742 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (679 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Bewährungshilfegesetz geändert werden (Strafprozessnovelle 2005)

 

 

Die Regierungsvorlage enthält Änderungen der StPO, des JGG, des EU-JZG, des ARHG, des StAG und des BewHG.

Die vorgeschlagenen Änderungen der StPO sollen in verschiedenen Bereichen Entwicklungen in der gerichtlichen Praxis in gesetzliche Bahnen lenken. Die überkommene Form der Protokollführung in Strafsachen erweist sich als schwerfällig und personalintensiv. Sie soll modernisiert und flexibilisiert werden. Die zwingende Verlesung von Schriftstücken soll durch einen zusammenfassenden Vortrag des Vorsitzenden über den Inhalt der erheblichen Unterlagen ersetzt werden können. Im Bereich der Bestellung von Sachverständigen aus dem Kreis des wissenschaftlichen Personals einer Organisationseinheit einer Universität soll der jeweiligen Leitung die Wahrnehmung von Aufsicht und Kontrolle ermöglicht werden. Weitere Anpassungen sind eher technischer Natur (Durchführung von Rechtshilfevernehmungen im Wege einer Videokonferenz; zweiseitiges Beschwerdeverfahren) oder vollziehen gesetzliche Änderungen in bestimmten Verweisungsnormen nach (auf dem Gebiet der Überwachung einer Telekommunikation).

Die Änderung des JGG betrifft lediglich eine Anpassung an die Reform der Protokollführung sowie eine Klarstellung im Bereich der Kosten des Strafvollzugs im Fall der Verurteilung wegen einer Jugendstraftat.

Im EU-JZG sollen die Bestimmungen über die Vollstreckung von Sicherstellungsentscheidungen der Mitgliedstaaten bereits zu einem früheren Zeitpunkt als vorgesehen in Kraft gesetzt werden.

Die Änderungen des ARHG dienen der Ratifikation und Umsetzung des Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der EU vom 29.5.2000, ABl C 197 vom 12.7.2000.

Im Staatsanwaltschaftsgesetz soll klargestellt werden, dass Einsicht in Tagebücher auch für Zwecke eines Amtshaftungsverfahrens zulässig ist.

Durch die Änderungen des BewHG soll die Bundespersonalstelle, die nur mehr verhältnismäßig wenige Beamte zu betreuen hat, im Interesse einer effizienten Erledigung der Personalangelegenheiten aufgelöst und ihre Agenden an eine bestehende, größere Einheit übertragen werden.  

In der StPO soll der Vorsitzende (bzw. der Einzelrichter) individuell entscheiden können, ob der Umfang oder die Schwierigkeiten des Verfahrens die Führung des Protokolls durch einen Schriftführer notwendig machen. Insbesondere soll das in manchen Gerichtsstandorten ohnedies bereits praktizierte Diktatprotokoll für zulässig erklärt werden. Moderne (digitale) Aufnahmetechnik soll schrittweise zum Einsatz kommen und auf diese Weise die Notwendigkeit einer schriftlichen Übertragung des Protokolls verringern (Einsatz von elektronisch versendbaren „audio-files“). Diese Neuerungen erlauben es unter bestimmten Umständen selbst im schöffengerichtlichen Verfahren, das Protokoll durch einen Vermerk zu ersetzen. Das Verfahren über die Berichtigung des Protokolls soll – entsprechend den Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips - gesetzlich geregelt werden (Antrag auf Berichtigung und Beschwerdemöglichkeit in allen Verfahrensarten).

Probleme im Bereich der Einheiten für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Wien und Universität Graz bei der fristgerechten Erfüllung und Abrechnung gerichtlicher Aufträge sowie der fehlenden Möglichkeiten der Leitung der jeweiligen Einheit, private Sachverständigentätigkeit von den Erfordernissen des wissenschaftlichen Betriebs abzugrenzen, sollen durch einen veränderten Modus der Bestellung von Mitgliedern des wissenschaftlichen Personals einer Einheit einer Universität berücksichtigt werden.

Zu den übrigen Vorschlägen des Entwurfs ist auf den Allgemeinen Teil der Erläuterungen zu verweisen; sie sind überwiegend technischer Natur.

Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 1. Dezember 2004  in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter die Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Bettina Stadlbauer, Mag. Heribert Donnerbauer sowie die Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Miklautsch.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Dieter Böhmdorfer und Mag. Dr. Maria Theresia Fekter einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Artikel I Z 6 und 7:

In seinem das Bildungsressort betreffenden Wahrnehmungsbericht an den Bund, Zl. 860.027/002-E1/04, hat der Rechnungshof diverse Mängel in der Verrechnung der Sachverständigengebühren, Verzögerungen bei der Erledigung von gerichtlichen Aufträgen sowie bauliche und ausstattungsmäßige Mängel an den vom Institut genützten Räumlichkeiten gerügt.

Diese Kritik hat sich auf das nunmehrige Departement für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Wien fokussiert. Die Hauptleistung dieser Einrichtung besteht in der Erbringung von Obduktionsgutachten, deren Ergebnisse höchsten wissenschaftlichen Standards entsprechen sollen. Forschung und Lehre auf dem Fachgebiet der gerichtlichen Medizin können wiederum nur anhand von praktischen Fällen ausgeübt werden. Nach Auffassung des Justizausschusses rechtfertigt diese Sonderstellung von Universitätseinheiten für gerichtliche Medizin (Rechtsmedizin) auch besondere Vorschriften für die Bestellung und allfällige Abberufung von Angehörigen dieser Einheiten als gerichtliche Sachverständige.

Grundsätzlich sollen daher Aufträge zur Obduktion ausschließlich im Wege des Leiters einer Universitätseinrichtung zugestellt werden, sofern ein Angehöriger des wissenschaftlichen Personals dieser Einheit als Sachverständiger bestellt wird. Mit dem Begriff des Angehörigen des wissenschaftlichen Personals einer Einheit wird auf das aktive Personal dieser Einheit im Sinne von § 94 Abs. 2 des Universitätsgesetzes 2002 abgestellt. Emeritierte Professoren fallen eben so wenig darunter wie Honorarprofessoren, Privatdozenten oder karenzierte Mitglieder dieser Einheit.

In diesen Fällen erscheint es zur kostendeckenden Bewirtschaftung der Einheiten erforderlich, dass der Leiter der Einheit von der Benützung der Ressourcen der Einheit im Auftrag des Gerichts Kenntnis erlangt und seine Leitungsfunktionen auch entsprechend wahrnehmen kann.

Für andere Sachverständige, die Angehörige des wissenschaftlichen Personals einer Universität sind, gilt dies nicht im selben Ausmaß. Für diese Sachverständigen soll aber jedenfalls eine Information über die Nebentätigkeiten im Auftrag des Gerichts gewährleistet werden, weshalb in diesen Fällen eine Ausfertigung (Kopie) des Auftrags auch dem Leiter der Einheit zuzustellen wäre.“

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Dieter Böhmdorfer und Mag. Dr. Maria Theresia Fekter einstimmig angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2004 12 01

Johann Ledolter Mag. Dr. Maria Theresia Fekter

       Berichterstatter                     Obfrau