Vorblatt
Problem:
Notwendigkeit
einer Anpassung mehrerer Bestimmungen des Militärbefugnisgesetzes vor dem Hintergrund
des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Jänner 2004,
G 363/02-13
Ziel:
Sachgerechte
Änderungen der jeweiligen Bestimmungen
Inhalt:
Durchführung
erforderlicher Modifikationen betreffend
- die
Festnahmebefugnis militärischer Organe im Wachdienst bei Vorliegen eines
Angriffes gegen militärische Rechtsgüter einschließlich der weiteren Behandlung
festgenommener Personen
- die
Befugnis zur Observation, verdeckten Ermittlung und zur Datenverarbeitung mit
Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten für Zwecke der nachrichtendienstlichen
Aufklärung
- die
umfassende Erweiterung der Mitwirkung des Rechtsschutzbeauftragten bei
besonderen Datenermittlungsmaßnahmen
- die
Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit des Rechtsschutzbeauftragten
Alternativen:
Keine
Auswirkungen
auf die Beschäftigungslage und den Wirtschaftsstandort Österreich:
Keine
Finanzielle
Auswirkungen:
Keine
Verhältnis
zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:
Die vorgesehenen
Regelungen fallen nicht unter den Anwendungsbereich des Rechtes
der Europäischen Union.
Besonderheiten
des Normerzeugungsverfahrens:
Zweidrittelmehrheit
im Nationalrat im Hinblick auf § 57 Abs. 2a und § 61
Abs. 1e MBG
Erläuterungen
Allgemeiner
Teil
Hauptgesichtspunkte des Entwurfes:
Das
Militärbefugnisgesetz, BGBl. I Nr. 86/2000, trat nach jahrelangen
intensiven Bemühungen und Vorarbeiten am 1. Juli 2001 in Kraft. Es sieht
im Wesentlichen eine ausdrückliche gesetzliche Normierung verschiedener
besonders bedeutsamer Teilaufgabe der militärischen Landesverteidigung
einschließlich der für ihre zweckentsprechende Wahrnehmung unabdingbaren
Befugnisermächtigungen sowie zahlreiche diesbezügliche
Rechtsschutzinstrumentarien vor.
Die Abgeordneten
zum Nationalrat Dr. Alfred GUSENBAUER ua. haben hinsichtlich dieses Gesetzes am
29. November 2002 einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof nach
Art. 140 B-VG (Gesetzesprüfungsverfahren) gestellt. Dieser Antrag richtete
sich im Wesentlichen gegen einzelne Bestimmungen betreffend den militärischen
Eigenschutz, die vorläufige Festnahme, die militärischen Nachrichtendienste und
den Rechtsschutzbeauftragten.
Mit Erkenntnis vom 23. Jänner 2004,
G 363/02-13, hat der Verfassungsgerichtshof folgende Bestimmungen des
Militärbefugnisgesetzes als verfassungswidrig aufgehoben:
- die
Festnahmebefugnis militärischer Organe im Wachdienst bei Vorliegen eines
Angriffes gegen militärische Rechtsgüter (§ 11 Abs. 1 MBG),
- die weitere
Behandlung festgenommener Personen (§ 11 Abs. 5 MBG),
- die
Befugnis zur Observation, verdeckten Ermittlung und zur Datenermittlung mit
Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten für Zwecke der nachrichtendienstlichen
Aufklärung (§ 22 Abs. 3 Z 3, § 22 Abs. 4 Z 3,
§ 22 Abs. 5 Z 3), und
- die
Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit des Rechtsschutzbeauftragten (§ 57
Abs. 3 erster Satz MBG).
Daraus ergibt
sich, dass von den angefochtenen Normen lediglich ein kleiner Teil als
verfassungswidrig aufgehoben wurde. Die Aufhebung der in Rede stehenden Normen
tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2004 in Kraft.
Mit dem
vorliegenden Entwurf sollen nunmehr die auf Grund des in Rede stehenden
Erkenntnisses zwingend notwendigen Modifikationen ‑ unter voller Bedachtnahme
auf die höchstgerichtlichen Kritikpunkte betreffend die bisherigen Norminhalte ‑
vorgenommen werden. § 57 Abs. 2a MBG (einschließlich der entsprechenden
Bestimmung über dessen In-Kraft-Treten) betreffend die Gewährleistung der
Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit des Rechtsschutzbeauftragten soll im
Hinblick auf das genannte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes im
Verfassungsrang normiert werden.
