601 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses

über den Antrag 428/A(E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Mag. Karin Hakl, Petra Bayr, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend rasches Handeln gegen massive Menschenrechtsverletzungen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den Darfur-Provinzen (Sudan)

Die Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Mag. Karin Hakl, Petra Bayr, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 28. Juni 2004 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Im Februar 2003 begann eine Rebellion in den Darfur-Provinzen Nord-, Süd- und Westdarfur. Diese Rebellion stellt die Eskalation und Brutalisierung eines lang andauernden Konfliktes dar, der zwischen den in der Zentralregion des Darfur-Gebietes rund um das Marra-Gebirge angesiedelten sesshaften Bäuerinnen und Bauern sowie den NomadInnen aus den nördlichen Wüstengebieten schwelte. Bald schon wurde der Konflikt um Ressourcen ethnisiert und zu einem Kampf zwischen den „arabischen“ NomadInnen und den „afrikanischen“ Bauern und Bäuerinnen stilisiert. Als die SPLA (die Rebellenbewegung im Südsudan) in den 90er Jahren bis Darfur vordrang, versorgte die sudanesische Regierung die sog. Janjaweed-Rebellen mit Waffen. Daraufhin begann 2003 die Rebellion der Darfur-Rebellengruppen SLM (Sudan Liberation Movement) und JEM (Justice and Equality Movement). Am 8. April unterzeichnete die sudanesische Regierung gemeinsam mit der SLM und der JEM ein Waffenstillstands-Abkommen (Ndjamena Ceasefire Agreement), das aber bis heute nicht eingehalten wird.

Die Angriffe der Janjaweed-Milizen auf ZivilistInnen haben eine ungeheure Flüchtlingswelle in Gang gesetzt. Nach einer APA-Meldung vom 26. Mai ist die Zahl der vom Konflikt Betroffenen nach UNO-Angaben innerhalb kürzester Zeit von 1,2 Mio. auf 2 Mio. Menschen gestiegen, und mehr als 100.000 Menschen sind in den benachbarten Tschad geflohen. 10.000 Menschen sind bisher getötet worden. Kämpfe zwischen arabischen Milizen aus dem Sudan und Regierungstruppen des Tschad und Rekrutierungen von Kämpfern im Tschad destabilisieren dieses Nachbarland des Sudan zusätzlich.

Die Neue Zürcher Zeitung vom 27. April 2004 berichtet, dass es laut Human Rights Watch zunehmend schwieriger wird, zwischen regulären Soldaten und Milizionären zu unterscheiden, so würden Milizionäre auch reguläre Armee-Uniformen tragen. Hilfsorganisationen berichten von gravierenden Menschenrechtsverletzungen, wie Entführungen, Vergewaltigungen, Tötungen, Plünderungen und Zwangsrekrutierungen von Kindern. Die Attacken der Janajaweed sollen unmittelbar auf Bombardements der sudanesischen Luftwaffe erfolgt sein.

Ein hochrangiges ExpertInnenteam des UN-Hochkommissärs für Menschenrechte unternahm Ende April im Auftrag des amtierenden Hochkommissars für Menschenrechte, Bertrand Ramcharan, Reisen in die Krisenregion, nämlich in Tschad und Sudan. Darüber hinaus hat eine hochrangige UN-Delegation im Auftrag des UN-Generalsekretärs Kofi Annan  vom 27. April bis 2. Mai dieses Jahres die humanitäre Situation in Darfur und den Flüchtlingslagern im Tschad untersucht. Die Berichte beider UN-Missionen wurden am 7. Mai 2004 dem UNO-Sicherheitsrat vorgelegt. Diese Berichte sprechen u.a. davon, dass viele der von der sudanesischen Regierung und der von ihr unterstützen Milizen begangenen Menschenrechtsverletzungen in Darfur als "Kriegsverbrechen und/oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit" eingestuft werden können. Die humanitäre Situation der intern Vertriebenen wird in Darfur als „extremely serious“ eingestuft. Am 18. Juni nominierte Kofi Annan den ehemaligen niederländischen Entwicklungs- und Umweltminister Jan Pronk zu seinem Sondergesandten für den Sudan.

Der UN-Sicherheitsrat forderte am 25. Mai 2004, dass die für die Menschenrechtsverletzungen Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden müssen und  einen unverzüglichen Zugang für Hilfsorganisationen. Auch wurde eine Entwaffnung und De-Mobilisierung der Janjaweed-Milizen gefordert. Schließlich wurde nochmals die Notwendigkeit der Einsetzung eines ständigen Resident Coordinators/Humanitarian Coordinators gefordert – bisher fehlt die Bereitschaft der sudanesischen Regierung, diesen zu akzeptieren.

