860 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Regierungsvorlage

Bundesgesetz über lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen

Der Nationalrat hat beschlossen:

Ziel

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz bezweckt die Begrenzung oder die Reduktion einer erwiesenen Fluglärmbelastung bei Flughäfen mittels Betriebsbeschränkungen. Dieses Ziel soll mit einem Höchstmaß an Umweltnutzen unter Bedachtnahme des öffentlichen Interesses der Sicherheit der Luftfahrt möglichst kostengünstig erreicht werden.

(2) Durch dieses Bundesgesetz wird die Richtlinie 2002/30/EG über Regeln und Verfahren für lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen der Gemeinschaft, ABl. Nr. L 85 vom 28.03.2002 S. 40, umgesetzt.

Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) „Flughafen“ ist ein Flughafen gemäß § 64 des Luftfahrtgesetzes, BGBl. Nr. 253/1957, mit mehr als 50 000 Flugbewegungen ziviler Unterschallstrahlflugzeuge im Kalenderjahr (Starts oder Landungen) unter Berücksichtigung des Durchschnitts der letzten drei Kalenderjahre vor In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes auf den betreffenden Flughafen.

(2) „Ziviles Unterschallstrahlflugzeug“ ist ein Flugzeug mit einer höchstzulässigen Abflugmasse von 34 000 kg oder mehr oder mit einer für das betreffende Flugzeugmuster zugelassenen Sitzzahl von mehr als 19 Fluggastsitzen, nicht gerechnet die ausschließlich für Besatzungsmitglieder vorgesehenen Sitze.

(3) „Knapp die Vorschriften erfüllendes Luftfahrzeug“ ist ein ziviles Unterschallstrahlflugzeug, das die im Band I Teil II Kapitel 3 des Anhangs 16 des Abkommens über die internationale Zivilluftfahrt, dritte Ausgabe vom Juli 1993, Amendment 7, festgelegten Höchstwerte um eine kumulative Marge von höchstens 5 EPNdB (Effective Perceived Noise in Dezibel) unterschreitet, wobei die kumulative Marge die in EPNdB ausgedrückte Zahl ist, die man durch Addieren der einzelnen Margen (d. h. der Differenzen zwischen dem bescheinigten Lärmpegel und dem zulässigen Lärmhöchstpegel) jeder der drei Referenzlärmmesspunkte, wie sie im Band I Teil II Kapitel 3 des Anhangs 16 des Abkommens über die internationale Zivilluftfahrt festgelegt sind, erhält.

(4)„Bezugszeitraum“ für die Freistellung von in Entwicklungsländern eingetragenen Luftfahrzeugen (§ 7) ist der Zeitraum zwischen dem 1. Januar 1996 und dem 31. Dezember 2001.

(5) „Betriebsbeschränkung“ ist eine lärmrelevante Maßnahme zur Begrenzung oder Reduzierung des Zugangs ziviler Unterschallflugzeuge zu einem Flughafen. Darin eingeschlossen sind Betriebsbeschränkungen, durch die knapp die Vorschriften erfüllende Luftfahrzeuge von bestimmten Flughäfen abgezogen werden sollen, sowie partielle Betriebsbeschränkungen, die den Betrieb ziviler Unterschallflugzeuge je nach Zeitraum einschränken.

(6) „Betroffener“ ist eine natürliche oder juristische Person, die von den Betriebsbeschränkungen betroffen ist oder betroffen werden könnte oder ein berechtigtes Interesse an solchen Maßnahmen hat.

Allgemeine Lärmschutzregeln für Luftfahrzeuge

§ 3. (1) Bei der Planung von Betriebsbeschränkungen gemäß § 5 sind jedenfalls die voraussichtlichen Kosten und der wahrscheinliche Nutzen der verschiedenen möglichen Maßnahmen sowie die Besonderheiten des Flughafens zu berücksichtigen.

(2) Die getroffenen Maßnahmen oder Maßnahmenpakete müssen zur Verwirklichung der für einen bestimmten Flughafen festgelegten Umweltziele jedenfalls notwendig und angemessen sein. Diskriminierung aufgrund der Nationalität oder Identität des Luftfahrtunternehmens oder des Luftfahrzeugherstellers sind verboten.

