Abweichende persönliche Stellungnahme

gemäß § 42 Abs.5 GOG

der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Heidemarie Rest-Hinterseer

zum Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage für ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 geändert werden (UVP-G-Novelle 2004)

Die Novellierung ist in erster Linie durch EU-Recht bedingt. Dieses macht erfreulicherweise insbesondere die Einbindung von NGO in das UVP-Verfahren sowie den bescheidmäßigen Abspruch über Bundesstraßen erforderlich. Die Umsetzung dieser Erfordernisse in das österreichische UVP-System ist durch die Regierungsvorlage allerdings nicht zufriedenstellend erfolgt. Außerdem ist zu beobachten, dass aus Sicht des Umweltschutzes positive Vorgaben des EU-Rechts zum Anlass für den  Rückbau anderer Elemente des UVP-Systems genommen werden. Dies widerspricht einer engagierten Umweltpolitik. Weiters ist festzuhalten, dass nicht alle Vorgaben des EU-Rechts berücksichtigt wurden. Insbesondere das Urteil Wells gegen UK des EuGH (Rs C-201/02 vom 7. 1. 2004) hätte zum Anlass genommen werden müssen, endlich den Nachbarn und den NGO ein Recht auf Antragstellung zur Frage der UVP-Pflicht eines Vorhabens zu geben bzw diese als Parteien in ein Feststellungsverfahren einzubinden.

Die Verlängerung des Umweltsenats wird ausdrücklich begrüßt.

Im Detail ist zu bemerken:

1. Partizipation und Rechtsschutz

a)     NGO

   aa) Zulassung

               Das Zulassungsregime für NGO wird an und für sich für sinnvoll erachtet. Völlig unverständlich ist allerdings, warum der Umweltminister im Zulassungsverfahren das Einvernehmen mit dem Wirtschaftsminister herstellen muss. Die Zulassung ist eine Rechtsfrage, wirtschaftspolitische Erwägungen haben darin keinen Platz. Sollte diese Einvernehmensregelung beibehalten werden, so ist umso wichtiger, auf das Recht zur Verwaltungsgerichtshofbeschwerde der NGO bei Verweigerung der Zulassung hinzuweisen.

  bb) Rechte

               Die.. NGO sind hinsichtlich ihrer inhaltlichen Parteistellung den Bürgerinitiativen gleichgestellt, allerdings mit dem wesentlichen Unterschied, dass sie keine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde einreichen können. Den Parteien des Verfahrens, die für den Umweltschutz eintreten, müssen allerdings die gleichen außerordentlichen Rechtsmittel offen stehen, wie sie auch der Antragsteller hat!

b)       Verfassungsgerichtshofbeschwerde

         Die Regierungsvorlage nimmt das Verfassungsgerichtshoferkenntnis G 4-6/04-11 vom Sommer dieses Jahres zum Anlass, die bisherige Möglichkeit der Umweltanwaltschaften, der wasserwirtschaftlichen Planungsorgane, der Gemeinden, der Bürgerparteien zur Erhebung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde gegen die Genehmigung eines Projektes zu erheben, zu streichen (siehe § 19 Abs 3 und 4 sowie § 24h Abs 7). Der VfGH war der Auffassung, dass Amtsorgane keine subjektiven Rechte hätten und daher ihnen auch nicht die Beschwerdemöglichkeit nach Art 144 Abs 1 B-VG einfachgesetzlich eingeräumt werden könne. Die Streichung ist aus folgenden Gründen entschieden abzulehnen:


 

·         Die Verfassungsgerichtshofbeschwerde führt dazu, dass die genannten Parteien eine Angelegenheit direkt dem VfGH vorlegen können, welcher aus diesem Anlass die Verfassungs- bzw Gesetzmäßigkeit der angewendeten Normen überprüfen kann und widrigenfalls aufheben kann. Zu verweisen ist auf das eingeleitete Normprüfungsverfahren über die Kärntner Standort-VO zur MVA Arnoldstein (B 894/02 vom 9.10.2003).

