Zu 782 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP
Minderheitsbericht
der Abgeordneten Dr. Kräuter, Kolleginnen und Kollegen
gemäß § 42 Abs. 4 GOG
zum Bericht des
Rechnungshofausschusses gemäß § 42 Abs. 1 GOG
betreffend den
Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes III-72 d.B.
(Luftraumüberwachungsflugzeuge: Typenentscheidung, Gegengeschäftsangebote)
1. Formelle
Kritik
Die für 6.10.2004
einberufene Sitzung des Rechnungshofausschusses zum Wahrnehmungsbericht des
Rechnungshofes III-72 d.B. wurde durch den Ausschuss-Vorsitzenden Mag. Werner
Kogler auf unbestimmte Zeit unterbrochen.
Grund für diese
Vorgangsweise des Vorsitzenden war das Ergebnis einer vorangegangenen
Fraktionsvorsitzenden-Besprechung, deren Inhalt die Erörterung der
Problemstellung war, dass von den Oppositionsfraktionen mehrere
Auskunftspersonen zum Thema Abfangjägertypenentscheidung beantragt wurden und
von Seiten der Regierungsfraktionen keine Anzeichen für eine entsprechende
Zustimmung gegeben war.
Im Laufe dieses
Fraktionsvorsitzenden-Gespräches ergab sich der Vorschlag (von Vorsitzenden
Mag. Kogler) hinsichtlich der Vorgangsweise, dass die Fraktionsvorsitzenden
Gespräche mit den Klubobleuten führen sollten, um einen entsprechenden
Kompromiss herbeizuführen. Diesem Vorschlag wurde anfangs von Abg. Murauer
(ÖVP) zugestimmt, jedoch wurde dieser dann von Abg. Prinz (ÖVP) dazu
angehalten, dieser Vorgangsweise nicht zuzustimmen. Unklar blieb während der
Diskussion, wer die Fraktionsvorsitzenden-Rolle innerhalb der ÖVP ausübt;
Fraktionsvorsitzender Gahr war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr anwesend. Abg.
Murauers Absicht war es, direkt – innerhalb einer kurzen Unterbrechung – mit
Klubobmann Molterer Kontakt aufzunehmen und mit diesem die weitere
Vorgangsweise zu besprechen. Nachdem aber die Fraktionsvorsitzenden-Besprechung
ohne Ergebnis beendet wurde, unterbrach Abg. Mag. Kogler die Sitzung des
Rechnungshof-Ausschusses auf unbestimmte Zeit.
Die Sitzung wurde
am 20.10.2004 fortgesetzt und befasste sich ausschließlich mit der Ladung von
Auskunftspersonen, diesbezüglich waren noch Ladungsanträge aus der
unterbrochenen Sitzung vom 6.10.2004 offen. Anträge gem. § 40 Abs. 1 GOG wurden
hinsichtlich nachfolgender Auskunftspersonen gestellt:
MR Wolfgang Katter
(BMLV), Brigadier a.D. Josef Bernecker (BMLV), MR Dr. Herbert Hillingrathner
(BMF), General a.D. Horst Pleiner (BMLV), General a.D. Dr. Peter Corrieri
(BMLV), Günter Barnet (BMLV), LH Dr. Jörg Haider, BM Mag. Karl-Heinz Grasser
und BM a.D. Herbert Scheibner.
Die Debatte diente
zur Begründung dieser Ladungsanträge und war somit eine
Geschäftsordnungsdebatte. Durch die Regierungsfraktionen wurde nach ca.
4-stündiger Dauer ein Antrag gem. § 59 Abs. 3 GOG gestellt, wonach ein
Beschluss des Ausschusses über eine entsprechende Debatte herbeizuführen sei.
Diese Vorgangsweise wurde, bedingt durch eine mindestens 15-jährige konträre parlamentarische
Praxis, abgelehnt. Grundsätzlich wurden von der Vorsitzführung zwei Arten von
Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung unterschieden:
Anträge
zur Geschäftsbehandlung (Begründung zu Ladungen nach § 40 Abs. 1 GOG) und
Wortmeldungen
zur Geschäftsbehandlung ohne Antragstellung.