Da sich die
geplanten Adaptierungen ausschließlich auf den Wirkungsbereich des
Bundesministers für Landesverteidigung beschränken, lässt das gegenständliche
Legislativvorhaben keine Auswirkungen auf die Beschäftigungslage in Österreich
oder auf den Wirtschaftsstandort Österreich erwarten. Überdies ergeben sich,
insbesondere auch im Hinblick auf den weitgehend formellen Charakter der
geplanten Änderungen, keinerlei finanzielle Auswirkungen für den Bund oder für
die Länder und Gemeinden. Der aus einzelnen Änderungen resultierende
militärinterne Schulungs- und Ausbildungsbedarf wird im Rahmen der laufenden
(ohnehin sehr intensiven) Aus-, Fort- und Weiterbildung im Bundesheer – und
damit ohne budgetären Mehraufwand – abzudecken sein.
Der vorliegende
Gesetzentwurf unterliegt zur Gänze der Vereinbarung zwischen dem Bund, den
Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen
künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften, BGBl. I
Nr. 35/1999. Er wurde den Ämtern der Landesregierungen, der Verbindungsstelle
der Bundesländer, dem Österreichischen Gemeindebund und dem Österreichischen
Städtebund zur Stellungnahme übermittelt. Ein Verlangen nach Art. 2
Abs. 1 dieser Vereinbarung wurde nicht gestellt. Der nunmehr vorliegende
Entwurf weicht in einigen Punkten von der zur Stellungnahme übermittelten
Fassung ab.
Kompetenzgrundlage:
Die Zuständigkeit
des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes ergibt sich aus Art. 10
Abs. 1 Z 15 B-VG (“militärische Angelegenheiten”).
Besonderer
Teil
Zu Z 1
(§ 11 Abs. 1):
Derzeit ist nach
§ 11 Abs. 1 MBG eine vorläufige Festnahme durch militärische Organe
im Wachdienst zulässig, wenn hinreichende Gründe für die Annahme vorliegen,
dass die festzunehmende Person einen Angriff gegen militärische Rechtsgüter
ausführt, unmittelbar vorher ausgeführt hat oder dass nach ihr wegen eines
solchen Angriffes gefahndet wird. Nach § 1 Abs. 8 MBG besteht ein
Angriff gegen militärische Rechtsgüter in der “Bedrohung eines geschützten
Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer
gerichtlich strafbaren Handlung, die nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten
verfolgt wird. Ein solcher Angriff ist auch ein Verhalten, das darauf abzielt
und geeignet ist, eine solche Handlung vorzubereiten, sofern dieses Verhalten
in engem zeitlichen Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandsverwirklichung
gesetzt wird.” Somit ist nach der derzeitigen Rechtslage eine vorläufige
Festnahme durch militärische Organe bereits im Stadium einer “straflosen
Vorbereitungshandlung” zulässig. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem
Erkenntnis vom 23. Jänner 2004, G 363/02-13, ausgeführt hat,
verlangen Art. 2 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes vom
29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.
Nr. 684/1988, sowie Art. 5 Abs. 1 lit. c der Konvention zum
Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958,
zwingend den Verdacht eines gerichtlich strafbaren Verhaltens als
Festnahmevoraussetzung.
