630 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP
Bericht
des Gesundheitsausschusses
über die Regierungsvorlage (617 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz und das Lebensmittelgesetz 1975 geändert werden
Hauptziel der Gesetzesnovelle ist die vollständige Umsetzung der Richtlinie 2001/18/EG über die absichtliche Freisetzung (und das Inverkehrbringen) genetisch veränderter Organismen in die Umwelt. Wesentliche Inhalte dieser die alte Richtlinie 90/220/EWG ablösenden Richtlinie sind:
- erstmalige Festlegung von einheitlichen Kriterien für die Risikobewertung bei Freisetzungen und Inverkehrbringen von GVO unter besonderer Berücksichtigung auch langfristiger und akkumulierter Umweltauswirkungen
- Befristung der Zulassung auf längstens 10 Jahre (gilt grundsätzlich auch für Verlängerungen der Zulassung) und Festlegung konkreter Fristen für die einzelnen Verfahrensschritte im EU-weiten Zulassungsverfahren für das Inverkehrbringen von GVO
- Überprüfung auch bestehender Zulassungen
- eindeutige Kennzeichnung und Maßnahmen zur Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit
- Verpflichtende Überwachung (Monitoring) von in Verkehr gebrachten Produkten
- Registerführung über die Orte der Freisetzungen und des kommerziellen Anbaus von GVO-Pflanzen zur Erleichterung der Überwachung
- Festlegung spezifischer Anwendungsbestimmungen in der Genehmigung zum Inverkehrbringen, insbesondere auch unter Berücksichtigung gegebener ökologischer Bedingungen
- schrittweise Entfernung bedenklicher Antibiotikaresistenzmarker in GVO-Produkten bis 31. Dezember 2004 (für Freisetzungen zu Forschungszwecken bis Ende 2008)
- verbesserte Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung.
Österreich hat im
Februar 2001 anlässlich der Annahme dieser Richtlinie durch den Rat zusammen
mit Frankreich, Italien, Dänemark, Griechenland und Luxemburg, die Erklärung
abgegeben, dass diese Staaten neuen Zulassungen von GVO-Erzeugnissen in Europa
jedenfalls solange nicht zustimmen werden, als nicht zusätzliche diese
Richtlinie ergänzende gemeinschaftsrechtliche Regelungen über die Rückverfolgbarkeit
und die kohärente Kennzeichnung von GVO und allen daraus hergestellten
Erzeugnissen (insbesondere auch zusätzliche Zulassungs- und
Kennzeichnungsvorschriften für gentechnisch veränderte Futtermittel) angenommen
worden sind.
Dieser
„Moratoriumserklärung“ ist etwas später auch Belgien beigetreten.
Im Herbst 2001 hat
die Kommission dem Rat auch zwei entsprechende Verordnungsvorschläge (Vorschläge
über die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von GVO und Verordnung über
gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel) vorgelegt.
Da die Arbeiten an
diesen beiden Verordnungen in den zuständigen EU-Gremien aber längere Zeit als
geplant in Anspruch nahmen - mit einer Anwendung dieser Verordnungen ist
nunmehr ab 18.April 2004 zu rechnen -, wäre im Hinblick auf das von der
Kommission im Dezember 2002 eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren und die
nun eingebrachte Klage die neue Freisetzungsrichtlinie jedenfalls so rasch als
möglich durch die vorliegende Gesetzesnovelle umzusetzen, um so einer
allfälligen Verurteilung durch den EuGH zu entgehen.
Das
Gentechnikgesetz übernimmt daher aus Teil B der Richtlinie alle neuen
Vorschriften über die absichtliche Freisetzung und aus Teil C der Richtlinie
die neuen Vorschriften über das Inverkehrbringen von GVO (bzw. von
Erzeugnissen, die aus GVO bestehen oder solche enthalten).
