600 der Beilagen zu den Stenographischen
Protokollen des Nationalrates XXII. GP
Bericht
des Außenpolitischen Ausschusses
über die Regierungsvorlage (549 der
Beilagen): Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen
der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Chile andererseits samt Anhängen, Schlussakte und
Berichtigungsprotokoll
Das Abkommen zur Gründung einer Assoziation
zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und
der Republik Chile andererseits samt Schlussakte sowie dem zugehörigen Protokoll über die Berichtigung des
Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft
und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Chile andererseits ist
gesetzändernd und gesetzesergänzend und bedarf daher der Genehmigung durch den
Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG. Es enthält keine
verfassungsändernden bzw. verfassungsergänzenden Bestimmungen und hat nicht
politischen Charakter. Es ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen
Rechtsbereich zugänglich, sodass eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50
Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Da durch das Abkommen keine
Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen,
geregelt werden, bedarf es nicht der Zustimmung des Bundesrates gemäß
Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.
Die Unterzeichnung des Abkommens fand in
Brüssel im Rahmen einer feierlichen Zeremonie am 18. November 2002 statt, die
Publikation im Amtsblatt der Europäischen Union (L 352) erfolgte am 30. Dezember
2002. Das Generalsekretariat des Rates der EU hat gemäß Art. 79 des
Übereinkommens über das Recht der Verträge, BGBl. Nr. 40/1980, ein Verfahren
zur Berichtigung des Textes durchgeführt und hierüber am 4. November 2003 ein
Berichtigungsprotokoll errichtet, das am 19.12.2003 – beinahe ein Jahr nach
Publikation des Stammtextes – im Amtsblatt der EU (L 332) veröffentlicht wurde.
Da das Abkommen sowohl Angelegenheiten in
der Kompetenz der Gemeinschaft als auch Angelegenheiten in der Kompetenz der
Mitgliedstaaten regelt, muss es als Gemischtes Abkommen geschlossen werden und
bedarf daher der Genehmigung durch die Europäische Gemeinschaft und der Ratifikation
durch alle Mitgliedstaaten.
Das Abkommen wird auf unbegrenzte Zeit
geschlossen. Aus dem Abkommen entstehen keine direkten finanziellen
Verpflichtungen für die Republik Österreich
Gemäß Art. 206 des Abkommens sind die
Anhänge Bestandteil des Abkommens.
Das Abkommen ist in den elf Amtssprachen
der Europäischen Union abgefasst, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen
authentisch ist. Hinsichtlich
aller anderen Sprachfassungen des Abkommens als der deutschen ist eine Sonderkundmachung gemäß
Art. 49 Abs. 2 B-VG vorgesehen.
Geschichte des Abkommens und
inhaltlicher Überblick
Das Abkommen ist für die Europäische
Union und für Österreich als deren
Mitglied aus zwei Gründen von besonderer politischer und wirtschaftlicher
Bedeutung. Einerseits ist Chile im Gegensatz zu seinen Nachbarn nicht Mitglied
der großen Regionalzusammenschlüsse Südamerikas: es ist derzeit weder Vollmitglied
des MERCOSUR, noch nimmt es an der Comunidad Andina (Andengemeinschaft) teil.
Die chilenische Volkswirtschaft hat sich andererseits zu einer der stärksten
und stabilsten Lateinamerikas entwickelt, stellt einen wichtigen Absatzmarkt für die
europäische Exportwirtschaft dar und könnte gegebenenfalls sogar regionale
Krisen absorbieren. Aus diesen Gründen erschien es für die EU geboten, neben
der Kooperation mit den regionalen Zusammenschlüssen des lateinamerikanischen
Subkontinents auch der Intensivierung der Beziehungen zu Chile besonderes
Augenmerk zu schenken.
Der vorliegende Text des
Assoziationsabkommens kann als Weiterentwicklung des Rahmen-Kooperationsabkommens
EU-Chile angesehen werden, das am 21. Juni 1996 unterzeichnet worden und am 1.
Februar 1999 in Kraft getreten war. Auf dem Gipfeltreffen
EU-Lateinamerika/Karibik am 28. und 29. Juni 1999 in Rio de Janeiro
verpflichteten sich die Staats- und Regierungschefs der beiden Regionen, ihre
Wirtschaftsbeziehungen entsprechend den Regeln der WTO weiter zu intensivieren.
Die formelle Verabschiedung des Verhandlungsmandates erfolgte im Rat Allgemeine
Angelegenheiten am 13. September 1999, die Verhandlungen mit Chile begannen
schließlich am 24. November 1999.
