Abweichende persönliche Stellungnahme

gemäß § 42 Abs.5 GOG

der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Heidi Rest-Hinterseer

zum Bericht  817 der Beilagen des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz (7. Führerscheingesetz-Novelle) und die Straßenverkehrsordnung geändert werden (794 d.B.) -VORMERKSYSTEM/PUNKTEFÜHRERSCHEIN

Österreich befindet sich in Sachen Verkehrssicherheit auf einem der letzten Platz im EU-25-plus-Vergleich. Das heißt konkret: Hohe Tempolimits, hohe Alkohollimits und niedrige Strafen, zugleich hunderte Tote und zehntausende Verletzten Jahr für Jahr. Daher sind ambitionierte Schritte, die über die konzeptionelle Ebene (zB des „Österreichischen Verkehrssicherheitsprogramms 2002-2010“) hinausleiten und durch mutige Schritte rasch eine signifikante Verbesserung der Opferbilanz auf Österreichs Straßen bringen, längst überfällig und ein Kernanliegen Grüner Verkehrspolitik.

Mit der gegenständlichen Regierungsvorlage soll hier - neben kleinen Neuregelungen bei Mehrphasenausbildung, Mopedfahren ab 15 sowie Heereslenkberechtigungen – ein nicht unwichtiger Schritt gesetzt werden. Nach zehnjähriger Debatte, in der sich vor allem die ÖVP als Verzögerer hervorgetan hat, soll ein Punkteführerscheinmodell (vulgo „Vormerksystem“) eingeführt werden. Damit erfolgt endlich auch in Österreich wenigstens ein erster Schritt auf einem in zahlreichen anderen europäischen Staaten bereits längst und erfolgreich begangenen Weg. Das Vormerksystem soll sich speziell der Frage der „HochrisikolenkerInnen“ widmen. Bei ausgewählten Delikten auffällig gewordene Lenker sollen im Führerscheinregister vorgemerkt und durch entsprechende gezielte Maßnahmen sowie durch die Androhung von Führerscheinentzügen bei Kumulierung von Vormerkungen auf den rechten Weg zurückgeführt werden.

Leider hat die derzeitige Bundesregierung bei diesem für die Verkehrssicherheit in Österreich wichtigen Vorhaben auf dem Weg einigermaßen der Mut verlassen; übrig blieb eine Schmalspurversion. Dem Modell ist auch eine gewisse Unausgegorenheit nicht abzusprechen. Zentrale Kritikpunkte nicht nur der Grünen blieben ungeklärt:

+ Das System ist nach wie vor in wichtigen Punkten in sich unlogisch, es enthält Widersprüche und vor allem Systembrüche. So bleiben etwa gefährliche und eigentlich im System integrierte Verhaltensweisen unberücksichtigt, weil zB im Fall eines Führerscheinentzugs alle Vormerkungen gestrichen werden, ein noch schwereres Delikt somit zur Wiederherstellung einer „weißen Weste“ hinsichtlich der Vormerkdelikte ohne jede pädagogische Maßnahme o.ä. führt. Seitens des ÖAMTC wurde der Nachweis geführt, dass es „von der zufälligen Reihenfolge der begangenen Delikte ab(hängt), ob überhaupt bzw. welche Sanktionen sich aus den jeweiligen schweren Verkehrsübertretungen ergeben“. Auch dass beispielsweise in Tateinheit begangene Mehrfach-Vormerk-Delikte (zB: alkoholisiertes Rasen mit ungesichertem Kind) als Einfachdelikte vorgemerkt werden, ist von der Signalwirkung her fragwürdig. Weiters ist etwa die Sicherung von Kindern umfasst, die Sicherung von Erwachsenen (Gurt) jedoch nicht.

