VORBLATT

Problem

Im Kampf gegen das spezifische Verbrechen des Menschenhandels steht den Mitgliedern der internationalen Staatengemeinschaft bislang kein vergleichbares globales Rechtsinstrument zur Verfügung.

Ziel

Durch die Schaffung eines  Rechtsinstruments der Vereinten Nationen werden gemeinsame Standards im Kampf gegen den Menschenhandel erreicht.

Inhalt

Das Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, setzt weltweite Standards in der Bekämpfung des organisierten Verbrechens und bei der Definition von Menschenhandel. Es beinhaltet Bestimmungen über die Schaffung von Straftatbeständen und Vorschriften über den Opfer- und Zeugenschutz. Die internationale  Zusammenarbeit bei der Verfolgung des  Delikts wird ausgeweitet.

Alternativen

Keine

Finanzielle Auswirkungen

Keine

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich

Keine

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union

Die vorgesehenen Regelungen stehen im Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen der Europäischen Union insbesondere des EU-Rahmenbeschlusses zur Bekämpfung des Menschenhandels vom 19. Juli 2002, (ABl. L 203 vom 1. August 2002) und der Aufenthaltsrichtlinie des Rates 2004/81/EG vom 29. April 2004, ABl. L 261 vom 6. August 2004, S. 19. Hinsichtlich jener Bereiche, die unter Gemeinschaftszuständigkeit fallen, hat die EK die Verhandlungen für die EU-MS geführt, die Gemeinschaft wird daher auch Vertragspartei.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens

Beschluss des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG; Sonderkundmachung gemäß Art. 49  Abs. 2 B-VG.


ERLÄUTERUNGEN

Allgemeiner Teil

Das Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität ist ein gesetzändernder bzw. gesetzesergänzender Staatsvertrag und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter und enthält keine verfassungsändernden Bestimmungen. Es ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich nicht zugänglich, sodass die Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG erforderlich ist. Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten des selbstständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden.

Während das Phänomen des Menschenhandels auf verschiedenen Kontinenten bereits erhebliche Bedeutung erreicht hat (Sklavenarbeiter in Plantagen, landwirtschaftlichem Einsatz, Bergbau), ist die Problematik in Europa besonders nach der Ostöffnung in Erscheinung getreten und betrifft vor allem den Handel von Frauen und Mädchen zum Zwecke der Prostitution. Daraus entstand spezifischer Handlungsbedarf, einen global geltenden Menschenhandelsbegriff zu schaffen, Menschenhandel unter Strafe zu stellen und gleichzeitig einen Beitrag zum Schutz der Opfer zu erreichen sowie eine Behandlung, die sich von jener von nicht Opfer von Menschenhändlern gewordenen geschleppten Einwanderern unterscheidet, zu ermöglichen.

Dies wurde durch das Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels zum Übereinkommen der VN gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität ermöglicht, das allen Parteien des Übereinkommens offen steht und sich ähnlich hoher Zustimmung anlässlich der Unterzeichung erfreute wie das Übereinkommen selbst.

Definiert werden die Begriffe „Menschenhandel“ und „Kind“ (Art. 3). Aufgrund des äußerst umfassenden Menschenhandelsbegriffs, der weit über das Sexualstrafrecht hinausgeht, musste das StGB im Zuge des StrÄG 2004 angepasst werden.  Art. 5 enthält eine Kriminalisierungsverpflichtung für Menschenhandel sowie Beteiligungsformen wie Versuch, Mittäterschaft und Organisation der Begehung der Straftat .

Ein Kapitel zum Schutz der Opfer des Menschenhandels sieht vorübergehenden Schutz und Aufenthalt in den Vertragsstaaten vor. Die Rechte von Opfern sollen bei Gerichtsverfahren ebenso geschützt werden, wie bei der Rückführung der Opfer in ihre Heimatländer.

Weitere Bestimmungen betreffen die Prävention des Menschenhandels und flankierende Maßnahmen wie Informationsaustausch, Ausbildung, Grenzkontrollmaßnahmen und Dokumentensicherheit. Die Schlussbestimmungen sind dem Übereinkommen nachgebildet.

Besonderer Teil

Zu Artikel 1:

Dieser Artikel bestimmt das Verhältnis des Protokolls zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität und stellt damit gleichsam das Pendant zu Artikel 37 des „Mutter-Übereinkommens“ dar, der seinerseits das Verhältnis zu den Protokollen regelt.