Nach einer
mehrstündigen Debatte verließen am 21.10.2004 gegen 8.30 Uhr die
Regierungsfraktionen ohne Begründung den Ausschuss, dies führte dazu, dass der
Ausschuss beschlussunfähig wurde. Vorsitzender Mag. Kogler unterbrach daraufhin
gegen 8.35 Uhr bis 8.45 Uhr die Sitzung. Um 8.45 Uhr wurde die Sitzung wieder
aufgenommen, jedoch waren ÖVP und FPÖ zu diesem Zeitpunkt wieder abwesend,
sodass der Ausschuss beschlussunfähig blieb und eine Verhandlungstätigkeit des
Ausschusses nicht möglich war. Vorsitzender Abg. Mag. Kogler stellte fest, dass
sich die Ausschussmehrheit der Debatte entzogen hat. Zu diesem Zeitpunkt waren
noch sieben Redner auf der Rednerliste vorgemerkt, darunter auch zwei
FPÖ-Abgeordnete. Vorsitzender Mag. Kogler unterbrach sodann die Sitzung gegen
8.50 Uhr bis zum 27.10.2004, 9.00 Uhr.
Für diesen Termin
lag ein von ÖVP und FPÖ unterzeichneter Rundlauf hinsichtlich der Anberaumung
eines Rechnungshofausschuss-Termines vor. Am 21.10.2004 (nachmittags) wurde die
Zustimmung zu diesem geplanten Termin zurückgezogen.
Die am 27.10.2004
um 9.00 Uhr fortgesetzte Sitzung wurde aufgrund des Umstandes, dass die
Regierungsfraktionen nicht erschienen waren, somit der Ausschuss nicht
beschlussfähig war, wiederum unterbrochen.
Eine am 18.11.2004
durchgeführte Fraktionsvorsitzenden-Besprechung ergab, dass sich die
Regierungsfraktionen bemühen würden, Minister Grasser für die Fortsetzung der
unterbrochenen Sitzung als Auskunftsperson zu laden. Eine entsprechende
definitive Erklärung wurde für den Nachmittag des 18.11.2004 angekündigt. Gegen
15.00 Uhr wurde von ÖVP-Abgeordneten Gahr Vorsitzenden Mag. Kogler mitgeteilt,
dass die ÖVP kein Interesse an der Ladung von BM Grasser habe.
Nach
Vermittlungsbemühungen wurde die Sitzung des Rechnungshof-Ausschusses am
20.12.2004 wieder aufgenommen. Sämtliche Anträge der Oppositionsparteien
hinsichtlich der Ladung von Auskunftspersonen zur Behandlung des
Wahrnehmungsberichtes des Rechnungshofes wurden von den Regierungsfraktionen
abgelehnt.
Aus Protest gegen
die Kontrollverweigerung der Regierungsfraktionen nahm die Sozialdemokratische
Fraktion an der Abstimmung des Ausschussberichtes über den de facto
unbehandelten Tagesordnungspunkt nicht teil.
2.
Inhaltliche Kritik (komprimierte Darstellung)
Die Ladungsanträge
gem. § 40 Abs. 1 GOG standen vor dem Hintergrund, dass Sachverhalte
hinsichtlich der Typenentscheidung beim Ankauf des Abfangjägers Eurofighter
Typhoon unklar blieben bzw. in sich widersprüchlich waren.
So blieb eine
Einsichtsbemerkung von Divisionär Spinka, Leiter der Gruppe
Feldzeug/Luftzeugwesen die feststellte, dass Eurofighter und Gripen annähernd
gleichwertig seien und daher dem Produkt mit den geringeren Anschaffungs- und
Betriebskosten, also dem Gripen, der Vorzug zu geben sei sowie der Aktenvermerk
von Generaltruppeninspektor Pleiner, der sich auf diese Einsichtsbemerkung zur
Vergabeempfehlung bezog und wörtlich festhielt: „Ich schließe mich der EB des
LTR GRP FZLZW vom 25.6.2002 in vollem Umfang an“, vollkommen undiskutiert.
Im Bericht des
Rechnungshofes wird diese Einsichtsbemerkung erwähnt und der Widerspruch zur
jetzigen offiziellen Begründung für die Typenentscheidung festgehalten.
Unklar blieb auch
die Frage, ob der damalige Verteidigungsminister Scheibner tatsächlich zuerst
Kampfflugzeuge der Type Gripen von SAAB//Bae und erst durch Druck von
Regierungskollegen, insbesondere BM Grasser, Kampfflugzeuge vom Typ Eurofighter
beschaffen wollte.
