823 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Gesundheitsausschusses

über die Regierungsvorlage (797 der Beilagen): Bundesgesetz über Sicherheitsanforderungen und weitere Anforderungen an Lebensmittel, Gebrauchsgegenstände und kosmetische Mittel zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher (Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz - LMSVG) und

über den Antrag 111/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform des Lebensmittelgesetzes (LMG) sowie

über den Antrag 143/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lebensmittelrecht und Agrarisches Betriebsmittelrecht

Zur Regierungsvorlage 797 der Beilagen:

Das Österreichische Lebensmittelgesetz 1975 - LMG 1975 ist seit nunmehr 29 Jahren in nahezu unveränderter Form, abgesehen von einigen kleinen Novellen, in Geltung. Dies war dadurch möglich, dass das LMG 1975 ein Rahmengesetz mit zahlreichen Verordnungsermächtigungen für den Bundesminister darstellt. Dank dieser vorausschauenden Konzeption konnte es auch nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union bestehen bleiben, da eine Umsetzung von EG-Richtlinien durch die Verordnungsermächtigungen möglich war.

Das Fleischuntersuchungsgesetz ist seit 1982 in Geltung, war jedoch aufgrund des EU-Beitritts Österreichs mehrmals zu novellieren.

In den letzten Jahren hat sich das Gemeinschaftsrecht sehr massiv weiterentwickelt und es wird eine weitgehende Harmonisierung des Lebensmittelrechts in allen Mitgliedstaaten angestrebt. Die Maßnahmen dienen dazu, die Sicherheit von Lebensmitteln "from the stable to the table" zu gewährleisten und den freien Warenverkehr tatsächlich zu verwirklichen. Die Grundlagen für die neue Lebensmittelpolitik der Europäischen Union sind im Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit vom 12. Jänner 2000 zu finden.

Zunächst wurde mit der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 ein Rahmen für das EG-Lebensmittelrecht geschaffen. Weiters liegen nunmehr die Verordnung (EG) Nr. 882/2004 über „amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung der Vorschriften des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz“ sowie die Verordnungen (EG) Nr. 852/2004, Nr. 853/2004 und Nr. 854/2004 zur einheitlichen Regelung der Hygienebestimmungen im Lebensmittelbereich vor. Das LMG 1975 und das Fleischuntersuchungsgesetz können aufgrund dieser gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen in der bisherigen Form nicht mehr in Geltung bleiben. Es bedarf einer neuen - dem Gemeinschaftsrecht - angepassten Konzeption. Gesonderte Bestimmungen für den Fleischbereich sind aufgrund der genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft nicht mehr zielführend.

Der vorliegende Gesetzesentwurf dient nicht nur dazu, den neuen gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen Rechnung zu tragen, es wird auch - wie vom Gemeinschaftsrecht vorgegeben - die gesamte Lebensmittelkette einschließlich der Primärproduktion berücksichtigt, d.h. auch die Regelungen zur Fleischuntersuchung ebenso wie die Hygienevorschriften für Lebensmittel und deren Kontrolle.


Die Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen haben den Antrag 111/A(E) am 29. April 2003 im Nationalrat eingebracht. Der Antrag war wie folgt begründet:

„Das österreichische Lebensmittelgesetz (LMG) weist einerseits zahlreiche Defizite - insbesondere in der Vollziehung - auf, andererseits müssen europäische harmonisierte Vorgaben endlich umgesetzt werden. Die Lebensmittelpolitik der letzten Jahre war in Österreich auch durch Fehlentwicklungen gekennzeichnet (z.B. Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH und Bundesamt für Ernährungssicherheit). Eine Kompetenzbereinigung (wie auf europäischer Ebene) sowie eine klare Zuordnung der Kompetenzen im Lebensmittel- und agrarischen Betriebsmittelbereich wurde verabsäumt. Dies gilt auch für die Landesverwaltungen bzw. Landesregierungen. Dieser offensichtliche Reformstau (z.B. nicht fristgerechte Richtlinienumsetzung) muss daher durch eine umfassende Reform des Lebensmittelgesetzes und der Vollziehung beseitigt sowie Fehlentwicklungen korrigiert werden.