+ Unter den 13 erfassten Delikten befinden sich zwar auch einige wesentliche Mitverursacher der schlechten heimischen Unfallbilanz. Wesentliche Delikte mit nachweislich hohem (Handy am Steuer) und sogar allerhöchstem (das Gros der Schnellfahr-Delikte) Anteil am Unfallgeschehen fehlen. Es ist aus Sicht der Grünen inakzeptabel, dass 180 km/h auf Autobahnen und 150 km/h auf Freilandstraßen sowie Tempo 90 im Ortsgebiet bzw. Tempo 70 in einer 30-Zone noch nicht (!) zu einer Vormerkung führen.

         Dass die zeitgleich zur Beschlussphase über dieses Gesetzgebungsvorhaben von ÖVP und FPÖ losgetretene Diskussion über Tempo 150 (weil’s eh „schon der status quo“ sei, so ÖVP-Verkehrssprecher Werner Miedl am 11.2.2005 im „Kurier“) oder 160 (BM Gorbach, StS Kukacka) das Vormerksystem zusätzlich entwertet und große Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Regierung nahelegt, kann hier nicht unerwähnt bleiben.

+ Andere Delikte mit ebenfalls „führender“ Position in der Unfallstatistik sind in das Vormerksystem derart aufgenommen, dass es de facto sogar Erleichterungen gegenüber der bisherigen Rechtslage gibt (zB bei bestimmten Alkoholdelikten).

+ Besonders bedauerlich ist der Entfall des in einer Vorphase bereits enthaltenen „unsichtbaren Schutzwegs“ für Kinder, damit wird die Chance wesentlich besseren Schutzes der schwächsten VerkehrsteilnehmerInnen vergeben.

+ Die relativierende Formulierung einiger Punkte (Einbeziehung ins System nur bei Gefährdung zusätzlich zum Regelverstoß) legitimieren sogenannte „Kavaliersdelikte“ – was aus Sicht der Grünen massiv abzulehnen ist - und leisten der „schleichenden Entrechtung“ v.a. der schwächeren VerkehrsteilnehmerInnen Vorschub (zB: Schutzweg: Missachtung der Anhaltepflicht ist immer Gefährdung, Differenzierung nach Gefährdung oder nicht ist daher unnötig und falsches Signal). Zudem werden genau diese Einschränkungen die Vollzugspraxis erschweren, möglicherweise entsprechen sie auch nicht dem verfassungsmäßigen Bestimmtheitsgebot.

+ Ob schließlich das als Maßnahme in der bisherigen Diskussion stets prominent genannte „Fahrsicherheitstraining“ der richtige Weg ist, ist zumindest umstritten, da es in der Praxis primär dem „Bewältigen“ (= „erfolgreicheren“ Ausreizen) von Grenzsituationen dient und höchstens in zweiter Linie der eigentlich vorrangigen defensiven Zurückhaltung

Die Schwächen können auch nicht durch die gebetsmühlenhaft wiederholte unrichtige Behauptung von Regierungsseite überspielt werden, dass mit diesem System „Hochrisikolenker wirksam aus dem Verkehr gezogen“ würden. Genau das leistet das System in dieser Form keineswegs von allein. Das System für sich könnte sich ohne deutliche Fortschritte bei Kontrolldruck und „Erwischungswahrscheinlichkeit“ vielmehr als zahnlose Placebo-Maßnahme entpuppen. Aus demselben Grund wird sich auch die unterstellte generalpräventive Wirkung sehr in Grenzen halten.

Dass die meisten dieser Schwachpunkte im Zuge des Begutachtungsverfahrens ausführlich analysiert und kommentiert wurden, hat leider kein Umdenken der Regierungsfraktionen in Richtung der erforderlichen Nachbesserung des Modells nach sich gezogen. Auch der zuletzt eingebrachte Abänderungsantrag der Regierungsfraktionen und die Ausschussfeststellungen berücksichtigen nur einen kleinen Teil der Kritik und keinen der angeführten wesentlichen Punkte.

Aus den erwähnten Gründen können die Grünen diesem zwar im Ansatz positiven, aber insgesamt grob unzureichenden Modell nicht die Zustimmung geben.