Danach ergänzt das Protokoll das Übereinkommen (Abs. 1 erster Satz des Protokolls; vgl. auch Art. 37 Abs. 1 des Übereinkommens, der die Ermächtigung zur Ergänzung normiert) und ist zusammen mit dem Übereinkommen auszulegen (Abs. 1 zweiter Satz). Letzteres hält auch Art. 37 Abs. 4 des Übereinkommens fest, wobei dort auch festgehalten ist, dass diese Auslegung unter Berücksichtigung der Zwecke des Protokolls (vgl. Art. 2 des Protokolls) zu erfolgen hat.

In Hinblick auf die Verschränkungen mit dem Übereinkommen kann aber wohl davon ausgegangen werden , dass auch dessen Art. 34 Abs. 2 für das vorliegende Protokoll zu gelten hat, demzufolge die Kriminalisierungsverpflichtung nicht auf grenzüberschreitende und von kriminellen Vereinigungen begangene Taten beschränkt ist.

Nach Abs. 2 findet das Übereinkommen sinngemäß auf das Protokoll Anwendung, sofern im Protokoll nichts anderes vorgesehen ist. Beispielsweise enthält das Protokoll keine eigenen Regelungen betreffend Auslieferung und Rechtshilfe, weshalb insoweit auch die Bestimmungen des Übereinkommens gelten (vgl. Art. 16 und 18 des Übereinkommens).

In Ergänzung dazu unterstreicht Art. 1 Abs. 3, dass die in Übereinstimmung mit Art. 5 des Protokolls umschriebenen Straftaten als in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen umschriebene Straftaten angesehen werden. Danach ist etwa davon auszugehen, dass auch das Waschen der Erträge aus Straftaten nach diesem Protokoll im Sinne des Art. 6 des Übereinkommens zu kriminalisieren ist oder dass auch diesbezüglich eine Verantwortlichkeit juristischer Personen nach Art. 10 des Übereinkommens vorzusehen ist. Ersteres ist in Österreich bereits dadurch umgesetzt, dass der organisierte Menschenhandel in jeder Hinsicht Geldwäschereivortat ist, d.h. sowohl in Form der Beteiligung an einer dem Menschenhandel verpflichteten kriminellen Vereinigung (vgl. §§ 165 Abs. 1 iVm 278 StGB) als auch im Hinblick auf den neuen Tatbestand des § 104a Abs. 4 zweiter Fall StGB (Menschenhandel im Rahmen einer kriminellen Vereinigung), der als Verbrechenstatbestand automatisch Geldwäschereivortat ist. Dazu kommt, dass auch noch andere qualifizierte Formen selbst des nichtorganisierten Menschenhandels (vgl. § 104a Abs. 3 sowie Abs. 4 erster und dritter bis fünfter Fall StGB) sowie jede Form des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels, sei er organisiert oder nicht organisiert (vgl. § 217 StGB), als Verbrechen Geldwäschereivortaten darstellen.

Zu Artikel 2:

Dieser Artikel determiniert die Zwecke des Protokolls näher.

Dies sind zunächst – wie schon nach dem Titel des Protokolls – Verhütung (vgl. Art. 9 des Protokolls) und Bekämpfung des Menschenhandels (lit. a), einschließlich der – im Titel ausdrücklich erwähnten – Bestrafung des Menschenhandels (vgl. Art. 5). Wiederum in Übereinstimmung mit dem Titel des Protokolls wird das besondere Augenmerk, das dem Frauen- und Kinderhandel gelten soll, eigens hervorgehoben.

Lit. b umschreibt als weitere Zwecke Opferschutz und Opferhilfe, wobei die Achtung der Menschenrechte betont wird. Dem Opferschutz ist der II. Abschnitt des Protokolls gewidmet, wobei die Opferhilfe namentlich in Art. 6 erwähnt wird.

Schließlich soll das Protokoll die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zur Verwirklichung der vorgenannten Ziele fördern. Neben den Bestimmungen über die Rückführung (Art. 8) wird die Zusammenarbeit zwischen den Vertragsstaaten insbesondere im III. Abschnitt angesprochen, so insbesondere in Art. 9 Abs. 4 (Zusammenarbeit bei Maßnahmen zur Ursachenverringerung) und 5 (Zusammenarbeit bei Maßnahmen zur Nachfragereduktion), Art. 10 Abs. 1 und 3 (Informationsaustausch) sowie Art. 11 Abs. 6 (Zusammenarbeit zwischen den Grenzkontrollbehörden).