Vor diesem
Hintergrund sollen künftig Festnahmen durch militärische Organe im Rahmen eines
Angriffes gegen militärische Rechtsgüter nur mehr bei gleichzeitigem Vorliegen
des Verdachtes auf eine mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung zulässig
sein. In der Praxis werden sich hiedurch kaum Auswirkungen ergeben, da auch
bisher Festnahmen im Stadium “strafloser Vorbereitungshandlungen” de facto
nahezu undenkbar waren. Überdies soll die gegenständliche Festnahmebefugnis
künftig auf jene Delikte beschränkt werden, deren Ahndung den Gerichtshöfen
erster Instanz obliegen, also etwa eine schwere Körperverletzung nach § 84
Abs. 2 Z 4 StGB, eine schwere Sachbeschädigung nach § 126
Abs. 1 Z 6 StGB, einen Landesverrat nach den §§ 252 ff StGB
oder eine Wehrmittelsabotage nach § 260 StGB. Im bezirksgerichtlichen
Strafverfahren kommt nämlich eine derartige Festnahme nach § 452 Z 1
und 1a StPO ausschließlich zur Identitätsfeststellung in Betracht; diese
Maßnahme kann von militärischen Organen aber ohnehin im Wege einer
Personenkontrolle (§ 8 MBG) ‑ auch zwangsweise ‑ durchgesetzt werden. Eine
zusätzliche Festnahmebefugnis in diesen Fällen würde daher ins Leere gehen, da
der Betroffene vom zuständigen Gericht sofort frei zu lassen wäre. In der
militärischen Praxis wird diese zwingend gebotene Befugniseinschränkung wohl
bedeuten, dass militärische Organe bei jeglichem Verdacht eines Angriffes gegen
militärische Rechtsgüter zunächst primär eine Personenkontrolle nach § 8
MBG durchführen werden; eine daran anschließende Festnahme wird daher nur als
ultima ratio in den zulässigen Fällen in Betracht kommen. Die
Möglichkeit einer Festnahme im Rahmen einer bloßen Fahndung wegen eines
Angriffes gegen militärische Rechtsgüter soll künftig aus
verfassungsrechtlichen Erwägungen ‑ Art. 79 Abs. 1 B‑VG beschränkt
militärische Organe ausschließlich auf die “militärische Landesverteidigung”,
die gegenständliche Festnahme dient jedoch (zumindest vorrangig) Zwecken der
Strafjustiz (Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG) ‑ ersatzlos entfallen.
Diesbezüglich wird daher künftig militärischen Organen – so wie allen übrigen Menschen
– allenfalls das “Jedermannsrecht” nach § 86 Abs. 2 StPO (Anhaltung
wegen Fahndung nach einem strafrechtlichen Delikt) offen stehen.
Zu Z 2
(§ 11 Abs. 4):
Auf Grund der
Sensibilität der Rechtsmaterie im Zusammenhang mit dem in Rede stehenden Erkenntnis
des Verfassungsgerichtshofes soll – in materieller Anlehnung an § 177
Abs. 4 StPO bzw. § 13 Abs. 2 MBG – auf den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit besonders hingewiesen werden.
Zu Z 3
(§ 11 Abs. 5):
Nach der
derzeitigen Rechtslage ist der Festgenommene nach § 11 Abs. 5 MBG
“unverzüglich dem nächsten Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu
überstellen oder, wenn der Grund der Festnahme schon vorher wegfällt,
freizulassen. Er darf durch militärische Organe in keinem Fall länger als
24 Stunden festgehalten werden.” Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem
in Rede stehenden Erkenntnis ausgeführt hat, verlangt Art. 4 Abs. 2
und 5 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz
der persönlichen Freiheit grundsätzlich die unverzügliche Übergabe an das
zuständige Gericht bzw. an die zuständige (Verwaltungs)behörde; in der
vorherigen Überstellung Festgenommener an Sicherheitsorgane (als
“Zwischenschaltung”) sei eine ungerechtfertigte (und damit verfassungswidrige)
Verzögerung zu erblicken. Aus diesem Grund soll eine Verpflichtung
militärischer Organe normiert werden, Festgenommene ‑ bei Vorliegen bestimmter
gerichtlich strafbarer Handlungen ‑ unverzüglich direkt dem nach der
Strafprozessordnung 1975 zuständigen Gericht (Gerichtshof erster Instanz)
bzw. ‑ bei Vorliegen von Verwaltungsstraftatbeständen – der zuständigen
Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz (also der für den Tatort zuständigen
Bezirksverwaltungsbehörde bzw. Bundespolizeibehörde) zu überstellen. Die
konkreten Zuständigkeiten ergeben sich aus den §§ 8 und 10 der
Strafprozessordnung 1975 bzw. aus den §§ 26 und 27 des
Verwaltungsstrafgesetzes 1991. Die ins Auge gefasste Neuregelung schließt
nicht aus, in Einzelfällen die Sicherheitsorgane auf der Grundlage des
Art. 22 B-VG (“Amtshilfe”) um die Verbringung eines Festgenommenen an die
zuständige Strafverfolgungsbehörde zu ersuchen; dies wird insbesondere dann in
Betracht kommen, wenn eine derartige Maßnahme in der Praxis zu einer rascheren
Übergabe als durch einen militärischen Transport führt. Die Letztverantwortung
für die Gewährleistung einer “unverzüglichen” Überstellung im Sinne der
erwähnten verfassungsrechtlichen Vorgaben wird in jedem Fall bei den jeweiligen
militärischen Dienststellen verbleiben. Eine dem § 177 Abs. 3 StPO
analoge Bestimmung, der zu Folge die Einlieferung eines Verdächtigen unter
bestimmten Voraussetzungen (vorläufige Abnahme der Reisepapiere oder der zur
Führung eines Fahrzeuges erforderlichen Papiere) nicht erfolgen darf, soll
nicht geschaffen werden, da diese Bestimmung ausschließlich Zwecken der
Strafjustiz dient und ihre Anwendung durch militärische Organe daher aus
verfassungsrechtlichen Erwägungen (Art. 79 Abs. 1 B-VG) nicht
in Betracht kommt.
