803 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP
Bericht
des Außenpolitischen Ausschusses
über die
Regierungsvorlage (705 der Beilagen): Vereinbarung über die Satzung der
Europäischen Schulen samt Anhang
Die Vereinbarung
über die Satzung der Europäischen Schulen ist gesetzändernd und
gesetzesergänzend und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß
Art. 50 Abs. 1 B-VG unter Beachtung der besonderen
Beschlusserfordernisse gemäß Art. 14 Abs. 10 B-VG. Sie hat nicht
politischen Charakter und ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen
Rechtsbereich zugänglich, sodass eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50
Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Da die Art. 1, 2, 3, 10 und 11
verfassungsändernd sind, bedarf die Vereinbarung der Genehmigung durch den
Nationalrat auch gemäß Art. 50 Abs. 3 B-VG unter sinngemäßer
Anwendung des Art. 44 Abs. 1 und 2 B-VG. Art. 1, 2, 3, 10 und 11
der Vereinbarung sind im Genehmigungsbeschluss ausdrücklich als
verfassungsändernd zu bezeichnen. Da die Vereinbarung auch Angelegenheiten des
selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf sie überdies der
Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 letzter Satz B-VG.
Art. 1, 2 und
3 sind verfassungsändernde Bestimmungen, da es sich bei den Europäischen
Schulen um Einrichtungen handelt, die nach der österreichischen
Bundesverfassung weder als rein öffentliche Schule i.S.d. Art. 14
Abs. 6 B-VG, noch als reine Privatschule i.S.d. Art. 14 Abs. 7
B-VG qualifiziert werden können. Es werden Elemente sowohl der öffentlichen
Schule (insbesondere durch Einbindung von „gesetzlichen Schulerhaltern“) als
auch der Privatschule (Einrichtung von Vertragsorganen als „Schulerhalter“ bzw.
Verleihung von Rechtspersönlichkeit nach Art. 6 der Vereinbarung)
miteinander verschränkt, sodass eine von der Verfassung nicht vorgesehene
Einrichtung vorliegt. Die Europäischen Schulen bedürfen daher einer besonderen
verfassungsrechtlichen Grundlage, zumal diese Schulen i.S.d. Art. 14
Abs. 6 B-VG nicht allgemein zugänglich sind und auch die bloß
privatrechtliche Einbindung des Bundes oder des Landes als Schulerhalter einer
nicht allgemein zugänglichen Privatschule einer verfassungsrechtlichen
Absicherung bedarf.
Die
Beschlussfassung im Verfassungsrang ist weiters notwendig, weil gemäß
Art. 2 und 3 der Vereinbarung die Länder als Schulerhalter nach
Art. 14 Abs. 6 B-VG und als Kindergartenerhalter nach Art. 14
Abs. 4 lit. b B-VG aufgrund eines Beschlusses des Obersten Rates
verpflichtet werden könnten, eine Pflichtschule bzw. einen Kindergarten zu
erhalten, die nicht allgemein zugänglich sind. Ein solcher Beschluss stünde in
einem Spannungsverhältnis zu Art. 9 Abs. 2 B-VG, weil nach dieser
Bestimmung nur Hoheitsrechte des Bundes einfachgesetzlich bzw. durch gesetzändernden
Staatsvertrag übertragen werden dürfen.
Schließlich sind
auch Art. 10 und 11 der Vereinbarung als verfassungsändernd zu
beschließen. Gemäß Art. 10 der Vereinbarung kommen dem Obersten Rat alle
erforderlichen pädagogischen Entscheidungsbefugnisse zu; gemäß Art. 11
Z 2 sorgt der Oberste Rat für die Aufsicht über den Unterricht durch
Einsetzung von Inspektionssausschüssen. Dies steht in einem Spannungsverhältnis
zur staatlichen Unterrichtshoheit (Recht der obersten Leitung und Aufsicht nach
Art. 17 Abs. 5 StGG; vgl. auch Art. 14 Abs. 1 und
Abs. 8 B-VG) sowie zu den Befugnissen der Schulbehörden des Bundes
(Art. 81a B-VG), etwa zur Inspektion des Unterrichts durch
Schulaufsichtsbeamte (vgl. Art. 81b Abs. 1 lit. b B‑VG sowie die
Ausführungsbestimmung des § 18 Bundes-SchulaufsichtsG, BGBl.
Nr. 244/1962, betreffend die Schulinspektion); vgl. auch die
Inspektionsrechte des zuständigen Bundesministers nach Art. 81a
Abs. 5 B-VG).
