Minderheitsbericht

gemäß § 42 Abs. 4 GOG

der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Dr. Richard Leutner und Gabriele Heinisch-Hosek

zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (653 d.B.)

 

Die sozialdemokratische Parlamentsfraktion lehnt die Regierungsvorlage über das Pensionsharmonisierungs-gesetz (653 d.B.) in der Fassung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Mag. Walter Tancsits insbesondere aus folgenden Gründen ab:

 

Die Regierungsvorlage über das Pensionsharmonisierungsgesetz stellt eine Fortsetzung des Pernsions-Kürzungsprogrammes der ÖVP/FPÖ Regierung dar und verdient auch den Namen Harmonisierung nicht. Insbesondere gilt:

 

-       Keine Harmonisierung wegen unterschiedlicher Beitragssätze.

-       Grundlage ist die Reform 2003, was zu weiteren Ungerechtigkeiten und einem abgesenkten Niveau führt.

-       Verdoppelung der Verluste im Pensionskorridor.

-       Kein vorzeitiger Pensionsantritt für Frauen für viele Jahre.

-       Massive Verluste und Ungerechtigkeiten für über 50 Jährige.

-       Massive Ungerechtigkeiten durch Stichtage.

-       Frauen sind mehrfach negativ betroffen.

-       Wiederholte oder längere Arbeitslosigkeit führt zu dramatischen Pensionsverlusten.

-       Schwerarbeitsregelung ist eine Hülse ohne Inhalt.

-       Keine Schwerarbeitspension für Frauen.

-       Willkürliche Grenzziehung zwischen Invalidität und Schwerarbeiterregelung.

-       Undurchsichtiges Pensionskonto und fehlender Bestandschutz.

 

Eine Umfrage, durchgeführt wenige Tage nach Veröffentlichung der Regierungspläne zur Pensionsharmonisierung, zeigt deutlich, was die Österreicherinnen und Österreicher von der Politik dieser schwarz-blauen Regierung halten: Drei Viertel der ÖsterreicherInnen glauben nicht an ein gleiches Pensionssystem durch die Harmonisierung. Dies geht aus einer im „Format“ veröffentlichten OGM-Umfrage hervor. Nur elf Prozent erwarten nach der Reform eine gleiche Behandlung aller Berufsgruppen. OGM-Forscher Peter Hajek: „Die tiefe Skepsis liegt an der jahrelangen Ankündigungspolitik der Reform. Auch die Wähler von ÖVP und FPÖ glauben nicht an die Gleichbehandlung“ (APA377 2004-07-15).

Und sie werden in ihrer Skepsis auch täglich bestärkt.

Die Sozialdemokratische Parlamentsfraktion bekennt sich zu einer Harmonisierung der Alterssicherungssysteme für ArbeiterInnen und Angestellte, Gewerbetreibende, BäuerInnen und BeamtInnen. Hierfür ist aber nicht nur ein einheitliches Pensionsrecht erforderlich, sondern auch eines, das die Pensionen der Jüngeren sichert, ohne die Einkommen der Erwerbstätigen massiv zu belasten, und einen fairen Übergang vom alten in das neue Recht schafft.

Das Hauptziel einer Harmonisierung, unterschiedliche Systeme zusammenzuführen, ist mit dieser Regierungsvorlage jedoch nicht erreicht. Die Reform, wie sie nunmehr beschlossen werden soll, zementiert die bisher bestehenden Ungerechtigkeiten zwischen den Berufsgruppen ein und schafft zusätzlich neue, da ASVG-Versicherte nach der Pensionskürzungsreform 2003 nochmals zur Kasse gebeten werden.

Da die Pensionskürzungsreform 2003 nicht zurückgenommen, sondern nur in ihren Auswirkungen vorübergehend abgemildert wird, bleiben die daraus entstehenden Verluste (im Endausbau bis 40 Prozent!) weiter in sich ungerecht und unsozial.

Derzeit beträgt die Durchschnittspension für rund 1,6 Mio. PensionistInnen, die von der Pensionsversicherungsanstalt ihre Pension erhalten, im Schnitt € 781,15 brutto pro Monat.

Besonders schlimm ist hier die Situation für die Frauen. Anfang 2004 betrug die durchschnittliche Frauenpension € 618,- pro Monat. Bei Männer lag sie bei € 1.060,- brutto.

Dazu die Übersicht:

 

Pensionen Insgesamt

 

Anzahl / Pensionshöhe in Euro

 

ALLE

Männer

Frauen

ALLE

2,015.204 /   787

768.569 / 1.060

1,246.635 /   618

 

 

 

 

Unselbstständige

1,670.184 /    805

634.843 / 1.078

1,035.341 /    637

    Arbeiter

973.438 /    635

382.720 /    861

590.718 /    489

    Angestellte

655.374 / 1.047

231.932 / 1.420

423.442 /    842

    Eisenbahner

18.564 /    826

8.013 / 1.134

10.551 /    591

    Bergbau

22.808 / 1.057

12.178 / 1.346

10.630 /    725

 

 

 

 

Selbstständige

345.020 /    699

133.726 /    975

211.294 /    525

    Gewerbe

157.364 /    879

65.341 / 1.182

92.023 /    644

    Bauern

187.321 /    543

68.211 /    767

119.110 /    414

    Notare

335 / 3.358

174 / 4.452

161 / 2.176

Quellenangabe: Hauptverband der Sozialversicherungsträger

 

Die Harmonisierung durch Schwarz/Blau führt nun dazu, dass diese Pensionen zwischen 5 und 20 Prozent erneut gekürzt werden. Das lehnt die SPÖ entschieden ab, weil das mit Sicherheit zu Altersarmut führt.

 

Ein Rückblick auf die ursprünglichen Pläne der Regierung bei der Pensionskürzungsreform 2003 zeigt nochmals in aller Deutlichkeit, was der Gesetzesentwurf von Sozialminister Haupt, der am 31. März 2003 in die Begutachtung ging, enthielt:

 

      Dramatische Sofort-Kürzung der Pensionsansprüche von Menschen, die bereits knapp vor Erreichung des Pensionsalters gestanden sind Die Regierung selbst hat die beabsichtigten Kürzungen in den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf in folgender Weise beschrieben: „Im Jahr 2004 dürfte der kumulative Pensionsverlust bei durchschnittlich rund 13,5 Prozent liegen, im Jahr 2005 bei 14,5 Prozent und im Jahr 2006 bei rund 15,5 Prozent. Im Jahr 2007 wird die durchschnittliche Pensionsminderung bei rund 16,5 Prozent liegen.“ Zu beachten ist, dass es sich hier um Durchschnittswerte handelt – in vielen Fällen wären die Sofort-Verluste sogar noch viel höher gewesen!!!