·         Die Aussagen des Verfassungsgerichtshofes betreffen die Amtsorgane wie die Umweltanwaltschaften, die wasserwirtschaftlichen Planungsorgane und die Gemeinden, nicht aber die Bürgerpartei, die eine Sammlung von Grundrechtssubjekten ist (siehe auch die Zulassung der Verfassungsgerichtshofbescherde für die Bürgerpartei gegen die MVA Arnoldstein). In diesem Punkt ist die Streichung jedenfalls nicht notwendig, also überschiessend!

·         Im Rahmen des Österreich-Konvents wurden Initiativen zur Ausweitung der Beschwerdebefugnisse gesetzt, sodass auch in Hinkunft die Möglichkeit bestehen soll, einfachgesetzlich den Amtsorganen und Verbänden den Rechtszug an den VfGH zu eröffnen. Zwischenzeitig sollte daher im UVP-G die Verfassungsgerichtshofbeschwerde der Amtsorgane sowie der NGO mit Verfassungsbestimmung normiert werden.

c)       Feststellungsverfahren

   aa) Nachbarn

               In nicht wenigen Fällen wird die UVP-Pflicht von Betreibern und Behörden ignoriert bzw trickreich umgangen. Dies kann von den Umweltanwaltschaften und den Gemeinden releviert werden, nicht aber von den betroffenen Nachbarn und den NGO. Das Engagement und die Konfliktbereitschaft der Umweltanwaltschaften ist sehr unterschiedlich, den Gemeinden ist oft eher an den Arbeitsplätzen gelegen. Aus diesen Gründen ist das Initiativrecht und die Parteistellung der Nachbarn und der NGO unerlässlich! Dies wäre auch die zweckmäßigste Form, um den Vorgaben des EuGH-Urteils Wells gegen UK Rechnung zu tragen. Der EuGH ist der Auffassung, dass die Nachbarn ein Recht auf Durchführung  der UVP haben und widrigenfalls die Genehmigung aufzuheben ist oder Schadenersatz zu leisten ist. Um derartige Rechtsfolgen im Nachhinein zu vermeiden, sollten sich die Nachbarn im Vorfeld entsprechend rechtswirksam einbringen können.

  bb) Amtsorgane

               Der Ministerialentwurf hatte den Amtsorganen die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde eingeräumt, diese wurde nun wieder gestrichen.

d)       Vereinfachtes Verfahren

         Der Ministerialentwurf hatte erfreulicherweise auch den Bürgerinitiativen (und den NGO) im vereinfachten Verfahren eine volle Parteistellung gegeben, die Verbesserung wurde nun wieder gestrichen.

2. Straßen-UVP

Der Verwaltungsgerichtshof hat aus Anlass eines Enteignungsverfahrens zur S 1 und unter Berufung auf die UVP-Richtlinie erkannt, dass eine UVP für die Straße zum Detailprojekt stattzufinden hat (Zl 2003/06/0078 vm 21.10.2003). Eine UVP im Trassen-VO-Verfahren sei nicht ausreichend. Entgegen dem Ministerialentwurf wird nun kein integratives Genehmigungsverfahren für Bundesstraßen vorgesehen, allerdings ist die gewählte Lösung schon eine Verbesserung gegenüber dem Status quo. Aus dem UVP-Gutachten resultierende Auflagen können verbindlich erteilt werden und das Bescheidverfahren bietet einen besseren Rechtsschutz für die Nachbarn und die anderen Parteien des Umweltschutzes. Die gewählte Lösung mehrerer Bescheidverfahren auf verschiedenen Verwaltungsebenen wird allerdings als kaum praktikabel erachtet. Die Grünen sind schon immer für folgende Lösung eingetreten:

·         Rechtsförmlicher               Gesamtverkehrsplan mit Strategischer Umweltprüfung.

·         Ein Straßenbescheidverfahren beim Umweltminister, in dem neben dem Bundesrecht auch landesrechtliche Bewilligungspflichten zu beachten sind. Ein eininstanzliches Verfahren beim Verkehrsminister ist nicht akzeptabel, da die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde im Regelfall keine aufschiebende Wirkung hat.

·         Die weichenden Behörden, also insbesondere die Naturschutzbehörde sollen eine Parteistellung in diesem Verfahren erhalten.

·         Volle Parteistellung für NGO, Bürgerpartei, Nachbarn und Amtsorgane mit Rechtszug an die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts.