Die Europäischen
Schulen sind Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten der EU
sowie zwischen den Mitgliedstaaten und den Europäischen Gemeinschaften. Sie
sind vor allem für die Kinder der Angestellten der EU gedacht und gelten gemäß
Art. 6 der Vereinbarung hinsichtlich ihrer Rechte und Pflichten in den
Mitgliedstaaten als
öffentlich-rechtliche Bildungseinrichtung.. Österreich ist auf allen
Ebenen (Schüler, Lehrer, Inspektoren) in den Betrieb der – derzeit zwölf –
Europäischen Schulen integriert, ohne bisher der Vereinbarung über die Satzung
der Europäischen Schulen beigetreten zu sein. Es ist daher erforderlich, dass
Österreich der Vereinbarung nun ehestmöglich beitritt, zumal auch ohne Beitritt
und damit mögliche Einflussnahme auf die Entwicklung der Europäischen Schulen
der überwiegende Anteil der finanziellen Belastungen über den EU-Haushalt
mitfinanziert wird.
Die Vereinbarung
bringt nicht die Gründung einer Europäischen Schule auf dem Hoheitsgebiet der
Republik Österreich mit sich. Dazu bedürfte es eines Sitzabkommens zwischen dem
Obersten Rat und der Republik Österreich gemäß Art. 2 Abs. 3 der
Vereinbarung. Derzeit ist keine Schulgründung in Österreich beabsichtigt, wohl
aber werden Kooperationsmodelle zwischen den Europäischen Schulen und
nationalen Bildungseinrichtungen entwickelt.
Bis 30. September
2002 war die Rechtsgrundlage der Europäischen Schulen die Vereinbarung über die
Satzung der Europäischen Schulen vom 12. April 1957, gemäß der Österreich
bereits einen Beitrittsantrag gestellt hat (vgl. Beschluss der Bundesregierung
vom 12. Dezember 1995, Pkt. 14 des Beschl.Prot. Nr. 44). Luxemburg hat als
Depositär dieser Vereinbarung Österreich durch eine Note vom 16. Februar 1996
von der Genehmigung des österreichischen Beitrittsantrags in Kenntnis gesetzt.
Das für den Beitritt notwendige innerstaatliche Genehmigungsverfahren wurde
aber nicht durchgeführt, weil auf das Inkrafttreten der neuen Vereinbarung über
die Satzung der Europäischen Schulen gewartet wurde.
Am 1. Oktober 2002
ist die neue Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen vom 21.
Juni 1994 (vgl. ABl. Nr. L 212 vom 17.8.1994, S. 3) in
Kraft getreten. Art. 32 der dieser Vereinbarung sieht (anders als die
Vereinbarung von 1957) kein Aufnahmeverfahren mit Genehmigung des Beitritts,
sondern lediglich einen Beitrittsantrag vor, von dem Luxemburg die anderen
Vertragsparteien in Kenntnis setzt. Gemäß Art. 32 Abs. 2 wird der
Beitritt am 1. September wirksam, der auf die Hinterlegung der Beitrittsurkunde
bei der luxemburgischen Regierung folgt.
Die
Bundesregierung hat mit Beschluss vom 25. März 2003 (sh. Pkt. 13 des
Beschl.Prot. Nr. 3) dem Herrn Bundespräsidenten vorgeschlagen, eine
Ermächtigung zur Stellung eines Antrags auf Beitritt der Republik Österreich
zur Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen (vgl. ABl.
Nr. L 212 vom 17.8.1994, S. 3) vorzunehmen. Entsprechend
der erteilten Ermächtigung wurde der Beitrittsantrag am 28. März 2003 in Form
einer Note der Österreichischen Botschaft in Luxemburg gestellt.
Nach dem
Dienstrecht der EU-Beamten ist der Dienstgeber zur Leistung von Beiträgen für die
Ausbildung der Kinder der Beamten verpflichtet, wenn der Entsendestaat des
Beamten Vertragspartei der Vereinbarung über die Satzung der Europäischen
Schule ist. Dies führt dazu, dass berechtigte Kinder vom Schulgeld befreit
sind. Für nicht berechtigte Kinder, die nach Maßgabe noch vorhandener Schulplätze
aufgenommen werden können, ist ein Schulgeld von ab dem Schuljahr 2005/06 €
2.324 bis € 4.409 pro Jahr zu entrichten, eine weitere Erhöhung ist in Aussicht
genommen.
Solange Österreich
der Vereinbarung nicht beigetreten ist, müsste für die Kinder österreichischer
EU-Beamter Schulgeld gezahlt werden – wovon aber seit dem österreichischen
EU-Beitritt abgesehen wurde. Derzeit besuchen in den zwölf Europäischen
Schulen (in Brüssel, Luxemburg, Frankfurt, München, Karlsruhe, Varese, Bergen,
Culham, Mol und Alicante) mit insgesamt etwas über rd. 19.000 Schülern rund 200
österreichische Kinder die Europäischen Schulen. Die Gründung zweier weiterer
Schulen in Brüssel und Luxemburg wurde bereits beschlossen.