Zu den
Z 4 bis 6 (§ 22 Abs. 3 Z 3, § 22 Abs. 4 Z 3
und § 22 Abs. 5 Z 3):
Der
Verfassungsgerichtshof hat die Ermächtigungen der nachrichtendienstlichen
Aufklärung zum Einsatz “sensibler” Ermittlungsmethoden im Wesentlichen mit der
Begründung als verfassungswidrig erachtet, dass mit diesen Eingriffsbefugnissen
in das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK)
kein ausreichend rechtlich und faktisch wirksamer Rechtsschutz (Art. 13
EMRK) korreliert. An der inhaltlichen Gestaltung dieser Ermächtigungen selbst
hat das Höchstgericht keine Kritik geübt. Dennoch sollen im Rahmen der gegenständlichen
Novelle auch die materiellen Voraussetzungen für einen Einsatz der in Rede
stehenden Ermittlungsmethoden im Rahmen der nachrichtendienstlichen Aufklärung
entsprechend der Eingriffsdichte der einzelnen Befugnisse durch die Normierung
diverser Zulässigkeitskriterien präziser und konkreter umschrieben werden.
Damit kann insbesondere auch dem Legalitätsgrundsatz nach Art. 18
Abs. 1 B-VG sowie der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes
(zB. VfSlg 10.737) betreffend ein strengeres Determinierungsgebot in jenen
Bereichen, die zu Grundrechtseingriffen ermächtigen, Rechnung getragen werden.
Bei der Gestaltung dieser Kriterien soll in besonderer Weise auf die dem
gesamten Militärbefugnisgesetz zu Grunde liegende strikte Beschränkung der
Eingriffsbefugnisse auf den Bereich der “militärischen Landesverteidigung”
(Art. 79 Abs. 1 B-VG) Bedacht genommen werden; ein Eingriff in die
Aufgaben der “Sicherheitspolizei” (Art. 10 Abs. 1 Z 7 B‑VG bzw.
§ 3 SPG) ist damit jedenfalls auch künftig ausgeschlossen. Die ins Auge
gefassten Formulierungen lehnen sich an vergleichbare Regelungen im
Sicherheitspolizeigesetz (§ 54 SPG) und im Militärbefugnisgesetz selbst
(§§ 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 und 20 Abs. 1 MBG) an. Der Begriff
“nationale Sicherheit” ist dem Verfassungsrecht entnommen (Art. 52a
Abs. 2 B-VG und Art. 8 Abs. 2 EMRK); der Terminus
“Einsatzbereitschaft des Bundesheeres” findet sich mit gleichem Norminhalt in
zahlreichen Bundesgesetzen (zB. §§ 17 Abs. 3 und 26 Abs. 2
DSG 2000, § 2 Z 4 MilStG, § 126 Abs. 1 StGB, § 2
Abs. 3 und 4 WG 2001, §§ 4 Abs. 1 und § 26 Abs. 2
MBG). Diese Bestimmungen werden daher in ähnlicher Weise wie in den genannten
Normen auszulegen sein. Hinsichtlich der Beeinträchtigung von Aufgaben der nachrichtendienstlichen
Aufklärung ergibt sich aus den beabsichtigten Formulierungen, dass nicht
jegliche diesbezügliche Störung zur Ausübung der gegenständlichen Befugnisse
ermächtigen soll. Es wird vielmehr eine (völlige) Verhinderung bzw.
“erhebliche” Behinderung der Aufgabenerfüllung “in größerem Umfang”
erforderlich sein.