Für allfällige
Freisetzungsversuche in Österreich werden daher (in Änderung des Teils A des
III. Abschnittes des GTG) auch künftig entsprechende nationale
Genehmigungsverfahren, unter Berücksichtigung der neuen einheitlichen Kriterien
für die umfassende Sicherheitsbewertung Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß
Anhang II der Richtlinie) und zusätzlichen Anforderungen zur Information der
Öffentlichkeit und der Europäischen Kommission abzuwickeln sein, wobei als
sachverständiges Gremium zur Beurteilung der Sicherheitsbewertung weiter der
zuständige wissenschaftliche Ausschuss der Gentechnikkommission heranzuziehen
sein wird. Ebenso wird in Teil B des III. Abschnittes für die EU-weite
Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen von GVO, das Verfahren nach Teil C der
Richtlinie übernommen, welches von der österreichischen Behörde
(Bundesministerium für Gesundheit und Frauen) für den Fall anzuwenden wäre,
sofern ein derartiger Antrag in Österreich gestellt werden wird (was bisher
noch nicht erfolgte).
Ein EU-weit zum
Inverkehrbringen zugelassener GVO unterliegt in jedem Fall daher den nunmehr
erheblich verschärften Vorschriften über die neue umfassende
Sicherheitsbewertung und die Überwachung. Zur Unterstützung der Überwachung
wird gemäß der neuen Richtlinie auch die Führung von öffentlich zugänglichen
Registern über die Orte, an denen GVO-Pflanzen angebaut werden, vorgeschrieben.
Hiefür können – nach einer entsprechenden Einigung zwischen Bund und Ländern –
im Wege der ohnedies beabsichtigten Ausweitung des im Jahr 1998 geschaffenen
„Gentechnikregisters“ (§ 101c) bzw. auf Grund einer
Durchführungsverordnung zum Gentechnikregister (neue Verordnungsermächtigung in
§ 101e Abs. 3) die erforderlichen näheren Regelungen getroffen
werden.
Wenn die am 18.
September 2003 kundgemachte EU-Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 über die
Zulassung genetisch veränderter Lebens- und Futtermittel ab 18. April 2004
wirksam und damit eine Zulassung solcher GVO-Erzeugnisse unmittelbar durch die
Kommission (unter Befassung der Europäischen Lebensmittelbehörde aber auch der
Mitgliedstaaten) möglich sein wird, ist davon auszugehen, dass Genehmigungen
für das Inverkehrbringen von GVO, die ausschließlich als Lebensmittel oder
Futtermittel verwendet werden, nicht mehr durch die Verfahren der neuen
Freisetzungsrichtlinie (bzw. auch der bisherigen Novel Food Verordnung 258/1997)
abgewickelt werden, bzw. dass diese Verfahren zum Teil obsolet werden.
Inwieweit davon auch Verfahren für das Inverkehrbringen solcher GVO zum Anbau
betroffen sein werden, lässt sich derzeit noch nicht absehen.
Die
Freisetzungsrichtlinie und damit auch die entsprechenden Bestimmungen des
Gentechnikgesetzes werden aber auch in weiterer Zukunft für von dieser
Verordnung nicht umfasste GVO bzw. für deren Inverkehrbringen maßgebend sein,
so z.B. für GVO, die für Erzeugnisse im Non Food Bereich bestimmt sind, für
neue pflanzliche Produkte, wie nachwachsende Rohstoffe oder für GVO, die im
Rahmen des Gene-Pharming in Verkehr gebracht werden sollen aber auch für
transgene Tiere oder gentechnisch veränderte Mikroorganismen für eine
kommerzielle Nutzung.
Durch die
vorliegende Gesetzesänderung soll weiters auch auf einige Sachverhalte Bedacht
genommen werden, die mit der bisherigen Gesetzgebung nicht ausreichend erfasst
worden sind. Diesbezüglich vorgesehen sind insbesondere
- Klarstellungen im Zusammenhang mit den Begriffen „Freisetzung“ und „Inverkehrbringen“
- Anwendung des Vorsorgeprinzips auch auf das Inverkehrbringen
- Festlegung einer besonderen Sorgfaltspflicht zur Vermeidung unbeabsichtigter Vermischungen von GVO einschließlich der Einführung einer Schwellenwertregelung
- Erweiterung des beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen geführten „Getechnikregisters“ im Hinblick auf die für das Inverkehrbringen von GVO relevanten Daten.