Unabhängig von
einem Beitritt zur Vereinbarung beteiligt sich Österreich zwangsläufig jetzt
schon an den 60 % des Budgets
der Europäischen Schulen, die aus dem EU-Haushalt stammen.
Außerdem trägt
Österreich Kosten für die Gehaltsfortzahlung der von Österreich entsandten
Lehrerinnen und Lehrer. Deren Anzahl wird vom Obersten Rat der Europäischen
Schulen bestimmt. Der Oberste Rat sorgt dafür, dass die Stellen gleichmäßig auf
die Mitgliedstaaten aufgeteilt werden. Die Planstellen österreichischer
Lehrerinnen und Lehrer für eine Verwendung an den Europäischen Schulen werden
vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur budgetiert. Die
Berechnung der Gehälter erfolgt auf Grund des vom Obersten Rat der Europäischen
Schulen festgelegten Personalstatuts. Demnach ist von den Mitgliedsstaaten
weiterhin das nationale Gehalt an die von ihnen entsandten Lehrkräfte zu
entrichten. Das sind für die derzeit 15 abgeordneten österreichischen
Lehrkräfte (inklusive zweier Direktoren) rund € 520.000,- endgültige Budgetbelastung.
Die Differenz auf die vom Personalstatut festgelegte Höhe der Gehälter zahlen
die Europäischen Schulen.
Eine
längerfristige Kostenschätzung ist auf Grund mangelnder Angaben hinsichtlich
der späteren Anzahl der österreichischen Schülerinnen und Schüler und der
Budgetentwicklung, vor allem nach der Erweiterung, derzeit nicht möglich,
wenngleich durch den österreichischen Vertreter im Obersten Rat eine gewisse
Steuerungsmöglichkeit besteht.
Gemäß Art. 15
ff. der Vereinbarung hat Österreich zwei Inspektorinnen und Inspektoren, einer
für den Primär-, einer für den Sekundärbereich, zu entsenden, wobei diese im
nationalen Schulwesen integriert bleiben und etwa die Hälfte ihrer
Arbeitskapazität für die Europäischen Schulen aufwenden. Für die Inspektorinnen
und Inspektoren entsteht kein Dienstverhältnis zu den Europäischen Schulen, sie
erhalten von diesen nur Reise- und Aufenthaltskosten, aber kein zusätzliches
Gehalt.
Hinsichtlich der
Kundmachung des Staatsvertrages hat die Bundesregierung dem Nationalrat
vorgeschlagen, gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG zu beschließen, dass dessen
dänische, englische, französische, griechische, italienische, niederländische,
portugiesische und spanische Sprachfassungen, hinsichtlich der französischen
Sprachfassung mit Ausnahme des Anhangs dadurch kundgemacht werden, dass sie zur öffentlichen
Einsichtnahme im
Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.
Der
Außenpolitische Ausschuss hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 27. Jänner 2005
in Verhandlung genommen. Berichterstatter im Ausschuss war der Abgeordnete Mag.
Dr. Alfred Brader.
Bei der Abstimmung
wurde einstimmig beschlossen, dem Hohen Haus die Genehmigung des Abschlusses
dieses Staatsvertrages zu empfehlen.
Der Außenpolitische
Ausschuss vertritt weiters einstimmig die Auffassung, dass die Bestimmungen des
Staatsvertrages zur unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich
ausreichend determiniert sind, sodass sich eine Beschlussfassung des
Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG zur Erfüllung des
Staatsvertrages erübrigt.
Ebenso wurde
einstimmig beschlossen, dass die dänische, englische, französische,
griechische, italienische, niederländische, portugiesische und spanische
Sprachfassungen, hinsichtlich der französischen Sprachfassung mit Ausnahme des
Anhangs dadurch
kundgemacht werden, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige
Angelegenheiten aufliegen.
Als Ergebnis
seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:
1) Der
Abschluss des Staatsvertrages: Vereinbarung über die Satzung der Europäischen
Schulen samt Anhang (705 der
Beilagen), dessen Art. 1, 2, 3, 10 und 11 verfassungsändernd sind, wird
genehmigt.
2) Gemäß
Art. 49 Abs 2 B-VG sind die dänische, englische, französische, griechische,
italienische, niederländische, portugiesische und spanische Sprachfassungen,
hinsichtlich der französischen Sprachfassung mit Ausnahme des Anhangs dadurch
kundzumachen, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für
auswärtige Angelegenheiten aufliegen.
Wien, 2005 01 27
Mag. Dr. Alfred Brader Peter
Schieder
Berichterstatter Obmann