So liegt beispielsweise die Richtlinie 2002/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Nahrungsergänzungsmittel vor, die noch in diesem Jahr umgesetzt werden muss (31.07.2003).

Darüber hinaus hat der EuGH mit Urteil vom 23.01.2003 die Bestimmungen des § 9 LMG als gemeinschaftswidrig angesehen und Österreich verurteilt.

Die Anfragebeantwortung 159/AB vom 25.04.2003 durch den Bundeskanzler zeigt die Umsetzungsdefizite deutlich und zwar im Detail auf: Insgesamt 12 EU-Richtlinien betreffen den Lebensmittelbereich. Seit 2001 bis jetzt erfolgte keine adäquate Umsetzung in das nationale Recht.

Eine europäische Richtlinie für „Nahrungsergänzungsmittel" war notwendig, da immer mehr Lebensmittel in Verkehr gebracht werden, die als Zutaten die unterschiedlichsten Nährstoffkonzentrate enthalten, wobei es allerdings in den Mitgliedsstaaten dafür unterschiedliche Rechtsvorschriften gibt. Damit wurde der freie Verkehr mit Nahrungsergänzungsmitteln behindert; überdies führte dies zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen, womit das Funktionieren des Binnenmarktes unmittelbar beeinträchtigt werden kann. Aus diesem Grund mussten Gemeinschaftsvorschriften über diese Lebensmittelerzeugnisse erlassen werden. Bedauerlicherweise wurden damit nicht alle bekannten Defizite hinsichtlich Nahrungsergänzungsmittel beseitigt und nur spezifische Vorschriften bezüglich bestimmter Vitamine und Mineralstoffe, die in der Ernährung normalerweise vorkommen gemeinschaftsrechtlich festgelegt (Positivliste mit Höchstmengen). Andere ergänzende Vorschriften sollten später folgen (nach 2007).

Diese zit. Richtlinie ist spätestens bis zum 31. Juli 2003 umzusetzen, wobei die Umsetzung derart vorgenommen werden muss, dass

1.      der Verkehr mit Erzeugnissen, die dieser Richtlinie entsprechen, spätestens ab dem 1. August 2003 zugelassen wird;

2.      der Verkehr mit Erzeugnissen, die dieser Richtlinie nicht entsprechen, spätestens ab dem 1. August 2005 untersagt wird.

Der Europäische Gerichtshof hat nun in seiner Entscheidung gegen Österreich festgestellt (C 221/00), dass das Österreichische Verbot jeder gesundheitsbezogenen Werbung auf Lebensmitteln und Verzehrprodukten (Nahrungsergänzungsmitteln) EU-rechtswidrig ist. Hintergrund dieser Entscheidung ist die EU-Etikettierungsrichtlinie, die nämlich nur krankheitsbezogene und irreführende, aber nicht generell gesundheitsbezogene Werbung, verbietet. Des weiteren widerspricht diese Regelung dem Grundsatz des freien Warenverkehrs (Art. 28 EG Vertrag).

Der EuGH geht davon aus, dass weniger beschränkende Maßnahmen ausreichen, um Restrisiken für die Gesundheit zu vermeiden. So beispielsweise durch Kontrolle der Richtigkeit der Werbebehauptungen oder durch Produktkontrolle auf den Märkten bzw. durch die Verpflichtung des Herstellers, in Zweifelsfällen die Richtigkeit der auf der Etikettierung enthaltenen Behauptung nachzuweisen.

Nach den Bestimmungen des LMG waren bislang gesundheitsbezogene Angaben selbst dann verboten, wenn die behaupteten Tatsachen wahr waren, bzw. sie den Konsumenten nicht in die Irre geführt haben. Gesundheitsbezogene Werbung auf Lebensmitteln war nur dann zulässig, wenn nach § 9 Abs. 3 LMG ein entsprechender Zulassungsantrag im Gesundheitsministerium gestellt und dieser genehmigt wurde. Gerade aufgrund dieser EuGH-Entscheidung ist eine diesbezügliche Änderung des Lebensmittelgesetzes daher notwendig!

Denn, wenn es zu keiner Neuregelung kommt, ist zu befürchten dass der Bereich gesundheitsbezogener Werbebehauptungen entgleist.