      Kurzfristig angesetzte Verunmöglichung des Pensionsantritts vor 65/60

         Alle vorzeitigen Alterspensionen sollten abgeschafft werden. Übergangsregelungen waren nur für 5 Geburtsjahrgänge vorgesehen!!!

      Demolierung des Pensionssystems für die Jüngeren Bei Umsetzung des ursprünglichen Gesetzesentwurfes hätten die Jüngeren mit Pensionskürzungen im Ausmaß von 30 bis 40 Prozent rechnen müssen – und in etlichen Fällen wären die Verluste sogar noch krasser ausgefallen!!!

Mit dem Engagement hunderttausender Menschen und unter dem politischen Druck der SPÖ ist es letztlich gelungen, die Regierung zu einem deutlichen Einlenken zu zwingen. Etwas längere Übergangsfristen bei der Anhebung des Pensionsalters und eine 10-Prozent-„Deckelung“ der Verluste wurden zugestanden. Dazu folgte noch eine Absichtserklärung zur raschen Pensionsharmonisierung. Die Grundzüge der Reform 2003 wurden jedoch nicht verändert!

Wenngleich die Regierung letztlich deutlich zurückstecken musste – die schon im Grundansatz verfehlte „Pensionsreform 2003“ wurde aber dadurch auch nicht akzeptabel: Denn seit Inkrafttreten dieser Pensionskürzungen sind in Österreich rund 16.909 Frauen in Pension gegangen. Von diesen mussten 9.436 Pensionskürzungen von bis zu 10 Prozent hinnehmen. Bei den Männern waren von 14.831 Neupensionisten 10.734 von den ungerechten Kürzungen ebenfalls mit bis zu 10 Prozent Verlust betroffen. (Quellenangabe: Unterlage verteilt von Sozialminister Haupt in der Sozialausschuss-Sitzung am 8.11.2004)

Daraus ist ersichtlich, dass selbst in der „abgespeckten“ Version die Pensionskürzungsreform 2003 noch immer in hohem Maße unsozial, und auch sachlich nicht begründbar ist. Nicht zuletzt wird dies ja auch, durch die von der Regierung geplante vorübergehende Neuordnung des Verlustdeckels selbst bestätigt.

Die Finanzierungsperspektive der gesetzlichen Pensionsversicherung ist bei weitem nicht so schlecht wie von den Regierungsparteien immer wieder behauptet wurde und wird.

In den Erläuternden Bemerkungen des Regierungsentwurfs zur „Pensionsreform 2003“ findet sich eine sehr aufschlussreiche Darstellung der Kostenentwicklung der gesetzlichen Pensionsversicherung in den Jahren 2003 bis 2007:

Prognostizierte Kostenentwicklung bei den ASVG-Pensionen in den Jahren 2003 bis 2007 auf Basis der Rechtslage vor der „Pensionsreform 2003“! (Kosten in Prozent des Bruttoinlandsprodukts)

 

 

2003

2004

2005

2006

2007

Entwicklung der Gesamtausgaben

9,3 %

9,1 %

9,1 %

9.0 %

9,0 %

Entwicklung der erforderlichen Bundesmittel

2,0 %

1,8 %

1,8 %

1,8 %

1,8 %

Quelle: BMSG, Finanzielle Erläuterungen zum Gesetzesentwurf zur „Pensionsreform 2003“ vom 31.3.2003

 

Wie diese Zahlen des Sozialministeriums eindrucksvoll belegen, lässt sich die von Vertretern der Regierungsparteien immer wieder beschworene dramatische Finanzierungskrise der Pensionsversicherung nicht erklären. Selbst wenn die „Pensionsreform 2003“ nicht beschlossen worden wäre, wären die Ausgaben für ASVG-Pensionen in den kommenden Jahren zurück gegangen (Wirkung früherer Pensionsreformen). Die kurzfristig angesetzte Sofort-Kürzungen von Pensionen um 10 Prozent waren und sind folglich nicht nur in hohem Maße unsozial, sie lassen sich auch mit Finanzargumenten nicht begründen.

Mittel- bis langfristig gesehen ist allerdings tatsächlich ein erheblicher Kostendruck zu erwarten. Der Altenanteil an der Bevölkerung wird in den kommenden Jahrzehnten kräftig steigen und das bleibt nicht ohne Wirkung auf die Kosten der Alterssicherung. Steigende Kosten heißt aber auch in mittel- bis langfristiger Perspektive noch lange nicht Unfinanzierbarkeit, wie das die Regierung darzustellen versucht.

Im Gegenteil: Die Prognoserechnungen für den „Runden Tisch“ zur Pensionsharmonisierung zeigen, dass die Gesamtkosten für die öffentliche Alterssicherung bis zum Jahr 2030 nur um 0,6 bis 1,3 Prozent des BIP steigen werden. Ein erheblicher Teil der potentiellen Kostensteigerung wird durch den erwarteten Anstieg der Erwerbsbeteiligung abgefangen. Nach 2030 wird sogar wieder mit einem Rückgang des Pensionsaufwands gerechnet.

Wirkungsvolle Alterssicherung in Langzeitperspektive setzt aber mehr voraus als bloße Pensionsreformen, dazu gehören auch eine gezielte Beschäftigungspolitik und eine klare Verbesserung der Erwerbschancen Älterer. Unstrittig ist aber, dass auch das Pensionsrecht weiterentwickelt werden muss, um den kommenden Herausforderungen gerecht zu werden und um das System fairer und transparenter zu machen.

Fazit: Die „Pensionsreform 2003“ ist eine unsoziale Geldbeschaffungsaktion zugunsten des Finanzministers, aber keine Reform, die diesen Namen verdient. Dazu kommt, dass die „eingesparten“ Pensionsgelder im Handumdrehen für Steuergeschenke an Großkonzerne und für den Kauf teurer Abfangjäger ausgegeben werden. Wie eine sinnvolle Reform ausschauen könnte, wird in dem von der SPÖ vorgelegten „Fairness-Pensions-Modell“ aufgezeigt.

Die Rücknahme der „Pensionsreform 2003“ ist nicht nur deshalb erforderlich, weil nur dadurch die unzumutbaren sofortigen Pensionskürzungen vermieden werden können, diese Rücknahme ist auch eine Grundvoraussetzung für eine faire Harmonisierung. Auf Basis der „Pensionsreform 2003“ ist ein gerechter Übergang in ein faires, für alle gleiches Pensionssystem nicht möglich. Man kann nicht zuerst den Arbeitern und den Angestellten ihre Pensionsansprüche zusammenstreichen und dann auf niedrigem Niveau „harmonisieren“.

