590 der Beilagen zu den Stenographischen
Protokollen des Nationalrates XXII. GP
Bericht
des Finanzausschusses
über die Regierungsvorlage (556 der
Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz
1994, das Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz, das
Reichshaftpflichtgesetz, das Rohrleitungsgesetz und das Gaswirtschaftsgesetz
geändert werden
In der
Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung wird das Schutzniveau wesentlich durch
die gesetzlich festgelegten Mindestversicherungssummen bestimmt. In Österreich
ist derzeit für PKW eine Pauschalversicherungssumme von mindestens 1 090 092
Euro vorgesehen (§ 9 Abs. 3 Z 4 Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz -
KHVG 1994). Für Omnibusse, Omnibusanhänger, bestimmte LKW und für die
Beförderung gefährlicher Güter gelten höhere Mindestsummen. Mit einer solchen
allgemeinen Mindestversicherungssumme weist Österreich im europäischen
Vergleich ein relativ geringes Schutzniveau auf. Nur wenige Mitgliedstaaten der
Europäischen Gemeinschaft schreiben noch geringere Summen vor. In denjenigen
Staaten, die getrennte Versicherungssummen für Personen- und für Sachschäden anordnen
(Deutschland, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Vereinigtes
Königreich, Irland und Spanien), liegen mit Ausnahme Griechenlands die
Mindestsummen für Personenschäden deutlich über diesem Betrag. In Finnland,
Frankreich, dem Vereinigten Königreich, Irland und Spanien besteht für
Personenschäden eine betraglich nicht begrenzte Versicherungsdeckung. Die
Deckungssumme für Sachschäden liegt dagegen teilweise unter der
österreichischen Pauschalversicherungssumme.
Die derzeit geltende allgemeine
Mindestversicherungssumme kann bei folgenreichen Verkehrsunfällen zu Problemen
führen. Ist die Schadensumme höher als die Deckung der Haftpflichtversicherung,
so tragen das Verkehrsopfer oder seine Angehörigen das Risiko, nicht den Ersatz
des gesamten Schadens zu erhalten, wenn der Schädiger den die Deckungssumme
übersteigenden Schadensbetrag nicht aufbringen kann. Diese Situation ist auch
für den Ersatzpflichtigen selbst (also in der Regel den Lenker oder Halter des
Fahrzeugs) äußerst problematisch, da er damit rechnen muss, auf lange Zeit oder
vielleicht gar lebenslang für die Abdeckung (zumindest eines Teiles) des
höheren Schadens in Anspruch genommen zu werden. Das Schadenereignis kann also
auch für ihn durchaus existenzbedrohende Folgen haben.
In der Europäischen Gemeinschaft gibt es
Bestrebungen, im Rahmen einer „5. Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsrichtlinie“
eine einheitliche Mindestdeckung vorzuschreiben (siehe den Vorschlag der
Kommission für eine Richtlinie des Rates und des Europäischen Parlaments zur
Änderung der Richtlinien 72/66/EWG, 84/5/EWG, 88/357/EWG und 90/232/EWG des
Rates sowie der Richtlinie 2000/26/EG über die
Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, ABl. Nr. C 287E vom 24. September 2002,
S. 387). Damit sollen die Mitgliedstaaten zu einer Verbesserung des
Versicherungsschutzes verhalten werden. Die Kommission schlägt eine
Mindestversicherungssumme von 1 000 000 Euro je Unfallopfer für Personenschäden
und von 500 000 Euro je Schadenfall für Sachschäden ohne Summenbegrenzung für
Personenschäden vor. Diese und andere Vorschläge werden derzeit im Rat und im
Europäischen Parlament behandelt. Auch wenn der Ausgang dieser Arbeiten gerade
bei den Versicherungssummen noch nicht prophezeit werden kann, lässt sich doch
schon sagen, dass künftig nach dem In-Kraft-Treten der „5.
Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsrichtlinie“ wesentlich höhere
Versicherungssummen, als sie das österreichische Recht bislang vorsieht,
notwendig sein werden. Es empfiehlt sich, mit einer stufenweisen Anhebung der
Versicherungssummen rechtzeitig zu beginnen, um nicht nach In-Kraft-Treten der
Richtlinie einen zu hohen „Sprung“ von den bisherigen
Mindestversicherungssummen zu den
vom Gemeinschaftsrecht geforderten Summen zu provozieren.
Daher wird vorgeschlagen, die
Mindestversicherungssummen des KHVG 1994 deutlich anzuheben, sie etwa zu verdreifachen.
Zur Erzielung runder Beträge bietet sich ein Faktor von 2,752 an.