Dazu kommen – im Wege des Art. 1 Abs. 2 – die allgemeinen Bestimmungen des Übereinkommens über die Zusammenarbeit.

Zu Artikel 3:

Art. 3 enthält die Begriffsbestimmungen.

Zu lit. a):

Danach bezeichnet der Begriff Menschenhandel in Erweiterung früher üblicher Definitionen

-                Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme von Personen durch die

-                Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen der Nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit oder durch Gewährung oder Entgegennahme von Zahlungen oder Vorteilen zur Erlangung des Einverständnisses einer Person, die Gewalt über eine Person hat,

-              zum Zweck der Ausbeutung, die mindestens

-                Ausnutzung der Prostitution anderer oder andere Formen sexueller Ausbeutung,

-                Zwangsarbeit oder Zwangsdienstbarkeit, Sklaverei oder sklavereiähnliche Praktiken, Leibeigenschaft oder

-              die Entnahme von Organen

zu umfassen haben.

Im Gegensatz zu früheren internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung des Menschenhandels (vgl. etwa das internationale Übereinkommen vom 4. Mai 1910 betreffend die Bekämpfung des Mädchenhandels, RGBl. Nr. 26/1913, das zwischenstaatliche Übereinkommen zur Unterdrückung des Frauen- und Kinderhandels vom 30. September 1921, BGBl. Nr. 740/1922 oder das internationale Abkommen über die Unterdrückung des Handels mit volljährigen Frauen vom 11. Oktober 1933, BGBl. Nr. 317/1936, idF der Abänderungsprotokolle vom 4. Mai 1949, BGBl. Nr. 203/1950, und 12. November 1947, BGBl. Nr. 204/1950) ist das Protokoll nicht mehr nur auf die sexuelle Ausbeutung der Opfer beschränkt, sondern umfasst als weitere zu bekämpfende Ausbeutungsfelder die Arbeitsausbeutung sowie die Ausbeutung durch Organentnahme.

Der Begriff deckt sich insoweit weitgehend mit der Definition von „Verkauf von Kindern“ im Sinne des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie sowie mit der Definition laut Art. 1 Abs. 1 des EU-Rahmenbeschlusses zur Bekämpfung des Menschenhandels vom 19. Juli 2002, (ABl. L 203 vom 1. August 2002, Seite 1).

Vom „Verkauf von Kindern“ nach dem Fakultativprotokoll zur Kinderrechtskonvention unterscheidet sich der Menschenhandel im Sinne des vorliegenden Protokolls – abgesehen davon, dass er nicht auf Kinder (im Sinne von Menschen unter 18 Jahren; vgl. dazu unten zu lit.d) beschränkt ist – zum einen dadurch, dass auf die verbotene Adoptionsvermittlung nicht gesondert Bedacht genommen wird. Dieser Sub-Tatbestand wurde in Österreich jedoch gleichfalls mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2004 (BGBl. I Nr. 15/2004), nämlich in Form des neuen § 194 StGB, umgesetzt. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass das gegenständliche Protokoll laut Art. 4 (nur) auf solche bezughabenden Straftaten Anwendung findet, die grenzüberschreitender Natur sind und an denen eine organisierte kriminelle Gruppe mitwirkt. Dem gegenüber normiert Art. 3 des Fakultativprotokolls zur Kinderrechtskonvention ausdrücklich, dass es danach nicht darauf ankommen soll, ob die bezughabenden Straftaten im Inland oder grenzüberschreitend, von einem Einzelnen oder auf organisierte Weise begangen werden (vgl. Art. 3 Abs. 1 des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie).

Der EU-Rahmenbeschluss zur Bekämpfung des Menschenhandels enthält zwar keine Bezugnahme auf Organentnahmen, ist aber weder auf grenzüberschreitende Aktivitäten noch auf organisierte Kriminalität beschränkt. In Hinblick auf Art. 34 Abs. 2 der Mutterkonvention sowie angesichts des Umstands, dass der EU-Rahmenbeschluss die weiter gehende Verpflichtung aus dem Protokoll nicht schmälert, ist die Umsetzungsbestimmung des § 104a StGB so ausgestaltet, dass sie einerseits alle drei im Protokoll erwähnten Ausbeutungsfelder abdeckt, andererseits aber nicht nur Sachverhalte mit grenzüberschreitenden Aspekten, sondern auch  reine Inlandssachverhalte umfasst.

