874 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (784 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Presse und andere publizistische Medien (Mediengesetz) geändert wird

In der Vergangenheit hat sich im Zusammenhang mit der Auslegung von Bestimmungen des Mediengesetzes im Hinblick auf seine Anwendbarkeit auf „über das Internet verbreitete Inhalte“ wiederholt die Frage ergeben, ob alle Bestimmungen des Mediengesetzes auf „das Internet“ anwendbar sind.

Die Bestimmungen über die Einziehung (§ 33) und die Urteilsveröffentlichung (§ 34) stehen derzeit in einem Spannungsverhältnis zwischen den Interessen des durch eine Veröffentlichung Geschädigten (Persönlichkeitsschutz) und den Aufgaben der Medien (Pressefreiheit nach Art. 10 EMRK).

Die geltende Regelung über den Ersatz von Nachteilen aus ungerechtfertigter Beschlagnahme oder Veröffentlichung (§ 39) wird den praktischen Gegebenheiten nicht gerecht und führt zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden finanziellen Belastung der Allgemeinheit.

Die gegenständliche Regierungsvorlage hat daher im wesentlichen folgenden Inhalt:

         Klarstellung durch Erweiterung der Begriffsbestimmungen und der materiellen Regelungen;

         Ausschluss der Einziehung oder Urteilsveröffentlichung bei einer gerechtfertigten und wahrheitsgetreuen Wiedergabe der Äußerung eines Dritten im Sinn des § 6 Abs. 2 Z 4 sowie

         Schaffung eines grundsätzlich zwischen den Parteien des Verfahrens vorzunehmenden Ersatzes für Veröffentlichungskosten (§ 39) sowie für ungerechtfertigte Beschlagnahme (§ 38a) unter ausdrücklicher Berücksichtigung vertraglicher Einigungen. Beschleunigte Geltendmachung dieser Ansprüche im Rahmen des Medienverfahrens.

Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 19. April 2005 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin die Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Dr. Johannes Jarolim und Dr. Dieter Böhmdorfer.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Dr. Dieter Böhmdorfer einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Zu Z 26 (§ 18 Abs. 3):

Die Änderung steht im Einklang mit dem zu § 6 Abs. 1 Satz 2 vorgeschlagenen Ersatz des Begriffes „Medienunternehmens“ durch jenen des „Medieninhabers“. Es soll ebenso bei der Bemessung der Geldbuße nach § 18 Abs. 3 Satz 1 klargestellt werden, dass auch bei Medieninhabern, die kein Medienunternehmen betreiben, auf die Wahrung ihrer wirtschaftlichen Existenz bei der Bemessung Bedacht zu nehmen ist.

Zu Z 39a (§ 35 Abs. 4):

§ 35 Abs. 1 normiert eine verschuldensunabhängige (Solidar-)Haftung des Medieninhabers eines periodischen Mediums für Geldstrafen und Verfahrenskosten einschließlich Urteilsveröffentlichungskosten bei Strafurteilen wegen Medieninhaltsdelikten. Erkennbarer Zweck dieser Haftungsverpflichtung ist, das Einbringlichkeitsrisiko des Geschädigten zu minimieren (vgl. OGH 8 Ob 88/03d).

Die Solidarhaftung des Medieninhabers bezieht sich nicht nur auf Rechtsverstöße von Medienmitarbeitern, sie erstreckt sich vielmehr auch auf solche von medienfremden Personen. Gerade in den zuletzt genannten Fällen steht die Verantwortlichkeit des Medieninhabers in einem starken Spannungsverhältnis zur Meinungs- und Informationsfreiheit nach Art. 10 EMRK. Wie die RV in den Erläuterungen zu § 34 ausführt, zählt es nach der Rechtsprechung des EGMR zu den Aufgaben der Medien, Informationen über politische Themen oder über sonstige Fragen von öffentlichem Interesse zu verbreiten. Aus diesen Erwägungen schlägt die RV bereits bei der Einziehung (§ 33 Abs. 2a) und der Urteilsveröffentlichung (§ 34 Abs. 3a) vor, bei einer wahrheitsgetreuen Wiedergabe der Äußerung eines Dritten, an deren Kenntnis ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit besteht, den Medieninhaber von den bisher bestehenden Verantwortlichkeiten zu entbinden.

Die selben Beurteilungsmaßstäbe sollten auch auf § 35 angewendet werden: besteht an einem bestimmten Thema ein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse und wird in diesem Bereich die Äußerung eines Dritten von den Medien wahrheitsgetreu wiedergegeben, so wäre es unbillig, den Medieninhaber für die Äußerung der medienfremden Person nach § 35 Abs. 1 haften zu lassen. Die Abwägung zwischen den Aufgaben der Medien einerseits und dem Interesse der Betroffenen auf Schutz ihrer Ehre und auf durch die Mithaftung des Medieninhabers finanziell abgesicherte Rechtsverfolgung andererseits soll in diesen Fällen zugunsten der Medien ausfallen.

Die bestehende Solidarhaftung des Medieninhabers im Fall der wertfreien Wiedergabe einer Äußerung nach § 6 Abs. 2 Z 4 könnte daher einen Eingriff in die Meinungsfreiheit nach Art. 10 EMRK darstellen, der sich wohl kaum durch ein in Art. 10 Abs. 2 EMRK angeführtes Ziel rechtfertigen lässt. Aus diesem Grund wird vorgeschlagen, in Übereinstimmung mit den von der RV vorgeschlagenen Änderungen (§ 33 Abs. 2a und § 34 Abs. 3a) die Haftung des Medieninhabers bei Vorliegen einer wahrheitsgetreuen Wiedergabe der Äußerung eines Dritten (§ 6 Abs. 2 Z 4) auszuschließen.

Da die in § 35 normierte Haftung eine bloß formell, nicht aber materiell eigene Schuld des Medieninhabers begründet, steht dem Medieninhaber in allen übrigen Fällen weiterhin je nach den Umständen des Einzelfalles ein vollständiger oder teilweiser Regress gegenüber dem unmittelbar Verantwortlichen offen (vgl. OGH 8 Ob 88/03d).“

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf in der Fassung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Dr. Dieter Böhmdorfer einstimmig angenommen.

 

Die folgende Ausschussfeststellung wurde ebenfalls einstimmig beschlossen:

„Der Ausschuss hält zu § 21 und § 25 Abs. 5 fest, dass unter "Präsentation des Medieninhabers" im Sinne dieser Bestimmung auch solche Darstellungen zu subsumieren sind, die einen werblichen Charakter zugunsten des jeweiligen Unternehmens aufweisen.

Websites, die sich auf die (wenn auch werbliche) Präsentation des Unternehmens selbst oder seiner Leistungen oder Produkte beschränken, sollen daher nicht die erweiterten Offenlegungsverpflichtungen oder die Pflicht zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung auslösen.

Das in den Erläuterungen angesprochene Erfordernis, den Medienkonsumenten auch die weiteren Einflussverhältnisse im Sinne des § 25 Abs. 2 und 3 transparent zu machen, ist in solchen Fällen nicht gegeben."

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2005-04-19

Mag. Karin Hakl Mag. Dr. Maria Theresia Fekter

    Berichterstatterin                     Obfrau