Diese Probleme mit irreführender gesundheitsbezogener Werbung wurden jüngst durch eine Untersuchung der AK Wien bei funktionellen Getränken und Wellnessprodukten mehr als bestätigt.

Die Kommission arbeitet dazu an einem RL-Vorschlag dahingehend, dass es in Zukunft für alle gesundheitsbezogenen Aussagen „Positivlisten" geben wird. Dabei soll auch der genaue Wortlaut festgelegt werden. Für innovative Aussagen (health claims incl. disease risk reduction) soll es eine zentrale Anmeldung geben, beide sollen produktbezogen sein. Geplant ist weiters die Richtlinie zur Nährwertkennzeichnung zu ändern, ein Verordnungsentwurf zu angereicherten Lebensmitteln wurde von der Europäischen Kommission bereits veröffentlicht.

Ein besonderes Problem stellen überdies in Europa - so auch in Österreich - Nahrungsergänzungsmittel dar, die mit anabolen Steroiden bzw. Wachstumshormonen verunreinigt, rechtlich als Arzneimittel zu qualifizieren sind und in Lebensmittelgeschäften oder Sportfachgeschäften verkauft werden. Hier versagt jede behördliche Kontrolle (Probenziehungen), da im AMG dieser Fall der „Abgabe“ nicht geregelt wurde.

Weitere europäische Initiativen und Regelungen sind zusätzlich zu erwarten: Anfang Februar hat die Europäische Kommission einen neuen Vorschlag verabschiedet, mit dem die amtlichen Lebens- und Futtermittelkontrollen reformiert werden sollen. Der Verordnungsentwurf sieht ein einheitlicheres, gestrafftes und effizienteres Kontrollsystem sowie strengere Durchsetzungsmaßnahmen vor. Außerdem schafft der Vorschlag einen Rahmen zur Unterstützung von Entwicklungsländern, damit auch diese die EU-Einfuhrbestimmungen erfüllen können. Dieser Verordnungsvorschlag gehört zu den Maßnahmen, die im Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit vom Januar 2000 angekündigt worden waren. Die wichtigsten Grundsätze des Lebensmittelrechts sind in der Verordnung 178/2002/EG festgelegt, der neue Entwurf legt dar, wie diese Grundsätze auszulegen und umzusetzen sind.

Die Kommission hat weiters ein Paket mit folgenden 5 Vorschlägen für Rechtsakte im Lebensmittel- und Veterinärbereich vorgelegt. Vier Verordnungsvorschläge betreffen die Lebensmittelhygiene, die amtliche Überwachung und tierseuchenrechtliche Fragen, ein Richtlinienvorschlag betrifft die Aufhebung der bisherigen Rechtsvorschriften.“

Die Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen haben den Antrag 143/A(E) am 4. Juni 2003 im Nationalrat eingebracht. Der Antrag war wie folgt begründet:

„Eine von den Kammern für Arbeiter und Angestellte für Wien und Salzburg 2002 in Auftrag gegebene rechtsvergleichende Studie setzte sich unter anderem mit dem Vergleich der Straftatbestände des Lebensmittelrechts und denen des agrarischen Betriebsmittelrechts auseinander. In dieser Studie wurden zum einen die Straftatbestände des LMG und des agrarischen Betriebsmittelrechts und zum anderen die Kontrollmöglichkeiten der Behörden miteinander verglichen und untersucht.

Zum agrarischen Betriebsmittelrecht gehören: Futtermittelgesetz, Düngemittelgesetz, Saatgutgesetz, Sortenschutzgesetz, Qualitätsklassengesetz, Pflanzenschutzmittelgesetz, Pflanzenschutzgesetz, Pflanzgutgesetz, Biozidgesetz.

Ziel der Studie war es, herauszufinden, welche effizienten Maßnahmen und Sanktionsmechanismen im Bereich des Lebensmittelrechts und des agrarischen Betriebsmittelrechts geschaffen werden müssten.

Dabei wurden Änderungen der Rechtslage bis September 2001 berücksichtigt. Wegen ihrer besonderen Bedeutung sowohl für das Lebensmittel- als auch für das agrarische Betriebsmittelrecht wurde die Verordnung Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.01.2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und der Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit nachträglich in ihren Grundzügen eingearbeitet. Mit dieser EU-VO wurde u.a. auch das Futtermittelrecht dem Lebensmittelrecht im Sinne des Kontrollprinzips von „Stall bis zum Teller" gleichgestellt. Diese Zielsetzungen werden nun von der Kommission weiter verfolgt.