In weiterer Folge fanden zehn
Verhandlungsrunden statt. Offiziell wurden die Verhandlungen am 26. April 2002
abgeschlossen. Auf dem zweiten Gipfel EU-Lateinamerika/Karibik am 17. Mai 2002
in Madrid unterzeichneten der damalige Ratspräsident Ministerpräsident Aznar,
der chilenische Präsident Lagos und der Präsident der Kommission Prodi eine
gemeinsame Erklärung, in der sie den Abschluss der Verhandlungen feststellten.
Am 10. Juni 2002 wurde der Abkommenstext
von Guy Legras, Generaldirektor in der Europäischen Kommission, sowie Cristián
Barros, Unterstaatssekretär im chilenischen Außenministerium, paraphiert. Die
Unterzeichnung des Abkommens fand in Brüssel im Rahmen einer feierlichen Zeremonie
am 18. November 2002 statt, die Publikation im Amtsblatt der Europäischen Union
(L 352) erfolgte am 30. Dezember 2002.
Das Abkommen gliedert sich in drei
Hauptkapitel, nämlich politischer Dialog, Kooperation und Handel.
Im Rahmen des politischen Dialoges werden
die EU und Chile gemeinsam demokratische Werte fördern und sich hier
insbesondere für die Wahrung der Menschenrechte, die Freiheit des Einzelnen und
die Beachtung rechtsstaatlicher Prinzipien einsetzen. Die verstärkte
Zusammenarbeit in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik sowie bei der
Bekämpfung des Terrorismus ist vorgesehen.
Das Kooperationskapitel befasst sich mit
der Förderung der nachhaltigen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen
Entwicklung. Es umfasst ausdrücklich auch Bereiche, die beim
Kooperationsabkommen aus dem Jahr 1996 ausgeklammert blieben, z. B. die
Zusammenarbeit im Bereich der technischen Normen, der Zollverwaltungen und des
geistigen Eigentums.
Das Handelskapitel umfasst alle Bereiche
der derzeitigen Handelsbeziehungen zwischen der EU und Chile und geht weit über
die den Vertragspartnern im Rahmen der WTO auferlegten Verpflichtungen hinaus.
Es besteht seinerseits aus drei Unterkapiteln. Das Unterkapitel über freien
Warenverkehr sieht eine Freihandelszone mit folgenden Elementen vor: die
schrittweise beiderseitige Liberalisierung des Warenverkehrs während einer
Übergangszeit von höchstens 10 Jahren, die zur vollständigen Liberalisierung
von 97,1 % des bilateralen Handels führt und auf soliden und transparenten
Vorschriften beruht; Ursprungsregeln, die den Ursprungsregeln der anderen
Präferenzhandelsabkommen entsprechen; Regelungen für Wein und Spirituosen, die
Schutzbestimmungen für Bezeichnungen und Herstellungsverfahren auf Basis der
Gegenseitigkeit enthalten und einen verbesserten Marktzugang sowohl für
europäische als auch für chilenische Exporteure vorsehen. Weiters enthält
dieses Unterkapitel Bestimmungen über den Handel mit Tieren, Tierprodukten und
Pflanzen. Das zweite Unterkapitel befasst sich mit der Liberalisierung der
Dienstleistungen und der öffentlichen Auftragsvergabe und sieht Erleichterungen
für Investitionen vor. Das dritte Unterkapitel enthält Wettbewerbsregeln,
Normen für geistiges Eigentum und ein Streitbeilegungsverfahren.
Das höchste Gremium ist der Assoziationsrat,
der die Implementierung der Bestimmungen überwacht und überprüft. Er trifft auf
Ministerebene im Abstand von zwei Jahren zusammen. Der Assoziationsausschuss
hat die Aufgabe, den Assoziationsrat in seiner Arbeit zu unterstützen. Er setzt
sich aus Vertretern des Rates der EU, der Europäischen Kommission und der
chilenischen Regierung zusammen und tagt einmal jährlich. Weiters sieht das
Abkommen die Möglichkeit vor, Spezialausschüsse einzurichten. Das Parlamentarische
Komitee wird aus Mitgliedern des Europäischen Parlaments und des chilenischen
Nationalkongresses bestehen. Ein Konsultativausschuss soll sowohl die
europäische als auch die chilenische Zivilgesellschaft einbinden.
Auf Wunsch der chilenischen Regierung wurde
kein Interimsabkommen geschlossen. Stattdessen haben die Gemeinschaft und Chile
vereinbart, die in Artikel 2 des Beschlusses des Rates über die Unterzeichnung
des Abkommens aufgeführten Bestimmungen des Abkommens, die vor allem den Handel
- insbesondere die Abschnitte über den Handel mit Gütern, die Kapitel
„Öffentliches Beschaffungswesen“, „Wettbewerb“ und den
Streitbeilegungsmechanismus -, ferner die Zusammenarbeit und den institutionellen
Rahmen betreffen, bis zum Inkrafttreten des Abkommens vorläufig anzuwenden.