Die nunmehr vorliegende Regierungsvorlage entspricht in sehr vielen Punkten nicht unseren Vorstellungen von einer fairen und gerechten Harmonisierung. Im Gegenteil: Bei genauer Durchsicht wird klar ersichtlich, was spätestens seit dem Scheitern der Verhandlungen der Regierung mit den Sozialpartnern im Juli 2004 zu befürchten war, dass von Fairness und Gerechtigkeit keine Rede sein kann!

 

Die Hauptkritikpunkte im Überblick:

      Pensionsverluste werden durch Nichteinrechnung der Abschläge im Pensionskorridor in den Verlustdeckel „aufgedoppelt“. Die Abschläge im „Pensionskorridor“ werden nicht in den Verlustdeckel der Pensionsreform 2003 eingerechnet, was für die Betroffenen Pensionskürzungen bis zu 22 Prozent bedeutet! Für die sozialdemokratische Parlamentsfraktion ist das deshalb inakzeptabel, weil – anders als das die Regierung darzustellen versucht – in den meisten Fällen keine Chance auf einen längeren Verbleib im Erwerbsleben besteht. Die Tatsache, dass der „Deckel“ für die Verluste aus der „Pensionsreform 2003“ in einem Übergangszeitraum bis 2024 nun doch enger gefasst werden soll (Anstieg von 5 auf 10 Prozent in einem Zeitraum von 20 Jahren), ändert nichts daran, dass für viele nicht nur eine „Aufdoppelung“, sondern tatsächlich eine Verdoppelung der Verluste erfolgt

 

Korridorpension

 

Abschläge für Zeit 65 bis 62

 

 

Vergleichspension für

Verlustdeckel


 

 

Pensionshöhe Recht 31.12.2003


5 bis 10 Prozent gedeckelter Verlust

 

Abschläge für Zeit 65 bis 62

 

 

Pensionshöhe Pensionsreform 2003


 

 

 

Pensionshöhe Korridorpension

 

      Die über 50-jährigen sind von den hohen Verlusten besonders betroffen. Die Behauptung von Regierungsvertretern, für über 50-jährige gelte ein besonderer Vertrauensschutz und diese seien von den Pensionsplänen der Regierung nicht betroffen, stimmt nicht. Im Gegenteil: Gerade die über 50-jährigen ASVG-Versicherten treffen nicht nur die Verluste innerhalb des „Verlustdeckels“, sondern auch die aufgedoppelten Verluste durch die neuen Korridorabschläge. Sie sind, obwohl der Vertrauensschutz bei diesen Versicherten höher anzusetzen ist, vielfach schlechter gestellt als unter 50-jährige, weil für diese das Pensionskonto je nach Einkommensverlauf auch günstiger sein kann als das alte Recht.

Zwar wird der 10-Prozent-Deckel – ausgehend von 5 Prozent gedeckeltem Verlust – erst in einem Übergangszeitraum durch eine Einschleifregelung erreicht, das soll aber nur für Pensionsantritte zum Regelpensionsalter gelten. Wer hingegen die Wahlfreiheit nützt und mit 62 Jahren geht, muss zusätzliche Abschläge hinnehmen. Das führt z.B. bei einem Pensionsantritt 2014 zu Verlusten von knapp 20 Prozent bei den nach altem Recht erworbenen Anwartschaften. Da sich zu diesem Zeitpunkt die Pension noch ganz überwiegend aus dem alten Recht ergibt, bedeutet das insgesamt eine 20-prozentige Pensionskürzung gegenüber der Rechtslage 2003.

 

Verluste der über 50-jährigen Männer bei Pensionsantritt mit 62 Jahren im Pensionskorridor

Geboren

Pensionsantritt mit 62 im Jahr

Frühestmögliches Antrittsalter nach der Pensionsreform 2003 Jahre + Monate

Maximaler Verlust (Deckel 5-10%)

Zusatzabschläge im Korridor

Gesamtverlust

*)

Oktober bis 1. Dezember

1943

2005

62

5,25

0,00

-7,25

Oktober bis 1.Dezember

1944

2006

62 + 4

5,50

1,40

-8,82

Oktober bis 1.Dezember

1945

2007

62 + 8

5,75

2,80

-10,39

Oktober bis 1.Dezember

1946

2008

63

6,00

4,20

-11,95

Oktober bis 1.Dezember

1947

2009

63 + 4

6,25

5,60

-13,50

Oktober bis 1.Dezember

1948

2010

63 + 8

6,50

7,00

-15,05

Oktober bis 1.Dezember

1949

2011

64

6,75

8,40

-16,58

Oktober bis 1.Dezember

1950

2012

64 + 4

7,00

9,80

-18,11

Oktober bis 1.Dezember

1951

2013

64 + 8

7,25

11,20

-19,64

Oktober bis 1.Dezember

1952

2014

65

7,50

12,60

-21,16

Jänner bis 1.Dezember

1953

2015

65

7,75

12,60

-21,37

Jänner bis 1.Dezember

1954

2016

65

8,00

12,60

-21,59

*) inkl. 2% Verlust wegen Wegfall der ersten Pensionsanpassung

Quellenangabe: Arbeiterkammer Wien

 


 


Quellenangabe: Arbeiterkammer Wien

 

Noch dramatischer stellt sich die Situation für alle ArbeitnehmerInnen dar, welche die Anspruchsvoraussetzungen für die Korridorpension erfüllt haben und arbeitslos sind. Diese haben nämlich überhaupt keine Wahlmöglichkeit mehr, da sie die Korridorpension in Anspruch nehmen müssen, weil ab diesem Zeitpunkt kein Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr besteht. Diese ArbeitnehmerInnen müssen somit hohe Pensionsabschläge in Kauf nehmen, ob sie wollen oder nicht.

Diese dramatischen Kürzungen, die von den Arbeiterkammern in Beispielen aufgezeigt wurden, wurden zunächst von den Regierungsparteien auf das heftigste bestritten. In der Sozialausschuss-Sitzung am 12.November dJ hat jedoch Sozialminister Haupt eine Unterlage über Berechnungen, die sein Ressort gemacht hat den Mitgliedern des Ausschusses zur Verteilung gebracht. Aus diesen Berechnungen geht klar hervor, dass alle Behauptungen bezüglich der Aufdoppelung der Verluste und über deren Höhe berechtig und richtig waren.

Die Beispiele, die im Anhang als Beilage 1 zu finden sind, zeigen, dass zB wenn ein Mann mit 45 Versicherungsjahren im Jahr 2016 mit 62 Lebensjahren in Pension geht, dieser mit einem Verlust gegenüber der Rechtslage 2003 von 19,6 Prozent zu rechnen hat. Anderseits ein Arbeiter mit 40 Versicherungjahren mit 62 Lebensjahren beim Pensionsamtritt im Jahr 2014 mit einem Verlust von 18,4 Prozent leben muss. Also mehr Versicherungsjahre bewirken sogar höhere Abschläge!!! Das kann wohl nicht im Interesse der arbeitenden Menschen sein.