Im
Allgemeinen ist hinsichtlich der Aufgabenstellung der nachrichtendienstlichen
Aufklärung darauf hinzuweisen, dass einer Verarbeitung (personenbezogener)
Daten im Sinne des § 4 Z 9 des Datenschutzgesetzes 2000
(DSG 2000) in der langjährigen Praxis nur eine vergleichsweise
untergeordnete Bedeutung zukommt. Diese Teilaufgabe der militärischen
Landesverteidigung dient nämlich in erster Linie der Erstellung eines
umfassenden Lagebildes über militärische und damit im Zusammenhang stehende
(insbesondere sicherheitspolitisch relevante) Entwicklungen im Ausland mit
Bezugnahme auf Österreich. Bei einer solchen Lagedarstellung handelt es sich in
erster Linie um eine “anonymisierte” ‑ also nicht personenbezogene ‑
Darstellung von Ereignissen und Tendenzen im Ausland, die mit hoher
Wahrscheinlichkeit Auswirkungen auf Österreich und darüber hinaus auch auf die
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union (GASP)
haben werden. Ein derartiges Lagebild stellt auch eine wichtige Voraussetzung
zur Umsetzung der in der sog. “Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin”
vorgesehenen Empfehlungen dar; in dieser mit Entschließung des Nationalrates
vom 12. Dezember 2001 angenommenen Doktrin (E 114-NR/XXI. GP)
ist nämlich ua. vorgesehen, dass “die österreichische Bevölkerung über die
Sicherheitslage im In- und Ausland umfassend und laufend informiert werden
soll”. Das Lagebild stellt auch einen wesentlichen Beitrag für ein nationales
Krisenmanagement sowie eine Entscheidungshilfe für die österreichische
Positionierung in einem internationalen Krisen- oder Einsatzszenario dar. Es
bildet somit eine maßgebliche Grundlage für die Beurteilung der möglichen
österreichischen militärischen Beteiligung an einem internationalen
Kriseneinsatz.
Im übrigen
wird hinsichtlich der weiteren Aspekte der Aufgabenerfüllung im Bereich der
nachrichtendienstlichen Aufklärung sowie der grundsätzlichen Begriffsinhalte
der in Rede stehenden “sensiblen” Ermittlungsmethoden auf die Erläuterungen zur
Regierungsvorlage des Militärbefugnisgesetzes (76 BlgNR, XXI. GP)
verwiesen.
Zu Z 7
(§ 22 Abs. 8):
Nach § 22
Abs. 8 MBG hat der Bundesminister für Landesverteidigung dem
Rechtsschutzbeauftragten Gelegenheit zur Äußerung zu geben, sofern der Rechsschutzbeauftragte
für eine bestimmte besondere Ermittlung ein entsprechendes Verlangen gestellt
hat. In der Vergangenheit hat es wiederholt Unklarheiten hinsichtlich der
tatsächlichen Möglichkeiten des Rechtsschutzbeauftragten, ein solches Verlangen
stellen zu können, gegeben. Aus diesem Grund hat sich auf Grund des
ausdrücklichen Wunsches des derzeit bestellten Rechtsschutzbeauftragten die
ständige Vollziehungspraxis entwickelt, dass er über jede geplante “sensible”
Datenermittlung zum vorbeugenden Schutz militärischer Rechtsgüter entsprechend
informiert wird, um sich gegebenenfalls äußern zu können. Vor dem Hintergrund
des in Rede stehenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes soll diese
Praxis nunmehr ausdrücklich gesetzlich normiert und darüber hinaus auch
inhaltlich umfassend erweitert werden. Künftig sollen der Bundesminister für
Landesverteidigung und der Rechtsschutzbeauftragte nämlich gleichzeitig vor
jeder “sensiblen” Datenermittlung nach den Abs. 3 bis 7 MBG verständigt
werden. Damit werden auch sämtliche Observationen sowie sämtliche
Datenermittlungen, die nicht dem vorbeugenden Rechtsschutz militärischer
Rechtsgüter dienen, diesem Rechtsschutzinstrumentarium zur Gänze unterliegen.
Weiters soll der Rechtsschutzbeauftragte in jedem Fall die Möglichkeit haben
sich zu äußern. Im Interesse einer Verwaltungsökonomie sowie zur Stärkung der
formalen Stellung des Rechtsschutzbeauftragten soll diesem dabei die direkte
Kontaktnahme mit den relevanten militärischen Dienststellen ermöglicht werden.