Anfang Februar 2003 hat die Europäische Kommission einen neuen Vorschlag verabschiedet, mit dem die amtlichen Lebens- und Futtermittelkontrollen reformiert werden sollen. Der Verordnungsentwurf sieht ein einheitlicheres, gestrafftes und effizienteres Kontrollsystem sowie strengere Durchsetzungsmaßnahmen vor. Außerdem schafft der Vorschlag einen Rahmen zur Unterstützung von Entwicklungsländern, damit auch diese die EU-Einführungsbestimmungen erfüllen können. Der Verordnungsvorschlag gehört zu den Maßnahmen, die im Weißbuch zur Lebensmittel Sicherheit vom Januar 2000 angekündigt worden waren. Die wichtigsten Grundsätze des Lebensmittelrechts sind in der Verordnung 178/2002/EG festgelegt, der neue Entwurf legt dar, wie diese Grundsätze auszulegen und umzusetzen sind.

Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass zahlreiche EU-Richtlinien, die neben dem Lebensmittelrecht auch das agrarische Betriebsmittelrecht und Veterinärrecht betreffen, in Österreich noch nicht umgesetzt wurden (159/AB XXII. GP).

Aus Sicht der Auftraggeber aber auch des Verfassers dieser Studie (Univ. Ass. Dr. Robert Kert) ergeben sich unter weiterer Berücksichtigung bereits bekannter Problembereiche (z.B. Legistik, legislative Defizite, Kompetenzlage, Vollziehung) sowie der Ergebnisse der Diskussion der Enquetekommission zum Teilthema "Verhältnismäßigkeit verwaltungsstrafrechtlicher Strafdrohungen und Ausgewogenheit von gerichtlichen und verwaltungsstrafrechtlichen Strafdrohungen im Verhältnis zu einander" nachfolgende Schlussfolgerungen:

Ø       Betrachtet man das Lebensmittelrecht und das agrarische Betriebsmittelrecht in einer Gesamtschau fällt auf, dass die untersuchten Gesetze vielfach nebeneinander bestehen, Ähnlichkeiten aufweisen, in entscheidenden Punkten aber doch wesentlich von einander abweichen. Insbesondere bei den angedrohten Strafen fallen Inkonsistenten auf, die nur so zu erklären sind, dass keine Abgleichung der angedrohten Strafen vorgenommen wurde. Die bemerkenswert großen Unterschiede in den Strafdrohungen können in den wenigsten Fällen mit der Wertigkeit des verletzten Rechtsgutes begründet werden.

Ø       Auffallend ist die unterschiedliche Terminologie der untersuchten Gesetze, wie ein Vergleich der Bedeutungen des Wortes „Inverkehrbringen" in den einzelnen Gesetzen zeigte, das in den meisten Gesetzen eine zentrale Rolle spielt, da es viele der Tathandlungen charakterisiert.
Wenn aber solche elementare Begriffe in derart verwandten Rechtsgebieten wie dem Lebensmittelrecht und dem agrarischen Betriebsmittelrecht unterschiedlich verstanden werden, ist die Rechtssicherheit nicht in ausreichendem Maße gegeben. Eine Abgrenzung der einzelnen Tathandlungsbegriffen in den einzelnen Gesetzen ist damit beinahe unmöglich.

Ø       Ein wesentlicher Grund für diese Divergenzen, der sich beim Vergleich von Lebensmittelrecht und agrarischem Betriebsmittelrecht zeigt, ist die Tatsache dass die Kompetenzen für die Vollziehung, aber auch für die Erstellung der Gesetzesentwürfe bei unterschiedlichen Ministerien liegt.
Für die Vollziehung des Futtermittelgesetzes, des Saatgutgesetzes, des Düngemittelgesetzes, des Pflanzenschutzmittelgesetzes, des Pflanzenschutzgesetzes, des Pflanzgutgesetzes, des Biozidproduktegesetzes, ist der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zuständig, während die Vollziehung des Lebensmittelgesetzes, des Fleischuntersuchungsgesetzes, des Tierarzneimittelkontrollgesetzes (mit Ausnahme der gerichtlichen Strafbestimmungen, für die das Justizministerium zuständig ist), aber etwa auch des - in diesem Zusammenhang wichtigen - Arzneimittelgesetzes in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen (ehemals Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen) fällt.

