834 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP
Bericht
des Unterrichtsausschusses
über den Antrag
543/A(E) der Abgeordneten Werner Amon MBA, Mag. Dr. Magda Bleckmann,
Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Ergebnisse des Reformdialogs
Die Abgeordneten
Werner Amon MBA, Mag. Dr. Magda Bleckmann, Kolleginnen und Kollegen
haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 2. März 2005 im Nationalrat
eingebracht und wie folgt begründet:
„Zur Sicherung und
Steigerung der Qualität des Unterrichts an unseren Schulen sowie zur Erstellung
von Maßnahmenplänen für zielorientierte Reformschritte hat Bundesministerin
Elisabeth Gehrer im Frühjahr 2003 die Zukunftskommission eingerichtet.
Diese unabhängige Expertengruppe hat ein Konzept mit sieben Handlungsbereichen
und 30 Einzelmaßnahmen definiert, die anschließend im Rahmen der Initiative
klasse:zukunft bei über 100 Veranstaltungen und im Internet breit
diskutiert wurden.
Am 14. Februar
2005 fand in der Hofburg der Reformdialog Bildung statt, bei dem neben
Mitgliedern der Bundesregierung die Landeshauptleute, Vertreterinnen und
Vertreter aller vier Parlamentsparteien, Sozialpartner,
Landesschulratspräsidentinnen und -präsidenten, Expertinnen und Experten aus
Bildung, Wissenschaft und Wirtschaft, Vertreter der Schulpartner sowie
Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter Vorschläge für
Reformmaßnahmen diskutierten.
In der breiten
Diskussion wurden verschiedene Themen angesprochen, die sich in folgende drei
Schwerpunkte gliedern lassen:
· Anpassung an die moderne Arbeitswelt
· Verstärkte Orientierung an den Bedürfnissen
der Kinder
· Professionalisierung des Lehrberufs
Folgende Maßnahmen
sollen umgehend umgesetzt werden:
□ Abschaffung der 2/3 Mehrheit bei
Schulgesetzen, Reformen für unsere Jugend
Eine Novelle des
Bundes-Verfassungsgesetzes ging in Begutachtung. Darin ist die ersatzlose
Streichung des Absatzes 10 in Artikel 14 des Bundes-Verfassungsgesetzes
vorgesehen und damit der Entfall des Erfordernisses der 2/3-Mehrheit für alle
Schulgesetze.
2/3 Mehrheit
für Schulgesetze führte zu Blockade-Politik
Die erforderliche
2/3-Mehrheit bei Schulgesetzen hat in der Vergangenheit zu einer
Blockade-Politik im Schulbereich geführt, zu Reformstau und Stillstand.
Stillstand ist
nicht im Interesse unserer Jugend, der die beste Ausbildung ermöglicht werden
muss. Die Bundesregierung will deshalb ein Ende der Blockadepolitik und
begonnene Reformen im Bildungsbereich zielstrebig fortsetzen.
Heute unterliegen
bei Schulgesetzen ca. 120 Seiten Gesetzestext dem Erfordernis der 2/3-Mehrheit
im Nationalrat. Im Falle einer Aufhebung könnten u.a. folgende Bereiche mit
einfacher Mehrheit geregelt werden:
· Unterrichtsfächer (z.B. Einführung von
neuen Fächern, Zusammenführung von Fächern)
· Ganztägige Schulformen
· Lehrplanvorgaben, Schulprogramm
· Schulsprengel
· Umbenennungen von Gegenständen (z.B.:
‚Leibeserziehung’ in ‚Bewegung und Sport’)
· Angelegenheiten der Schulpartnerschaft
(Zusammensetzung, Aufgaben, …)
· Grundlagen für Schulversuche
· Integration in die Polytechnische Schule
· Klassenschülerzahlen
· Schulzeit
○ Ferienverschiebungen
○ 5-Tage-Woche
○ Unterrichtsbeginn
Mit der
Beseitigung der Blockadepolitik im Bildungsbereich ist ein weiterer Schritt hin
zu einer modernen Bildungspolitik gewährleistet. Sie bringt uns vom Stillstand
der 2/3-Mehrheit zur Bewegung im Bildungsbereich.
Die Schule
ist kein Experimentierfeld
Verlässlichkeit
und Sicherheit steht für die Bundesregierung im Vordergrund. Die Schule ist
kein Experimentierfeld, in dem man jedes Jahr eine neue Schulform ausprobiert.
Es zeigt sich auch in allen anderen europäischen Ländern, wo Schulgesetze nur
mit einfacher Mehrheit beschlossen werden, dass grundlegende Änderungen einen
Zeitrahmen von 10 Jahren erfordern.