 

      Schlechterstellung der Frauen gleich in mehrfacher Hinsicht. Wenig Verständnis kann für die Euphorie von Ministerin Rauch-Kallat und Staatssekretärin Haubner aufgebracht werden. Was als Erfolg für die Frauen gefeiert wird, ist lediglich die Umsetzung von Mindesterfordernissen, und keineswegs ein Schutz vor Altersarmut. Um die Pensionsnachteile, die Frauen mit Kindern infolge der Lebensdurchrechnung erleiden, vollständig auszugleichen, wäre eine höhere oder allenfalls längere Bewertung der Erziehungszeiten notwendig. Ein weiterer Punkt ist, dass es für die Frauen keine Pensionskorridor-Lösung gibt.

      Keine ausreichende Bewertung der Kindererziehungszeiten. Bei den Kindererziehungszeiten müsste es einen deutlich höheren Ausgleich geben. Kindererziehung führt ja nicht nur für die Zeit der Berufsunterbrechung zu einem Einkommensverlust, sondern zu einem dauerhaften Verdienstentgang wegen schlechterer Karrierechancen und wegen Teilzeitarbeit aufgrund der Betreuungspflichten. Insbesondere die Teilzeitarbeit steigt stark an. Mittlerweile arbeiten bereits fast 60 Prozent der Frauen mit Kindern bis 15 Jahren in Teilzeit. Viele davon müssen Teilzeitarbeit annehmen, sei es, weil die Arbeitgeber nur eine solche Arbeit anbieten oder weil die Frauen mangels geeigneter Kinderbetreuungseinrichtungen gar nicht anders können, um Beruf und Familie unter einem Hut zu bringen. In der Regierungsvorlage ist nunmehr pro Kind für maximal vier Jahre der Kindererziehung eine Beitragsgrundlage in der Höhe von lediglich € 1.157,- vorgesehen, was im Normalfall gerade ausreicht, den Pensionsverlust von drei Teilzeitjahren auszugleichen. Das zeigt, wie wichtig flankierende Maßnahmen sind, um den Frauen bessere Chancen einzuräumen. Es bedarf mehr Frauenförderung in der Arbeitsmarktpolitik, wie bessere Aus- und Weiterbildung, und es werden dringend mehr Kinderbetreuungsplätze und andere Maßnahmen, welche die Vereinbarung von Beruf und Familie erleichtern, benötigt.

Bei einer Reduktion des Einkommens von beispielsweise € 1.500,- bei Vollzeit auf  € 750,- bei Teilzeit ergibt sich im Pensionskonto folgender Pensionsverlust pro Jahr:

 

Pensionsverlust im Pensionskonto durch Einkommensreduktion (z.B. Teilzeit)

Einkommen

 

Prozentsatz

Kontogutschrift pro Jahr

Verlust pro Jahr Teilzeit

Vollzeit

€ 1.500,-

1,78%

26,7

 

Teilzeit

€ 750,-

1,78%

13,35

13,35

Quellenangabe: Arbeiterkammer Wien

 

Die von der Regierung vorgenommene Bewertung der Kindererziehungszeiten kann bei diesem – sicher nicht unrealistischem – Beispiel lediglich 3 Jahre Teilzeitarbeit im Pensionskonto ausgleichen:

 


Die Bewertung der Kindererziehungszeiten mit € 1.157,- pro Jahr reicht bei zwei Kindern gerade aus um ca. 3 Jahre Teilzeit auszugleichen

Wird das zweite Kind 2 Jahre nach dem ersten geboren beträgt die Anrechnungszeit insgesamt 6 Jahre.

 

Bemessungsgrundlage für Kindererziehungszeiten

Prozent-satz

Anrech-nung pro Jahr

Anrech-nungs-jahre

Anrechnung insgesamt für 6 Jahre

Erhöhung gegenüber Rechtslage 2003

Ausgleich in Jahren bei Einkommensreduktion von
 € 1.500,- auf € 750,-

Rechtslage 31.12.2003

AZ-Richtsatz

€ 666,91

2,00%

€ 13,34

6

€ 80,04

 

 

Regierungs-Entwurf 

1.350,-/14 mal 12

€ 1.157,14

1,78%

€ 20,60

6

€ 123,60

€ 43,56

3,26

Quellenangabe: Arbeiterkammer Wien

 

      Frauen sind auf Jahrzehnte vom Pensionskorridor ausgeschlossen. Der geplante „Pensionskorridor“ soll generell erst ab 62 gelten. Das bedeutet, dass der Korridor auf Jahrzehnte nur für Männer Anwendung finden wird, weil Frauen nach dem Bundesverfassungsgesetz aus dem Jahr 1992 bis zum Jahr 2027 eine „Regelalterspension“ noch vor bzw. mit Erreichung des 62. Lebensjahres in Anspruch nehmen können. Anders ausgedrückt: Die in der „Pensionsreform 2003“ beschlossene Abschaffung aller vorzeitigen Alterspensionen (und damit – unter Einrechnung der „Pensionsreform 2000“ – die Anhebung des Pensionsalters um insgesamt 5 Jahre) soll für Frauen trotz schlechter Arbeitsmarktchancen „durchgezogen“ werden.

Das ist in höchstem Maße ungerecht, unfair und gleichheitswidrig. Der fünfjährige Abstand zwischen dem Männer- und Frauenpensionsalter (65 als sogenanntes Regelalter für die Männer, 60 für die Frauen) ist noch für viele Jahre in der Verfassung festgeschrieben und muss auch für die Wahlmöglichkeit des „Pensionskorridors“ gelten. Es gibt keine Begründung dafür, dass Männer drei Jahre vor dem Regelpensionsalter in Pension gehen können und Frauen dieses Recht verwehrt wird.

Derzeit ist das Regelpensionsalter der Frauen 60, jenes der Männer 65. Ein vorzeitiger Pensionsantritt war bis 2000 mit 55 bzw. 60 möglich. Das BVG-Altersgrenzen erhöht das Regelpensionsalter für Frauen von 2024 bis 2033 in Halbjahresschritten von 60 auf 65. Das Antrittsalter für die vorzeitige Alterspension wäre zwischen 2019 und 2028 von 55 auf 60 angehoben worden, diese Regelung wird aber durch die Pensionsreform 2003 obsolet, da diese die vorzeitige Alterspension bis 2014 abschafft.

