Abweichende
persönliche Stellungnahme
gemäß § 42 Abs. 5
GOG
des Abgeordneten Mag. Werner Kogler
zum Bericht des
Budgetausschusses 840 der Beilagen über die Regierungsvorlage (830 der
Beilagen): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das
Jahr 2006 (Bundesfinanzgesetz 2006 – BFG 2006) samt Anlagen
Am 2. März 2005
präsentierte Finanzminister Grasser in seiner Budgetrede den Bundesvoranschlag
für 2006 dem Nationalrat. Dieser sieht für das Jahr 2006 Einnahmen in Höhe von
60,4 Mrd. Euro und Ausgaben in Höhe von 66,2 Mrd. Euro vor. Das ergibt einen
Fehlbetrag von 5,8 Mrd. Euro – d.h. das veranschlagte Bundesdefizit beträgt für
das Jahr 2006 2,3% des Bruttoinlandprodukts (BIP). Wird das Bundesdefizit nach
Maastricht für 2006 gerechnet, so ergibt sich ein geplantes Defizit von 2,2%
des BIP.
Gesamtstaatlich –
d.h. betrachtet man die Budgets des Bund, der Länder und Gemeinden gemeinsam -
sehen die Planungen des Finanzminister für das kommende Jahr ein Defizit nach
Maastricht in Höhe von 1,7% des BIPs vor. Dieses vergleichsweise niedrigere
Defizit kann aber nur aufgrund der – angenommenen positiven - Beiträge der
Länder und Gemeinden erreicht werden.
Administratives
Defizit des Bundes steigt kräftig
So ist laut
Angaben des Finanzministers geplant, das Maastrichtdefizit des Bundes 2006 von
derzeit 2,4% auf 2,2% des BIPs im nächsten Jahr zu senken, allerdings darf
nicht übersehen werden, dass gleichzeitig geplant ist, das administrative
Defizit des Bundes von 2,2% auf 2,3% des BIPs anzuheben. In absoluten Zahlen
bedeutet das im nächsten Jahr einen Anstieg des – nicht nach den
Maastricht-Kriterien bereinigtes - Defizit des Bundes - um 359 Mio. Euro
gegenüber dem Vorjahr 2005. d.h. wird von einem Sinken des Defizits gesprochen,
so ist das nur die halbe Wahrheit – das administrative Defizit wird nach den
vorgelegten Plänen des Finanzministers im nächsten Jahr angehoben.
Langer
zeitlicher Abstand zwischen Voranschlag und Vollzug sehr problematisch
Bei dem
vorliegenden Budget handelt es sich eigentlich um den zweiten Teil eines im
vorigen Herbst fertig ausgehandelten de facto-Doppelbudgets 2005/2006. Viele
Ansätze sind in den Jahren 2005 und 2006 daher völlig deckungsgleich und
sämtliche erfolgten Anregungen während der Budgetberatungen 2005 wurden bzw.
konnten daher in keiner Weise im Budget 2006 berücksichtigt werden.
Das Bundesbudget
2006 stützt sich auf die Daten der WIFO-Konjunkturprognose vom Dezember 2004,
wonach das nominelle BIP im Jahr 2006 um 3,9% (real 2,3%) steigen wird. Diese
Konjunkturprognose ist somit zu Beginn des Vollzugs des jetzt vorgestellten
Bundesvoranschlags 2006 bereits mehr als 13 Monate alt. Die große zeitliche
Entfernung zwischen Beschluss des Budgets 2006 und tatsächlichem Vollzug macht
eine sinnvolle Unterlegung der im Budget enthaltenen Zahlen mit
Konjunkturprognosen unmöglich. Selbst das WIFO bestätigt, dass der
Konjunkturprognosefehler bei der Septemberprognose
+/- 0,5 Prozentpunkte, bei der Frühjahrsprognose schon +-1
Prozentpunkt beträgt. Wir haben es aber bei dem Budget 2006 mit einer um ein
weiteres halbes Jahr zurückliegenden Prognose zu tun. In mehr als einem Jahr
kann sich sehr viel ändern und es ist daher kaum anzunehmen, dass die Zahlen,
die auf der Dezemberprognose 2004 basieren, im Jänner 2006 noch wirkliche
Aussagekraft haben.
Wahltaktischer
Budgetzyklus statt Konjunktur- und Wachstumspolitik
Laut
Stabilitätsprogramm steigert der Bund also sein Maastricht-Defizit in den
Jahren 2005 und 2006 auf 2,4 und 2,2% des BIPs. Nach den Wahlen 2006 soll das
Bundesdefizit 2007 plötzlich auf 1,4% und 2008 auf 0,75% des BIPs sinken, um so
2008 mit den Beiträgen der Länder und Gemeinden wieder ein „Nulldefizit“ zu
erreichen.