Zu lit. b) und c):

Hier wird ausdrücklich festgehalten, dass die Einwilligung eines Opfers des Menschenhandels in die beabsichtigte Ausbeutung dann unerheblich ist, wenn eines der vorstehend genannten Mittel (Androhung oder Anwendung von Gewalt etc.) angewendet wurde. Eine entsprechende Bestimmung enthält auch Artikel 1 Abs. 2 des EU-Rahmenbeschlusses. Das Fakultativprotokoll zur Kinderrechtskonvention braucht eine solche Bestimmung nicht, weil es in seinem Anwendungsbereich auf Personen unter 18 Jahren eingeschränkt ist und diesbezüglich sowohl das gegenständliche Protokoll als auch der EU-Rahmenbeschluss festhalten, dass bei Menschen dieser Altersgruppe Menschenhandel auch ohne den Einsatz der vorstehend beschriebenen Mittel vorliegt. Diese Mittel finden ihre Entsprechung bei der Umsetzung teils in bestehenden – und zum Teil angepassten (vgl. § 106 StGB) – Nötigungstatbeständen, teils in der Legaldefinition des eigens zur Umsetzung neu geschaffenen § 104a Abs. 2 StGB. Dort werden sie als „unlautere“ Mittel zusammengefasst. (In der Folge wird dieser Begriff Gewalt und gefährliche Drohung einschließend verwendet.) Bei den unter 18-jährigen kann es also von vornherein gar nicht auf die Frage der Freiwilligkeit oder Unfreiwilligkeit bei der Ausbeutung ankommen.

Bei der Umsetzung in Österreich bedurfte es keiner gesonderten Bedachtnahme auf die Frage der „unlauter“ erwirkten „Einwilligung“. In diesem Sinn halten die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des StrÄG 2004, 294 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrats XXII. GP fest, dass § 104a StGB im Falle des Einsatzes der unlauteren Mittel die Beeinträchtigung des freien Willens des Opfers unwiderlegbar vermutet.

Zu lit. d:

Wie bereits vorstehend erwähnt, sorgt das Protokoll in Bezug auf die Opfer des Menschenhandels für eine gewisse Zäsur bei Erreichung des 18. Lebensjahres, indem es ab Vollendung des 18. Lebensjahres nur bei Einsatz „unlauterer Mittel“ von Menschenhandel spricht. Zur Umschreibung der Personen unter 18 Jahre verwendet das Protokoll ebenso wie der EU-Rahmenbeschluss zur Bekämpfung des Menschenhandels sowie zuvor schon das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (vgl. dessen Artikel 1; BGBl. Nr. 7/1993) und das Übereinkommen 182 der IAO über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit aus dem Jahr 1999 (vgl. dessen Artikel 2; BGBl. III Nr. 41/2002) den Begriff „Kind“. (Lediglich bei der Cybercrime-Konvention des Europarats, ETS Nr. 185, wird für diese Altersgruppe der Begriff „Minderjährige“ verwendet, wiewohl dennoch von Kinderpornographie gesprochen wird und auch das „Schutzalter“ grundsätzlich gleich ist).

Zu Artikel 4:

Artikel 4 legt den Geltungsbereich des Protokolls in seiner Natur als Zusatzprotokoll zum Übereinkommen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität mit Straftaten fest, die grenzüberschreitender Natur sind und an denen eine organisierte kriminelle Gruppe mitwirkt. Wie bereits zu Artikel 3 erwähnt, enthalten weder der EU-Rahmenbeschluss zur Bekämpfung des Menschenhandels noch das Fakultativprotokoll zur Kinderrechtskonvention eine derartige Einschränkung; auch  Art. 34 Abs.  2 des  Übereinkommens legt  eine  weiter gehende Verpflichtung fest.  Die Umsetzungsbestimmung auch zum gegenständlichen Protokoll, nämlich § 104a StGB, ist daher gleichfalls offen formuliert. Lediglich der inhaltlich unverändert beibehaltene § 217 StGB (nunmehr „Grenzüberschreitender Prostitutionshandel“) knüpft die Strafbarkeit an ein grenzüberschreitendes Element. Diese Bestimmung stellt zwar keine „Umsetzungsnotwendigkeit“ dieses Protokolls dar, soll jedoch gleichsam als zusätzliche Qualifikation erhalten bleiben, zumal die entsprechende Verpflichtung aus dem Abkommen über die Unterdrückung des Handels mit volljährigen Frauen vom 11. Oktober 1933 nach wie vor gültig ist. Ausschlaggebend war nicht zuletzt auch die Überlegung, dass nicht aus Anlass der Erweiterung des strafrechtlichen Repertoires zur Reaktion auf Ausbeutung von Menschen ein gegenläufiges Signal ausgesendet werden sollte. Abgesehen von der Anknüpfung an die transnationale organisierte Kriminalität umreißt Artikel 4 den Geltungsbereich des Protokolls (noch einmal) mit Verhütung, Untersuchung und strafrechtlicher Verfolgung von Menschenhandel im Sinne des Protokolls sowie dem Schutz der Opfer solcher Straftaten.

Zu Artikel 5:

Dieser Artikel enthält die Kriminalisierungsverpflichtung. Diese ist durch die Schaffung des § 104a StGB („Menschenhandel“) mit dem StrÄG 2004, BGBl. I Nr. 15/2004, das am 1. Mai 2004 in Kraft getreten ist, zur Gänze erfüllt. Im Dienste der Umsetzung des Protokolls stehend können daneben insbesondere die neue Bestimmung des § 215a StGB („Förderung der Prostitution und pornographischer Darbietungen Minderjähriger“) sowie der bisherige Menschenhandelstatbestand, d.i. der als Sondertatbestand gegen grenzüberschreitenden Prostitutionshandel inhaltlich unverändert gebliebene § 217 StGB, angesehen werden. Dazu kommen, soweit es sich um Fälle des Einsatzes von Gewalt oder gefährlicher Drohung als Nötigungsmittel handelt, die Nötigungsdelikte gegen Freiheit (vgl. § 106 StGB idF. des StrÄG 2004) oder sexuelle Selbstbestimmung (Vergewaltigung oder geschlechtliche Nötigung).

Der Verpflichtung, schon den Versuch des Menschenhandels zu kriminalisieren (vgl. Artikel 5 Abs. 2 lit. a des Protokolls) wird durch § 15 StGB nachgekommen, den Verpflichtungen nach Artikel 5 Abs. 2 lit. b) und c) (Beteiligung, Organisation und Anleitung anderer) im Rahmen des § 12 StGB.

Zu Artikel 6 Abs. 1:

Die Strafprozessordnung 1975 enthält eine Reihe von Opferschutzbestimmungen, die zum Zwecke der Umsetzung des Protokolls, d.h. für Strafverfahren im Zusammenhang mit Menschenhandel, herangezogen werden können. So regelt § 229 StPO den Ausschluss der Öffentlichkeit von der Hauptverhandlung; das Vorverfahren ist ohnehin nicht öffentlich. Als weitere Schutzbestimmungen können in diesem Zusammenhang Entschlagungsrechte, die sogenannte „schonende“ Vernehmung nach § 162a StPO, die Möglichkeit „anonymer Befragungen“ nach § 166a StPO sowie die Bestimmung des § 166 Abs. 2 StPO genannt werden, der zu Folge u.a. Fragen nach Umständen aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich von Zeuginnen und Zeugen nicht gestellt werden dürfen, es sei denn, dass dies nach den besonderen Umständen des Falles unumgänglich notwendig erscheint. Dazu kommt die allgemeine Schutzbestimmung des § 47a Abs. 2 StPO, der zu Folge alle im Strafverfahren tätigen Behörden bei ihren Amtshandlungen wie auch bei der Auskunftserteilung gegenüber Dritten die berechtigten Interessen der Opfer strafbarer Handlungen an der Wahrung ihres höchstpersönlichen Lebensbereiches zu beachten haben, was besonders für die Weitergabe von Lichtbildern und die Mitteilung von Angaben zur Person, die zu einem Bekanntwerden ihrer Identität in einem größeren Personenkreis führen können, gilt.