Nach derzeitiger Rechtslage steigt also das Antrittsalter für die vorzeitige Alterspension für Frauen von derzeit 56 Jahre 8 Monate pro Jahr um 4 Monate bis 2014 das Regelpensionsalter erreicht ist und keine Möglichkeit der vorzeitigen Alterspension mehr besteht. Das Regelpensionsalter würde dann wie oben beschrieben ab 2024 weiter ansteigen, bis 2033  65 erreicht ist.

Wird nun ab 1. Jänner 2005 ein Korridor ab 62 eingeführt ohne auf das frühere Antrittsalter der Frauen Rücksicht zu nehmen, bleibt für Männer die Möglichkeit des vorzeitigen Pensionsantritts erhalten, während diese bei Frauen abgeschafft wird. Frauen haben zwar bis 2014 die Möglichkeit des vorzeitigen Antritts, allerdings nicht wie Männer 3 Jahre vor dem Regelpensionsalter, sondern in einem immer geringeren Ausmaß. Zwischen 2014 und 2028 ist überhaupt kein vorzeitiger Antritt möglich (weil das Regelpensionsalter noch unter 62 liegt), dann nur in geringem Ausmaß und erst 2033 ist wieder eine Gleichstellung mit den Männern erreicht (vorzeitiger Antritt 3 Jahre vor dem Regelpensionsalter).

Diese Vorgangsweise ist unserer Auffassung nach europarechtswidrig und verfassungswidrig, weil sie eine unmittelbare Diskriminierung von Frauen gegenüber Männern hinsichtlich der Möglichkeit eines Pensionsantritts vor dem Erreichen des Regelpensionsalters darstellt. Das BVG-Altersgrenzen sieht sowohl für Männern als auch für Frauen die Möglichkeit eines Pensionsantritts vor dem Regelpensionsalter vor.

Da die Korridorpension die gleichen Anspruchsvoraussetzungen wie die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer vorsieht, bedeutet ein Pensionskorridor für Frauen mit 57 keine „neuerliche“ Differenzierung, weshalb auch in europarechtlicher Hinsicht die Aufrechterhaltung eines unterschiedlichen Zugangsalters zulässig ist.

      Unbefriedigende Sonderregelungen für sogenannte „HacklerInnen“ und für SchwerarbeiterInnen. Nur wenige, die schwere Arbeit verrichten, erfüllen die Kriterien der „Hacklerregelung“. Anlässlich der „Pensionsreform 2000“ wurde die sogenannte „Hacklerregelung“ eingeführt. Ob jemand als „Hackler“ anerkannt wird oder nicht, hängt allerdings nicht von der Schwere der verrichteten Arbeit ab, sondern allein von der Zahl der erworbenen Beitragsjahre. Lediglich Zeiten des Präsenz-/Zivildienstes, Zeiten des Wochengeldbezugs und Zeiten der Kindererziehung (maximal 5 Jahre) sind den Beitragszeiten gleichgestellt. Wer längere Zeit krank oder arbeitslos war, hat von vornherein keine Chance, die geforderten 45 (Männer) bzw. 40 (Frauen) Beitragsjahre mit 60 bzw. mit 55 zu erfüllen. Und für Versicherte, die ab Juli 1950 (Männer) bzw. ab Juli 1955 (Frauen) geboren sind, soll nach den Vorstellungen der Regierung mit der sogenannten „Hacklerregelung“ überhaupt Schluss sein. Die SPÖ lehnt die „Hackler“-Definition der Regierung und die zeitliche Begrenzung der Regelung ab. Sie führt zu extremen Ungerechtigkeiten:


 

 

Grobe Ungleichbehandlung bei Männern durch Wegfall der „Hacklerregelung

Geboren

Frühestmögliches Antrittsalter der Pensionsreform 2003 Jahre+Monate

Pensionsantritt mit 60 im Jahr

Abschläge

Maximaler Verlust (Deckel 5-10%)

Gesamtverlust/

Gesamtgewinn

*)

Pensionsantritt mit 60 und kaum Verluste bis 2007

Oktober bis 1. Dezember

1945

62 + 8

2005

0

5,25

- 2

Oktober bis 1. Dezember

1946

63

2006

0

5,50

- 3

Oktober bis 1. Dezember

1947

63 + 4

2007

0

5,75

- 4

Zwar noch Pensionsantritt mit 60 aber Verluste bereits bis zum Deckel

Oktober bis 1. Dezember

1948

63 + 8

2008

15

6,00

- 8

Oktober bis 1. Dezember

1949

64

2009

15

6,25

- 8,25

April bis 30. Juni

1950

64 + 2

2010

15

6,50

- 8,50

ab 1. Tag später geboren, keine Hacklerregelung mehr, sondern 2 Jahre später in Pension und 20% Pensionsverlust

Geboren

Frühestmögliches Antrittsalter der Pensionsreform 2003 Jahre+Monate

Pensionsantritt mit 62 im Jahr

Maximaler Verlust (Deckel 5-10%)

Zusatzabschläge im Korridor

Gesamtverlust*

1. Juli

1950

64 + 3

2012

7,00

9,45

-17,79

Jänner bis Dezember

1954

65

2016

8,00

12,60

-21,59

 

 

*) inkl. 2% Verlust wegen Wegfall der ersten Pensionsanpassung

Quellenangabe: Arbeiterkammer Wien

 


 Quellenangabe: Arbeiterkammer Wien

 

Grobe Ungleichbehandlung bei Frauen innerhalb der „Hacklerregelung“ und durch deren abrupten Wegfall

Pensionsantritt mit 55 und Gewinne bis 2007

Geboren

Frühestmögliches Pensionsantrittsalter gemäß Pensions-reform 2003

Pensionsantritt mit 55 im Jahr

Abschläge

Maximaler Verlust (Deckel 5-10%)

Gesamtverlust/

Gesamtgewinn*)

Oktober bis 1. Dezember

1950

57 + 8

2005

0

5,25

+14

Oktober bis 1. Dezember

1951

58

2006

0

5,50

+14

Oktober bis 1. Dezember

1952

58 + 4

2007

0

5,75

+14

Kurze Zeit später geboren, zwar noch Pensionsantritt mit 55 aber 20% weniger Pension

Oktober bis 1. Dezember

1953

58 + 8

2008

15

6,00

- 4

Oktober bis 1. Dezember

1954

59

2009

15

6,25

- 8,25

April bis 30. Juni

1955

59 + 2

2010

15

6,50

- 8,50

1. Tag später geboren, keine „Hacklerregelung“ mehr sondern 4 Jahre später in Pension

1. Juli

1955

59 + 3

1.10.2014

15

7,50

- 9,25

 

 

*) inkl. 2% Verlust wegen Wegfall der ersten Pensionsanpassung

Quellenangabe: Arbeiterkammer Wien

 