Diese
Vorgehensweise, vor den Wahlen kräftig auszugeben (d.h. Wahlzuckerln verteilen
zu können), um nach den Wahlen wieder zu „konsolidieren“ (d.h. einzusparen und
zu kürzen) stellt einen klassisch wahltaktisch motivierten Budgetzyklus dar. Auch die Europäische Kommission hat Zweifel an dem von der
Bundesregierung vorgelegtem Stabilitätsprogramm artikuliert.
Die Länder sollen
laut Stabilitätsprogramm in den Jahren 2005 und 2006 0,6% des BIPs, im Jahr
2007 0,7% des BIPs und im Jahr 2008 0,75% des BIPs an positiven Überschüssen
erwirtschaften. Die Gemeinden (ohne Wien) sollen über diesen Zeitraum
ausgeglichen bilanzieren.
Experten sind sich
einig, dass es erheblicher Kraftanstrengungen der Länder brauchen wird, um
diese vom Finanzminister erzwungene Ziele zu erreichen. Schließlich haben die
Länder ihre bisherigen Maastricht-Überschüsse, die an den Bund abgeliefert
wurden, hauptsächlich über statistische Einmaleffekt erreicht, die nun
ausgereizt sind. Burgenland und Steiermark haben bereits angekündigt, dass sie
ihre Stabilitätsbeiträge in den nächsten Jahren nicht erbringen werden können.
Bei den Gemeinden wird angesichts deren angespannten Finanzlage und dem vom
Finanzminister vorgegebenen Ziel ausgeglichen zu budgetieren ein weiterer
Rückgang der Investitionen befürchtet. Weitere negative Auswirkungen auf die
wirtschaftliche Situation ganzer Regionen werden so bewusst in Kauf genommen.
Markante
Fehlprognosen bei Steuerschätzungen
Die Gründe für den
Umsatzsteuerrückgang 2004 sind noch immer nicht restlos geklärt – zumindest in
der Öffentlichkeit. Die für 2006 geschätzten Einnahmen aus der Umsatzsteuer
liegen unter dem angenommen Wachstum des privaten Konsums, sind also sehr
defensiv geschätzt. Es drängt sich
der Verdacht auf, dass das Finanzministerium selbst wirklich noch keine
Erklärung für das Zurückbleiben der Umsatzsteuer im Jahr 2004 um 850 Mio. Euro
hat. Hier wäre vertiefende Grundlagenforschung dringend notwendig. Ein
konstanter Personalmangel in der Finanzverwaltung ist sicherlich nicht
förderlich, großangelegten grenzüberschreitenden Karussellbetrügereien auf die
Schliche zu kommen.
Bisher gab es bei
den Einkommens- und Ertragssteuern eher vorsichtige Schätzungen und
darauffolgende „erfreuliche“ Vollzugsdaten – jetzt wird anscheinend auf
Schönfärberei umgestellt.
Vor allem die
Körperschaftssteuer scheint viel zu hoch angesetzt. Zusätzlich ist zu bedenken,
dass die Einnahmenausfälle aus der Gruppenbesteuerung voraussichtlich weit mehr
als die veranschlagten 100 Mio. Euro betragen werden. Auch das WIFO hegt
die Befürchtung, dass die Gruppenbesteuerung im Budget zu niedrig angesetzt sei
und es gibt Experten, die von bis zu 1 Milliarde Euro Steuerausfall für nicht
unrealistisch halten.
Gender
Budgeting wieder nur eine hohle Worthülse
Prinzipiell ist zu begrüßen, dass so wie von Finanzminister Grasser
angekündigt Genderaspekte im Budgetprozess berücksichtigt werden sollen. Die
Angaben, die im Arbeitsbehelf gemacht wurden, haben aber oft nichts mit dem
aktuellen Budget zu tun und sind daher falsch positioniert. Auch die
demonstrativ nicht vorhandene Beachtung dieses Themas durch die von den
Regierungsparteien nominierten Experten im Budgethearing am 8. März - dem
Weltfrauentag - zeigt das geringe
Interesse der Regierung an echtem Gender Budgeting. Weiters wurden keine
der Anregungen, die im Rahmen der Beratungen des Budgets 2005 gegeben
wurde, umgesetzt.
Ein Ausbau und
eine echte Vertiefung dieser Gender Budgeting-Initiative für die kommenden
Budgets bleibt nach wie vor zwingende Voraussetzung um überhaupt weiter den
Begriff „Gender Budgeting“ mit dem Budgetausweis in Zusammenhang bringen zu
dürfen. Wie schon im Jahr 2005 darf die „Gender-Budgeting-Initiative“ auch im
Budget 2006 als weitgehend gescheitert betrachtet werden.