In der Fassung des Strafprozessreformgesetzes BGBl. I Nr. 19/2004 werden die Opferschutzbestimmungen der Strafprozessordnung beibehalten oder ausgebaut.

Zu Artikel 6 Abs. 2:

Zu lit a):

Eine allgemeine Informationspflicht für das Strafverfahren enthält § 47a Abs. 1 StPO. Danach sind alle im Strafverfahren tätigen Behörden verpflichtet, die Verletzten über ihre Rechte im Strafverfahren zu belehren, soweit dies den Umständen nach erforderlich erscheint.

Auch für den Anwendungsbereich des Verbrechensopfergesetzes gibt es eine allgemeine Informationspflicht, der zufolge Geschädigte, die für Hilfeleistungen nach diesem Bundesgesetz in Betracht kommen, über dieses Bundesgesetz zu belehren sind. Die Belehrung obliegt der Sicherheitsbehörde, welche die Tatsachenfeststellungen trifft, und dem Strafgericht erster Instanz, wenn jedoch die Staatsanwaltschaft die Anzeige zurücklegt, dieser (§ 14 leg. cit.).

Mit dem Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr. 19/2004 wurde nunmehr das Recht auf Information ausdrücklich als Opferrecht festgeschrieben (vgl. §§ 66, 70 StPO idF des Strafprozessreformgesetzes). Darüber hinaus wird es auch weiterhin eine allgemeine Informationspflicht geben (vgl. § 10 Abs. 2 StPO in der Fassung des Strafprozessreformgesetzes).

Zu lit b):

Der hier angesprochene Bereich ist für das Strafverfahren schon durch die Privatbeteiligtenrechte nach den §§ 47 ff StPO abgedeckt. Beispielsweise seien hier nur das Fragerecht, das Recht zur Subsidiaranklage oder das Recht, sich vertreten zu lassen – unter Umständen auch durch eine NGO – angeführt. Diese Rechte wurden mit dem Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr. 19/2004 noch ausgeweitet. So haben danach beispielsweise Opfer von Sexual- oder Gewaltdelikten Anspruch auf psychosoziale und juristische Opferbegleitung (vgl. § 66 Abs. 2 StPO in der Fassung des Strafprozessreformgesetzes) und kann Privatbeteiligten Verfahrenshilfe in Form unentgeltlicher Beigebung eines Rechtsanwaltes gewährt werden (vgl. § 67 Abs. 7 StPO in der Fassung des Strafprozessreformgesetzes).

Zu  Artikel 6 Abs. 3

Aufgrund der Bestimmung bedarf es keiner legistischen Änderung, da die in der Bestimmung aufgezählten Maßnahmen nur fakultativ genannt werden. Im übrigen wird der Inhalt der Bestimmungen in Österreich durch staatliche und nicht staatliche Organisationen wahrgenommen, insbesondere durch die aus Mitteln des BMI geförderte Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels, die von der nichtstaatlichen Organisation LEFÖ (Lateinamerikanische Emigrierte Frauen Österreichs) betrieben wird.

Zu Artikel 6 Abs. 6

Diese Bestimmung normiert die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, durch die innerstaatliche Rechtsordnung Maßnahmen vorzusehen, die eine Entschädigung für Opfer des Menschenhandels ermöglicht.

§ 10 Abs. 4 FrG 1997 idGF sieht vor, dass die Behörde zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche Fremden, die Opfer des Menschenhandels wurden, eine Aufenthaltsbewilligung für die erforderliche Dauer erteilen kann.

Zu Artikel 7

Diese Norm fordert die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zu erwägen, die es den Opfern des Menschenhandels gestatten, in geeigneten Fällen vorübergehend oder auf Dauer in ihrem Hoheitsgebiet zu verbleiben und stellt insbesondere auf humanitäre und persönliche Gründe ab.

Diese Bestimmung ist durch § 10 Abs. 4 FrG abgedeckt. Sie räumt der Behörde die Möglichkeit ein, Fremden trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen vom Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Auf der Ebene der Europäischen Union gilt in diesem Bereich die Aufenthaltsrichtlinie des Rates 2004/81/EG vom 29. April 2004, Abl. L 261 vom 6. August 2004, S. 19.