Dem Ausschuss
liegt ein von Minister Scheibner unterschriebener Ministerratsvortrag vor, der
klar den Gripen als Bestbieter empfiehlt. Unklar blieben Aussagen von
Mitgliedern der Regierungsfraktionen, wonach diese Unterschrift eine Fälschung
sei.
Dieser Vortrag an
den Ministerrat vom 25.6.2002, GZ 10.061/8-1.6/02 hält unter Punkt V fest:
Nachdem mir am
25.6.2002 die Unterlagen über die militärische Bewertung vorgelegt wurden,
beabsichtige ich, die Typenentscheidung nach Kenntnisnahme durch die
Bundesregierung zugunsten der von der Firma SAAB Systems angebotene „JAS-39
Gripen“ zu treffen und die weiteren Schritte zur Auftragserteilung im Sinne der
Bewertung einzuleiten“. Dieses in Kopie vorliegende Dokument ist von Minister
Scheibner unterschrieben, die Echtheit der Unterschriften konnte mangels Ladung
von Auskunftspersonen durch den Rechnungshof-Ausschuss nicht überprüft werden.
Auch die zwingende
Frage hinsichtlich des Verzichts auf die praktische Erprobung der angebotenen
Kampfflugzeuge, entgegen den Muss-Bestimmungen der Ausschreibung, wurde nicht
diskutiert. Laut Minister Platter sei der Eurofighter von den Herstellerländern
ausreichend getestet worden und eine eigene Erprobung daher unnötig gewesen.
Selbst für das Jahr 2004 ist dieses Argument nachweislich falsch, da die
Erprobung noch immer nicht abgeschlossen war. Für den Zeitpunkt der Typenentscheidung
konnten dem Rechnungshof bis heute keine entsprechenden Dokumente, die eine
Erprobung unnötig erscheinen lassen, vorgelegt werden.
Offen blieb auch
die Frage, warum BM Grasser in Kenntnis des Berichtes der Bewertungskommission,
die einzige Zahlungsvariante gewählt
hat, bei der das Produkt des Unternehmens EADS vorne lag und damit de
facto die Typenentscheidung getroffen hat. Ebenso blieb die Frage
unbeantwortet, ab wann die Zahlungsvariante mit 18 Halbjahres-Raten als einzig
zulässige ausgewählt wurde bzw. in die Vergabeentscheidung eingeflossen ist.
Nach dem eine
Entscheidung des Ministerrates herbeigeführt wurde, verfasste am 28.6.2002
Ministerialrat Heribert Wagner, der auch Mitglied der Bewertungskommission und
zuständig für die administrativen Abläufe war, ein „Memorandum“ mit Anmerkungen
zur Vergabeempfehlung und zu den angebotenen Flugzeugen. In diesem Text stellte
Ministerialrat Wagner fest, dass die Vergabeempfehlung „erzwungen“ und
„rational“ nicht nachvollziehbar sei. BM Platter konnte diese Einwände nicht
entkräften. Er verlas im Zuge der Ausschuss-Sitzung ein Schreiben Wagners an
den damaligen Generalmajor Commenda, in denen alle Aussagen widerrufen und
bestritten werden. Eine Klärung des Sachverhaltes konnte mangels
Auskunftspersonen auch in diesem Fall nicht erreicht werden.
3. Bewertung
der Vorkommnisse
Die Arbeit des
Rechnungshof-Ausschusses war von einer Vernebelungsstrategie der VP-Fraktion
geprägt. Diese gipfelte darin, dass ÖVP-Abgeordnete vorgefertigte Fragen an den
Minister stellten und dieser vorgefertigte Antworten verlas.
Angesichts der
Vergabe des höchsten Auftragswertes seit 1945 stellt die Verhinderung von
Kontrollpolitik ein demokratiepolitisch höchst bedenkliches Vorgehen der Regierungsfraktionen
dar.
Die sich aus dem
Untersuchungsgegenstand sowie dem Rechnungshof-Bericht selbst ergebenden
Widersprüche sind nur durch Beiziehung der involvierten Personen aufklärbar,
diesbezüglich wird die Durchführung eines Untersuchungsausschusses geboten
sein.