Seit 1. Februar 2003 werden daher die Artikel 3 bis 11, 18, 24 to 27, 48 bis
54, Artikel 55(a), (b), (f), (h), (i), die Artikel 56 bis 93, 136 bis 162 und
172 bis 206 vorläufig angewandt.
Da die provisorische Anwendung auch institutionelle Bestimmungen
umfasst, konnten im März 2003 in Athen/Vouliagmeni auch bereits der erwähnte
Assoziationsrat und im Dezember 2003 der Assoziationsausschuss zum ersten Mal
tagen.
Die verbleibenden Bestimmungen, darunter
der Abschnitt über den politischen Dialog, einige Titel im Handelsteil wie etwa
„Dienstleistungen“, „Zahlungs- und Kapitalverkehr“, „Geistiges Eigentum“ sowie
Teile des Kooperationskapitels treten nach Ratifikation aller nationalen
Parlamente in Kraft.
Sehr bald, noch vor Übermittlung der
beglaubigten Abschrift an die Mitgliedstaaten am 5. Februar 2003, erwies sich
die Notwendigkeit eingehender redaktioneller und linguistischer Berichtigungen des äußerst
umfangreichen Textes in den verschiedenen Sprachfassungen. Österreich übermittelte
als erster EU-Mitgliedstaat bereits am 28. Januar 2003 ein
Berichtigungsersuchen hinsichtlich Übersetzungsmängel bei einigen Bestimmungen
im Anhang III („Ursprungserzeugnisse“) an das Generalsekretariat des Rates. Die
anderen Mitgliedstaaten folgten mit zum Teil massiven Berichtigungswünschen,
die zwar nichts an der inhaltlichen Substanz des Textes änderten, jedoch die
Entstehung einer endgültigen Version in allen Amtssprachen verzögerten. Die
Überarbeitung durch die Sprachendienste bzw.- Juridischen Dienste der
Europäischen Institutionen war derart komplex und umfangreich, dass das gemäß
Art. 79 des Übereinkommens über das Recht der Verträge, BGBl.
Nr. 40/1980, durchgeführte Verfahren zur Berichtigung des Textes erst am 4. November 2003 durch die
Errichtung eines Berichtigungsprotokolls abgeschlossen und am 19.12.2003 –
beinah ein Jahr nach Publikation des Stammtextes – im Amtsblatt der EU (L 332)
veröffentlicht werden konnte.
Hinsichtlich der Kundmachung des
Staatsvertrages hat die Bundesregierung dem Nationalrat vorgeschlagen, gemäß
Art. 49 Abs. 2 B-VG zu beschließen, dass alle Sprachfassungen mit
Ausnahme der deutschen dadurch
kundgemacht werden, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.
Der Außenpolitischer Ausschuss hat den gegenständlichen
Staatsvertrag in seiner Sitzung am 30. Juni 2004 in
Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Mag.
Christine Muttonen und Mag. Ulrike Lunacek sowie die Bundesministerin für
auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner.
Bei der Abstimmung wurde mit
Stimmenmehrheit beschlossen, dem Hohen Haus die Genehmigung des Abschlusses
dieses Staatsvertrages zu empfehlen.
Der Außenpolitischer Ausschuss vertritt
weiters einstimmig die Auffassung, dass die Bestimmungen des Staatsvertrages
zur unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich ausreichend
determiniert sind, sodass sich eine Beschlussfassung des Nationalrates gemäß
Art. 50 Abs. 2 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages erübrigt.
Schließlich wurde einstimmig beschlossen,
dass alle Sprachfassungen des Abkommens mit Ausnahme der deutschen dadurch
kundgemacht werden sollen, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme beim Bundesministerium
für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt
der Außenpolitischer Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle
beschließen:
1. Der Abschluss des
Staatsvertrages: Abkommen zur Gründung einer
Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren
Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Chile
andererseits samt Anhängen, Schlussakte und Berichtigungsprotokoll (549 der Beilagen) wird genehmigt.
2. Gemäß
Art. 49 Abs. 2 B-VG hat die Kundmachung dieses Staatsvertrages dadurch zu erfolgen, dass alle Sprachfassungen mit Ausnahme der deutschen zur
öffentlichen Einsichtnahme beim Bundesministerium für auswärtige
Angelegenheiten aufliegen.
Wien, 2004 06 30
Walter
Murauer Peter
Schieder
Berichterstatter Obmann