Zu Artikel 8

Die Bestimmungen betreffen die Verpflichtungen der Ursprungsländer von Opfern des Menschenhandels zur Rückübernahme derselben sowie zu damit verbundenen Leistungen wie etwa der Ausstellung von Reisedokumenten. Die österreichische Rechtslage entspricht den Bestimmungen bereits in ausreichender Weise. Zudem ist die Problematik eher theoretischer Natur, da bis dato kein einziger Fall aufgetreten ist, in dem ein Opfer des Menschenhandels das Recht auf ständigen Aufenthalt in Österreich hatte und so eine Rückkehr nach Österreich notwendig war.

Zu Artikel 9

Durch diese Bestimmung wird auf die internationale Dimension der Problematik des Menschenhandels hingewiesen und wird klargestellt, dass es für dessen Verhütung und Bekämpfung eines umfassenden Ansatzes bedarf. Die Bestimmung legt erstens fest, dass ein effizientes Konzept zur Bekämpfung nicht erst bei den Auswirkungen in den Zielländern ansetzen darf, sondern schon den Ursprung in den Ausgangsländern wirksam und gemeinsam bekämpfen muss und räumt zweitens auch dem Gedanken des Operschutzes den ihm gebührenden Stellenwert ein. Klargestellt wird in dieser Bestimmung weiters, dass eine wirksame Bekämpfung auch gezielten Information in den Vertragsstaaten bedarf und eine Bekämpfungsstrategie auch mit einer Strategie zur umfassenden Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen in den Ursprungsländern einhergehen muss.

In diesem Zusammenhang sind beispielsweise neben der gegebenen internationalen kriminalpolizeilichen Zusammenarbeit die gemeinsamen Aktionen auf Ebene der Europäischen Union in den Ursprungsländern, die Tätigkeiten der österreichischen  polizeilichen Verbindungsbeamten in ausgewählten Ursprungs- und Transitländern und die aufgrund der EU-Vorgaben ausgebildeten Dokumentenberater, die nunmehr an einigen österreichischen Vertretungsbehörden tätig sind, zu erwähnen.

Zielvorgabe ist daher weiterhin, diese Tätigkeiten insbesondere auf EU-Ebene durch verstärkte operative Zusammenarbeit weitestgehend zu vernetzen, um so ein engmaschiges internationales Netz zu schaffen, das dem Menschenhandel bestmöglich vorbeugt und auch ein Ausweichen auf andere Länder wirksam verhindert.

Entsprechende rechtliche Bestimmungen finden sich im FrG, im StGB, im Sicherheitspolizeigesetz sowie in den diversen bilateralen Staatsverträgen sowie Ressort- und Verwaltungsübereinkommen.

Auf multilateraler Ebene unterstützt Österreich regelmäßig in Form von freiwilligen Beitragen die Aktivitäten des Internationalen Verbrechensverhütungszentrums der Vereinten Nationen und hat, wie zuletzt im Jahr 2003, Mittel für die Prävention des Menschenhandels zweckgebunden. Bilateral fördert Österreich Schutzeinrichtungen für Frauen und Mädchen im Ausland wie beispielsweise das Frauenhaus in Belgrad aus Mitteln der Ostzusammenarbeit.

Zu Artikel 10

Österreich ist im Jahre 1995 den Schengener Verträgen beigetreten und hat diese am 1. Dezember 1997 in Kraft gesetzt. Die darin enthaltenen Bestimmungen verpflichten Österreich unter anderem

-              an der Außengrenze alle Reisenden umfassend zu kontrollieren, um so einer illegalen Einreise über die Grenzübergangstellen oder durch Umgehung dieser wirksam vorzubeugen,

-                insbesondere Frauen und Kindern, sofern letztere nicht in Begleitung ihrer Erziehungsberechtigten reisen, besondere Aufmerksamkeit zuzuweisen; auch im Landesinneren, insbesondere an den Transitrouten, entsprechende polizeiliche Maßnahmen  zu setzen, damit durch den Wegfall der Binnengrenzkontrolle kein Sicherheitsdefizit entsteht und

-              bei dieser Arbeit zur Gewährleistung einheitlicher Standards eine enge Zusammenarbeit zu pflegen.