Die Erhöhung der Mindestversicherungssummen
wird sich nach Einschätzung der
Versicherungswirtschaft bei Verträgen mit der bisherigen Mindestdeckung in
einer Prämienerhöhung von maximal 2 – 3 % niederschlagen. Dabei ist allerdings
zu berücksichtigen, dass derzeit schon etwa 75 % aller
Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsverträge auf freiwilliger Basis eine
deutlich über der gesetzlichen Mindestdeckungssumme liegende Versicherungssumme
aufweisen. Auf diese Verträge kann sich die vorgeschlagene Anhebung der
Mindestsummen des KHVG 1994 nicht oder nur geringfügig auswirken. Im Übrigen
werden schon die derzeitigen Mindestdeckungssummen nur in ganz wenigen Fällen
ausgeschöpft, sodass die Versicherungsleistungen und -prämien allein wegen der
Erhöhung der Deckungssummen insgesamt nicht wesentlich steigen können.
Parallel zur Anhebung der
Versicherungssummen sollen auch die Betragsgrenzen in der Gefährdungshaftung
für Kraftfahrzeuge und Eisenbahnen angehoben werden. Diese Anhebung der
Haftungsgrenzen kann sich ebenfalls kaum in den Versicherungsprämien
niederschlagen, zumal - jedenfalls im Kraftfahrzeug-Bereich - in den meisten
Fällen ein Verschulden zumindest eines Unfallbeteiligten mitspielt und daher
die Gefährdungshaftung des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz (EKHG)
und ihre Höchstbeträge nicht zum Tragen kommen. Mit der Anhebung der
Haftungsbeträge ist aber eine deutliche Verbesserung des Schutzniveaus dieser
Gefährdungshaftung verbunden. Diese Anpassung erfordert wieder die Erhöhung der
Haftungshöchstbeträge in anderen Haftpflichtgesetzen, die sich betragsmäßig an
den in der Verkehrshaftpflicht maßgeblichen Summen orientieren.
Nachteilige Auswirkungen auf die
Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich sind durch die
dargestellten Maßnahmen nicht zu erwarten. Einer allenfalls damit verbundenen
geringfügigen Erhöhung der Versicherungsprämien steht zudem der
volkswirtschaftliche Nutzen einer ausreichenden Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung
gegenüber. Dadurch kann zu minimalen Kosten verhindert werden, dass große
Schadenereignisse zur Vernichtung wirtschaftlicher Existenzen mit allen ihren
negativen Folgeerscheinungen führen.
Die vorgesehene Änderung bietet zugleich
die Möglichkeit, die derzeit unbefriedigende und praxisfremde Regelung der
Haftpflichtversicherung für Gefahrguttransporte zu beseitigen. Dabei geht es um
das Erfordernis, auch für „gewöhnliche“ Kraftfahrzeuge, etwa private PKW (für
die Dauer des Transports), die höhere Versicherungsdeckung für
Gefahrguttransporte einzuhalten, wenn mit dem Fahrzeug gefährliche Güter
transportiert werden (§ 9 Abs. 5 KHVG 1994).
Zudem soll aus Anlass der Novelle auch die
Sonderregel über Prämienanpassungsklauseln in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung
geändert werden. Das geltende Recht lässt eine Erhöhung nur in dem Ausmaß zu,
in dem sich der jährliche Schadenbedarf (Zahlungen und Rückstellungen für noch
nicht abgewickelte Versicherungsfälle) erhöht hat. Diese Regelung hat zu
Prämienanpassungsklauseln und zu Prämienerhöhungen geführt, die die Verbraucher
vielfach nicht nachvollziehen können. Weiter kann das geltende Recht aber auch
Versicherungsunternehmen mit einem kleineren Kundenstock Probleme bereiten,
wenn sie in einem Jahr einen höheren Schadenbedarf verzeichnen. Diese Probleme
sollen dadurch gelöst werden, dass der Versicherer befugt ist, die
Prämienanpassung an die Entwicklung eines Verbraucherpreisindex zu knüpfen. Das
entspricht einer Anregung des Beirats für die
Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung.
Der Finanzausschuss hat die gegenständliche
Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 30. Juni 2004 in Verhandlung genommen.
An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Mag. Johann Maier,
Marianne Hagenhofer, Dipl.-Kfm. Dr. Hannes Bauer, Jakob Auer, Mag. Werner Kogler und Dr.
Christoph Matznetter sowie der Bundesminister für
Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser.
Bei der Abstimmung wurde der in der
Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf einstimmig angenommen.
Ferner beschloss der Finanzausschuss
einstimmig folgende Feststellung:
Zu § 14b Abs. 1 KHVG:
Der Finanzausschuss geht davon aus, dass
Prämienerhöhungen auf Grund des § 14b Abs. 1 KHVG 1994 entweder auf Grund der
Entwicklung eines Verbraucherpreisindex oder auf Grund unternehmensindividueller
Anpassungsklauseln erfolgen können.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt
der Finanzausschuss somit den Antrag, der
Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (556
der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.
Wien, 2004 06 30
Mag. Hans
Langreiter Dipl.-Kfm. Dr. Günter
Stummvoll
Berichterstatter Obmann