Gemäß Regierungsvorlage ist der UVP-Auffangbescheid vom Verkehrsminister zu erlassen, Parteistellungen bestehen wie im UVP-Verfahren nach dem zweiten Abschnitt. Die Möglichkeit der Trassen-VO-Anfechtung bleibt erhalten (§ 24c Abs 11).


 

3. UVP-pflichtige Vorhaben

Die UVP-pflichtigen Vorhaben werden durch die Regierungsvorlage erweitert. Mehrheitlich ist dies auf EU-Recht zurückzuführen (zB zusätzliches Schutzgebiet Siedlungsgebiet, niedrigere Schwellenwerte für zusätzliche Vorhaben in den Schutzgebieten). Daneben waren Problemfälle aus der Praxis Anlass für positive Änderungen (zB wie von den Grünen schon bei der Novelle 2000 gefordert, die UVP-Pflicht für sämtliche Maßnahmen in Gletscherschigebieten). Begrüßt werden die explizite Umsetzung der Alpenkonvention/Verkehrsprotokoll und die weiteren Anti-Stückelungsregelungen. Bei der Erweiterung der UVP-pflichtigen Vorhaben handelt es freilich in erster Linie um zusätzliche Vorhaben in Spalte 2 und 3, wo also bloß ein vereinfachtes UVP-Verfahren durchzuführen ist (keine Bürgerpartei, keine NGO-Parteistellung, kein UVP-Gutachten). Wir gehen davon aus, dass dergestalt die UVP-Pflicht (wenn auch möglicherweise nur im vereinfachten Verfahren) für die Straßenumfahrung Feldkirch (Letze Tunnel) gegeben ist und auch das Übergangsrecht entsprechend gestaltet ist.

Offen ist nach wie vor die Aufnahme der Grundwassersanierungsgebiete in die Schutzgebietskategorie Wasserschutz- und Schongebiet und die Senkung der Schwellen insbesondere bei wasserrelevanten Projekten. Auffällig ist des weiteren der Entfall der Vorhaben Nahrungs- und Genussmittelindustrie in der Spalte 3 sowie grundsätzlich der Spanplattenindustrie im Anhang gegenüber dem Ministerialentwurf.. Die im Ministerialentwurf dargelegten Gründe (siehe Erläuterungen zu Z 61, 83 bis 88) für die Aufnahme dieser Vorhaben waren sachlicher Natur und können wohl kaum weggefallen sein.

4. Umweltverträglichkeitsgutachten und Zeitplan

Die Regierungsvorlage lässt das amtliche Umweltverträglichkeitsgutachten geradezu entfallen, es ist von den Amtsachverständigen nur mehr die vom Betreiber vorgelegte Umweltverträglichkeitserklärung zu bewerten und allenfalls zu ergänzen (siehe § 12 Abs 4 Zif 1 und § 24 c Abs 5 Zif 1). Der Grundsatz der Amtswegigkeit der Sachverhaltserhebung wird damit unterlaufen, der Schwerpunkt der integrativen Beurteilung des Projekts wird damit in die Sphäre des Betreibers verlagert. Dies ist aus Gründen der fehlenden Objektivität abzulehnen.

Auch der Erledigungsdruck auf die Behörden wird weiter erhöht. Eine Überschreitung des Zeitplans ist im Bescheid zu begründen. Die UVP-Praxis kann jedoch über durchaus gute durchschnittliche Verfahrensdauern verweisen, sodass eine derartige Maßnahme unangebracht ist.

5. Sonstiges

Die Zustimmungsrechte in Zusammenhang mit der Antragstellung wurden gegenüber dem Initiativantrag Kopf bzw dem Ministerialentwurf so abgeändert, dass eine missbräuchliche Praxis wohl auszuschließen ist (siehe §§ 5 Abs 1 und 17 Abs 1).

Begrüßt wird auch der Entfall der Barauslagenersatzpflicht für Amtsorgane, die Übersetzungspflicht im Espoo-Verfahren, die zwingende UVP-Pflicht bei bestimmten Projektänderungen und die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung von Nebenbestimmungen.

Die Erleichterungen für Änderungen von Projekten vor Abschluss der Abnahmeprüfung bzw der Detailgenehmigung sind äußerst weitgehend und ist Missbrauch zu befürchten.