Ø       Für von den Gerichten zu vollziehenden Strafbestimmungen trifft ausschließlich auch noch das Bundesministerium für Justiz eine legistische Zuständigkeit. Und es hat den Anschein, dass im Zuge der Erstellung von Gesetzesentwürfen nicht - oder nur sehr eingeschränkt - versucht wird, die Gesetze aufeinander abzustimmen. Anders ist es vielfach nicht zu erklären, warum für dieselben oder ähnliche Tatbestände die angedrohten Strafen doch erheblich von einander abweichen und auch die legistische Qualität der Strafbestimmungen sehr unterschiedlich ist. Es ist daher ernsthaft zu überlegen, ob nicht auch die legistische Abfassung von Verwaltungsstrafbestimmungen zur Gänze beim Justizministerium liegen sollte. Um eine einheitliche Struktur der Verwaltungsstrafbestimmungen zu erreichen, wäre dies jedenfalls zu begrüßen.

Ø       Die Regelungen über die behördliche Kontrolle erscheinen sowohl im Lebensmittelgesetz als auch im agrarischen Betriebsmittelrecht grundsätzlich ausreichend. Dass es dennoch immer wieder zu sogenannten "Lebensmittelskandalen" kommt, ist zweifelsohne weniger ein legislatives Problem als vielmehr ein Vollzugsproblem. Es ist daher in erster Linie eine Effizienzsteigerung der tatsächlichen Kontrollen im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung erforderlich, indem häufiger und einheitlicher kontrolliert wird und dafür auch die notwendigen Kontrollorgane (z.B.: Sachverständige) sowie Sachmittel ausreichend zur Verfügung stehen. Dies ist vom jeweils zuständigen Landeshauptmann sicherzustellen.

Ø       § 25a LMG statuiert öffentliche Warnpflichten des zuständigen Bundesministers, wenn durch eine gesundheitsschädliche Ware (Lebensmittel) eine größere Bevölkerungsgruppe gefährdet ist, und daher eine Gemeingefährdung vorliegt. Für keine Rechtsmaterie des agrarischen Betriebsmittelrechts gibt es allerdings eine ähnlich lautende Bestimmung mit der Verpflichtung des zuständigen Bundesministers unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen (z.B. gesundheitsschädliche Futtermittel), die Öffentlichkeit zu warnen. Für eine diesbezügliche Regelung spricht nun allerdings auch die in Kraft stehende Lebensmittel-Basisverordnung der EU, die eine Aufklärungspflicht der Behörden vorsieht, wenn Lebensmittel oder Futtermittel ein Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier mit sich bringen. Aber auch nach dem novellierten Futtermittelgesetz (in der Fassung des Agrarrechtsänderungsgesetzes 2002) ist diese Verpflichtung nicht vorgesehen, obwohl die EG Verordnung Nr. 178/2002 dies verlangt.

Ø       Betrachtet man die angedrohten Strafen im Lebensmittelrecht und im agrarischen Betriebsmittelrecht, scheinen - auch wenn es gewisse Defizite gibt - die Gründe für die mangelhafte Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen keinesfalls in den gesetzlich vorgesehenen Strafbestimmungen selbst zu liegen, etwa in zu niedrigen Strafen oder fehlenden gerichtlichen Strafen.
Entscheidend und wichtiger ist vielmehr, dass der Staat auf Verstöße reagiert. Wesentlich für die Prävention ist zweifelsohne, dass kontrolliert und die angedrohten Strafen auch verhängt sowie dass - wenn notwendig - auch die Strafrahmen ausgeschöpft werden. Hier bestehen in der lebensmittelrechtlichen wie auch in der agrarrechtlichen Vollziehungspraxis vielfach Defizite, indem die vorgesehenen Strafrahmen nicht einmal annähernd ausgenutzt werden. Dies betrifft sowohl die Verwaltungsstrafbehörden als auch die Gerichte. Bloß im Gesetz angedrohte hohe - aber nicht verhängte - Strafen werden auch in Zukunft keine Lebensmittel- oder Futtermittelskandale verhindern können.