(3) Für leistungsbedingte Betriebsbeschränkungen ist von dem Lärmwert des Luftfahrzeugs auszugehen, der durch das gemäß Band I des Anhangs 16 des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt, dritte Ausgabe vom Juli 1993, Amendment 7, durchgeführte Bescheinigungsverfahren ermittelt wurde.

Prüfung

§ 4. (1) Im Verfahren über Betriebsbeschränkungen gemäß § 5 sind die im Anhang 1 genannten Informationen zu berücksichtigen, soweit dies für die betreffenden Betriebsbeschränkungen und die Merkmale des Flughafens angemessen und möglich ist.

(2) Müssen Flughafenprojekte gemäß dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000, BGBl. Nr. 697/1993, einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden, wird davon ausgegangen, dass diese die Anforderungen des Abs. 1 erfüllt, sofern bei der Prüfung die im Anhang 1 genannten Informationen soweit als möglich berücksichtigt wurden.

Betriebsbeschränkungen  von knapp die Vorschriften erfüllenden Luftfahrzeugen

§ 5. (1) Ergibt die im Einklang mit den Vorschriften des § 4 durchgeführte Prüfung aller möglichen Maßnahmen, dass, nachdem partielle Betriebsbeschränkungen in Betracht gezogen worden sind, zur Erreichung der Ziele dieses Bundesgesetzes knapp die Vorschriften erfüllende Luftfahrzeuge durch Betriebsbeschränkungen ausgeschlossen werden müssen, gelten für den betreffenden Flughafen statt des in Artikel 9 der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 über den Zugang von Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zu Strecken des innergemeinschaftlichen Flugverkehrs, ABl. Nr.  L 240 vom 24.08.1992 S. 8, vorgesehenen Verfahrens die im Abs. 2 festgelegten Vorschriften.

(2) Der Bundesminister für Verkehr, Innovationen und Technologie kann zur Erreichung der Ziele dieses Bundesgesetzes unter Bedachtnahme auf die Interessen der Sicherheit der Luftfahrt durch Verordnung festlegen, dass

           1. sechs Monate nach In-Kraft-Treten der Verordnung auf dem betreffenden Flughafen keine im Vergleich zur entsprechenden Vorjahresperiode zusätzlichen Dienste mit knapp die Vorschriften erfüllenden Luftfahrzeugen mehr zugelassen werden, und

           2. gegebenenfalls frühestens sechs Monate nach Ablauf der gemäß lit. a) genannten Frist von den Haltern die Zahl der Flugbewegungen der nur knapp die Vorschriften erfüllenden Luftfahrzeuge, die den betreffenden Flughafen anfliegen, um jährlich bis zu 20 % der ursprünglichen Gesamtzahl an Flugbewegungen zu reduzieren sind.

Derzeitige Betriebsbeschränkungen

§ 6. Die Bestimmungen des § 4 und § 5 gelten nicht für

           1. Betriebsbeschränkungen, die bereits vor dem 28. März 2002 erlassen worden sind,

           2. unwesentliche technische Änderungen partieller Betriebsbeschränkungen, die für die Luftfahrtunternehmen auf einem bestimmten Flughafen keine signifikanten Kostenauswirkungen haben und die nach dem 28. März 2002 vorgenommen werden.

Ausnahmen für in Entwicklungsländern eingetragene Luftfahrzeuge

§ 7. Knapp die Vorschriften erfüllende Luftfahrzeuge, die in Entwicklungsländern eingetragen sind, sind in der Verordnung gemäß § 5 für einen Zeitraum von zehn Jahren nach dem 28. März 2002 auszunehmen, sofern:

           1. diese Luftfahrzeuge — mit einem Lärmzeugnis, das die Einhaltung der Höchstwerte des Bands I Teil II Kapitel 3 des Anhangs 16 des Abkommens über die internationale Zivilluftfahrt bescheinigt — den betreffenden Flughafen im Bezugszeitraum angeflogen haben, und

           2. diese Luftfahrzeuge in dem Bezugszeitraum in dem Register des betreffenden Entwicklungslandes eingetragen waren und weiterhin von einer in diesem Entwicklungsland ansässigen natürlichen oder juristischen Person betrieben werden.