Dem Bundesminister für Landesverteidigung als zuständigem oberstem Verwaltungsorgan
im Sinne der Art. 19 und 69 B-VG wird auch künftig uneingeschränkt
jegliche Möglichkeit offen stehen, in derartige Ermittlungsmethoden
einzugreifen oder diese gegebenenfalls beenden zu lassen. Die für seltene Fälle
unabdingbare Möglichkeit des Ermittlungsbeginnes vor der Äußerung des
Rechtsschutzbeauftragten bzw. vor Ablauf von drei Tagen soll jedenfalls
weiterhin beibehalten werden. Die beiden sog. “Notklauseln” orientieren sich
eng an Formulierungen für vergleichbare Fälle im Bundes-Verfassungsgesetz
(Art. 18 Abs. 3 und Art. 79 Abs. 5 B-VG sowie Art. 52a
B-VG). Auf Grund der geplanten gesetzlichen Kriterien für diese “ultima
ratio”-Norm ergibt sich, dass bei der Beurteilung des Vorliegens dieser
Voraussetzungen ein strenger Maßstab anzulegen sein wird. Die konkrete
Formulierung des neu gefassten § 22 Abs. 8 MBG entspricht
insbesondere auch den diesbezüglichen Vorstellungen des
Rechtsschutzbeauftragten.
Zu Z 8
bis 10 (§ 57 Abs. 2a sowie § 57 Abs. 3 und 5):
§ 57
Abs. 3 erster Satz MBG sieht auf einfachgesetzlicher Stufe vor, dass der
Rechtsschutzbeauftragte in Ausübung seines Amtes unabhängig und an keine
Weisungen gebunden ist. Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang
festgestellt, dass der Rechtsschutzbeauftragte als Verwaltungsorgan im
organisatorischen Sinn zu qualifizieren sei. Hiedurch ergibt sich ein
verfassungsrechtliches Spannungsverhältnis zu Art. 20 Abs. 1 B-VG,
der die Weisungsgebundenheit aller Verwaltungsorgane vorsieht. Aus diesem Grund
sowie vor dem Hintergrund der Tatsache, dass andere vergleichbare
Rechtsschutzeinrichtungen (zB. die Unabhängigen Verwaltungssenate, der Unabhängige
Bundesasylsenat, die Kollegialbehörden gemäß Art. 133 Z 4 B-VG und
der Unabhängige Finanzsenat) auch verfassungsgesetzlich verankert sind, soll
nunmehr auch die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit des
Rechtsschutzbeauftragten im Militärbefugnisgesetz in einem neuen Abs. 2a
auf Verfassungsebene verankert werden. Daraus ergibt sich auch die
Notwendigkeit einer ausschließlich sprachlichen Formalanpassung im Abs. 3.
Zur Vermeidung von Unklarheiten und Zweifelsfragen soll die derzeitige Regelung
über die Amtsverschwiegenheit des Rechtsschutzbeauftragten – trotz ihrer
grundsätzlichen Ableitbarkeit direkt aus Art. 20 Abs. 4 B-VG –
unverändert beibehalten werden.
Weiters soll auf
ausdrücklichen Wunsch des Rechtsschutzbeauftragten im § 57 Abs. 5
erster Satz MBG klargestellt werden, dass der Rechtsschutzbeauftragte dem
Bundesminister für Landesverteidigung jährlich einen Bericht über seine
Tätigkeit zu erstatten hat und nicht – wie man aus der bisherigen Formulierung
hätte allenfalls ableiten können ‑ über die gesamte Tätigkeit der militärischen
Nachrichtendienste.
Zu Z 11
(§ 61 Abs. 1d und 1e):
Der
Verfassungsgerichtshof hat § 11 Abs. 1, § 11 Abs. 5,
§ 22 Abs. 4 Z 3, § 22 Abs. 4 Z 3, § 22
Abs. 5 Z 3 und § 57 Abs. 3 erster Satz mit Ablauf des
31. Dezember 2004 aufgehoben. Mit dem geplanten In-Kraft-Treten der in Rede
stehenden Bestimmungen wird diesem Umstand jedenfalls entsprechend Rechnung
getragen.
