihre Bekämpfung
beschämend niedrig ist.
Positives:
Als positiv muss angemerkt werden, dass aufgrund des Drucks der Opposition das von den Richtlinien vorgesehene („unechte“) Verbandsklagerecht in das neue Gesetz aufgenommen wurde. In Zukunft wird es dem im Jänner 2004 von engagierten - und von der Regierung kaum geförderten – NGOs gegründete Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern möglich sein, einem Rechtsstreit zur Durchsetzung von Ansprüchen nach dem Gleichbehandlungsgesetz als Nebenintervenient beizutreten.