Ausnahmen für einzelne Flüge unter außergewöhnlichen Umständen

§ 8. In der Verordnung gemäß § 5 können einzelne Flüge von knapp die Vorschriften erfüllenden Luftfahrzeugen, von den Betriebsbeschränkungen ausgenommen werden. Diese Ausnahmen haben sich auf

           1. Luftfahrzeuge, die im Einzelfall unter so außergewöhnlichen Umständen eingesetzt werden, dass die Verweigerung einer vorübergehenden Ausnahme nicht gerechtfertigt wäre,

           2. Luftfahrzeuge, die Flüge ohne Entgelt zum Zweck von Umbauten, Reparaturen oder Wartung durchführen

zu beschränken.

Verfahren zur Erlassung einer Verordnung gemäß § 5

§ 9. (1) Vor Erlassung einer Verordnung gemäß § 5 hat der Bundesminister für Verkehr, Innovationen und Technologie den Ländern zum Zwecke der Anhörung die Prüfungsergebnisse gemäß § 4 sowie den Entwurf der Verordnung mit einer Erläuterung der Gründe für die Einführung unter Berücksichtigung der Ziele dieses Bundesgesetzes zu übermitteln. Bei der Übermittlung sind die Anzuhörenden zur Stellungnahme innerhalb einer vom Bundesminister für Verkehr, Innovationen und Technologie festzulegenden angemessenen, 6 Wochen nicht unterschreitenden, Frist zu ersuchen. Die Länder sind überdies zu ersuchen, zum geplanten Vorhaben auch unter den Gesichtspunkten der vom Land zu besorgenden Angelegenheiten Stellung zu nehmen.

(2) Weiters sind die Prüfungsergebnisse gemäß § 4 sowie der Entwurf der Verordnung mit einer Erläuterung der Gründe für die Einführung unter Berücksichtigung der Ziele dieses Bundesgesetzes zum Zwecke der Anhörung der Betroffenen durch Anschlag an der Amtstafel in den Anrainergemeinden des jeweiligen Flughafens öffentliche bekannt zu machen und zur öffentlichen Einsichtnahme aufzulegen. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Betroffenen berechtigt sind, innerhalb einer vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie festzulegenden angemessenen, 6 Wochen nicht unterschreitenden, Frist eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

(3) Weiters sind die Prüfungsergebnisse gemäß § 4 und sowie der Entwurf der Verordnung mit einer Erläuterung der Gründe für die Einführung unter Berücksichtigung der Ziele dieses Bundesgesetzes zum Zwecke der Anhörung der Betroffenen vom Bundesminister für Verkehr, Innovationen und Technologie durch öffentliche Bekanntmachung auf der Homepage des Bundesministeriums für Verkehr, Innovationen und Technologie sowie im Amtsblatt zur Wiener Zeitung kundzumachen. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Betroffenen berechtigt sind, innerhalb einer vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie festzulegenden angemessenen, 6 Wochen nicht unterschreitenden Frist eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

(4) Die Anhörung gemäß den Abs. 1 bis 3 hat

           1. bei Maßnahmen aufgrund von § 5 Abs. 2 Z. 1. zumindest sechs Monate vor dem geplanten Wirksamwerden der Maßnahme,

           2. bei Maßnahmen aufgrund von § 5 Abs. 2 Z. 2. zumindest ein Jahr vor dem geplanten Wirksamwerden der Maßnahme

zu erfolgen.

Verweisungen

§ 10. Soweit in diesem Bundesgesetz auf Bestimmungen anderer Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese, sofern nicht anderes angeordnet ist, in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

In-Kraft-Treten

§ 11. Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Juli 2005 in Kraft.

Vollziehung

§ 12. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betraut.


Anhang 1

Informationen gemäß § 4

1. Aktueller Stand

        1.1. Beschreibung des Flughafens, einschließlich Angaben über Kapazität, Lage, Umgebung, Flugverkehrsaufkommen, Verkehrsmix und Startbahnmix.