Gerade bei Fragen
der Schulentwicklung im Organisationsbereich ist die Einbindung der
Schulpartner, so auch der Elternverbände, besonders wichtig. Schule braucht
Sicherheit und Kontinuität. Eltern und Schüler müssen auf die Qualität des
Unterrichts vertrauen können.
Wir stehen
für die verlässliche Schule und sagen deshalb ein klares
- Ja zur
Schulgeldfreiheit - sie
ist durch zahlreiche internationale Verträge abgesichert, die Österreich
unterzeichnet hat.
Österreich
hat sich im Rahmen der UN-Kinderrechtskonvention
gegenüber der Völkergemeinschaft verpflichtet, die Schulgeldfreiheit
sicherzustellen. Dieses erreichte Ziel wird keine vernünftige Regierung
rückgängig machen können. Österreich hat sinngemäß vereinbart, bei erreichten
Standards keine Rückzieher zu machen.
Artikel
28 der UN-Kinderrechtskonvention lautet:
‚Die
Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf Bildung an; um die
Verwirklichung dieses Rechts auf der Grundlage der Chancengleichheit
fortschreitend zu erreichen, werden sie insbesonders
a.
den Besuch der Grundschule für alle zur Pflicht und unentgeltlich machen;
b.
die Entwicklung verschiedener Formen der weiterführenden Schulen
allgemeinbildender und berufsbildender Art fördern, sie allen Kindern verfügbar
und zugänglich machen und geeignete Maßnahmen wie die Einführung der
Unentgeltlichkeit und die Bereitstellung finanzieller Unterstützung bei
Bedürftigkeit treffen.’
Mit
dem Inkrafttreten der Europäischen Verfassung wird die Schulgeldfreiheit auf
europäischer Ebene abgesichert. Im Artikel II-74 Abs. 2 des
Grundrechtskatalogs, der die Europäische Verfassung beinhaltet, heißt es dazu:
Dieses Recht [Anm.: Recht auf Bildung] umfasst die Möglichkeit, unentgeltlich
am Pflichtschulunterricht teilzunehmen. Eine andere gesetzliche Bestimmung auf
nationalstaatlicher Ebene – ob nun einfachgesetzlich oder mit 2/3-Mehrheit –
steht somit der Europäischen Verfassung entgegen.
Im
Österreich-Konvent wurde die Schulgeldfreiheit im
Zusammenspiel mit einem Grundrecht auf Bildung eingebracht. Die Formulierung
lautet: ‚Der Staat hat den Zugang zur Bildung unabhängig vom Einkommen zu
gewährleisten. Die Teilnahme am Unterricht ist unentgeltlich.’
Es
liegt nun an der Opposition, dieser neuen Verfassung zuzustimmen.
- Ja zum differenzierten Schulsystem
- Ja zur Wahlfreiheit der Eltern bei der Tagesbetreuung
- Ja zum Religionsunterricht
Durch das
Konkordat, welches einen internationalen Vertrag zwischen der Republik
Österreich und dem Heiligen Stuhl darstellt, ist sicher gestellt, dass es auch
künftig den Religionsunterricht und das katholische Privatschulwesen geben
wird.
□ Neue Aufgaben des Klassenvorstands im
Pflichtschulbereich
Die Evaluierung
des ‚LDG Neu’ hat ergeben, dass die erweiterten Aufgaben des Klassenvorstandes
im Hinblick auf die Individualisierung des Unterrichts entsprechend abgegolten
werden sollen. Der Klassenvorstand erhält ab 1.9.2006 eine leistungsorientierte
Abgeltung in der Höhe von 70 € im Monat (zehn Mal im Jahr). Das LDG als
modernes Dienstrecht soll auch zukünftig weiterentwickelt und an die
Erfordernisse der Schule und des Lehrberufs angepasst werden.
Das weitere
Ergebnis des Reformdialogs bilden 10 Reformschritte:
‚Schule Neu’
- Anpassung an die moderne Arbeitswelt
1. Fünf-Tage-Woche
Die
6- bis 14-Jährigen sollen in Zukunft nicht mehr Arbeitstage als ihre Eltern
haben.
2. Tagesbetreuung als Angebot
Alle
Schulen sollen für die 6- bis 14-Jährigen grundsätzlich eine Tagesbetreuung
anbieten. Im Rahmen der Tagesbetreuung sollen Hausübungen gemacht, Schwache
gefördert und Freizeitaktivitäten angeboten werden, ergänzt durch die Angebote
von Sportvereinen und Musikschulen.