Textgegenüberstellung
Geltende
Fassung |
Vorgeschlagene
Fassung |
§ 11. (1) Militärische Organe im Wachdienst dürfen
Personen vorläufig festnehmen, wenn hinreichende Gründe für die Annahme
vorliegen, dass diese Personen einen Angriff gegen militärische Rechtsgüter
ausführen oder unmittelbar vorher ausgeführt haben oder dass nach ihnen wegen
eines solchen Angriffes gefahndet wird. |
§ 11. (1) Militärische Organe im Wachdienst
dürfen Personen vorläufig festnehmen, wenn hinreichende Gründe für die
Annahme vorliegen, dass diese Personen einen Angriff gegen militärische
Rechtsgüter ausführen oder unmittelbar ausgeführt haben, der den Verdacht
einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung begründet, für deren
Verfolgung der Gerichtshof erster Instanz zuständig ist. |
(2) und (3) ... |
(2) und (3) ... |
(4) Der
Festgenommene ist unter Achtung seines Ehrgefühles und seiner Menschenwürde
sowie mit möglichster Schonung seiner Person zu behandeln. |
(4) Der
Festgenommene ist unter Achtung seines Ehrgefühles und seiner Menschenwürde
sowie mit möglichster Schonung seiner Person zu behandeln. Bei einer
Festnahme ist besonders darauf zu achten, dass Eingriffe in die Rechtssphäre
des Betroffenen die Verhältnismäßigkeit wahren. |
(5) Der
Festgenommene ist unverzüglich dem nächsten Organ des öffentlichen
Sicherheitsdienstes zu überstellen oder, wenn der Grund der Festnahme schon vorher
wegfällt, freizulassen. Er darf durch militärische Organe in keinem Fall
länger als 24 Stunden festgehalten werden. |
(5) Der
Festgenommene ist unverzüglich zu überstellen 1. im Fall des Abs. 1 dem zur Verfolgung
der gerichtlich strafbaren Handlung zuständigen Gerichtshof erster Instanz
oder 2. im Fall des Abs. 2 der für das
Verwaltungsstrafverfahren in erster Instanz zuständigen Behörde. Der
Festgenommene ist freizulassen, wenn der Grund der Festnahme schon vorher
wegfällt. Er darf durch militärische Organe in keinem Fall länger als
24 Stunden festgehalten werden. |
(6) bis (8) ... |
(6) bis (8) ... |
§ 22. (1) bis (2a) ... |
§ 22. (1) bis (2a) ... |
(3) Z 1 und 2
... |
(3) Z 1 und 2
... |
3. für Zwecke der nachrichtendienstlichen
Aufklärung. |
3. für Zwecke der nachrichtendienstlichen
Aufklärung, wenn sonst die Aufgabenerfüllung der Aufklärung verhindert oder
erheblich behindert wäre. |
(4) Z 1 und 2
... |
(4) Z 1 und 2
... |
3. für Zwecke der nachrichtendienstlichen
Aufklärung, sofern der Zweck der Ermittlung auf andere Weise nicht erreicht
werden kann. |
3. für Zwecke der nachrichtendienstlichen
Aufklärung, wenn dies im Interesse der nationalen Sicherheit, insbesondere
der Gewährleistung der Einsatzbereitschaft des Bundesheeres, dringend
erforderlich ist und sonst die Aufgabenerfüllung der Aufklärung verhindert
oder erheblich behindert wäre. |
(5) Z 1 und 2
... |
(5) Z 1 und 2
... |
3. für Zwecke der nachrichtendienstlichen
Aufklärung, sofern der Zweck der Ermittlung auf andere Weise nicht erreicht
werden kann. |
3. für Zwecke der nachrichtendienstlichen
Aufklärung, wenn dies im Interesse der nationalen Sicherheit, insbesondere
der Gewährleistung der Einsatzbereitschaft des Bundesheeres, unerlässlich ist
und sonst in größerem Umfang die Aufgabenerfüllung der Aufklärung verhindert
oder erheblich behindert wäre. |
(6) und (7) ... |
(6) und (7) ... |
(8) Vor einer
Datenermittlung nach den Abs. 4 bis 7 zum vorbeugenden Schutz
militärischer Rechtsgüter haben militärische Organe und Dienststellen nach
Abs. 1 unverzüglich den Bundesminister für Landesverteidigung zu
verständigen. Dieser hat dem Rechtsschutzbeauftragten Gelegenheit zur
Äußerung zu geben, sofern der Rechtsschutzbeauftragte für diese Ermittlung
ein entsprechendes Verlangen gestellt hat. Wurde ein solches Verlangen vor
Beginn der Ermittlung gestellt, so darf eine solche Ermittlung erst nach
Vorliegen einer entsprechenden Äußerung, spätestens aber drei Tage nach