Die groß propagierten „Schwerarbeiter-Regelungen“ gehen an vielen SchwerarbeiterInnen vorbei und sind bisher nur Überschriften ohne konkreten Inhalt. In Reaktion auf den Widerstand gegen die Abschaffung der vorzeitigen Alterspensionen im Zuge der Pensionsreform 2003 wurde schließlich noch eine „Schwerarbeits-Regelung“ in den Gesetzestext aufgenommen. Wie schon bei der „Hacklerregelung“ wurde hierbei als Anspruchsvoraussetzung das Vorliegen von 45/40 Beitragsjahren festgelegt. Frühest mögliches Pensionsantrittsalter ist 60 (Männer) bzw. 55 (Frauen). Als zusätzliches Kriterium ist normiert, dass von den geforderten Beitragsjahren mehr als die Hälfte anerkannte Jahre der Schwerarbeit sein müssen, wobei Schwerarbeit in einer noch ausständigen Verordnung zu definieren ist. Die Zugangsvoraussetzungen sind also wesentlich enger gefasst als bei der „Hacklerregelung“. Damit sind SchwerarbeiterInnen in aller Regel vom Zugang zu „ihrer“ Schutzregelung ausgeschlossen.

Im vorliegenden Gesetzesentwurf ist nun eine weitere Schwerarbeits-Regelung vorgesehen, die in etlichen Punkten von jener der Pensionsreform 2003 abweicht (in Zukunft wird es damit zwei parallele Regelungen geben). Als Anspruchsvoraussetzung ist das Vorliegen von 45 Versicherungsjahren vorgesehen, das frühestmögliche Pensionsantrittsalter soll bei 60 liegen. Beide Kriterien zeigen, dass das neue Recht – so wie es im Gesetzesentwurf angelegt ist – für die kommenden Jahrzehnte lediglich für Männer Bedeutung haben wird. Die Definition der „Schwerarbeit“ ist genau so unklar wie in der Pensionsreform 2003.

Wie auch immer die „Schwerarbeit“ letztlich implementiert wird, beide Schwerarbeits-Regelungen gehen jedenfalls völlig an jenen SchwerarbeiterInnen vorbei, die bereits vor Erreichen der Altersgrenzen invalide werden, wie das beim Großteil der Betroffenen der Fall ist. Bleibt es beim Gesetzesentwurf, so werden diese nur eine normale Invaliditäts-/Berufsunfähigkeitspension erhalten und damit beträchtlich schlechter gestellt als SchwerarbeiterInnen, welche die Altersgrenzen (gerade noch) erreichen. Ein weiteres massives Problem ist, dass selbst bei einer sehr hohen Zahl an Schwerarbeitsjahren keinerlei Begünstigung wirksam wird, wenn die geforderten 45 Versicherungsjahre nicht erreicht werden. Dazu kommt, dass selbst bei Erfüllung sämtlicher Voraussetzungen noch Abschläge (wenngleich in verminderter Höhe) vorgesehen sind.

      AkademikerInnen wird der Pensionsantritt sogar mit 65 Jahren de facto verunmöglicht. Allen Personen, die eine länger dauernde Ausbildung absolvieren ist es de facto unmöglich, im Alter von 65 Jahren mit 45 Beitragsjahren 80% des durchschnittlichen Lebenseinkommen zu erlangen. Der bzw. die durchschnittliche AkademikerIn wird mindestens bis zum vollendeten 68. Lebensjahr arbeiten müssen, um eine Ersatzrate von 80% auf Basis ihres bzw. seines Lebenseinkommens zu erreichen!

      Massive Ungerechtigkeiten im Übergangsrecht. Im Übergangsrecht sind etliche abrupte Übergänge vorgesehen, die zu grob unsachlichen Differenzierungen führen. Das vorgesehene Pensionsrecht ist nicht nur in vieler Hinsicht unsozial, in vielen Fällen ist es auch sprunghaft und willkürlich. So kann der Umstand, ob jemand einen Tag früher oder später geboren ist, zu dramatischen Unterschieden sowohl beim Pensionsalter als auch bei der Pensionshöhe führen. Die ersatzlose Streichung der „Hacklerregelung“ beispielsweise für ab dem 1. Juli 1955 geborene Frauen führt zu einer Verschiebung des frühestmöglichen Pensionsantritts um mehr als vier Jahre gegenüber Frauen mit genau dem selben Versicherungsverlauf, die nur einen einzigen Tag früher geboren sind! Ab dem 1. Juli 1950 geborene Männer, die an sich die Kriterien für die „Hacklerregelung erfüllen würden, erleiden dadurch, dass sie einen Tag „zu spät“ geboren sind, mehr als doppelt so hohe Pensionskürzungen (im Ausmaß um die 20 Prozent ), obwohl sie um zwei Jahre länger auf ihre Pension warten müssen! Nach Auffassung der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion schaut ein gerecht und fair gestalteter Übergang von einem Pensionsrecht in ein neues anders aus.

      Unnötige Komplizierung der Pensionsberechnung. Das Beharren der Bundesregierung auf der grundsätzlichen Beibehaltung der Pensionsreform 2003 führt zu einer extremen Komplizierung der Pensionsberechnung. Bei der Pensionsreform 2003 hat der Gesetzgeber ein Vorgehen gewählt, das nur mehr vor dem Hintergrund der ursprünglich geplanten drastischen Pensionskürzungen nachvollziehbar ist. Da diese Pensionskürzungen (im Endausbau bis zu 40 Prozent und mehr!) bekanntlich nicht durchsetzbar waren, die Regierung gleichzeitig aber zu keinem grundsätzlichen Abgehen vom ursprünglichen Ansatz bereit war, wurden die Verluste letztlich „gedeckelt“. Das hat zur Folge, dass seither zur Ermittlung der letztendlich maßgebenden Pensionshöhe sowohl eine Pension auf Basis des Rechtsstandes nach der Reform 2003 (ohne „Verlustdeckel“) als auch eine Pension auf Basis des Rechtsstandes vor der Reform 2003 gerechnet werden muss.

Die Regierungsvorlage sieht nun die Beibehaltung dieser Vorgangsweise für die Ermittlung der „Altpension“ während eines Jahrzehnte dauernden Übergangszeitraumes vor. Dies hat nicht nur eine völlig unnötige, wesentliche Verkomplizierung zur Folge, sondern bewirkt auch, dass die Maßnahmen der „Pensionsreform 2003“ mit ihren enormen Kürzungen grundsätzlich für Jahrzehnte weiter gültig bleiben, gleichzeitig aber deren (volles) Wirksamwerden durch die Anwendung des Verlustdeckels ausgeschlossen wird. Obwohl die Regierung sich wiederholt öffentlich von den ursprünglichen Kürzungsplänen der Pensionsreform 2003 distanziert hat, ist sie nach wie vor nicht bereit, dem durch entsprechende Rechtsänderungen Rechnung zu tragen, was einer wesentlichen Vereinfachung des Übergangsrechts im Wege steht.

