Abweichende persönliche Stellungnahme

gemäß § 42 Abs. 5 GOG

der Abgeordneten Maga. Terezija Stoisits

zum Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (689 d.B.) für ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Firmenbuchgesetz und die Konkursordnung zur Bekämpfung des Sozialbetrugs geändert werden (Sozialbetrugsgesetz-SozBeG)

Die Grünen haben sowohl den Ministerialentwurf als auch noch die Regierungsvorlage grundsätzlich begrüßt.

Im Vorfeld wurde zwar von der Justizministerin und den Regierungsfraktionen die Schaffung neuer Straftatbestände gegen Erschleichung von Sozialleitungen gefordert. Wir haben dies stets zurückgewiesen, da dies bereits nach geltendem Strafrecht ausreichend sanktioniert ist. Wir haben es daher sehr begrüßt, dass die Regierungsvorlage derartige Bestimmungen nicht enthält. In den Erläuterungen wird dies auch ausdrücklich dargelegt und festgehalten, dass hier keine Schutzlücke besteht.

Leider haben die Regierungsfraktionen, die von uns grundsätzlich begrüßte und positiv bewertete Vorlage aus dem Justizministerium im letzten Moment derart abgeändert, dass unsere Zustimmung nun nicht mehr möglich ist.

Mit ihrem Abänderungsantrag im Ausschuss haben die Regierungsfraktionen die Anmeldeverpflichtung im ASVG entgegen der ursprünglichen Intention derart gelockert, dass das Schlupfloch bei Vorenthaltung von Beiträgen zur Sozialversicherung  weiterhin weit offen bleibt. Damit werden die Maßnahmen gerade bei schwerer organisierten Schwarzunterarbeit nicht greifen und ins Leere gehen.

Nun soll  - entgegen der ursprünglichen Intention - die Anmeldung „bei Arbeitsantritt, spätestens jedoch bis 24 Uhr des ersten Beschäftigungstages“ erfolgen. In den Erläuterungen wird dazu ausgeführt, es solle ausgeschlossen werden, dass der Meldepflichtige im Falle einer Überprüfung sich darauf berufen kann, er würde die Anmeldung umgehend vornehmen werde. Das widerspricht aber eindeutig dem Gesetzestext, wie uns auch in den Ausschussberatungen bestätigt worden ist. Derartige Widersprüchlichkeiten zwischen Normtext und Erläuterungen hat es im Justizbereich bisher nicht gegeben. Wir hoffen, dass ein derart schlechter Stil nicht Schule macht!

Dass die SV-Anmeldung nun doch nicht vor bzw. spätestens bei Arbeitsantritt erfolgen muss, lässt ein Schlupfloch für SchwarunternehmerInnen weit offen. Bei Kontrollen wird die Strafverfolgung weiterhin durch Schutzbehauptungen, wie etwa, die nicht angemeldeten ArbeitnehmerInnen hätten erst die Arbeit aufgenommen und die Anmeldung würde noch bis 24 Uhr nachgereicht werden, vereitelt werden. Damit wird die Kontrolltätigkeit der KIAB aber schwer beeinträchtigt.

Die  Möglichkeit einer zweistufige Anmeldung (Voranmeldung mit den wichtigsten Daten des/der Versicherten und einer Vollanmeldung mit allen Urkunden und Dokumenten erst binnen 7 Tagen) hätte für das Wirtschaftsleben ausreichende Flexibilität geschaffen, damit die Erstanmeldung – so wie ursprünglich vorgesehen - sofort bei Arbeitsantritt erfolgen könnte. ÖVP und FPÖ haben hier im letzten Moment eine Kehrtwendung gemacht und verhindern mit ihrem Abänderungsantrag eine effiziente Bekämpfung der Schwarzarbeit.

Auch wegen der unsachlichen Regelung der Tätigen Reue ist unsere Zustimmung nicht möglich: Diese entspricht nicht der Systematik des StGB. Normalerweise ist Tätige Reue, dh eine Strafbefreiung durch Schadenswiedergutmachung, nur bis zum Zeitpunkt, in dem die Behörden vom Verschulden der TäterIn erfahren, möglich. Hier soll die Tätige Reue aber bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung möglich sein. Das ist eine äußerst großzügige und einzigartige Möglichkeit im Strafrecht! Das geht zu weit bzw. sollte andernfalls das Institut der Tätige Reue im Strafrecht generell ausgeweitet werden. Zumindest wenn überhaupt keine Anmeldung zur Sozialversicherung erfolgt, ist eine derart großzügige Strafbefreiung inakzeptabel.

Zusätzlich sollte eine hohe Verzinsung vorgeschrieben werden, damit die Beitragshinterziehung nicht den Effekt eines günstigen Darlehens hat. So hat der ÖGB etwa einen 25% Zuschlag gefordert.

Die Regelungen gegen Betrügerische Vorenthaltung von DienstnehmerInnen-Beiträgen (§ 153d StGB) und gegen Organisierten Schwarzarbeit (§ 153e StGB) begrüßen wir grundsätzlich.

Bei der Organisierten Schwarzarbeit halten wir jedoch die Einschränkung des Tatbestandes „auf eine größere Zahl“ illegal erwerbstätiger Personen für sachlich nicht gerechtfertigt. Nach der Judikatur ist das erst ab rund 10 Personen gegeben. Damit wird in der Praxis aber der überwiegende Teil der „SchwarzarbeiterInnenpartien“ von vornherein aus dem Tatbestand heraus fallen.

Bedauerlicherweise fehlen weitergehende flankierende Maßnahmen zur effizienten Schwarzarbeitbekämpfung: Da die Behörden regelmäßig nicht die genaue Dauer der illegalen Beschäftigung nachweisen können, wäre es wichtig, eine Beweislastumkehr mit einer widerlegbaren Vermutung für die Beschäftigungsdauer einzuführen. Der ÖGB fordert z.B. 30 Tage.

Wichtig wäre auch, dass illegal Beschäftigte einen Arbeitslosenanspruch erwerben und ihre soziale Absicherung gesichert wird. Damit könnte die Interessensgemeinschaft zwischen SchwarzabeiterInnen und Unternehmen aufgebrochen werden.

Weiters sollte das Aufenthaltsrecht für ausländische SchwarzarbeitnehmerInnen zumindest bis zum Ende der Gerichtsverhandlung sichergestellt werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Strafverfahren mangels greifbarer ZeugInnen nicht erfolgreich zu Ende geführt werden können.

Im Unternehmensrecht fehlen weitergehende Maßnahmen. Es gibt Schätzungen, dass alleine im Baugewerbe Abgaben und Beiträge von einer Milliarde Euro hinterzogen werden. Dieser Schaden wird zum Großteil von neugegründeten und nur kurz am Markt agierenden Firmen verursacht. Leider fehlen im vorliegenden Gesetz Bestimmungen, wie die effektive Einzahlung der Stammeinlage von 36.000 Euro als Haftungsfonds oder strengere Haftungsregelungen für GeneralunternehmerInnen, um in bestimmten Branchen gängige Praktiken zu Lasten der Allgemeinheit endlich wirksam zu unterbinden.