Ø       Die Einführung gerichtlicher Strafbestimmungen mit verhältnismäßig hohen Strafdrohungen in dem im Dezember 2001 durch den Nationalrat beschlossenen Tierarzneimittelkontrollgesetz erscheint systematisch verfehlt, da das Gesetz grundsätzlich von seiner Regelungsmaterie her dem Veterinärrecht zuzuordnen ist, die darin vorgesehenen gerichtlichen Strafbestimmungen inhaltlich aber Regelungsbereiche des Lebensmittelgesetzes betreffen. Die hohen Strafdrohungen könnten nur durch das Tatbestandserfordernis einer abstrakten Gefährdung der menschlichen Gesundheit gerechtfertigt werden.

Ø        Für die Frage, ob die Strafdrohungen des Lebensmittelgesetzes, und auch jene des agrarischen Betriebsmittelrechts ausreichend sind, ist die Frage entscheidend, in welchem Verhältnis die Strafbestimmungen jener Gesetze und jene des Strafgesetzbuches (StGB) stehen. Auch wenn die Tatbestände des StGB keineswegs durch jene des LMG als lex specialis verdrängt werden, sollte aufgrund der unterschiedlichen Ansichten in der Literatur und Praxis das Verhältnis des Lebensmittelgesetzes zum StGB durch den Gesetzgeber geklärt und durch gesetzliche Festschreibung der Subsidiarität des Lebensmittelgesetzes die volle Anwendbarkeit des StGB neben dem LMG gewährleistet werden.

Ø       In Bezug auf die Sanktionierung von Verstößen gegen EG Recht sorgt vor allem die Sanktionierung von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares EG Recht für Schwierigkeiten sowohl im Lebensmittelgesetz als auch im agrarischen Betriebsmittelrecht.          
Damit den europarechtlichen Anforderungen an das Erfordernis der Gleichstellung von Verstößen gegen originär österreichisches Recht und EG Recht entsprochen wird, wird im Normalfall eine Verweisung auf EG Verordnungen als ganzes nicht ausreichend sein, da damit nicht klar ist, welche der in den Verordnungen genannten Bestimmungen gemeint, und wie die Verstöße zu bestrafen sind.  
Die Sanktionen müssen zum einen jenen entsprechen, die für nach Art und Schwere gleichartige Verstöße gegen nationales Recht angedroht sind. Ansonsten entsprechen sie nicht den Anforderungen des sog. Assimilationsprinzips: Dies kann nur dadurch erreicht werden, in den bestehenden österreichischen Strafbestimmungen entsprechende Strafbestimmungen auch für Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht zu schaffen. Hier besteht vor allem auch im Lebensmittelgesetz ein dringender Änderungsbedarf, da beispielsweise § 74 Abs. 6 LMG diese Anforderungen keinesfalls erfüllen kann.

Ø       Darüberhinaus müssen die Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Um das zu erreichen müssen Verstöße gegen manche EG Verordnungen, etwa gegen die Verordnung Nummer 2377/90 zur Schaffung eines Gemeinschaftsverfahrens für die Festsetzung von Höchstmengen von Tierarzneimitteln in Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs oder Teile der novel-food-Verordnung, jedenfalls mit gerichtlichen Strafen geahndet werden.

Ø       Diese gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen werden vor allem auch bei der Implementierung der im Jänner 2002 erlassenen EG-Verordnung Nr. 178/2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung für Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (Lebensmittel-Basis-Verordnung) zu beachten sein, die neben Lebensmitteln auch Futtermittel umfasst, und ein allgemeines Verbot enthält, unsichere Lebensmittel und Futtermittel in Verkehr zu bringen.

Ø       Schließlich scheint es im Lebensmittelrecht und im agrarischen Betriebsmittelrecht (wie auch in anderen Verwaltungsgesetzen) geboten, eine originär (verwaltungs)strafrechtliche Verantwortlichkeit Juristischer Personen einzuführen, da es sehr oft Unternehmen sind, die als potentielle Täter in Frage kommen, und wirkungsvolle Strafen vielfach nur gegen Unternehmen verhängt werden können.