‚Schule Neu’
- Verstärkte Orientierung an den Bedürfnissen der Kinder
3. Frühe Sprachförderung – Schuleinschreibung ein Jahr vor
Schuleintritt
Ein
wichtiges Ziel ist es, dass die Kinder die Unterrichtssprache Deutsch
beherrschen, bevor sie in die Schule kommen. Dazu braucht es
● Frühe Anmeldung
(Schuleinschreibung ein Jahr vor Schuleintritt)
● Frühe Diagnose (Gleichzeitige
Feststellung der Sprachkompetenz)
● Frühe Förderung (Angebot
einer Sprachförderung)
● Daraus folgt eine
verpflichtende Teilnahme an Sprachförderung für Kinder mit Sprachmängeln.
4. Schwache fördern - Starke fordern
Förderunterricht
wird in Zukunft über das Unterrichtsjahr hinweg flexibel und den Bedürfnissen
der Kinder entsprechend durchgeführt.
5. Aktion ‚Lesefit’ ausbauen
Jede
Schule soll kontinuierlich einen Qualitätsprozess zur Stärkung der
Lesekompetenz betreiben
6. Mathematik und Naturwissenschaft fördern
Verstärkter
Ausbau der Angebote für Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer
‚Schule Neu’
- Professionalisierung des Lehrberufs
7. Verpflichtende Lehrerfortbildung
Eine qualitative Fort- und Weiterbildung der
Lehrerinnen und Lehrer ist eine Investition in die Zukunft der Bildung. Es soll eine bedarfsorientierte Fort-
und Weiterbildung geben, die schulinternen Fortbildungen sollen ausgebaut
werden. Damit für Schülerinnen und Schüler möglichst wenige Unterrichtsstunden
entfallen, soll die Weiterbildung grundsätzlich in der unterrichtsfreien Zeit stattfinden.
40 % der Lehrerfortbildungsangebote sollen durch den Bund vorgegeben
werden, 60 % für regionale Schwerpunktsetzungen.
8. Pädagogische Hochschule
In
der Aus-, Fort- und Weiterbildung sind entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen
zu setzen, welche zu einer stärkeren Professionalisierung des Lehrberufs
führen. Die Umwandlung der Pädagogischen Akademien zu Pädagogischen Hochschulen
ist ein entscheidender Schritt, der bereits im Akademien-Studiengesetz 1999
festgesetzt worden ist. Die 50 Institutionen sollen zusammengeführt werden, die Fort-
und Weiterbildung aller Lehrer und Lehrerinnen werden an der Pädagogischen
Hochschule stattfinden.
9. Qualifizierung der Führungskräfte – Leadership Academy
Erweiterte
Autonomie erfordert Leadership. Die LEA ist ein international anerkanntes,
österreichweites und institutionsübergreifendes Projekt zur Qualitätssteigerung im
Bildungssystem, das bei der Qualifizierung der Führungsebene ansetzt. Die
weitere Professionalisierung der Leitungspersonen im Sinne eines ganzheitlichen
Führungsverständnisses soll es der Schule ermöglichen, ihre Kernaufgaben auch
in Zeiten zunehmender Herausforderungen wahrzunehmen.
10. Weiterentwicklung der Schulaufsicht
Angelehnt
an das Beispiel der Niederlande soll ein neues Controlling- und Evaluierungsmodell
an österreichischen Schulen implementiert werden.
Das
bedeutet eine Neustrukturierung der Schulaufsicht.
Weiters treten die
unterfertigten Abgeordneten dafür ein, dass die Schulentwicklung fortgeführt
und den begonnenen Maßnahmen angepasst wird.“
Der
Unterrichtsausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner
Sitzung am 10. März 2005 in Verhandlung genommen. An der Debatte
beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters die
Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser, Mares Rossmann,
Carina Felzmann, Dieter Brosz, Dr.
Robert Rada, Beate Schasching,
Mag. Dr. Alfred Brader, Barbara Rosenkranz,
Josef Broukal, Mag. Elisabeth Grossmann, Dr. Gertrude Brinek, Mag.
Kurt Gaßner, Mag. Andrea Kuntzl,
Sabine Mandak und Christian Faul sowie
die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer und der Ausschussobmann Abgeordneter Werner Amon MBA.
Bei der Abstimmung
wurde der Entschließungsantrag mit Stimmenmehrheit angenommen.
Als Ergebnis
seiner Beratungen stellt der Unterrichtsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle die angeschlossene
Entschließung annehmen.
Wien, 2005 03 10
Werner Amon MBA Werner
Amon MBA
Berichterstatter Obmann