585 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Finanzausschusses

über die Regierungsvorlage (477 der Beilagen): Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über gegenseitige Amtshilfe und Zusammenarbeit der Zollver­waltungen samt Erklärungen

Das Übereinkommen aufgrund von Art. K.3 des Vertrags über die Europäische Union über gegenseitige Amtshilfe und Zusammenarbeit der Zollverwaltungen ist gesetzändernd und gesetzesergänzend und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG. Es enthält keine verfassungsändernden Bestimmungen und hat nicht politischen Charakter und ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Eine Zustimmung des Bundesrats gemäß Art. 50 Abs. 1 letzter Satz ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Entstehung des Übereinkommens:

Der erste Schritte in Richtung einer engeren Zusammenarbeit der Zollverwaltungen der E(W)G-Staaten war das Übereinkommen von Neapel aus dem Jahr 1967 (Übereinkommen zwischen Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden über gegenseitige Unterstützung ihrer Zollverwaltungen), das einen Austausch von Informationen im Wege der Amtshilfe zum Zweck der gleichmäßigen Anwendung aller bestehenden Zollvorschriften im Warenverkehr als auch zur besseren Schmuggelbekämpfung vorsieht. Dieses Übereinkommen hat Österreich ratifiziert (siehe BGBl. III Nr. 98/1999).

Im Bereich der Ersten Säule der Europäischen Union wurde am 13. März 1997 die Verordnung (EG) Nr. 515/97 des Rates über die gegenseitige Amtshilfe im Zollbereich, ABl. Nr.  L 82 vom 22. März 1997, erlassen, die im Bereich des Binnenmarktes bzw. des vergemeinschafteten Zollwesens und der gemeinsamen Agrarpolitik zur Anwendung kommt.

Für den Bereich der Dritten Säule, der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, wurde das Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union verabschiedet. Dieses Übereinkommen (Neapel II-Übereinkommen) ersetzt das Übereinkommen von Neapel aus dem Jahr 1967. Das Übereinkommen ergänzt das hinsichtlich des Bereiches des automatisierten Nachrichtenaustausches bestehende Übereinkommen aufgrund von Art. K.3 des Vertrags über die Europäische Union über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich, das von Österreich bereits ratifiziert wurde (siehe BGBl. III Nr. 189/2000).

Ziele des Übereinkommens:

Die innere Sicherheit in der Europäischen Union wird durch die internationale organisierte Kriminalität erheblich bedroht. Die Täter von Abgabenhinterziehungen und Warenschmuggel profitieren vom Abbau der Grenzkontrollen und Freizügigkeit in Europa. Dem gegenüber sind die Zollverwaltungen der Mitgliedstaaten bei der gemeinsamen Kriminalitätsbekämpfung im Zollbereich auf ihr jeweiliges Hoheitsgebiet beschränkt. Aus diesem Grund muss die Zusammenarbeit des Zolls bei der Verhinderung, Ermittlung, Verfolgung und Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen Zollvorschriften verbessert und grenzüberschreitend ausgestaltet werden. Neben einer Vertiefung der gegenseitigen Amtshilfe sind neue Formen der grenzüberschreitenden, operativen Zusammenarbeit erforderlich. Die europäische Kooperation in den Bereichen Zoll, Polizei und Justiz muss sich möglichst parallel entwickeln, damit der Binnenmarkt ein „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ ist.

Inhalt:

Das Übereinkommen soll auch die Unterschiede bei den nationalen Behördenzuständigkeiten innerhalb der Mitgliedstaaten dadurch überbrücken, dass alle für den Warenverkehr zuständigen Verwaltungszweige als „Zollverwaltungen“ definiert werden. Dies ermöglicht für den gesamten Warenverkehr einen EU-weiten Informationsaustausch, insbesondere auch in Angelegenheiten gewisser Verbote und Beschränkungen oder im Rahmen finanzstrafrechtlicher Verfolgungsmaßnahmen zwischen der Zollverwaltung eines Mitgliedstaates und der Polizeiverwaltung eines anderen Mitgliedstaates, in dem die Zollverwaltung für die Materie nicht zuständig ist. Als Informationskanal wird in jedem Mitgliedstaat eine Stelle in der nationalen Zollverwaltung eingerichtet; zu einer Veränderung innerstaatlicher Zuständigkeiten kommt es dadurch nicht.