      Keine Beitragsgerechtigkeit (17,5 Prozent Beitrag für Gewerbetreibende und 15 Prozent für die Bauern – und das erst nach etlichen Jahren – gegenüber 22,8 Prozent für ASVG-Versicherte)

      Ohne „Beitragsharmonisierung“ kann auch keine Beitragsgerechtigkeit entstehen. Die Bundesregierung konnte sich politisch weder gegenüber den Bauern noch gegenüber den Gewerbetreibenden durchsetzen. Beide Berufsgruppen zahlen weiterhin wesentlich niedrigere Pensionsbeiträge als Versicherte nach dem ASVG. Die sozialdemokratische Parlamentsfraktion kann darin keine Harmonisierung der Pensionssysteme sehen. Jeder Beitragseuro muss im Pensionskonto gleich viel wert sein.

         Es ist sachlich nicht erklärbar, dass die Beiträge bei den ArbeitnehmerInnen weiterhin mehr als fünf Prozentpunkte über den Beiträgen der Selbständigen und sieben Prozentpunkte über den Beiträgen der Bauern liegen sollen. Die Beitragsdifferenzen sind nur zu einem geringen Teil durch Unterschiede im Leistungs- und Beitragsrecht erklärbar. Abgesehen davon, müsste das Ziel eines echten harmonisierten Pensionssystems „gleiche Beiträge – gleiche Leistungen“ zumindest nach einer Übergangsfrist erreicht werden. Hier gibt es keine Bereitschaft der Regierung diesen Grundsatz auch umzusetzen.

      Arbeitsmarktpolitische Begleitmaßnahmen fehlen gänzlich. Die Beseitigung der Möglichkeit des vorzeitigen Pensionsantrittes bedeutet bis 2010 zusätzlich knapp 87.000 Personen und bis 2013 rund 131.000 Personen im Alter über 60 bzw. 55 Jahren, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Die Pensionsreformen 2000 und 2003 und auch die nunmehrige „Harmonisierung“ haben allesamt gravierende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, ein massiver Anstieg der Altersarbeitslosigkeit – neben der weiteren Verdrängung der Jungen – zeichnet sich ab.

         Die Arbeitslosigkeit der über-50-jährigen ArbeitnehmerInnen – inklusive SchulungsteilnehmerInnen, Pensionsvorschuss- und AltersübergangsgeldbezieherInnen – stieg vom Jahr 2000 von 58.6000 auf 65.200 im Jahr 2004. Auf gegensteuernde Maßnahmen und Hilfestellungen für ältere ArbeitnehmerInnen, um einen längeren Verbleib im Erwerbsleben zu ermöglichen, wartete man bisher und sucht man auch im vorliegenden Gesetzesentwurf aber vergeblich.

      Der Verlust des Arbeitsplatzes bzw. eine längere Arbeitslosigkeit wird zur Pensionsfalle. Waren im Jahr 2000 noch 689.000 Personen jährlich von Arbeitslosigkeit betroffen, so galt dies 2003 für bereits 774.000 Personen. Prognosen zeigen, dass wir heuer die 800.000-Grenze überschreiten werden. Statistisch muss also jede dritte Arbeitskraft im privaten Sektor in Österreich damit rechnen, einmal im Jahr von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein. Etwa 40 Prozent der unselbständig Erwerbstätigen im privaten Sektor haben Erwerbskarrieren mit laufend auftretender Arbeitslosigkeit. Für immer mehr ArbeitnehmerInnen machen die Existenzsicherungsleistungen der Arbeitslosenversicherung daher einen Teil ihres Jahreseinkommens aus (zur Zeit: rund 3 Monate im Jahr Bezug aus Arbeitslosenversicherung).

Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs werden nun im „Pensionskonto-Recht“ nur mit 70 des Arbeitseinkommens und die folgende Zeit der Arbeitslosigkeit mit oder ohne Notstandshilfe mit 64 Prozent bewertet, was im Vergleich zur geltenden Rechtslage eine massive Verschlechterung ist. Leidtragende sind unter anderem Langzeitarbeitslose und Beschäftigte in Saisonbranchen. Dass Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Notstandshilfebezug wegen zu hohen Partnereinkommens für unter 50-jährige angerechnet werden, ist eine teilweise Umsetzung einer langjährigen Forderung der SPÖ. Insgesamt kommt es jedoch zu einer deutlichen Entwertung von Zeiten der Arbeitslosigkeit in der Pensionsversicherung. Nach Auffassung der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion verlangt gerade ein „Pensionskontorecht“ mit einer Lebensdurchrechnung, dass Elemente des sozialen Ausgleichs nicht vernachlässigt, sondern gestärkt werden. Die Aufwertung des Versicherungsprinzips darf nicht zu Lasten des Solidarprinzips in der Pensionsversicherung gehen!

Die Harmonisierung der Pensionen auch für BeamtInnen ist eine Forderung, welche die SPÖ schon seit langem vertritt. Jedoch, so wie insgesamt die Pensionsharmonisierung abzulehnen ist, trifft dies auch für die Harmonisierung der BeamtInnen zu.

Die beiden Hauptkritikpunkte sind folgende:

      Die Harmonisierung setzt auf die Pensionsreform 2003 auf; dies bringt neuerliche massive Kürzungen, die sich in Summe auf die Pensionskürzungen von bis zu 53 Prozent gegenüber der Pensionsreform 1997 auswirken.

      Die Pensionsharmonisierung gilt nur BeamtInnen, die jünger als 50 Jahre sind; die über 50-jährigen BeamtInnen behalten ihre hohen Pensionen weiter (für diese gilt großteils das bisherige Beamtenpensionsrecht weiter, wobei die unter 50-jährigen BeamtInnen dafür die Zeche zahlen müssen: Sie werden umso stärker gekürzt, damit das von der Regierung angestrebte Einsparungsvolumen erreicht wird).

      Zusammengefasst bedeutet dies folgendes:

         o     Junge (unter 50-jährige !) BeamtInnen bezahlen die Zeche für die Älteren.

         o     Die sozialen Ungerechtigkeiten der Pensionsreform 2003 werden verschärft.

         o     Die hohen Pensionen (über der ASVG-Höchstpension) leisten weiterhin keinen Beitrag zur Finanzierung des Pensionssystems.