Zu berücksichtigen sind bei dieser Arbeit die auf EU- oder Schengen-Ebene bereits vielfach geschaffenen Arbeitsbehelfe, wie die gemeinsamen Listen der  zur Einreise berechtigenden Reisedokumente und die gemeinsamen Listen der Einreise- und Aufenthaltstitel. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die Arbeiten zur Europäischen Grenzpolizei, wo durch eine verstärkte Zusammenarbeit  in den Bereichen der Ausbildung, der Ausstattung und der operativen Zusammenarbeit einschließlich des Informationsaustausches eine generelle Verbesserung der Sicherheitslage in Europa erzielt werden soll.

Österreich hat sich aufgrund seiner aktuellen Lage am Schnittpunkt mehrerer Transitrouten hier schon in der Vergangenheit aktiv beteiligt, besondere Schwerpunkte bei der Erarbeitung gemeinsamer Ausbildungsstandards für EU-Grenzkontrollbeamte gesetzt und auch die operative Zusammenarbeit zu einem Schwerpunkt der mit Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Slowenien im Rahmen der Sicherheitspartnerschaften gepflogenen Zusammenarbeit gemacht.

Zu Artikel 11

Wie schon zu Artikel 10 erläutert, kommt Österreich im Schengener Verbund derzeit die Aufgabe zu, entsprechend den Schengener Vorgaben einen bestimmten Teil der Außengrenze „in nationaler Zuständigkeit, nach Maßgabe des nationalen Rechts und unter Berücksichtigung der Interessen aller Vertragsparteien“ zu überwachen (vgl. Art. 6 Abs. 1 SDÜ).

Ein Schwerpunkt wird hierbei den Beförderungsmitteln gewidmet, die gegebenenfalls auch für die Ausübung der Schlepperei verwendet werden.

In legistischer Hinsicht ist festzuhalten, dass insbesondere diesen Bestimmungen bereits in der Vergangenheit umfassend Rechnung getragen wurde, als –gemäß den EU-rechtlichen Vorgaben – die Verpflichtung der Beförderungsunternehmer zur Informationsübermittlung entsprechend geregelt und auch die Sicherstellung der zur Tatbegehung verwendeten Beförderungsmittel ermöglicht wurde. Diesbezüglich relevante  innerstaatliche Bestimmungen finden sich im FrG (1. und 5. Abschnitt).

Die Einrichtung entsprechender Nachrichtenverbindungen zwischen den Grenzkontrollbehörden entspricht dem von Österreich schon lange forcierten Grundsatz der verstärkten operativen Zusammenarbeit, wie sie auch schon innerhalb der mit Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Slowenien im Rahmen der Sicherheitspartnerschaften des BMI gepflogenen Zusammenarbeit forciert wurde.

Ein weiterer Ausbau wird im Gleichklang mit den diesbezüglichen Arbeiten auf EU- und Schengenebene erfolgen.

Zu Artikel 12 und 13

Die Bestimmungen betreffen die Sicherheit und Kontrolle von in den Vertragsstaaten ausgestellten Reisedokumenten und die Überprüfung von Reisedokumenten auf Ersuchen eines anderen Vertragsstaats. Diese Bestimmungen sind durch die geltende österreichische Rechtslage vollständig umgesetzt.

Zu Artikel 14

Art. 14 enthält eine „salvatorische Klausel“ zugunsten anderer völkerrechtlicher Regelungen, insbesondere auf dem Gebiet des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte. Abs. 2  normiert ein Gebot der Nichtdiskriminierung bei der Auslegung und Anwendung des Protokolls.

Zu Artikel 15

Diese Bestimmung enthält eine Schiedsklausel für Streitigkeiten, die sich aus der Anwendung oder Auslegung dieses Übereinkommens ergeben.

Zu Artikel 16 bis 20

Diese Artikel enthalten die üblichen Schlussbestimmungen, wobei in Artikel 18 das Verfahren im Fall einer Änderung des Protokolls geregelt wird.


Die Bundesregierung hat beschlossen, dem Nationalrat vorzuschlagen, anlässlich der Genehmigung des Zusatzprotokolls gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG zu beschließen, dass dessen arabische, chinesische, französische, russische und spanische Sprachfassungen dadurch kundgemacht werden, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

 

Daran anknüpfend wurde mit Rücksicht auf eine sparsame und zweckmäßige Verwaltung gemäß § 23 Abs. 2 GOG-NR von der Vervielfältigung und Verteilung dieser Sprachfassungen Abstand genommen.

 

Die gesamte Regierungsvorlage liegt in der Parlamentsdirektion zur Einsicht auf.