Dieser Anwendungsbereich wird im Sinne des vom Europäischen Rat von Amsterdam beschlossenen Aktionsplanes zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (ABl. Nr. C 251 vom 15.8.1997 S.1) erweitert um

-          die Beteiligung an der Begehung von Zuwiderhandlungen im Sinne des Übereinkommens,

-          die Beteiligung an einer kriminellen Organisation, die solche Zuwiderhandlungen begeht, und

-          das Waschen der Erträge aus solchen Zuwiderhandlungen.

In Titel IV des Übereinkommens (Art. 19 bis 24) wird die besondere grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den nationalen Zollverwaltungen geregelt. Eine solche ist nur zur Verhinderung, Ermittlung und Verfolgung von schwerwiegenden Zuwiderhandlungen im Sinne von Art. 19 Abs. 2 zulässig. Diese umfassen

-          den illegalen Handel von Verbotswaren (Drogen, psychotrope Stoffe, Waffen, Munition, Explosivstoffe, Kulturgüter, gefährlicher und giftiger Abfall, Nuklearmaterial oder Stoffe und Anlagen, die zur Herstellung von atomaren, biologischen und/oder chemischen Waffen bestimmt sind),

-          den Handel mit Vorläufersubstanzen im Sinne der Tabellen I und II des Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Suchtstoffen und psychotropen Substanzen,

-          den gewerbsmäßigen grenzüberschreitenden illegalen Handel mit abgabepflichtigen Waren,

-          den sonstigen Handel mit Waren, der nach den gemeinschaftlichen oder nationalen Zollvorschriften verboten ist.

Eine Verpflichtung zur Anwendung der im Titel IV des Übereinkommens geregelten besonderen Formen der Zusammenarbeit wie Nacheile, grenzüberschreitende Observation, kontrollierte Lieferung, verdeckte Ermittlungen und Bildung gemeinsamer Ermittlungsteams entfällt ferner, wenn die Ermittlungshandlung nach dem nationalen Recht des ersuchten Mitgliedstaates unzulässig oder nicht vorgesehen ist. Soweit dies nach dem Recht der Mitgliedstaaten notwendig ist, muss darüber hinaus die Zustimmung der Justizbehörden zu den geplanten Ermittlungen vorliegen; wird eine solche Zustimmung nur unter gewissen Bedingungen und Auflagen erteilt, ist sicherzustellen, dass diese im Zuge der Ermittlungen beachtet werden. In diesem Zusammenhang ist auf die Regelungen der Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), 370 d. Beilagen XXII. GP, hinzuweisen, das auch bestimmte Fälle der kontrollierten Lieferung, die verdeckte Ermittlung und die Bildung gemeinsamer Ermittlungsgruppen im Fall strafrechtlicher Ermittlungsgruppen regelt.

Schließlich entfällt die Verpflichtung zur gegenseitigen Amtshilfe, wenn die Tragweite der beantragten Maßnahme, insbesondere im Rahmen der erwähnten besonderen Formen der Zusammenarbeit, in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Schwere der betreffenden Zuwiderhandlung steht (Verhältnismäßigkeitsprinzip – Art. 28). Außerdem können die Mitgliedstaaten die Anwendung dieser grenzüberschreitenden Formen der Zusammenarbeit durch Erklärungen anlässlich der Unterzeichnung (bezüglich der Nacheile) oder bei der Notifikation gemäß Art. 32 Abs. 2 (hinsichtlich der grenzüberschreitenden Observation und der verdeckten Ermittlungen) durch Abgabe einer Erklärung über eine teilweise oder gänzliche Nichtbeteiligung völkerrechtlich einschränken.

Datenschutz:

Das Übereinkommen enthält im Artikel 25 eine eingehende Datenschutzregelung, die im wesentlichen jene Bereiche abdeckt, die nicht vom Übereinkommen über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich umfasst sind, und die sowohl den nationalen Datenschutzvorschriften als auch dem Übereinkommen des Europarates vom 28. Jänner 1981 zum Schutze des Menschen bei der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten und den im Bereich des Binnenmarktes bestehenden Datenschutzvorschriften entsprechen.

Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften:

Jeder Mitgliedstaat kann nach Art. 26 des Übereinkommens bei Streitigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten über die Auslegung oder Anwendung des Übereinkommens den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) anrufen, wenn eine Streitbeilegung im Rat keinen Erfolg gebracht hat. Bei bestimmten Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten und der Kommission ist ebenfalls eine Anrufung des EuGH vorgesehen. Außerdem kann jeder Mitgliedstaat bei Unterzeichnung des Übereinkommens eine Erklärung abgeben, dass die Zuständigkeit des EuGH auch für Vorabentscheidungen nationaler Gerichte an den EuGH anerkannt wird. Österreich hat diese Erklärungen schon bei Unterzeichnung des Übereinkommens abgegeben.

Verhältnis zur Rechtshilfe:

Das Übereinkommen berührt nicht die geltenden Bestimmungen über die Rechtshilfe zwischen den Justizbehörden in Strafsachen, doch werden die Justizbehörden nach Art. 3 Abs. 2 des Übereinkommens ermächtigt, Ersuchen um Amtshilfe oder Zusammenarbeit aufgrund der Bestimmungen des Übereinkommens vorzulegen und sich damit des Amtshilfeweges über die Zollverwaltungen zu bedienen. Überdies wurde in das Übereinkommen eine Bestimmung aufgenommen, dass bestehende günstigere Bestimmungen der zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen bilateralen oder multilateralen Übereinkünfte betreffend die Zusammenarbeit hinsichtlich Zuwiderhandlungen gegen Zollvorschriften unberührt bleiben. Schließlich wurde auch eine ausdrückliche Bestimmung hinsichtlich des Schengener Durchführungsübereinkommens vom 19. Juni 1990 aufgenommen.

Kosten:

Durch die Anwendung des Übereinkommens werden derzeit nicht bezifferbare Aufwendungen beim Personal- und Sachaufwand im Bereich des Bundesministeriums für Finanzen entstehen, denen aber in jenen Fällen, in denen Auskünfte zum Abschluss von Abgaben- und Finanzstrafverfahren führen, Einnahmen nicht vorhersehbarer Höhe gegenüber stehen werden. Da durch die Erweiterung der Europäischen Union auch die Anzahl der Zollabfertigungen zurückgehen wird, ist insgesamt daher von einer Kostenneutralität auszugehen.

Erläuternder Bericht:

Zum Übereinkommen wurde in der Ratsarbeitsgruppe „Zollzusammenarbeit“ ein erläuternder Bericht ausgearbeitet, der vom Rat am 28. Mai 1998 genehmigt wurde (ABl. Nr. C 189 vom 17. Juni 1998 S. 1). Der Bericht enthält detaillierte Ausführungen zu den einzelnen Bestimmungen sowie eine umfassende Darstellung der Vorgeschichte und der Entstehung des Übereinkommens. Die Erläuterungen im besonderen Teil enthalten daher nur prägnante Bemerkungen zum Rechtstext des Übereinkommens oder gehen auf die spezifische österreichische Rechtssituation ein.

Österreichische Erklärungen:

Österreich wird anlässlich der Notifikation gemäß Art. 32 Abs. 2 die bereits zur Nacheile und zum EuGH abgegebenen Erklärungen wiederholen sowie auch zusätzliche Erklärungen zu den verdeckten Ermittlungen und zur provisorischen Anwendung des Übereinkommens abgeben.

 

Der Finanzausschuss hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 30. Juni 2004 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Mag. Johann Maier, Dipl.-Kfm. Dr. Hannes Bauer und Dr. Christoph Matznetter sowie der Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser.

 

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Hohen Haus die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.


Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Finanzausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

Der Abschluss des Staatsvertrages: Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über gegenseitige Amtshilfe und Zusammenarbeit der Zollver­waltungen samt Erklärungen (477 der Beilagen) wird genehmigt.

Wien, 2004 06 30

Dr. Vincenz Liechtenstein Dipl.-Kfm. Dr. Günter Stummvoll

       Berichterstatter                  Obmann