Information des Rechtsschutzbeauftragten begonnen werden. Ist jedoch mit
Angriffen gegen militärische Rechtsgüter mit schwerer Gefahr für die
militärische Sicherheit zu rechnen und liegt Gefahr im Verzug vor, so darf
die Ermittlung bereits vor Abgabe dieser Äußerung begonnen werden. |
(8) Vor einer
Datenermittlung nach den Abs. 3 bis 7 haben militärische Organe und
Dienststellen nach Abs. 1 unverzüglich den Bundesminister für
Landesverteidigung und den Rechtsschutzbeauftragten zu verständigen. Eine
solche Ermittlung darf erst nach Vorliegen einer entsprechenden Äußerung des
Rechtsschutzbeauftragten gegenüber den militärischen Organen und
Dienststellen nach Abs. 1 oder nach Ablauf von drei Tagen nach
Verständigung des Rechtsschutzbeauftragten begonnen werden. Der Rechtsschutzbeauftragte
hat dem Bundesminister für Landesverteidigung unverzüglich über eine
allfällige Äußerung zu verständigen. Die Ermittlung darf jedoch sofort nach
Verständigung des Rechtsschutzbeauftragten begonnen werden, wenn bei weiterem
Zuwarten ein nicht wieder gutzumachender, schwerer Schaden für die nationale
Sicherheit, insbesondere die Einsatzbereitschaft des Bundesheeres, oder die
Sicherheit von Menschen eintreten würde. |
§ 57. (1) und (2) ... |
§ 57. (1) und (2) ... |
|
(2a) (Verfassungsbestimmung) Der Rechtsschutzbeauftragte ist
in Ausübung seines Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden. |
(3) Der
Rechtsschutzbeauftragte ist in Ausübung seines Amtes unabhängig und an keine
Weisungen gebunden. Er unterliegt der Amtsverschwiegenheit. Seine
Stellvertreter haben gleiche Rechte und Pflichten. Der Bundesminister für
Landesverteidigung hat dem Rechtsschutzbeauftragten das zur Bewältigung
seiner administrativen Tätigkeit notwendige Personal zur Verfügung zu stellen
und für seine Sacherfordernisse aufzukommen. Dem Rechtsschutzbeauftragten
gebührt für die Erfüllung seiner Aufgaben eine Entschädigung. Der
Bundesminister für Landesverteidigung hat mit Verordnung Pauschalsätze für
die Bemessung dieser Entschädigung festzusetzen. |
(3) Der
Rechtsschutzbeauftragte unterliegt der Amtsverschwiegenheit. Seine
Stellvertreter haben gleiche Rechte und Pflichten. Der Bundesminister für
Landesverteidigung hat dem Rechtsschutzbeauftragten das zur Bewältigung
seiner administrativen Tätigkeit notwendige Personal zur Verfügung zu stellen
und für seine Sacherfordernisse aufzukommen. Dem Rechtsschutzbeauftragten
gebührt für die Erfüllung seiner Aufgaben eine Entschädigung. Der
Bundesminister für Landesverteidigung hat mit Verordnung Pauschalsätze für
die Bemessung dieser Entschädigung festzusetzen. |
(4) ... |
(4) ... |
(5) Der Rechtsschutzbeauftragte
hat dem Bundesminister für Landesverteidigung jährlich einen Bericht über die
Tätigkeit der militärischen Nachrichtendienste zu erstatten. Diesen Bericht
hat der Bundesminister für Landesverteidigung dem ständigen Unterausschuss
des Nationalrates zur Prüfung von nachrichtendienstlichen Maßnahmen zur
Sicherung der militärischen Landesverteidigung auf dessen Verlangen im Rahmen
des Auskunfts- und Einsichtsrechtes nach Art. 52a Abs. 2 B-VG
zugänglich zu machen. |
(5) Der
Rechtsschutzbeauftragte hat dem Bundesminister für Landesverteidigung
jährlich einen Bericht über seine Tätigkeit zu erstatten.
Diesen Bericht hat der Bundesminister für Landesverteidigung dem ständigen
Unterausschuss des Nationalrates zur Prüfung von nachrichtendienstlichen Maßnahmen
zur Sicherung der militärischen Landesverteidigung auf dessen Verlangen im
Rahmen des Auskunfts- und Einsichtsrechtes nach Art. 52a Abs. 2
B-VG zugänglich zu machen. |
(6) ... |
(6) ... |
|
§ 61. (1) bis (1c) ... |
|
(1d) § 11
Abs. 1, 4, und 5, § 22 Abs. 3 bis 5 und 8 sowie § 57
Abs. 3 und 5, jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I
Nr. xxx, treten mit 1. Jänner 2005 in Kraft. |