743 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (698 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Firmenbuchgesetz und die Konkursordnung zur Bekämpfung des Sozialbetrugs geändert werden (Sozialbetrugsgesetz-SozBeG) und über

die Petition (12/PET) betreffend "Frächterskandale: Illegale Beschäftigung darf kein Kavaliersdelikt bleiben! Sozialbetrug ist Diebstahl und Diebstahl muss strafrechtlich verfolgt werden!", überreicht vom Abgeordneten Mag. Johann Maier

Zur Umsetzung des Regierungsprogramms im Bereich des „Sozialbetrugs“ werden in strafrechtlicher Hinsicht  angesichts der bereits bestehenden Sanktionierungsmöglichkeiten im Wesentlichen Maßnahmen gegen den „Sozialversicherungsbetrug“, gegen das Nichtabführen von  Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz sowie gegen die organisierte Schwarzarbeit vorgeschlagen. So soll § 114 ASVG unter dem neuen Titel „Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz“ als § 153c in das Strafgesetzbuch „überstellt“ werden, wobei der Tatbestand geringfügig erweitert werden soll. Vor allem aber sollen zwei neue Tatbestände geschaffen werden, nämlich § 153d StGB für Fälle betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz mit einer Grundstrafdrohung von Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren sowie ein weiterer gegen „Organisierte Schwarzarbeit“ (§ 153e StGB) in Form des gewerbsmäßigen Anwerbens, Vermittelns oder Überlassens von illegal erwerbstätigen Personen, der gewerbsmäßigen Beschäftigung oder Beauftragung einer größeren Zahl solcher Personen oder der gewerbsmäßigen führenden Tätigkeit in einem größeren Kreis illegal erwerbstätiger Personen mit einer Strafdrohung bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe.

Eine weitere Bestimmung soll es ermöglichen, die einschlägige Fachkenntnis der beim Bundesministerium für Finanzen angesiedelten Spezialabteilung für Betrugsbekämpfung und zentrale Koordinierung (KIAB) zu nutzen. Staatsanwaltschaft und Gericht sollen sich daher – gleich wie im Finanzstrafverfahren – in erster Linie dieser Behörden und Organe bedienen, wenn Ermittlungen wegen §§ 153c bis 153e StGB durchzuführen sind.

Die gegenständliche Petition, die am 11. Juli 2003 im Sinne des § 100 Abs. 1 Z 1 des Geschäftordnungsgesetzes 1975 überreicht und in weiterer Folge dem Ausschuß für Petitionen und Bürgerinitiativen zugewiesen wurde, fordert u.a. die Einführung eines gerichtlichen Strafrechtstatbestandes "Sozialbetrug" analog zu Deutschland, abschreckende Strafsätze im Verwaltungsstrafrecht beim Nachweis gewerbsmäßiger, organisierter illegaler Beschäftigung, die "Abschöpfung" des wirtschaftlichen Vorteils bei jenen Unternehmen, die Vorteile aus der illegalen Beschäftigung ziehen, umfassendere Kompetenzen der Zollorgane bei der Bekämpfung der illegalen Beschäftigung von In- und Ausländern sowie ein eigenes Schwarzunternehmerbekämpfungsgesetz.

Der Justizausschuss hat die Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 1. Dezember 2004 und die Petition in seinen Sitzungen am 18. Mai 2004 und am 1. Dezember 2004 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter die Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Mag. Terezija Stoisits, Maximilian Walch, Dr. Dieter Böhmdorfer, Mag. Johann Maier, Mag. Heribert Donnerbauer, Dr. Christian Puswald, Dr. Peter Wittmann sowie die Bundesministerin für  Justiz Mag. Karin Miklautsch und die Ausschussobfrau Mag. Dr. Maria Theresia Fekter.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Dieter Böhmdorfer und Mag. Dr. Maria Theresia Fekter einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

Zu Art. I (Änderungen des Strafgesetzbuches):

Zu § 153c:

Die Regierungsvorlage hat gegenüber dem Begutachtungsentwurf insofern eine Erweiterung der Tatbestände der §§ 153c und 153d vorgeschlagen, als in beide Bestimmungen auch das Vorenthalten von Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-, Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG) als Tatbestandsvarianten aufgenommen werden sollte. Diese Änderung wurde im Lichte der Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens vorgenommen, wo von verschiedenen Seiten auf die Gleichbehandlung der Zuschläge nach dem BUAG mit den Sozialversicherungsbeiträgen hingewiesen wurde.

Im Zuge der parlamentarischen Beratungen sind nun Bedenken dahin geäußert worden, dass einerseits die Zuschläge nach dem BUAG ausschließlich Arbeitgeberbeiträge seien und daher deren Gleichbehandlung mit den Dienstnehmeranteilen in Bezug auf § 153c fragwürdig sei; zum anderen wurde aber auch die Frage aufgeworfen, inwiefern nicht auch die Beiträge nach dem Betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetz (BMVG) Berücksichtigung finden sollten.