Ø       Die strengen formalen Erfordernisse für ein Verwaltungsstrafverfahren, die vom VwGH verlangt werden, führt dazu, dass das LMG wie auch das agrarische Betriebsmittelrecht durch die Bezirksverwaltungsbehörden nicht mehr vollzogen werden können. Die Folge sind einerseits Verfahrensverschleppungen und Verfahrenseinstellungen, andererseits die Flucht in das Strafrecht durch den Gesetzgeber.“

Der Gesundheitsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 17. Feber 2005 in Verhandlung genommen.

Als Berichterstatter im Ausschuss fungierten für die Regierungsvorlage die Abgeordnete Barbara Riener und für die Anträge 111/A(E) und 143/A(E) der Abgeordnete Mag. Johann Maier.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Mag. Johann Maier, Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Dr. Erwin Rasinger, Mag. Herbert Haupt, Dr. Gabriela Moser, Renate Csörgits, Franz Eßl, Barbara Riener, Manfred Lackner, Anna Höllerer, Ridi Steibl sowie die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Erwin Rasinger und Mag. Herbert Haupt einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Zu Z 1 und 2 (§ 28 Abs. 2 1. Satz und Abs. 5 Z 4 und 5):

Die Änderungen im Abs. 2 dienen der Klarstellung über den Inhalt des Bescheides. Die Änderungen des Abs. 5 dienen der Präzisierung der Gründe, die zu einer Rücknahme des Beauftragungsbescheides führen können.

Zu Z 3 (§ 38 Abs. 1 Z 2):

Die Änderung in Ziffer 2 dient der Klarstellung, dass die Nennung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG durch den Unternehmer bereits im Zuge der Registrierung bzw. Zulassung gemäß § 10 erfolgt.

Zu Z 4 (§ 39 Abs. 1 1. Satzteil):

Im Bescheid sollen im Bedarfsfall und abhängig von der Sachlage Nebenbestimmungen wie eine Befristung, Bedingungen oder Auflagen ausgesprochen werden können, die den Spruch inhaltlich konkretisieren. Insbesondere soll die Aufhebung einer bescheidmäßig angeordneten Maßnahme, sofern erforderlich, wie die Schließung eines Betriebes, von einer allfälligen positiven Inspektion durch die Behörde oder der Erfüllung sonstiger Voraussetzungen abhängig gemacht werden können.

Zu Z 5 (§ 43 Abs. 3):

Auf Grund des Urteils des EuGH vom 28.10.2004, RS C-497/03 war es erforderlich, das Verbot des Versandhandels von Nahrungsergänzungsmitteln aufzuheben (vgl. Novelle zur Gewerbeordnung, BGBl. I Nr. 131/2004). Eine Zunahme des Vertriebs von Nahrungsergänzungsmitteln über das Internet ist zu erwarten. Es ist daher geboten, in diesem Bundesgesetz alle Möglichkeiten der Informationsgewinnung zu nützen. Im Internet sind internationale Trends und Entwicklungen besonders effizient zu beobachten. Insbesondere am Sektor Nahrungsergänzungsmittel wird das Internet immer mehr zur Informationsquelle für die beteiligten Verkehrskreise. Mit dieser Bestimmung soll die gesetzliche Grundlage geschaffen werden, auf zukünftige Entwicklungen des Internethandels reagieren zu können. Durch eine entsprechende Information der Verbraucherinnen und Verbraucher soll es diesen möglich sein, ihre Kaufentscheidungen richtig zu treffen.

Zu Z 6 (§ 48 Abs. 3):

Die Bestimmung des § 71 Abs. 6 wurde nun, da thematisch zutreffender, § 48 zugeordnet.

Zu Z 7 (§ 53 Abs. 6):

Die "Kann-Bestimmung" lässt dem Landeshauptmann einen Spielraum, wenn es ihm auf Grund der Art der Seuche (z.B. geringe Ansteckungsgefahr) zur Seuchentilgung nicht notwendig erscheint, derartige zusätzliche Überwachungsmaßnahmen zu setzen. Weiters erfolgt eine Ausweitung der Untersuchungspflicht im Seuchenfall nicht nur bezogen auf den Eigenbedarf (Abs. 3), sondern auch auf die Direktvermarktung (Abs. 4 und 5).