Die Auswirkungen der sogenannten Pensionsharmonisierung für BeamtInnen lassen sich am besten anhand von Einzelfällen darstellen:


Beispiel 1:

Maturant mit guter Laufbahn (z.B. Leiter einer Betriebsprüfungsabteilung in einem großen Finanzamt, Abteilungskommandant in der Polizei oder ein Bataillonskommandant)

 

Heutiges Pensionsniveau

Pensionskonto

Verlust

€ 3.677,80

€ 2.240,40

39,10 %

 

Beispiel 2:

Akademiker mit guter Laufbahn (z.B. Abteilungsleiter in einem Ministerium, ein Richter des Verwaltungsgerichtshofes, der Verteidigung vergleichbar mit einem Kommandanten einer Panzergrenadierbrigade)

 

Heutiges Pensionsniveau

Pensionskonto

Verlust

€ 5.044,10

€ 2.364,00

53,10 %

 

Beispiel 3:

Exekutivbeamter (z.B. Polizei- oder Gendarmeriebeamter oder Unteroffizier beim Heer)

 

Heutiges Pensionsniveau

Pensionskonto

Verlust

€ 2.478,40

€ 2.067,10

16,60 %

 

Beispiel 4:

Leitender Exekutivbeamter (z.B. Kommandant eines größeren Gendarmeriepostens)

 

Heutiges Pensionsniveau

Pensionskonto

Verlust

€ 2.981,10

€ 2.301,30

22,80 %

 

Beispiel 5:

Gymnasiallehrer

 

Heutiges Pensionsniveau

Pensionskonto

Verlust

€ 4.045,10

€ 2.432,40

39,90 %

 

Beispiel 6:

Haupt- oder Volksschullehrer

 

Heutiges Pensionsniveau

Pensionskonto

Verlust

€ 2.986,90

€ 2.239,10

25,00 %

 

Beispiel 7:

Richter (normale Laufbahn)

 

Heutiges Pensionsniveau

Pensionskonto

Verlust

€ 5.213,10

€ 2.418,90

53,60 %

 

Diese Beispielsberechnungen stammen aus einer offiziellen Unterlage, die Vertreter des Bundeskanzleramtes gemeinsam mit der GÖD errechnet haben. Der einzige Unterschied zum offiziellen Dokument ist, dass auch die Verluste aus der Pensionsreform 2003 dargestellt werden. Die Differenz ist daher immer gegenüber Pensionsrecht der BeamtInnen aufgrund der Pensionsreform 1997 gerechnet, vor der Pensionsreform 2003, die für einen Großteil der nunmehr von der Pensionsharmonisierung betroffenen BeamtInnen der Maßstab ist.

      Die Pensionsharmonisierung für Beamte verstößt aus folgenden Gründen gegen die österreichische Bundesverfassung:

-       Für Personen, die bereits BeamtInnen sind, gewährleistet die Verfassung, dass auch ihre Pension Entgeltcharakter besitzt.

-       Die kumulative Wirkung der Pensionsreformen seit 1997 mit einem Gesamtverlust bis zu mehr als 50 Prozent verletzt den Vertrauensschutz.

-       Die unterschiedliche Behandlung von Frauen, die Beamtinnen sind, gegenüber jenen, die ASVG-versichert sind, verletzt sowohl das Europarecht als auch das österreichische Verfassungsrecht.

-       Die willkürliche Grenze von 50 Jahren führt zu einer Ungleichbehandlung zwischen BeamtInnen über und unter 50 Jahre, die sich in Pensionsverlusten von bis zu 45 Prozent auswirken, obwohl nur ein Tag unterschied im Alter dazwischen liegt; dies nicht aufgrund eines Härtefalles, sondern wegen des Systems der Überleitung.

-       Absolut unabsehbar sind die unsachlichen Auswirkungen dann, wenn ein Beamter neben seiner Tätigkeit als Beamter Pensionszeiten in einem anderen System erworben hat.

Abgesehen von den inhaltlichen Kritikpunkten ist hier auch festzuhalten, dass es sich nicht einmal innerhalb der Berufsgruppe der BeamtInnen um eine vollständige Harmonisierung handelt, weil sie nicht für Landes- und Gemeindebedienstete gilt. Angesichts der großen Mängel der von der Regierung vorgeschlagenen Pensionsharmonisierung ist es völlig verständlich, dass Länder und Gemeinden hier nicht mitziehen. Die SPÖ steht nicht dafür zur Verfügung, diese von ihr abgelehnte Harmonisierung den Länder- und Gemeindebeamten mit Verfassungsbestimmung zu oktroyieren.

      Die Regierungsvorlage nimmt Politiker aus. Dies ist angesichts des von der Regierung gewählten Überleitungsmodells auch gar nicht anders möglich: Wie sollte eine Parallelrechnung bei Politikern aussehen die aufgrund der früheren Regelung bereits einen vollständigen Pensionsanspruch erworben haben? Wie soll das übergeleitet werden, wenn sie gar nicht mehr in der Politik tätig sind? Wie sollen Zeiten der Tätigkeit in der Politik und sonstige Zeiten in eine Parallelrechnung eingehen? Auch die Grünen haben zwar die völlig berechtigte Forderung einer Gleichbehandlung von Politikern und anderen Berufstätigen erhoben, sie haben aber auch keinen Vorschlag dafür machen können, wie beim Modell der Bundesregierung eine Überleitung von Politikern im alten System sachgerecht erfolgen könnte.

In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass die SPÖ gemeinsam mit ÖVP, Grünen und Liberalen 1997 die Politikerpensionen abgeschafft hat. Unter Wahrung des Vertrauensschutzes war dies nur für Personen möglich, die noch keinen vollständigen Pensionsanspruch erworben gehabt haben. Für die Anderen wurde ein Mischsystem vorgesehen, nach dem sie je nach dem Anteil der bereits erworbenen Zeiten im alten und im neuen System sind (sogenannte pro-rata-temporis-Überleitung). Dieses Modell liegt auch dem Vorschlag des Pensionsharmonisierungsmodells der SPÖ zu Grunde, in dieses wären Politiker sachgerecht einbaubar.

Abschließend betrachtet, bedeutet der vorliegende Gesetzesentwurf zur Pensionsharmonisierung eine Fortsetzung des Kürzungsprogrammes der schwarz-blauen Regierung gegenüber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Ausgehend von dem Grundsatz die staatliche Pension auf ein Minimum zu reduzieren und die zweite und dritte Säule der Alterssicherung – und damit den spekulativen Kapitalmarkt – auszubauen, wird mit unglaubwürdigen Finanzierungsargumenten eindeutige Klientellpolitik betrieben.

Den vielen kritischen Stellungnahmen der verschiedenen Institutionen, aber auch den mahnenden Worte zahlreicher Experten und Expertinnen zum Trotz, haben es die Regierungsparteien nicht der Mühe wert gefunden auch nur geringfügige Änderungen vorzunehmen.

Die Regierung und die Regierungsparteien haben eine große Chance vertan, die Alterssicherung in eine gute Zukunft zu führen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Anlage