Der Justizausschuss erkennt im Ergebnis beiden Bedenken Berechtigung zu. Zur Begründung der Aufnahme der Zuschläge nach dem BUAG in § 153c StGB wurde u.a. mit arbeitsrechtlicher Judikatur des Obersten Gerichtshofs argumentiert (vgl. OGH vom 25.11.1997, 1 Ob 212/97a = JBl 1998, 241; OGH vom 14.2.1990, 9 Ob A 26/90 = Arb 10.853 u.a.), derzufolge das Urlaubsentgelt trotz des systembedingten Leistungsumweges einen vom Arbeitgeber/von der Arbeitgeberin entrichteten Teil des Arbeitsentgelts darstellt; nur formell – aus organisatorischen Gründen – handle es sich um Leistungen der Urlaubskasse, tatsächlich aber um Entgeltzahlungen der ArbeitgeberInnen für die von den ArbeitnehmerInnen geleistete Arbeit.

Die Verpflichtung, Lohnzuschläge an die BUAK zu bezahlen, ergibt sich aus § 21a BUAG, der bestimmt, dass der Arbeitgeber für jeden Arbeitnehmer die gemäß § 21 festgesetzten Zuschläge zu entrichten hat. Es handelt sich somit nach dieser Gesetzesstelle um eine Verpflichtung, die sich ausschließlich an den Dienstgeber richtet, um einen Aufwand, den dieser alleine zu tragen hat.

Die materiell-rechtliche Beurteilung der Rechtsnatur der Zuschläge nach § 21 BUAG, derzufolge diese Teil des dem Arbeitnehmer geschuldeten Entgelts sind, ist aber nur für die Auslegung des Entgeltbegriffs im Verhältnis zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen entscheidend. Für die isolierte Beurteilung des Charakters der Zuschlagsleistung des Arbeitgebers kommt es auf die formelle Konzeption des BUAG an (OGH in Arb 10.853).

Vor diesem Hintergrund schließt sich der Justizausschuss der schon in der Regierungsvorlage vertretenen Auffassung an, dass die Bestimmung des § 153c StGB als Nachfolgebestimmung des § 114 ASVG ausschließlich die Pönalisierung des Vorenthaltens einbehaltener oder übernommener Dienstnehmerbeiträge durch die DienstgeberInnen anstrebt, dass damit hingegen keine Änderung in Richtung einer generellen gerichtlichen Strafbestimmung gegen die (bloße) Nichtabfuhr von Beiträgen bzw. Abgaben im hier maßgeblichen Sinn beabsichtigt ist. Damit sind aber die zur Gänze vom Dienstgeber/von der Dienstgeberin zu tragenden Zuschläge nach dem BUAG wieder aus dem Anwendungsbereich des § 153c StGB herauszunehmen (und kommt eine Bedachtnahme auf Beiträge nach dem Betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetz hier schon aus diesem Grund nicht in Betracht). Für die bloße (nicht betrügerische) Nichtabfuhr von Dienstgeberbeiträgen, soll es sowohl für den Bereich des ASVG als auch für den Bereich des BUAG bei der verwaltungsstrafrechtlichen Sanktionierung bleiben (vg. §§ 111 ASVG, 32 BUAG).

Auch der Umstand, dass sowohl die Dienstnehmeranteile zur gesetzlichen Sozialversicherung als auch die Zuschläge nach dem BUAG eine vergleichbare Behandlung im Rahmen des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes erfahren (§§ 13a und 13b IESG) vermögen an diesem Befund nichts zu ändern, und auch nicht, dass aus § 13b IESG, der die Sicherung der Lohnzuschläge bei Insolvenz des Arbeitgebers vorsieht, herausleuchtet,  dass die BUAK die Position, die sonst der Arbeitnehmer auszufüllen hätte (nämlich sein Urlaubsgeld geltend zu machen) für ihn übernimmt. Ebenso wie die Schädigung der von der Nichtleistung der Beiträge betroffenen Stellen unter dem Blickwinkel des betrügerischen Vorenthaltens nach dem neu vorgeschlagenen § 153d zu sehen sein soll, soll auch die Vorspiegelung des Dienstgebers/der Dienstgeberin, einen Dienstnehmer/eine Dienstnehmerin unter Abfuhr der ihm/ihr zustehenden Beiträge nach dem BMVG zu beschäftigen, während in Wahrheit keine ausreichenden Beiträge abgeführt werden, gegebenenfalls unter dem Gesichtspunkt des Betruges zu beurteilen sein.