Nachhaltige
Budgetpolitik nicht vorhanden
Die Reduktion der
Dividenden der OeNB (von 261 auf 212 Mio. Euro), der ÖIAG (von 250 auf 200 Mio.
Euro) und der Bundeswohnbaugesellschaften (von 100 auf 0 Mio. Euro) und die
Reduzierung der Erlöse aus Kapitalbeteiligungen von 377 auf 20 Mio. Euro,
erhöhen das administrative Defizit im Vergleich zu 2005 um ca. 556 Mio. Euro.
Es wird einmal
mehr offensichtlich, wie unausgegoren die Struktur des Budgets 2005 war und wie
viele Einmaleffekte bis jetzt stets die Budgets schöngefärbt haben. Nun zeigt
sich schonungslos, dass Einmalmaßnahmen in Form von Unternehmensverkäufen eben
nur einmal Wirkung zeigen und zudem dem Budget keine jährlichen Dividenden von
verkauften Unternehmen zufließen können.
Zukunftsinvestitionen
fehlen völlig - Ausgaben für Bildung und Infrastruktur sinken
Die Universitäten werden weiter ausgehungert.
Die Mittel für die Universitäten werden neuerlich gekürzt. Die Unis
erhalten (Globalbeträge, Ämter der Unis, klinischer Mehraufwand, Hochschulraumbeschaffung,
Bezugserhöhungen) statt 2.661 Mio. (2004) und 2.553 Mio. (2005) im Jahr 2006
nur mehr 2.505 Mio. Euro, also um knapp 50 Mio. Euro weniger als im vorigen
Jahr. Da die Universitäten
ihre Struktureffekte selbst bezahlen müssen, sinken die deren zur Verfügung
stehende Globalbeträge zusätzlich.
Es stehen
weniger Mittel für Pflichtschullehrer bereit.
Die Ausgaben des
Bundes für die Pflichtschullehrer werden gesenkt. Im Jahr 2006 sinken die
Ausgaben von 2.612 auf 2.581 Mio. Euro, also um ca. 30 Mio. Euro.
Die
Infrastrukturinvestitionen sinken.
Die
Infrastrukturinvestitionen sowohl des Bundes wie auch der ausgegliederten
Gesellschaften sind rückläufig. Insgesamt sinken die Infrastrukturinvestitionen
von 3.934 auf 3.711 Mio. Euro, also um 223 Mio. Euro.
Die F&E
Finanzierung steht auf tönernen Füssen
Aufgrund der
niedrigen OeNB-Gewinne ist die Dotierung der Nationalstiftung mit 75 Millionen
Euro durch die Nationalbank im Jahr 2005 nur unter großen Anstrengungen möglich
und für 2006 noch nicht erkennbar gesichert.
Die
Forschungsstiftung mit 3,3 Mrd. Euro Kapital, von der Grasser in seiner
Budgetrede vor dem Nationalrat sprach, gibt es nicht. Es gibt eine
Forschungsstiftung, die ein Stiftungskapital von 1 Million Euro hat und diese
ist und bleibt nichts mehr als eine virtuelle Stiftung unter dem Kuratel des
Finanzministers, durch die bereits bisher vorhandene Gelder (z. B. im Rahmen
des Jubiläumsfonds), d.h. Gelder, die man nicht einmal als neues – zusätzliches
– Geld bezeichnen kann, geschleust werden.
D.h. dem vom
Finanzminister ausgerufene F&E Schwerpunkt des Budgets stehen kaum reale
Fakten gegenüber.
Abschließende
Einschätzung
Die Kritikpunkte,
die bereits zum Budget 2005 formuliert wurden, gelten ebenso für das Budget
2006:
„Die
Erstellung eines de facto Doppelbudgets auf Ministerratsebene ohne
gleichzeitiger parlamentarischer Befassung, bedeutet einerseits eine
inakzeptable Intransparenz gegenüber dem Parlament und führt in der Sache zu
den bekannten Problemen wie vorzeitig überholter Grundannahmen, etc..
Weiters
wird damit ein wahltaktisch motivierter Budgetzyklus und somit ein künftiger Sanierungsbedarf erzeugt und lässt zu
schlechter letzt höchst ungerechte Verteilungswirkungen entstehen. Damit kann
in keiner Weise von einer vorausschauenden Budgetpolitik gesprochen werden.“
Das im Rahmen der Lissabon-Strategie formulierte Ziel “to become the
most dynamic and competitive knowledge-based economy in the world capable of
sustainable economic growth with more and better jobs and greater social
cohesion, and respect for the environment.” [1] ist also für Österreich
mit diesem Bundesvoranschlag 2006 einmal mehr nicht in Angriff genommen worden.
Aus den
genannten Gründen wird die gegenständliche Regierungsvorlage abgelehnt.