Zu Z 8 (§ 56 2. Satz):

Der Entwurf sieht nur die Probenentnahme von lebenden Tieren, tierischen Primärprodukten und Fleisch vor. Verschiedene Substanzen lassen sich jedoch aus den genannten Proben nur schwer nachweisen. Labortechnisch ist es leichter z.B. unerlaubte Substanzen aus dem Harn oder Kot der Tiere (Ausscheidungen) oder im Futter und Wasser nachzuweisen. Diese Änderung dient der Sicherstellung der Probenentnahme von allen möglichen Matrizes zur Feststellung von Rückständen.

Zu Z 9 (§ 61 Abs. 3):

Zur Klarstellung wurde an dieser Stelle der fragliche Satz, der sich auch in § 71 Abs. 5 findet, angeführt.

Zu Z 10 und 11 (§ 64 Abs. 3 und 4):

Es handelt sich um eine redaktionelle Änderung.

Zu Z 12 (§ 71 Abs. 6):

Siehe Erläuterungen zu § 48 Abs. 3.

Zu Z 13 (§ 99 Abs. 1 und 3):

Die Amtstierärzte sind derzeit jene Organe, die Kontrollen nach dem Fleischuntersuchungsgesetz durchgeführt haben. Auf Grund der Zusammenführung von LMG mit Fleischuntersuchungsgesetz bedarf es einer entsprechenden Überführung der Kontrollbefugnis.

Mit dem zweiten Satz von Absatz 1 wird vermieden, dass ein bei einer Bezirksverwaltungsbehörde oder Gemeinde beschäftigter Amtstierarzt mit der Schlachtier- und Fleischuntersuchung erster Instanz (§ 53) beauftragt wird und gleichzeitig für die notwendigen Kontrollen zweiter Instanz (§ 31 Abs.3) herangezogen werden kann. Damit wird die mit BGBl 2002/96 hergestellte klare Trennung der Kontrollinstanzen im Fleischuntersuchungsgesetz weitergeführt.

Die Ergänzungen des Abs. 3 dienen der Klarstellung.

Zu Z 14 (§ 99 Abs. 7):

Mit dem angefügten Abs. 7 wird ein Verfahren festgelegt, wie eine einheitliche Bewertung der Kontrollorgane und deren zukünftige Weiterbestellung weitgehend objektiviert werden können.

Zu Z 15 (§ 108 Z 5):

Es handelt sich um eine redaktionelle Änderung.

Zu Z 16 (Anlage):

Diese EG-Verordnung wurde zwischenzeitig im Amtsblatt veröffentlicht und ist in die Anlage Teil 1 aufzunehmen, da sie sich an die Lebensmittelunternehmer richtet.

Kosten:

Es entstehen keine zusätzlichen Kosten.“

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Erwin Rasinger und Mag. Herbert Haupt mit Stimmenmehrheit angenommen.

Mit dieser Beschlussfassung gelten die Anträge 111/A(E) und 143/A(E) als miterledigt.

Ferner beschloss der Gesundheitsausschuss einstimmig folgende Feststellungen:

„Mit dem Lebensmittelsicherheits-Verbraucherschutzgesetz wurde der Aspekt der Nahrungsergänzungsmittel im Hinblick auf die Kontrolle im Rahmen des Proben- und Revisionsplans geklärt.

Mit den im Herbst 2005 umzusetzenden Änderungen des Humanarzneimittelkodex der europäischen Union werden weitere Möglichkeiten zur Einstufung und Bewertung von Nahrungsergänzungsmitteln eröffnet.

Eine abschließende Bewertung und Diskussion von Lösungsansätzen für die Abgrenzungsfragen zwischen Nahrungsergänzungsmitteln, Arzneimitteln und Medizinprodukten sowie zur  Kontrolle der Vertriebswege ist daher im Zuge der parlamentarischen Behandlungen zur Umsetzung der einschlägigen Änderungen des Humanarzneimittelkodex gemeinsam zu behandeln.“

Als Berichterstatterin für das Plenum wurde Abgeordnete Barbara Riener gewählt.


Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2005-02-17

Barbara Riener                 Barbara Rosenkranz

    Berichterstatterin                     Obfrau