        1.2. Beschreibung der Umweltschutzziele für den Flughafen und vor dem Hintergrund des ganzen Landes.

        1.3. Angaben über Lärmkonturen des laufenden Jahres sowie der vergangenen Jahre - einschließlich der geschätzten Zahl der vom Fluglärm betroffenen Menschen. Beschreibung der für die Ermittlung der Konturen angewendeten Berechnungsmethode.

        1.4. Beschreibung der bisherigen Maßnahmen zur Verminderung des Fluglärms: z.B. Angaben über Flächennutzungsplanung und -verwaltung, Schallisolierungsprogramme, Betriebsverfahren gemäß Doc 8168 der International Civil Aviation Organisation (PANS-OPS), Betriebsbeschränkungen z.B. durch Festlegung von Lärmhöchstwerten, Einschränkung/Verbot nächtlicher Starts und Landungen, Lärmgebühren, Bevorzugung bestimmter Start- und Landebahnen, Bevorzugung/Einhaltung bestimmter Strecken aus Lärmschutzgründen, Lärmüberwachung.

2. Prognose ohne neue Maßnahmen

        2.1. Gegebenenfalls Beschreibung des bereits genehmigten und im Programm vorgesehenen Flughafenausbaus, z.B. Kapazitätserweiterung, Ausbau von Start- und Landebahn und/oder Abfertigungsgebäuden sowie geplanter künftiger Verkehrsmix und erwartetes Wachstum.

        2.2. Im Fall einer Kapazitätserweiterung: Nutzen der zusätzlichen Kapazität.

        2.3. Beschreibung der Auswirkungen auf die Lärmsituation ohne weitere Maßnahmen sowie der bereits zur Verbesserung der Lärmsituation im selben Zeitraum geplanten Maßnahmen.

        2.4. Voraussichtliche Lärmkonturen, einschließlich der geschätzten Zahl wahrscheinlich vom Fluglärm betroffener Menschen - es ist zwischen älteren Wohngebieten und Neubaugebieten zu unterscheiden.

        2.5. Abschätzung der Folgen und des möglicherweise zu zahlenden Preises, wenn nichts zur Verringerung der Auswirkungen des zunehmenden Lärms getan wird - falls diese erwartet werden.

3. Prüfung zusätzlicher Maßnahmen

        3.1. Zusätzliche mögliche Maßnahmen im Rahmen der verschiedenen Möglichkeiten gemäß § 3 Abs. 1, und zwar in Grundzügen unter Angabe der wichtigsten Auswahlgründe. Beschreibung der für eine weitere Analyse ausgewählten Maßnahmen und Angaben über die Kosten ihrer Durchführung, erwartete Zahl der Nutznießer und zeitlicher Rahmen sowie Auflistung der einzelnen Maßnahmen nach dem Grad ihrer Gesamtwirksamkeit.

        3.2. Einschätzung des Kosten-Wirksamkeits- oder des Kosten-Nutzen-Verhältnisses bei bestimmten Maßnahmen unter Berücksichtigung ihrer sozioökonomischen Auswirkungen auf die Flughafenbenutzer: Betreiber (Passagiere und Fracht), Transportdienstleistungsunternehmen, Reisende und Kommunalbehörden.

        3.3. Überblick über die möglichen Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen auf andere Flughäfen, Betreiber und sonstige Betroffene, was die Umwelt und den Wettbewerb betrifft.

        3.4. Begründung der Entscheidung für die bevorzugte Lösung.

        3.5. Nichttechnische Zusammenfassung.

4. Verbindung zu der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm

        4.1. Wurden entsprechend der genannten Richtlinie Lärmkarten angefertigt oder Aktionspläne aufgestellt, sind diese zur Lieferung der in diesem Anhang verlangten Informationen zu benutzen.

        4.2. Bei der Einschätzung der Lärmbelastung (d. h. Lärmkonturen und Zahl der betroffenen Personen) sind zumindest die in der genannten Richtlinie festgelegten gemeinsamen Lärmindizes Lden und Lnight zu benutzen, soweit verfügbar.