Zu § 153d:

Die Mitarbeitervorsorgekassen nach dem BMVG können für sich genommen insofern nicht mit den Sozialversicherungsträgern bzw. mit der BUAK verglichen werden, als sie nämlich – abgesehen von der Kapitalgarantie nach § 24 Abs. 1 BMVG (derzufolge sie nicht mehr zahlen müssen, als sie erhalten) – überdies seit der Novellierung des BMVG durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 158/2002 von den Krankenversicherungsträgern „schadlos“ zu halten sind. Mit dieser Novelle wurde nämlich an Stelle des bis dahin vorgesehenen Systems der Weiterleitung der Beiträge an die MV-Kassen nach einer in einer Verordnung festzulegenden Schlüsselzahl ein System der Vorfinanzierung der Abfertigungsbeiträge durch die Krankenversicherungsträger implementiert (vgl. den Bericht des Finanzausschusses, 1289 BlgNR XXI. GP, hier: 5). So sind die jeweils zuständigen Träger der Krankenversicherung nach § 27 Abs. 8 BMVG verpflichtet, die Beiträge nach den §§ 6 und 7 BMVG jeweils am 10. des zweitfolgenden Kalendermonats nach deren Fälligkeit an die MV-Kasse abzuführen, und zwar „zur Gänze“ und ausdrücklich „unabhängig davon, ob der Arbeitgeber die Beiträge ordnungsgemäß geleistet hat.“ 

Gerade dieser Umstand rechtfertigt es aber nach Auffassung des Justizausschusses, auf diese Beiträge im Rahmen des vorgeschlagenen § 153d Bedacht zu nehmen. Da nun aber die Beiträge nach dem BMVG keine besondere Bezeichnung haben, sondern schlicht „Beiträge“ heißen und die Beitragsabfuhr eben auch nicht direkt an die MV-Kasse erfolgt, sondern im Rahmen der Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge an den zuständigen Krankenversicherungsträger, erscheint es nach Auffassung des Justizausschusses angezeigt, (auch) die Beiträge nach dem BMVG unter den Begriff  „Sozialversicherungsbeiträge“ bzw. „Beiträge zur Sozialversicherung“ zu subsumieren und sie damit nicht gesondert zu erwähnen. Überdies erscheint es nicht vorstellbar, dass jemand, der der Beitragspflicht im Übrigen ordnungsgemäß nachkommt oder jedenfalls nicht betrügerisch säumig ist, lediglich die Beiträge nach dem BVG betrügerisch vorenthalten möchte. Praktische Auswirkungen kann die Bedachtnahme auf die Beiträge nach dem BMVG für die Berechnung der (Gesamt)Höhe der vorenthaltenen Beiträge haben (insbesondere im Hinblick auf die Wertqualifikation nach dem vorgeschlagenen Abs. 2).

Zu Artikel II (Änderungen des ASVG)

Als eine der Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung soll die Anmeldung zur Sozialversicherung bereits bei Arbeitsantritt, jedenfalls aber im Verlauf des ersten Beschäftigungstages, zur Regel erklärt werden und eine Meldefristerstreckung im Satzungsweg in Hinkunft ausgeschlossen sein.

Die Dienstgeber sollen jedoch die Möglichkeit haben, die Anmeldung in zwei Schritten vorzunehmen, indem bei Arbeitsantritt die Mindestangaben und binnen sieben Tagen nach dem Beginn der Pflichtversicherung die noch fehlenden Angaben dem zuständigen Krankenversicherungsträger bekannt gegeben werden.

Als Mindestangaben sind die Dienstgeberkontonummer, Vor- und Familienname sowie Versicherungsnummer bzw. Geburtsdatum der beschäftigten Person sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme zu melden.

Durch die Formulierung „Die Dienstgeber haben ... bei Arbeitsantritt ... anzumelden“ soll ausgeschlossen werden, dass sich der Meldepflichtige im Fall einer Überprüfung darauf berufen kann, dass er die Anmeldung umgehend vornehmen wird.

Die Meldungen sollen so wie bisher auch weiterhin grundsätzlich durch elektronische Datenfernübertragung erstattet werden, wobei Ausnahmen von diesem Grundsatz vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger im Richtlinienweg festgelegt worden sind. Durch eine Änderung dieser Richtlinien und die Durchführung organisatorischer Maßnahmen durch den Hauptverband wird für ein System der taggleichen Anmeldung zur Sozialversicherung auf telefonischem Weg Vorsorge zu treffen sein.

Die neuen Meldebestimmungen sollen daher erst dann in Kraft treten, wenn der Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz mit Verordnung feststellt, dass die zur Erfüllung der taggleichen Anmeldung erforderlichen technischen Mittel zur Verfügung stehen.

Zu Artikel IV (Firmenbuchgesetz):

Um eine zweimalige Novellierung des Firmenbuchgesetzes an ein und demselben Tag zu vermeiden, wurden die in diesem Gesetz enthaltenen Änderungen in das vom Justizausschuss am selben Tag behandelte Rechnungslegungsänderungsgesetz 2004 übernommen.“

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Dieter Böhmdorfer und Mag. Dr. Maria Theresia Fekter mit Stimmenmehrheit angenommen.

Die Petition Nr. 12 gilt durch diese Beschlussfassung als miterledigt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 1. Dezember 2004

Konrad Steindl Mag. Dr. Maria Theresia Fekter

       Berichterstatter                     Obfrau