- Ergänzung der zivilrechtlichen Haftungsbestimmungen im Nachbarrecht zur Lösung der Probleme, die sich aus der „Koexistenz“ zwischen gentechnikfreien und mit GVO arbeitenden landwirtschaftlichen Betrieben ergeben können.
Ferner wird in der
Gesetzesnovelle nun ausdrücklich auf die seit kurzem kundgemachten unmittelbar
anwendbaren Verordnungen (EG) Nr. 1829/2003 über genetisch veränderte
Lebensmittel und Futtermittel, (EG) Nr. 1830/2003 über die
Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von GVO und (EG) Nr. 1946/2003 über
grenzüberschreitende Verbringungen von GVO Bezug genommen, die Zuständigkeit
für die Vollziehung dieser Verordnungen festgelegt und eine horizontale
Strafbestimmung für einen Verstoß gegen diese Verordnungen eingeführt. Weitere
Regelungen zur Koexistenz, die über die neu eingeführte Sorgfaltspflicht (neuer
§ 62c) hinaus für die Landwirtschaft erforderlich sein könnten, sind in
diesem Gesetzentwurf im Hinblick auf die hiefür mangelnde Bundeskompetenz nicht
vorgesehen. Dabei scheint der Weg, den das Land Kärnten mit seinem Entwurf
eines Kärntner Gentechnik-Vorsorgegesetzes beschritten hat, auch eine
EU-konforme Lösung zur Regelung des Nebeneinanderbestehens eines etwaigen
künftigen GVO-Pflanzenanbaus mit der biologischen und der konventionellen
Landwirtschaft darzustellen.
Die Verordnung
(EG) Nr. 1829/2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel
ist im Rahmen des Lebensmittelgesetzes 1975 zu vollziehen, soweit nicht
der Geltungsbereich des Futtermittelgesetzes 1999 oder des
Gentechnikgesetzes betroffen ist; die Verordnung (EG) Nr. 2065/2003 über
Raucharomen zur tatsächlichen oder beabsichtigten Verwendung in oder auf
Lebensmitteln ist zur Gänze im Rahmen des Lebensmittelgesetzes 1975 zu
vollziehen.
§ 10
Abs. 3 LMG 1975 enthält eine Auflistung derjenigen unmittelbar
anwendbaren Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft, bei denen
„Genehmigungs-, Zulassungs-, Untersagungs- oder Anmeldeverfahren vom
Bundeskanzler durchzuführen sind“.
Es besteht nunmehr
insoweit das Erfordernis einer Änderung des Lebensmittelgesetzes 1975, als
die beiden EG-Verordnungen, die jeweils ein Antragsverfahren vorsehen, in
§ 10 Abs. 3 LMG 1975 aufzunehmen sind.
Die Novelle
berücksichtigt weiters die durch die Bundesministeriengesetz-Novelle 2003,
BGBl. I Nr. 17/2003, eingetretene Zuständigkeitsänderung, derzufolge
für Angelegenheiten der Nahrungsmittelkontrolle das Bundesministerium für
Gesundheit und Frauen zuständig ist.
Der
Gesundheitsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner
Sitzung am 5. Oktober 2004 in Verhandlung genommen. An der Debatte
beteiligten sich außer dem Berichterstatter die Abgeordneten Kai Jan Krainer, Dipl.-Ing.Dr. Wolfgang Pirklhuber, Mag. Johann Maier sowie
die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat.
Bei der Abstimmung
wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit
angenommen.
Als
Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Ing. Hermann Schultes gewählt.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (617 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.
Wien, 2004 10 05
Ing. Hermann Schultes Barbara Rosenkranz
Berichterstatter Obfrau