662 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Umweltausschusses

über die Regierungsvorlage (654 der Beilagen): Übereinkommen von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten samt Erklärung

Ausgangslage:

Das Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat. Es enthält keine verfassungsändernden bzw. verfassungsergänzenden Bestimmungen und hat nicht politischen Charakter. Durch das Übereinkommen werden auch Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt.

Das Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten wurde im Rahmen der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen ausgearbeitet und am 25. Juni 1998 in Aarhus (Dänemark) im Rahmen der vierten Pan-Europäischen Ministerkonferenz „Umwelt für Europa“ angenommen. Das Übereinkommen trat am 30. Oktober 2001 in Kraft. Im Oktober 2002 fand in Lucca (Italien) das erste Treffen der Vertragsparteien statt. Mittlerweile (Stand: September 2004) haben 30 Staaten ratifiziert, darunter 16 der 25 EU-Mitglieder.

Inhalt des Übereinkommens:

Das Übereinkommen lässt sich in drei eng miteinander verbundene Säulen einteilen: 1. Information, 2. Partizipation und 3. Rechtsdurchsetzung.

Die erste Säule (Art. 4 und 5) regelt den Zugang zu Umweltinformationen. Die Öffentlichkeit soll das Recht auf Zugang zu Umweltinformationen erhalten, wobei dieser Anspruch nicht nur gegenüber den Verwaltungsbehörden im engeren Sinn besteht, sondern ebenso gegenüber Privaten, die bestimmte öffentliche Aufgaben im Bereich des Umweltschutzes wahrnehmen. Die auskunftspflichtigen Stellen können aus bestimmten Gründen die Erteilung von Informationen verweigern. Das Übereinkommen regelt nicht nur den Informationszugang auf Antrag, sondern auch die aktive Verbreitung von Informationen, die zunehmend in elektronischen Datenbanken zur Verfügung stehen sollen.

Die zweite Säule regelt im Wesentlichen die Beteiligung der Öffentlichkeit an bestimmten umweltrelevanten Entscheidungsverfahren (Art. 6). Die Tätigkeiten, die jedenfalls einer Öffentlichkeitsbeteiligung unterliegen, sind in einem eigenen Anhang aufgelistet. Darüber hinaus sieht das Übereinkommen auch eine Öffentlichkeitsbeteiligung bei sonstigen Tätigkeiten vor, die eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben können. Die zweite Säule enthält des Weiteren Bestimmungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung an Verfahren zur Erstellung umweltbezogener Pläne, Programme und in abgeschwächter Weise auch von Politiken (Art. 7). Effektive Öffentlichkeitsbeteiligung soll auch bei der Vorbereitung von Rechtsnormen, die erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können, gefördert werden (Art. 8).

Die dritte Säule des Übereinkommens behandelt den „Zugang zu Gerichten“ in Umweltangelegenheiten (Art. 9). Die darin enthaltenen Bestimmungen sollen insbesondere garantieren, dass die Rechte aus der 1. und der 2. Säule wirksam vor einer unabhängigen Instanz eingefordert werden können. Zusätzlich sieht die dritte Säule vor, dass Mitglieder der Öffentlichkeit Zugang zu verwaltungsrechtlichen oder gerichtlichen Überprüfungsverfahren haben sollen, um gegen Umweltrechtsverletzungen vorgehen zu können.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der EU:

Ein Großteil des Übereinkommens wurde bereits durch folgende EG-Rechtsakte umgesetzt: die Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Jänner 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates; die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 91/61 EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten; sowie die Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Auswirkungen bestimmter Pläne und Programme.

Für andere Bereiche, die auch aus Subsidiaritätsgründen nicht auf europäischer Ebene zu regeln sind, ist davon auszugehen, dass die Anforderungen des Übereinkommens in Österreich erfüllt werden. Darunter fallen insbesondere die relativ weich formulierten Bestimmungen des Art. 7 hinsichtlich Politiken und des Art. 8.

Die Europäische Kommission hat über die genannten Rechtsakte hinaus im Oktober 2003 weitere Vorschläge präsentiert, um die Anpassung des Gemeinschaftsrechts an die Erfordernisse des Aarhus-Übereinkommens abzuschließen und den Abschluss des Übereinkommens zu ermöglichen. Dazu zählt insbesondere ein Vorschlag für eine Verordnung, der die Aarhus-Bestimmungen auf die Einrichtungen der EU anwendbar machen soll, wo dies noch nicht der Fall ist.

Gemeinsam mit diesem Verordnungsvorschlag hat die Kommission auch den Vorschlag für eine Ratsentscheidung zum Abschluss des Übereinkommens durch die EG vorgelegt. Die niederländische Ratspräsidentschaft hat sich das Ziel gesetzt, mit einer Einigung zu diesen beiden Vorschlägen die Teilnahme der EG als Vertragspartei bei der 2. Vertragsparteienkonferenz im Mai 2005 in Kasachstan zu ermöglichen.

Weiters wurde ein Richtlinienvorschlag über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten vorgelegt, der einen Versuch darstellt, Art. 9(3) des Übereinkommens (umweltrechtliche Überprüfungsverfahren) im EG-Recht zu harmonisieren. Die Behandlung des Vorschlags im Rat ist derzeit unsicher, da seitens der Mitgliedsstaaten Bedenken gegenüber diesem Vorhaben der Kommission bestehen, das aus Sicht vieler Mitgliedsstaaten über die Bestimmungen des Übereinkommens hinausgeht und in der vorgeschlagenen Form vom Übereinkommen nicht gefordert ist. Die Kommission begründet den Vorschlag allerdings nicht ausschließlich als Umsetzungsmaßnahme für das Aarhus-Übereinkommen, sondern auch als grundsätzliche Maßnahme zur Verbesserung der Durchsetzung des Umweltrechts in einer erweiterten Europäischen Union.

Hinsichtlich der Kundmachung des Staatsvertrages hat die Bundesregierung dem Nationalrat vorgeschlagen, gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG zu beschließen, dass die französische und die russische Sprachfassung dadurch kundzumachen sind, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft aufliegen.

Der Umweltausschuss hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 20. Oktober 2004 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen der Berichterstatterin im Ausschuss, Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner, die Abgeordneten Kai Jan Krainer, Heidemarie Rest-Hinterseer, Klaus Wittauer, Karlheinz Kopf sowie der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll und die Ausschussobfrau Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig.

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Hohen Haus die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

Der Umweltausschuss vertritt weiters einstimmig die Auffassung, dass der gegenständliche Staatsvertrag der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich nicht zugänglich ist und daher eine Beschlussfassung des Nationalrates im Sinne des Art. 50 Abs. 2 B-VG erforderlich ist.

Ebenso wurde einstimmig beschlossen, dass die französische und die russische Sprachfassung dadurch kundgemacht werden sollen, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft aufliegen.

 

Als Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Klaus Wittauer gewählt.


Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Umweltausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

1.      Der Abschluss des Staatsvertrages: Übereinkommen von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten samt Erklärung (654 der Beilagen) wird genehmigt.

2.      Dieser Staatsvertrag ist im Sinne des Art. 50 Abs. 2 B-VG durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen.

3.      Gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG werden die französische und die russische Sprachfassung dieses Staatsvertrages dadurch kundgemacht, dass sie im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur öffentlichen Einsichtnahme aufliegen.

Wien, 2004-10-20

Klaus Wittauer Dr. Eva Glawischnig

       Berichterstatter                     Obfrau