In einer neuerlichen Resolution vom 11. Juni forderte der Sicherheitsrat alle Parteien auf, ihren Einfluss geltend zu machen, um einen sofortigen Stopp der Kampfhandlungen in Darfur und anderen Regionen herbeizuführen. Die Unterzeichner des Ndjamena Ceasefire Agreements werden darin aufgefordert, ohne Verzögerung eine politische Vereinbarung zu treffen. Die internationale Gemeinschaft solle sich auf ein länger dauerndes Engagement mit erheblichem finanziellem Aufwand vorbereiten.

Das EU-Parlament forderte schon in einer Resolution vom 31. März 2004 von den Konfliktparteien einen sofortigen Waffenstillstand und die Aufnahme von Verhandlungen. Die Resolution fordert auch ein Ende „der von der Regierung angeführten ethnischen Säuberungskampagne in der Region Darfur“ und die „Wiederherstellung des uneingeschränkten Zugangs humanitärer Hilfsorganisationen“ und kritisiert die sudanesische Regierung wegen „systematische(r) Verzögerungen und Obstruktionen“. Es wird auch nachdrücklich auf Beweise hingewiesen, dass die sudanesische Regierung Mitschuld an den Grausamkeiten trägt.  Gefordert wird der Schutz der Vertriebenen und der EinwohnerInnen von Darfur sowie die Einrichtung einer Flugverbotszone über Darfur. Die UNO soll stärker in die Konfliktbewältigung eingebunden werden. Das Europäische Parlament befürwortet die von der niederländischen Regierung in ihrer Eigenschaft als Vertreterin des Ratsvorsitzes ergriffene Initiative im Sudan „zur Erleichterung der Gespräche zwischen den verschiedenen Konfliktparteien“ und ruft schließlich alle Geber dazu auf, humanitäre Unterstützung im Sudan und den Nachbarländern, insbesondere im Tschad, zu leisten sowie die Flüchtlinge zu schützen und zu unterstützen. Aus dem ECHO-Programm (European Commission’s Humanitarian Aid Office) wird die EU insgesamt 14 Millionen Euro für die Opfer dieses Konflikts im Sudan sowie im Tschad bereit stellen. 12 Millionen Euro werden zur Unterstützung der von der Afrikanischen Union geführten Beobachtermission zur Verfügung gestellt, die die Einhaltung des Ndjamena Ceasefire Agreements überwachen soll. Die internationale Geberkonferenz für den Sudan forderte am 3. Juni insgesamt mindestens 236 Millionen Dollar. Die Hilfe müsste angesichts der derzeitigen Lage noch bis mindestens 2006 weiter geführt werden.

Der Europäische Rat bekräftigte in seinen Schlussfolgerungen vom 17. und 18. Juni nochmals die Forderung an die sudanesische Regierung, humanitäre Hilfe zu ermöglichen, Zivilisten und Angehörige humanitärer Organisationen zu beschützen und ihre Sicherheit zu gewährleisten sowie die Milizen zu entwaffnen.

Der deutsche Bundestag forderte am 26. Mai d. J. mit den Stimmen aller Parlamentsfraktionen die deutsche Bundesregierung auf, mehr Druck auf die Führung in Khartum auszuüben. Diese soll Helfern ungehinderten Zugang zu der westlichen Region geben und die von ihr unterstützten Milizen abziehen. Ferner soll die EU den Einsatz von Friedenstruppen der Afrikanischen Union finanziell unterstützen. Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich im UNO-Sicherheitsrat für ein Waffenembargo gegen den Sudan einzusetzen, wie es die EU bereits verhängt hat.

Die Unterzeichnung mehrerer Abkommen im kenianischen Naivasha am Abend des 26. Mai 2004 hat den Weg zu einer Friedensregelung im seit Jahrzehnten umkämpften Südsudan geebnet. Dieser erste Erfolg darf jedoch die humanitäre Katastrophe in Darfur nicht in den Hintergrund treten lassen. Die Erklärung des sudanesischen UNO-Botschafters in New York Mitte Mai 2004, dass die Regierung in Khartoum bereit ist, den Zugang der Hilfsorganisationen zu gewährleisten, muss nun ebenso in die Tat umgesetzt werden wie die jüngste Erklärung der sudanesischen Regierung, man werde alle bewaffneten Gruppen (also auch die Janjaweed) auflösen.“

 

Der Außenpolitischer Ausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 30. Juni 2004 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Petra Bayr, Mag. Karin Hakl und Mag. Ulrike Lunacek sowie die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner.

Bei der Abstimmung wurde der Entschließungsantrag einstimmig angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitischer Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2004 06 30

                  Herbert Scheibner   Peter Schieder

       Berichterstatter                  Obmann